Freitag, 30. Juni 2006


Kippfigur

Och nö. Jetzt auch noch der Gernhardt.


 


Donnerstag, 29. Juni 2006


Das Problemeich ist tot



In der unglaublich beliebten Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr steht nun aus traurigem wie aktuellem Anlaß erneut ein Eichhorn auf der Speisekarte dem Programm. Das Probleme-Ich, oder "der rote Bruno", wie es im Volksmund genannt wurde, rollte sich frühlingshaft verspielt auf den Rücken, präsentierte weißen Bauch und zutraulich zudem den Hals - als plötzlich und unerwartet der Tod eintrat. Still und starr wie der See, ein ebenso keckes wie haariges Ex-Problemeich glubscht eher ausdruckslos von dort in den Himmel, wo jüngst noch Augen Träume bargen. Das war der Tag, damals nach dem Regen, da stand ich vor der Tür, einen Frühlingsstrauß in der Hand. Türen, die sich auf mein Klingeln nicht öffneten, das Leben, das mir die Metaphern entgegenschleuderte, weil die Blumen die Köpfe hängen ließen, und ich, der es hinter den Gardinen rascheln sah. Aber vielleicht bildete ich mir das auch ein.

Und so stolperte ich zurück durch den frischgemulchten Vorgarten, halsentblößt, entliebt, mit hängenden Blumen. Und drückte sie dem Mann dort, dem jungen, in die Hand, welke Pracht aus welkeren Händen. Denn es geziemt sich, wenn man zur Liebsten geht, eine Blume zu bringen. Und kein totes Eichhörnchen.

(Schreibt euch das bitte auf!)


 


Mittwoch, 28. Juni 2006


Mash-Up

Mashen, Mixen und Modden: Was mit Musik geht, macht auch mit Filmen Spaß, wenn auch vielleicht keinen Sinn. Auf Modfilms gibt es Filmmaterial unter Creative Commons-Lizenz (z.B. "Sanctuary" von Michela Hedwidge) zum Runterladen, Rummachen und Rausgeben.

Super 8 | von kid37 um 10:37h | 7 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 26. Juni 2006


Janz Berlin ist eene Meile









Am Samstag dachte ich, da muß man doch mal durch, die Strecke ablaufen, die schwarzrotgüld'ne. Alle möglichen Fans waren dort, nackte Hintern für Fans von ebensolchen, Fans vom Hermetischen Café (freudig winkend, merci!), Fans verschiedener Nationalteams und Fans des anlaßlosen Jubeltrubels. Die Stimmung, und das erstaunt dann mittlerweile doch, ist erstaunlich entspannt. Da hängt auch nicht mehr Krawall in der Luft als auf jedem größeren Volksfest. Natürlich viel "Fünaaale"-Gerufe, im Stadion auch viel rhythmisches "Sieg!"-Skandiere. Aber bitte, solange die Wimpel am 10. Juli brav wieder eingerollt werden, was soll's? Man muß ja nicht überall was wuchern sehen, so wie früher in der 9. Klasse, nach der Ansicht der Aufklärungsfilme des FWU, nach denen man verstört den eigenen Handrücken beobachtete, im sicheren Glauben, dort das Ausbreiten der Syphilis beobachten zu können. Mittelaltermärkte, um nur mal ein Beispiel zu nennen, finde ich politisch viel bedenklicher. Vom Ästhetischen gar nicht erst zu reden.


 


Freitag, 23. Juni 2006


Gott, was waren wir jung

Boy's in bikinis
Girls in surfboards
Everybody's rockin'
Everybody's fruggin'

(The B-52's, "Rock Lobster")


Rock Lobster.

Die Mädchen wollte ich damals heiraten. Beide. Oder wenigstens die Rothaarige.

Ich erinnere mich, wir standen nach einer langen Partynacht mit einigen Leuten draußen im Garten. Über den Baumwipfeln kroch das erste Morgenlicht, jemand holte das letzte Bier, und ich durfte diesem Mädchen unter den Pullover fassen. Mehr passierte nicht. Aber das war spannend genug, wenn man mit abgehackten Bewegungen die ganze Nacht zu B-52's getanzt hatte. Wir waren noch jung und hofften, bald nicht mehr unschuldig zu sein. Diese neue Musik, die man nun überall hörte, hatte diese merkwürdigen Rhythmen, merkwürdige Stimmen und noch merkwürdigere Texte. DEVO, Talking Heads oder eben diese komische Band, die aussah, wie aus einer Folge der Familie Feuerstein entsprungen (worin sie auch Jahrzehnte später landen sollten).

"Why don't you dance with me?" gellte es verzweifelt durch die neonkalten Tanzhallen. "I'm not a Limburger!"

Und doch waren wir oftmals genau das: aussätzig, fremd einander und sich selbst, offenbar von Planet Claire und in eine merkwürdige Zeit geworfen, deren fromme 68er-Lügen immer offensichtlicher wurden. Heiß war der Herbst, und kalt die Herzen. "Rock Lobster" - die späte Stelle, wenn dann endlich, endlich der Baß einsetzt, die tiefen Regionen erreicht... Die B-52's sägten mit ihrem dünnen Plastik-Space-Age-Sound diesen pathetischen Barclay-James-Harvest- und Genesis-Brei einfach entzwei. Wir waren ja vorher so gequält, die jungen Leute können sich das gar nicht mehr vorstellen!

Provinzbengels, deren ältere Cousins bei den Fehlfarben spielten oder wenigstens den Ratinger Hof kannten. Ich erinnere mich an diese schwitzigen Schülerpartys, wo irgendwelche Leute die neuen Platten anschleppten, man dummes Zeug zusammen- sponn, wie das immer so ist, und allgemein eine Richtung suchte. "Planet Claire has pink air". Die Luft hatte einen merkwürdigen Geruch, nein, das war kein Teen Spirit. Die Luft hatte kurze Zeit den Geruch vom Ozon funkensprühender Zündkerzen, von einem Aufbruch, wie er nur alle Jahre spürbar ist. Für mich nie wieder.

Radau | von kid37 um 14:37h | 24 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 21. Juni 2006


Todesfugen

Autumn waters
of this world wake me
from my drunkenness.

Japanische Poesie zum Thema Tod: Haiku Death Poetry. (Zweisprachig.)


 


Dienstag, 20. Juni 2006


SNAFU

There was only one catch and that was Catch-22.
Orr would be crazy to fly more missions and sane if he didn't,
but if he was sane he had to fly them.
If he flew them he was crazy and didn't have to;
but if he didn't want to he was sane and had to.

(Joseph Heller. Catch 22. 1961.)



Situation normal, all fucked up: Noch bis zum 25. Juni verlängert wurde in der Hamburger Kunsthalle die Ausstellung SNAFU - Medien, Mythen, Mind Control.

Ich bin ja leider wie viele Museumsbesucher kein besonderer Freund von Videoinstallationen. Shirin Neshat mit ihren strengen Kompositionen und grafisch eindrucksvollen Filmbildern ist da eine gern gesehen Ausnahme. Aber allzuoft drohen einem muffige Kabinen, in denen man man die wackelnden Einstellungen technisch minderwertiger Videokameras ertragen muß, die der Künstler vor sich her durch Straßen, Müllhalden oder Abbruchhäuser trägt, wenn er nicht zwei Stunden lang in endlosen Loops das Gesicht seiner Freundin zeigt. Ein Experiment in subjektivem Blick, selbstverständlich, toll und gut gemeint, aber oft ein wenig anstrengend oder einfach nur... öde. Nicht meine Tasse Tee.



Unter denen in einen etwas gewollt-konzeptionellen Überbau gezwungenen Videoinstallationen von SNAFU jedoch sind einige Werke, die wirklich Spaß machen. Kybernetik und Systemtheorie, sexuelle Revolution und Jugendkultur sind die Eckpfeiler, an denen die Kuratoren ihre Auswahl filmischer Arbeiten aufgehängt haben. Nicht immer einsichtlich, aber irgendeine Linie muß man halt haben, wie im Leben auch. Mitreißend psychedelisch zum Beispiel die Einblicke in Andy Warhols Factory. So war es dort natürlich jeden Tag, Musik, junge Menschen in Silberfolie, Extase - aber ich fürchte, diese Menschen nahmen auch Drogen, darum schnell weiter.

Im Video von Günter Brus rezitiert Gerhard Rühm aus Baudelaires Die Blumen des Bösen, während nebenan Otto Mühls Wiener Aktionskunsttheater ("Mama und Papa") in einem Cut-Up regelrecht verhackstückt wird. Der Mühl wieder, denkt man, zwischen Blut und Essen und Matsch.
Die obsessive Blumenliebhaberin Veronica Read wurde hier bereits erwähnt, ein documenta-Klassiker von Kutlug Ataman. Diese Installation ist eine ausdrückliche Empfehlung, tolle Frau, völlig skurril, völlig bessessen - und zudem ein sehr interessante Simultan-Präsentation auf vier Leinwanden.

Heimlicher Höhepunkt, und sogleich ins Herz geschlossen ist aber das kleine rote Auto aus dem Video "Rehearsal" von Francis Alÿs. Zu den erst schwungvoll hoffnungsvollen Klängen einer Mariachi-Kapelle nimmt ein VW Käfer Anlauf, einen sandigen Hügel zu erklimmen. Aber immer wieder scheitert der unermüdliche Beetle (Er läuft und läuft und läuft...), begleitet vom enttäuschten Absterben der Musik. Herzzerreißend und belustigend zugleich. Große Metapher selbstverständlich - und der einzige Grund überhaupt, weshalb ich das hier erzähle. Situation normal, all fucked up.

(SNAFU - Medien, Mythen, Mind Control. Verlängert bis zum 25. Juni 2006 in der Hamburger Kunsthalle.)