
Montag, 16. Februar 2009
Ein romantischer Tag in Leder, elftausend Ruten aus Weidenkätzchen, ein intensiver Zuckerguß über dem Nachdenken. Die brüchige Fläche des Krakeleelacks, Sprünge im Zarten, feine Risse unter der Haut, im dunklen Keller das schwere Gerät: Hammer, Feile, Stichsäge. An rostigen Eisenketten der Homo faber des Baumarktwesens.
In diesem Haus gibt es ein paar sehr hübsche Details, wie ich sie mir für mein eigenes Zimmer unter den Wolken wünsche. Man kommt ja bald wieder dahin, alte Bahnhöfe renovieren zu wollen. Wenn außer Zeit und vielen Ideen nichts mehr vorhanden ist.
Wenn karierte Holzfällerhemden über den Ringelpulli gezogen werden, um die Hüfte nur der Werkzeuggurt.

Freitag, 13. Februar 2009
Schön, wenn man morgens überrascht wird. Mit einem freundlichen Gedanken oder Bild oder bloß dem Gefühl einer Schneeflocke, die auf der Nasenspitze zerschmil... So, jetzt aber nicht gleich durchdrehen, denn gegen Ende der Woche werden die Schritte, die da müde durch den Schnee stapfen, schwerer bereits. Mein Freitag, der 13. Bis ich ans Tor der großen Fabrik gelangt bin, sehe ich aus wie ein wandelnder Schneemann, ein schwarzer Schatten, auf den Streifen um Streifen weißer Schnee sich gelegt hat.
Bei Good Winter erinnert man sich an den Valentinstag der 3 Akkorde. Morgen ist wieder Herzchentag. Wer dazu etwas sagen möchte, hier ist die Gelegenheit (via Gedankenträger). Die Hälfte der Notizen habe aber ich bereits befüllt. Ich liebe euch mehr als den Schnee, der endlich das Schreien erstickt.

Mittwoch, 11. Februar 2009
Mein Tipp: Wenn Du etwas im Leben werden willst, solltest Du Deinen Kleidungsstil schnell ändern oder Du wirst immer eine Außenseiterin bleiben. Dies nur als gut gemeinter Rat einer jungen erfolgreichen und modebewussten Jurastudentin (gebe Dir gerne Styling-Tipps). Bedenklich finde ich auch, dass Du und andere hier Punkerin oder "Emmoerin" nicht nur optisch, sondern auch von der Einstellung sein wollen. Ich wusste da nicht viel drüber, aber meine Großcousine hat mir aus ihrer Jugend nur üble Dinge berichtet: linke Randale, Pöbeleien und Menschen, die sich schick gekleidet haben und erfolgreich waren - sogenannte "Popper" wurden damals von Punkern sogar verprügelt. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es das nicht mehr gibt und wir wieder mehr Ordnung haben.
Antoinette

Montag, 9. Februar 2009
Regnete es durch deine Löcher rein.
Manchmal flickte dich meine Mutter,
Am Ende blieb der Fäden Schein.
Fünfzehn Jahre waren wir uns nah. Fünfzehn Jahre warst du mein Begleiter, beständiger als jede Frau in meinem Leben. "Formtreu" seist du, das hattest du versprochen, und vielleicht ist das die einzige Treue, die es heutzutage gibt. Fünfzehn Jahre warst du mir Geländer, ein Halt, eine Decke, an regnerischen Tagen manchmal auch ein ganzes Zelt. In deine Schultern sickerten Tränen, an deinen Kragen rieb sich Puder, an die Ärmel Bier und Rotz. Das Alter, die Erfahrung verliehen dir einen Glanz, den manche schäbig nannten. Für mich warst du mein schlecht gekämmter Hund: Im Spülsaum unter den zerrissenen Taschen sammelten sich Büroklammern, Kinokarten, Staub und Sediment, eine abgetragene Existenz und schurwollener Fingerabdruck.
Schließlich kam der Tag, wie diese Tage endlich kommen. Wir mußten uns trennen, waren auch die Herzen schwer. Dir alles Gute, Freund, und sorg' dich nicht um mich.

Sonntag, 8. Februar 2009
Wenn sich ein Material am Wochenende sichtbar in den Vordergrund geschoben hat, dann ist es Holz. Erst tändelte ich stundenlang wie ein staatlich beeideter Materialprüfer durch den Baumarkt, verglich und maß und roch und rieb, Buche hier, Pappel da, alles im Dienste meines neuesten Home Improvement-Projektes - bis mir das Schild auffiel, daß "aus technischem Gründen" an diesem Tag kein Zuschnitt möglich sei. Aus technischen Gründen hätte ich am liebsten randaliert, aber auch als Berufsjugendlicher ist man keine Zwanzig mehr. So ging ich zwar holzlos, aber dafür mit Schleifpapier und einer sogenannten Fugenlippe (für das übernächste Projekt) nach Hause. Herr Krüger präsentierte an diesem Abend neue Kunst und einen noch neueren Holzfußboden, ein Umstand, den ich gerne zu erweiterten Fachsimpelei genutzt hätte, umfaßt mein Nachtgebet seit einiger Zeit doch die Vokabel "Fertigparkett".
Leider aber mußte ich schwänzen, auch wenn ich gerne ein paar Wolken ins Gesicht gelacht hätte.
Der Helium Cowboy hatte nämlich ebenfalls Holz in der Hütte: Die junge Hamburger Künstlerin Lena Schmidt zeigt dort gerade interessante Arbeiten, bei der Maserung und Dellen von Fundholz Stadtlandschaften freilegen, karge, reduzierte Straßen- und Industrieszenarien, herausgekratzt irgendwo zwischen Lynch und Hopper, aber eben menschenleer. Sehr schön, und daraus hätte ich dann gerne Parkett.
(Lena Schmidt: "Urbanscapes". Heliumcowboy Artspace, Hamburg. Bis zum 6. März 2009.)

like I look back .
(The Duke Spirit, "My Sunken Treasure".)
Regnerische Nacht. Der Geist der Jon Spencer Blues Explosion scheint in mich gefahren zu sein, meine schweren Schuhe schieben durch die Pfützen, zersprengen die Spiegelungen der Neonlichter in hundert kleine Funken. Ich betrachte mein Scherbengesicht. Irgendwo hustet ein Hund.
Minni Bar. Dort verbrachte ich einst einen meiner wunderbarsten Abende mit einer ebenso wunderbaren Frau. Ich war nicht wenig in ihre aufregende Sanduhrfigur verliebt, und sie wußte das genau. Während belanglos gewordene Musik meine noch weitaus belangloseren Worte untermalte, genossen wir beide die Situation, denn wir beide wußten, daß wir nur Schauspieler waren. In unserem eigenen Film. Sie mochte das, sie lachte, und ich war bereit zu inszenieren. In der Tasche trug ich den Schlüssel zu einer Wohnung ganz in der Nähe, in der wir den Rest der Nacht verbrachten. Im stillen Gebet, bei dem wir uns gegenseitig unsere Sünden beichteten, lachten und den fremden Geruch atmeten, wie ihn nur unbekannte Räume haben. Am nächsten Morgen fuhr sie nach Hause, ich räumte die Wohnung auf, verschloß die Tür und traf ein paar Leute in einer Galerie, wo man die Reste einer Party zusammenräumte.
Jetzt, Jahre später, bin ich ein verkrachter Drehbuchautor, der für die Degeto interessante Hollywood-Stoffe auf deutsche Verhältnisse überträgt. Gerade arbeite ich an Da wo die schwarze Schlange murmelt (das Wort "stöhnt" ist für die Degeto zu hart), nach einer Vorlage mit Samuel L. Jackson. Darin wird Hansi Hinterseer (angefragt) eine junge gefallene Dorfschöne mit Heimatmusik und Bibelsprüchen von ihren losen Neigungen heilen, während er sie in seiner Almhütte an der Wasserpumpe angekettet hält.
Was für ein Blödsinn alles möglich ist. Nach ein, zwei Bieren in der Nacht.
Never let go.

Freitag, 6. Februar 2009
Ach. Dafür war also dieser Knopf.

Donnerstag, 5. Februar 2009
Jetzt ist er hin, der letzte große Müllmann des Rock'n'Roll. Immer verläßlich wie die Männer in den orangefarbenen Westen hat er die geschätzten letzten hundert Jahre den Dreck aus zerschundenen Trash-Mythen gekratzt und in einem großen Ascheimer unter lautem Dengeln und Röhren so lange verrührt, bis das Publikum zu Teenager- Werwölfen wurde. Lux Interior wurde gerade mal 62.
>>> The Cramps, You've Got Good Taste
