
Samstag, 11. April 2009
Wenn man just vergessen hat, einen L*nd-Schokoladenosterhasen vom Tisch der sonnigen Frühstücksloggia zu nehmen, will sich Vorfreude einstellen auf einen wunderschönen Herbst. Das Glöckchen um den Hals klang kläglich.

Donnerstag, 9. April 2009
Man wacht auf, die Decke übersäht mit den Traumfetzen der Nacht. Was beim morgendlichen Schwung aus dem Bett aufgewirbelt wird, durch die Luft schwirrt wie eine Traube irregeleiteter Schmetterlinge, gilt es zu sortieren, einzuordnen. Nicht alles kann mit auf die Reise durch den Tag, kann sich den Platz in der schäbigen Aktentasche teilen mit Pausenbrot und Thermoskanne. Da sind die angedachten und halbfertigen Gedanken, Erinnerungen, gute, böse, ein paar unzüchtige, die bleiben natürlich zuhaus, eine bißchen Gram vielleicht, Ärger mit der Fiskalbehörde, dem Stromversorger, Fetzen von heiligem und auch unheiligem Zorn, den man besser zerhäckselt, zerreißt, vielleicht als Würze bewahrt, als kleine Dosis für ein besonders scharfes Mahl. Ein doofer Satz, wie eine häßliche Motte. Eine süße Erinnerung, ein sanfter Geruch, eine Melodie, die je wacher man wird sich in einzelne Töne verliert, ehe sie völlig auseinanderfällt, erst ein Klingelton, dann ein Nichts, auf keinen Fall eine Symphonie, kein Welthit mehr. Eine Vorstellung vielleicht, das Bild eines Strandes, das am Morgen immer grober wird, eine Kinderzeichnung, dann Gekritzel auf einer Tafel. Jeden Tag neues Gepäck, ein neues Sortiment, Begleiter, die man weise wählen muß.
Seine eigene Blogwortwolke kann man auch anders bestimmen, drehen und wenden. (Leider ist der RSS-Feed hier im hermetischen Café nicht richtig konfiguriert, es funkioniert nur mit der schlecht bestückten Außenstelle.)
via Wordle

Mittwoch, 8. April 2009
- Hausmitteilung -
Abends zaubere ich schnell ein paar Putenstreifen, chilischarf, an roter Paprika. Dazu Ciabatta und Miles Davis im Radio. Man mag in der milden Luft bereits an den Sommer denken. Naked chefs in meiner Küche, ans Fenster hänge ich ein paar Lampions. Kochen wie die italienische Freundin, die zu Grabe getragen wurde. Der Flohmarkt in der Hamburger Heimat wird in einer makabren Synchronizität plötzlich zur Testamentseröffnung, das Erbe wird verteilt, strictly nur für Mitarbeiter. Taschen, Bücher der Starautoren, mit dem Namen des Projekts bedruckte schwarze Jacken. Schau, sag ich. Die könnte man zur Beerdigung tragen. Man will sich besser aufstellen, die Schlagkraft erhöhen, die Position ausbauen. Deshalb hat man es jetzt mal tot gemacht. Wie ein Osterlamm, das zuviel Gras fraß. Denk nicht drüber nach, es ist schon in Ordnung. Es sind nur Zeichen, die uns den Weg zum Ausgang zeigen.
Wir tanzen solange das Hasenballett.

Montag, 6. April 2009
Wenn man wie ich die Woche über hart mit eher weichen Sachen arbeitet, steht einem am Ende pflichtschuldigst erregt besungener Tage der erholungssehnsüchtige Hunger nach einem Ausflug in die Gebiete, die in der Stadt des weißkragigen Handels für industriell gehalten werden. Die meinem Stadtteil vorgelagerte Gewerbezone ist demjenigen, der gezwungen ist, seine Mittagspausen in Planten un Blomen oder an derAußenalster zu verbringen, ein sonntagsberuhigtes Elysium.
Schutt, Rost und hingefledderte Fernfahrerlektüre säumen die Wege, mein betagtes Hollandrad ächzt durch Splittermulden, aus denen Glas mir in staubiger Sonne entgegenglitzert, flirrendes Licht zwängt sich durch Maschendrahtzäune, ein melancholischer Rottweiler, der einen stillen Autohof bewacht, wufft mir hinterher, während ich juchzend, Wind bricht sich an meinen Ohrläppchen, so beschwingt geht die Fahrt, dem Geruch von altem Metall und Frühling entgegenreiteradle.
Ich bin das Schienenfahrzeug! rufe ich laut, eile an dösenden Monstertrucks vorbei, die schwarze Schatten werfen, durch die ich hindurchfliege, ein viel schwärzerer als sie, ein quietschender Vogel mit ausgeschlagenem Tretlager und zerschundenen Schwalbe-Reifen, die immer wieder Luft verlieren. Ein schöner Tag, die warme Luft läßt Farbe von den Wänden platzen. Die Menschen flirten wieder, wenn es denn hier bloß welche gäbe.

Sonntag, 5. April 2009
Ein Wochenende zum Auslüften. Den kalten Wind auf dem Flohmarkt ignorieren, in die frühe Sonne blinzeln, sich durchwärmen lassen auf den hölzernen Stufen. Neben mir sitzt ein Mädchen, sie erkundigt sich nach meinen Schätzen und so blättern wir bald gemeinsam in dem schönen Anatomiebuch, das für zwei Euro den Besitzer wechselte. Nerven, Hirn, Gefäße, man muß diesen ewigen Rätseln doch irgendwo auf die Spur kommen können. Die Zeichnungen sind detailliert, aber nirgendwo findet sich der Sitz des Fragezeichens.
Meine Nachbarin bietet mir eine Zigarette an, ich lehne ab und sage, "Komm, ich blätter mal vor zur Lunge, das ist bestimmt lustig". Gute Laune schaffen und ein entspanntes Ambiente, man braucht mich da nur fragen. Heiter sage ich: "Du kannst nicht aus Hamburg sein, da spricht man sich nicht einfach an." In der Tat, unsere Heimatstädte trennt gerade mal eine im gefälligen Trott eines westfälischen Braunen gerittene Halbtagesdistanz. Hamburg erlebt diese kurze Zeitspanne, in der die Blüten und Menschen sich öffnen, die Socken aber noch brav an den Füßen sind.
Daheim muß ich den Keller aufräumen. Wasser ist eingedrungen, die Ursache bleibt mysteriös. Aber es ist doch immer so. Entweder hat man den Schaden im Dach oder ein Mysterium im Keller. Im Licht der Taschenlampe warte ich darauf, daß aus der dunklen Pfütze auf dem Boden ein nasses japanisches Mädchen, das Gesicht von langen schwarzen Haaren verdeckt, emporsteigt. Auch ihr könnte ich sagen, "Du bist doch bestimmt nicht von hier".
Und hätte bestimmt recht. Man schleppt sich im Leben allerhand ein.

Samstag, 4. April 2009
Während auf dem großen Kongreß in der noch größeren Stadt die allergrößten Namen der Szene darüber klagen, daß Blogs zu wenig originären Content produzierten, aber zu viel verlinkten, zitierten und überhaupt parasitär von den alten Medien bloß lebten (und dies von einem, dessen Erfolgsblog der Idee nach schon ein in diesem Sinne bloß abhängiges, parasitäres ist - und ich im übrigen dachte, da liest jemand wohl die falschen Blogs; ich lese solche, die voll sind mit Geschichten und Abenteuern und Erlebnissen, aber die sind den meisten möglicherweise einfach zu unspektakulär), fiel mir eine prima Geschäftsidee ein, die sich zu Nutze macht, daß so sehr viele Menschen unterwegs noch sind ohne ein tragbares Telefon mit Anschluß an dieses Internetz und schlicht auch nicht nachfragen möchten. Beim Mitmenschen. Ein Automat nämlich, eine Maschine, die überall steht, an großen Plätzen, wie ein Fotoautomat, in dem man unzüchtige Bilder macht oder etwas für ein Ausweispapier, und die nach dem Ja-Nein-Prinzip allerlei Fragen beantworten kann. Am Ende bekommt man eine kleine Karte ausgedruckt, gleich einem Beförderungsausweis - und das ist es schließlich auch -, auf der dann meinetwegen steht >>Sie sind blond<< nachdem man sich durch Verästelungen wie >>Ich habe Haar<< >>Es ist hell<< >>Es sieht aus wie bei Brigitte Bardot<< usw navigiert hat. Expertensysteme nannte man das früher, als Überlegungen zur künstlichen Intelligenz sehr en vogue waren. Was einem halt so einfällt im Morgengrauen nach einer langen Nacht und einem gleich sehr genial erscheint oder wenigstens folgerichtig. Es gibt einen Namen für solche Maschinen, aber ich komme nicht drauf. Die Antwort auf meine Frage gerade lautet: >>Sie brauchen jetzt mal etwas Schlaf<< Danke, es klingt am Ende immer so einfach. Gute Nacht.

Freitag, 3. April 2009
Es ist an der Zeit, sich wieder draußen zu bewegen. Sich durch die eigene, ganz fadenscheinig gewordene Existenz pirouettieren, die drei K der protektorgestützten rollenden Rasanz (Kevlar, Karbon, Klettverschluß) zum Mantra einer blinkenden Schussfahrt machen. Aus Fliehkraft wird Fluchtkraft, den Malstrom entlanggleiten, immer schneller, wie eine Kugel in der Roulettescheibe. Alles auf die Null, die 37. Zahl.
