
Dienstag, 24. März 2009
Genau so. Nicht lange reden, kein man könnte mal oder irgendwann oder sonst eine Form des ungefähren später, sondern einfach machen, unterm Arm packen, mitnehmen. Danke noch einmal, ich bin sehr entzückt. In letzter Zeit war ich wiederholt angenehm überrascht, wenn alte Helden ihre kleinen Auftritte haben. Neulich die (leider live verpaßten) Buzzcocks, nun eben Wire. Da gesellen sich drei ältere Herrschaften neben einer jüngeren Gitarristin auf die kleine Bühne im neuen, alten Hafenklang und zeigen, was mir an Typen wie, nehmen wir, David Byrne nicht gefällt. Während letzterer ein alternder prätentiöser artsy-fartsy Bohemien im Kaschmiranzug geworden ist, demonstrieren Colin Newman und Co wie man in Würde der Rente entgegenlebt. Die Briten sehen nämlich aus als würden sie unter der Woche die Werkstattleitung bei Autohaus Schmidt & Sohn versehen. Oder die Gemüsetheke im Rewe an der Ecke.
Was ja nicht heißt, daß man nicht eine Menge Lärm machen kann. Während Axel K. mit ruhiger Hand seine Kamera ins Getöse hält, andere, ich sah es genau, mit einem gewissen Schmelz in den Augen die Oberarmmuskulatur des Schlagzeugers betrachteten, ließ ich mich eine Wolke aus Geräusch hüllen, ein Outdoor Miner auf dem Weg in den Postpunk-Bergbau. Wire trugen Schicht um Schicht ab, räumten den Schutt beiseite, das tumbleweed, das die Vorband hinterlassen hatte (die so eine Art Indianer-Prog-Country-Rock auf Peyote machten, was - ich trank mir das schön - notenweise an die Stimmung im Pink Room erinnerte. Es tanzten aber weder Zwerge über die Bühne noch haben Mädchen Kirschstengel im... nun ja, wir waren ja wegen Wire da).
Immer kurz, präzise, zwei, drei Minuten Stakkato, Practice Makes Perfect, gern hätte ich noch Heartbeat gehört, aber Fly in The Ointment und andere Hits fehlten ebenso. Dafür vieles vom neuen Album Object 47 ("Willst du dir das T-Shirt kaufen? Kannst du in zehn Jahren tragen.")
Im Publikum die ein oder andere Genußmittelproblemgestalt aber auch meine ehemalige Lieblingsfernsehmoderatorin, damals, als sie nachts bei Tele5 die ganzen Punk- und Indie-Videos moderiert hat. Ein Abend ohne Schnickschnack, bloß zum Schluß eine aufondolierte Version von 12XU, Gedanken, die man schon mal hat, wenn man wütend ist.
Wenn man aber mit Frau Grey anschließend nachts am Hafen spaziert und den Lärm aus den Ohren schüttelt, wie kann man da noch wütend sein? Es sind diese Momente, die man mitnimmt. Leichtes Gepäck und sehr gewichtig.
>>> Offizielle Webseite von Wire

Samstag, 21. März 2009
This night i wrestle with pride on the floor
That's cos you don't look back like i look back
That's cos you don't look back like i look back
(The Duke Spirit, "My Sunken Treasure")
Regelmäßiger vorbeischauen, hieß es zuletzt. Berlin in kleinen Dosen, quasi mal vorbeipaddeln, Elbe und Spree, ein Boot führen und nicht nur Gast sein. Eigene Orte schaffen, neue Erinnerungen, die den Blick durch zerkratzte S-Bahn-Scheiben überlagern, wenn draußen wehmütig bekannte Stationennamen vorbeiwischen.
Museum für Kommunikation also, viel Andrang, Gläser klirren, ziehen Menschen an wie eine Lockrufpfeife. Nachdenken über Distanz und Distanzlosigkeit, soziale Scharaden und Dos and Don'ts auf dem Gesellschaftsparkett. Oder besser nicht. Das ist mein Abend, denke ich, beiße mir auf die Zunge, als im Treppenhaus ein Satz an mich gerichtet wird, zu dem ich gleichzeitig "Ja, natürlich, sehe ich genau so" und "Nein, das ist doch nur ein Bild für etwas anderes" sagen möchte. Aber falscher Ort, falscher Anlaß, falsches Gegenüber für so etwas verquer Zerrissenes, Mißverständliches gilt es auszuhalten - und den Springteufel lassen wir an diesem Abend besser im Kästchen. Zumal der Haken bedrohlich geöffnet wurde. Schweigen also im Museum für Kommunikation, ich betrachte die Wände, vor die man gemeinhin die Sachen fährt.
Eigentlich ist der Abend ein Bloggertreffen, dabei gehe ich gar nicht mehr zu so etwas. Wie sich das anhört. Als seien Menschen aus Papier. Mek, Miss Monolog, Kinky und Frau Kopffüßler sehe ich, Frau Casino hat es zu meiner Freude noch geschafft, sagt mir etwas für mit auf den Nachhauseweg, Frau Gaga macht sich leichtbestrumpft davon, das hingegen wird ein Nachspiel haben.
Fliesensuchen, eng bekritzelte Tagebücher aus echtem Papier bestaunen, dann das Holzklotzdiarium von Anke Gröners Opa. Das ist wirklich wunderbar. Sehr faszinierende kleine Details überall, aber ich bin zu hibbelig, ich bin zu aufgebracht, ich bin zu aufgedreht, ich würde gerne allen am Ärmel zupfen, eine Rauchen, einen unglaublich geistreichen Witz reißen, der das toll illuminierte Glasdach aus dem Lichthof sprengt. Oder etwas ganz anderes.
Es gibt schlimmeres, sage ich mal mit hanseatischer Nüchternheit, als zwischen Madame Modeste und Anousch zu sitzen und darüber nachzudenken, ob Nüchternheit wirklich eine Option ist. Während das Gespräch auf nautische Themen kommt, entwickeln Wortschnittchen und 40Something die Idee einer Blogger-Kommune im noch näher zu definierenden Osten. (Ich bleibe dabei, es muß Wasser in der Nähe sein.) Wo aber werden wir unsere Leichen verscharren?
Den Abend über versuche ich, ein Bonmot zu formulieren, das sich um das Produkt dreht, daß Anouschs und meine Heimatstädte verbindet: die Rauhfaser. Irgendwas mit wie etwas in verschiedenen Farben daherkommen kann, aussieht wie eine grobverputzte Wand. Und darunter doch nur, na ja, Papier. Ein Bild nämlich über etwas Zerrissenes. Es klingt albern, es klingt falsch. Berlin ist immer noch nicht richtig, und vielleicht sind an diesem Abend die Menschen einfach zu nett zu mir. Ich möchte Madame Modeste sagen, wie toll sie aussieht, ich möchte schreien, ich möchte laut rufen "Entschuldigung" (kann man ab und zu mal tun), sagen, daß es weh tat, ich möchte etwas in mein Tagebuch schreiben, eine Frage formulieren. Wie oft wohl kann man sein Herz verlieren?
"Der Rest", heißt es bei PeterLicht, "ist Hobby."
("@bsolut Privat!?". Museum Für Kommunikation, Berlin. Bis zum 30. August 2009.)

Freitag, 20. März 2009
Auch merkwürdig. Ich bin in Berlin, und es scheint die Sonne. Es gibt Dinge, über die sich nachdenken ließe. Oder besser einfach nicht. Sonne also.

Mittwoch, 18. März 2009
Gestern in der Mittagspause mal die von der Sonne entfesselten Glieder (Ha! Ha! Houdini!) in den japanischen Garten geführt. Dortselbst einen Zen-Gedanken ausgeharkt, einen simplen also. Ein bißchen mehr Schwermut stünde mir gut, sprach ich zur zitternden Wasserfläche, zu einem Fisch namens Blub. Allein die Zeit, die liebe Zeit. Wo soll ich denn dafür jetzt noch welche haben. Schwermut. Lieber mal das Bad neu fliesen. Das große Tafelbild beenden. Schwermut. Meine Güte. Bald ist schon wieder Sommer, wenn man nicht aufpaßt. Und man denkt, auch dafür fehlte Zeit. Nicht weinen, heißt es, arbeiten. Es heißt, emsig sein wie eine Ameise und selbst dabei noch milde Gedanken hegen wie die Luft, die einen streift. Eine duftende Welt aus Büchern besitzen, Dinge aus schmalen Augen betrachten, bis sie ihre Form verlieren. Einfach nur so. Man muß sehen, nicht nur passiv, man kann doch die Bilder nicht im Kopf behalten. Heute im Park strömten Menschen unter die Bäume und beteten Knospen und kleine grüne Blattspitzen herbei. Als wüßten sie nicht, daß schon bald wieder Herbst ist.

Montag, 16. März 2009
Man kann nicht jeden Tag urban sein. Aber wenn man die Metropole in sich trägt, ist die Metropole auch immer dabei. Selbst wenn man am Wochenende in das eher beschauliche Städtchen Buxtehude fährt. Mit Stulle, Wanderstock und einer imaginierten Karte im Kopf will man so schauen, was das Alte Land neugierigen Blicken zeigt. Backstein reiht sich an Backstein, Fachwerk und Lebkuchenhäuschen, der Tourist sagt "pittoresk" und hält das Köpfchen so schief wie die stürzenden Linien der Häuserfronten.
Es ist was los in Buxtehude, freundliche Menschen, sehr freundliche Menschen, ein Hase, zwei Igel und demnächst kann man dort Kometen sehen. Die Stadt hat Witz und die Tochter von Rudi Carrell. Und ein Kino mit einem sehr eigenen Charme, der im einsetzenden Nieselregen voll erblüht. Denke ich mal. Und wenn es regnet, halten die kleinen Jungs auf ihren billigen Fahrrädern die Einkaufstüten enger am Körper. Es sind diese Städtchen, die man von außen betrachtet, aber von innen nur sehen kann.

Freitag, 13. März 2009
Ganz am Ende dann, jenseits aller Selbstergriffenheit, sollte es besser so sein.
(Vielleicht ohne die gepunktete Krawatte.)

Donnerstag, 12. März 2009
Wann eigentlich genau entschwand das Wort Gegenkultur?
