
Freitag, 29. September 2006
in der meine Träume sich letzten Endes
nicht sehr von denen einer anderen Nacht
unterscheiden. Meine Hände werden besser
als die Dunkelheit mein Gesicht verbergen.
(Louis Aragon, "Das Wort fürs
Gegenteil". Wahr-Lügen. 1980.)
Die Nacht wie bittere Schokolade. Herbes Knuspern synchron zum Herzschlag. Der Herzschlag, ich fühle den Herzschlag. Der Morgen versteckt im zerschlafenen Kopfkissen. Die Daunen zusammengeklebt von Blut oder Schweiß oder Tränen; das Ruhebett ein klumpiger Sack, in dem niemand mehr träumt.
Die Seele indes ein schrumpelnder Ballon, der Zentimeter über der kratzigen Pferdedecke schwebt. Verknotetes Haar, ein Spuckefaden hat sich in der Nacht gelöst, kriecht entlang am Eisengestell, tropft auf die glasigen Schnecken, die dort unten ihr Lager haben.
Sanfte Stille. Im Staub nur das Ticken einer klagenden Uhr. Was haben sie nur mit dem Lied getan? Ich krieche hinaus, ein Buch zwischen den Zähnen, eine getrocknete Blume fällt heraus. Ich will eine Dusche, ich will etwas trinken und sei es nur gestriger Alkohol. Die lähmende Stille, der trockene Schweiß auf den Körpern, wie kann ich da noch Briefe schreiben, sag? Hinter dem Vorhang liegt ein Tag. Grau wie gewöhnlich, schleicht er sich herein. Legt grußlos Mantel und Hut vorn in die Diele, streicht sich durchs schüttere Haar, hält dabei die kunstlederne Tasche unter den Arm gepreßt. Wirft mir einen verächtlichen Blick zu und verschwindet, schleicht sich zur nächsten Tür. Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Ich höre meinen pfeifenden Atem, dann nichts mehr. Dann nur noch dieses schreckliche Geräusch aus dem Hinterzimmer.

Donnerstag, 28. September 2006
Na gut. Bewerben kann man sich ja mal. Auch wenn das bedeutet, zusammen mit Liv Tyler drehen zu müssen.
(Ich wünschte, mir stünde ein größeres Budget zur Verfügung. Ich könnte ein wunderbar nostalgisch-opulentes Kostümblog ausstatten.)

Dienstag, 26. September 2006
denn dann besitzt jeder kleine Zwischenfall
das Privileg eines Wunders.
(Fernando Pessoa. Buch der Unruhe. )

Man kann nicht immer das gleiche essen, behaupten manche, denen es vielleicht an Vorstellungskraft gebricht. Denn ich, ich stelle mir einfach vor, mein Käsebrot sei einfach ein... anderes Käsebrot. Schon bin ich aufgeregt, erfreue mich an der wohldosierten Abwechslung. So aber begab es sich, daß große Not einkehrte nach sieben Tagen in der Fremde. Und Männer und Frauen taten, was ihnen ein inneres Gespür befahl. Sie, die da geht in Weizenblond, zog hinaus, neue Strände zu entdecken und sich bei mildem Galão Geschichten umso härterer Männer anzuhören.
Von solchen, die gleich mir genetisch darauf programmiert sind, bei 37 Grad Lufttemperatur über endlose, staubige Ausfallstraßen in bislang unbeschriebene Vororte vorzudringen.
Dort, am Rande bereits kartographierter Zivilisation, lungern vornehmlich junge Leute mit eher elastischem Verhältnis zum Thema Substanzmißbrauch auf den Stufen heruntergekommener Häuser und schauen einen aus trüben Augen an. Dort aber liegt auch der den meisten nur durch Legenden und Überlieferungen bekannte Supermercado germanischer Prägung, dessen Papier gewordener Lockruf günstiger Preise und seltener Waren weithin bis in die verbeulten Briefkästen der verwinkelten Alfama zu vernehmen ist. (So versuche man einmal, Kerzen für das romantische Abendmahl außerhalb der Kathedrale zu erwerben! Von Schokolade will ich gar nicht erst reden.)
Der germanische Einkaufskrieger aber wagt sich ins wüste Ungewisse, vorbei an skelettierten Tierkadavern, die an das Schicksal derer gemahnen, die es nicht geschafft haben. Vielleicht, weil sie zu wenig Wasser dabei hatten oder weder die Ausdauer der Bergischen noch die spärlichen Weghinweise, die der freundliche Einheimische vom Touristenbüro auf meine Karte gemalt hatte.
"Little by little" sang ich tapfer vor mich hin, jeden Schritt mechanisch setzend, um in der Hitze unnötige Anstrengung zu vermeiden. Überhaupt heißt die Devise in Lissabon: Sei wie eine emsige Bergziege! Marschiere unermüdlich voran, halte einen Salzleckstein parat und klage nicht über Stufen und Steigungen.
In flirrender Hitze dörrten Sonne und Staub meinen Mund. Über dem weichen Teer der Straße erschienen mir zudem bald Fata Morganas, gelb-blaue Schilder mit dem Signet meiner Einkaufsoase gaukelten mir vor, längst schon am Ziel zu sein. Und tatsächlich, kaum schritt ich durch das finstere Tal der Vorstadt, erblickte ich den gleißenden Parkplatz des teutonischen Händlers. Hier ist Fotografieren übrigens nicht gern gesehen, möglicherweise fürchtete man, der altmodische Herr Kid wolle gleich einen Betriebsrat gründen, eine Institution, die schon im Mutterland dieses Konzerns nicht zu den primären Zielen der Mitarbeiterförderung gehört.
Eingekehrt ins tiefe Tal der Supermangos lud ich schnell mein Wägelchen voll mit Spezereien zu Discounterpreisen, griff mir gar aus grimmer Lust an purer Provokation Mozzarella aus dem Kühlregal. Schluß mit Törtchen und Sardinen! Und endlich wieder Schokolade!
Ein heroischer Tag, zurück zog die Karawane, Schritt für Schritt nach dem andern Schritt über glühende Straßen die Hügel in die Altstadt hoch.

Sonntag, 24. September 2006
Im Rahmen des Reeperbahn-Festivals fand am Wochenende erstmals in Europa das Flatstock statt. Im Vorfeld hätte ich nicht gedacht, daß die Veranstaltung so groß ist: Über 30 Künstler, darunter Szenegrößen wie Tara McPherson und Jay Ryan, präsentierten - unterstützt vom SMart-Mailorder und dem American Poster Institute - ihre Drucke, Aufkleber, Magazine und Originale, und wer sein Portemonnaie nicht ganz fest in die Hose geschraubt hatte, ist an diesen drei Tagen sicher arm geworden. Für Preise ab 10 Euro gab es limitierte Sammlerstücke zu kaufen. Gemäß dem Programm "Kunst statt Rentenfonds" konnte ich mich selbst nicht zurückhalten und erwarb dieses von lässiger Ikonographie geprägte Werk von Tara McPherson, die wie viele Künstler samt ihrer Tattoos persönlich anwesend war. Die Auswahl fiel schwer, aber dann entschied ich mich für den Herrn im Ringelshirt. Gute Wahl, denn wie ich erfuhr, handelt es sich um McPhersons allererste "echte" Posterarbeit überhaupt. Fast übersehen habe ich zuerst die Editionsnummer:
37 von 300. Ganz offensichtlich also meins.
Wer noch mal einen Blick auf Tara McPhersons Arbeiten werfen möchte:
Ab dem 4. November ist dazu in Hamburg Gelegenheit. Dann eröffnet bei Feinkunst Krüger ihre Ausstellung "Lonely Heart".

Freitag, 22. September 2006
Reine Ambivalence: The Forsaken Odes Conglomeration.
Es sieht so aus, als hätte man die hermetische Garage von David Lynch entdeckt.
via Nase

Donnerstag, 21. September 2006
Auf dem weitläufigen "Markt der Diebe", wie der Flohmarkt hinter dem Kloster genannt wird, kaufte ich einer französischen Dame diesen alten Stempel ab. Sie hatte mehrere verschiedene in einem Kästchen, aber dieser war der schönste.
Nun kann ich immer "Sibol" stempeln, sollte mir mal danach sein.

Mittwoch, 20. September 2006
Tote Tiere als Butterbrotsimulakrum.
Herr Nase weiß aber auch, wie man mir den Mund wässrig macht. Vielleicht ist es auch ein Tottiersimulakrum aus Butterbrot. Dann stimmt das wieder nicht.
Wie zwei reife Damen beim Prosecco-Trinken. Gackern aus dem von-Kürthy-Blog.
Na dann: Prösterchen.
Heute bei der morgendlichen Schachaufgabe. Ein Gedanke formt sich aus dem Schwarz und Weiß des Brettes: Das Leben kann elegant sein wie ein unvermittelter Springerzug.
Wow.
Mal eine neue Brille montieren. Auf dem Schild stand garantiert nicht "Monsieur im Einsatz".
Bis der Kopf platzt: Wenn ich nicht gerade in der Wittgenstein-Konkordanz blättere, schaue ich mir neuerdings Monster Magnet-Videos an.
Versagen ist leicht. Ein Fiasko muß man erst einmal hinbekommen.
(Remember: Elizabethtown. Kirsten Dunsts Vater kommt übrigens aus Hamburg und heißt Klaus. Habe ich das bereits erzählt? Egal.)
Aufsprotzender Lärmkatafalk.
(Worte, die ich schon immer mal schreiben wollte.)
