Samstag, 28. Mai 2005
Und jetzt halten wir alle mal kurz die Luft an.
Ich drück dich.
Natürlich ist es noch ein wenig früh. Aber nun, da die Tickets verkauft und die Tage bis zum Anpfiff der Fußballweltmeisterschaft 2006 gezählt sind, heißt es, sich rechtzeitig warmlaufen. Möglicherweise kamen hier die angeblich echt männlichen Themen bislang zu kurz. Möglicherweise aber möchten sich auch die fußballbegleitenden Damen ein wenig vorbereiten, wenn nächstes Jahr das große Turnier angepfiffen wird. Kam es zuvor zu hitzigen Debatten vor dem Televisionsgerät, weil der nervöse Gatte keine unqualifizerten Bemerkungen duldete, werden die Übertragungen im hermetischen Café ein Fest der Kicker-Aficionados. Wie kommentiert man ein Fußballmatch? Nichts leichter als das mit ein paar gängigen Expertensätzen. Üben Sie gleich heute abend, beim großen Pokalfinale!
Vor dem Anpfiff
Herrlichstes Fußballwetter. Der Rasen gleicht einem Acker. Der Platzwart hat hier alle Hände voll zu tun. Jetzt ist der Rasen natürlich schwer. 50000 begeisterte Fans. Ein Fußballfest. Der schwedische Schiedsrichter hat zuletzt das Endspiel in San Siero gepfiffen. Die Weißen spielen von links nach rechts. Uns erwartet eine Galavorstellung. Das wird ein spannender Fight. Für beide Mannschaften geht es heute um nichts. Jetzt ertönt der Pfiff. Nun heißt es Daumen drücken.
Der Anstoß
Die ersten 45 Minuten haben begonnen. Ich hoffe, Sie haben sich auf eine Verlängerung eingerichtet. Das wird ein vorsichtiges Abtasten. Das wird ein offener Schlagabtausch. Beide Teams sind taktisch hervorragend eingestellt. Die Pärchen haben sich schon gefunden. Wie erwartet: Die Nummer Zehn wird eng gedeckt. Der wechselt ja für zehn Millionen. Man nennt ihn auch den Alpen-Maradonna.
Das Spiel dauert 90 Minuten
Er kann sich quasi die Ecke aussuchen. Elegant vorbeigespitzelt. Frech getunnelt. Super gemacht. Zum Zungeschnalzen. Drei Ecken, ein Elfer, sagten wir früher. Für die Galerie. Die Fahne war oben. Da gibt es nichts zu rütteln. Die Zeitlupe sieht es anders. Geschickt abgelaufen. Da muß er selber lachen. Bringt nichts ein. Sollte er lassen. Ja, der Schiedsrichter zieht gelb. Muß er sich gar nicht beschweren. Jetzt muß er aufpassen. O, das ist bitter. Damit fehlt er im nächsten Spiel. Seine Frau kriegt jeden Moment ein Kind. Die Fans fordern Elfmeter. Links wie rechts. Der ist ein Taktikfuchs. Ein Urgestein. Ein Zuckerpass. Eine Traumflanke. Genau auf den Kopf. Den konnte man nicht vorbeischieben. Au weia, er schiebt ihn vorbei. Das wird der Trainer nicht gerne sehen. Hat ja noch Vertrag bis 2007. An dem sind auch die Bayern interessiert.
Er wechselt ständig die Seite. Einfach nicht zu fassen. Geschickt ausgetanzt. Das kam mit Ansage. Den Ball konnte er nie und nimmer mehr erreichen. Da geht er rein in den Mann. So geht man nicht rein in den Mann. Den wollte er haben. Und er kriegt ihn auch. So was wollen wir nicht sehen. Ein böses Foul. Ein bemerkenswert faires Spiel bislang. Die Fans fordern Elfmeter. Steil geschickt. Auf die Außen. Wie aus dem Lehrbuch. Wenn jetzt noch ein Tor fällt, dann geht noch was. 5:0, wer hätte das vorher gedacht. Das ist wie Rasenschach. So theatralisch muß man nicht fallen. Das waren gut 30 Meter. Die Fans fordern Elfmeter. Der Schiedrichter schaut auf die Uhr. Klares Abseits. Was für eine Dramatik. Nur noch 1:4! Der läuft die 100 Meter in elf Sekunden. Aber nicht mit Ball. Der war noch abgefälscht! War das knapp. Das ist ein Spiel auf ein Tor. Das Spiel wogt hin und her. Not gegen Elend. Tja, so ist die Vorrunde. Die einen wollen nicht und die anderen können nicht. Dieses Unentschieden hat keinen Sieger verdient. Warum gibt er nicht ab? Zu eigensinnig. Klarer Elfmeter. Links der Mann stand frei. Das würde ich gerne noch mal in der Wiederholung sehen. Da haben sie einfach gepennt. Da fällt er einfach um! So einen Weltklassespieler darf man nicht ungedeckt stehen lassen. Da hat er sie alle stehen lassen. Der darf schon mal zum Duschen.
Wie ein Strich. Wie an der Schnur aufgezogen. Was für ein krummes Ding. Das war zuletzt im Endspiel 1974 so. Ganz klar gehalten. Das ist eben nicht erlaubt. Ein britischer Schiedsrichter hätte das durchgehen lassen. Das sieht böse aus. Nein, der kommt nicht mehr zurück. Der ist 1,90 m groß. Der hat Schuhgröße 52. Hervorragend angetäuscht. Ansatzlos. Direkt abgezogen. Volley.
Hacke, Spitze, einzweidrei. Warum auch nicht. Die Fans fordern Elfmeter. Junge, Junge. Den hat er Vollspann abgezogen. Die Fans feiern La Òla.
Da ist er drin
Der zappelt im Netz. Was für ein Tor. Das Tor des Monats. Das Tor des Jahres. Was für ein überflüssiges Tor. Den hätte er haben können. Den hätte er haben müssen. Der war unhaltbar. Da kullert der rein! Ein lupenreiner Hattrick. Eine Granate. Eiskalt verwandelt. Mit dem Kopf über die Linie gedrückt. Aus unmöglichem Winkel. Direkt verwandelt. Das war jetzt so klar. Quasi aus dem Nichts. Boaah. Waaahnsinn.
Aus! Aus! Das Spiel ist aus!
Und da liegen sie sich glücklich in den Armen. Schauen Sie sich das an. Diese Freude. Ich glaube, er weint. Und auch sie reichen sich zum Abschied die Hand. O, das war bitter. Da bin ich auf die Analyse gespannt. Wir waren Zeugen eines echten Fußballkrimis. Was für eine Tragödie. Glück und Pech, was liegen sie manchmal so nah. Die Fifa wollte ja den Trikot-Tausch verbieten. Was werden sie jetzt jubeln. Auch daheim. Wer hätte das gedacht. Ergebnis nach Plan. Ein Arbeitssieg. Ein echtes Fußballwunder. Das ist Fußball. So hart kann Fußball sein. Zum Glück ist es nur Fußball. Seien wir ehrlich, sie hatten es verdient. Die haben es auch nicht verdient. Am Ende zählt nur das Ergebnis. So sehen Sieger aus. Die hatten halt ein Tor mehr. Null zu Null, das reicht nicht zum Sieg. Egal. Mund abwischen. Abhaken.
In den nächsten Folgen:
Verlängerung. Elfmeterschießen. Die Deutschen wieder im Endspiel.
Freitag, 27. Mai 2005
Ich mag den Silberblick von Amanda Peet.
Aus der Reihe: Bemerkungen, die man immer mal gemacht haben wollte.
Freitag, 27. Mai 2005
Partly politic
Heads will roll
Mostly politic
God must call
Till the winning hand does belong to me
(Echo and the Bunnymen, "Heads Will Roll")
Als ich heute vom Aktzeichnen kam, dachte ich über die Worte meines Dozenten, eines anerkannten Malermeisters, nach. Ob ich den Realismus nicht gleich überspringen und gleich das Kubistisch-surreale ansteuern wolle? Streichen wir aber das "Surreale", meinte ich, da bin ich empfindlich. (Nachher muß ich Fische durch den Himmel fliegen lassen.) Mein Erfolgserlebnis sei schneller größer, meinte der Meister. Effizient gedacht, das mag ich. Zumal mein Kopf in letzter Zeit eh von Begriffen wie Synergie und Zeitgewinn überschwemmt ist.
In der Gartenzwergfabrik beginnt nämlich jetzt auch endlich für unsere kleine Dienststelle die Fastenzeit und das große Köpferollen. Namen werden noch nicht genannt, der Spannung halber, denn spannende Sachen haben wir uns aufs Tapet geschrieben. In der Versammlung verkündete der Chef aber bereits zur allgemeinen Verwunderung, meine Einmann-Abteilung gäbe es ja gar nicht.
Seither verlange ich, mit "The Man Who Wasn't There" angeredet zu werden. Mein Kopf kann also nicht rollen, denn ich bin gar nicht da. Da ist das Schöne, wenn man vogelfrei ist. Da kann man den Kopf einziehen, Fische statt Vögel fliegen lassen, den ganzen Tag unbekleidet herumlaufen, weil es einen ja sowieso nicht gibt, und allerlei Schabernack treiben. So lange, bis wir alle neue Kleider haben. Die Zukunft nämlich ist schick und elegant.
Und so betrug es sich, als die kaiserlichen Berater eine große Volkszählung veranlaßten, daß die freien Mitarbeiter nicht wußten, in welche Abteilung sie sich begeben sollten. Denn sie waren nackt wie im Paradiese, und keiner der Köpfezähler konnte ihre Kleider sehen. Ein surrealer Traumtanz in der Kleiderkammer. Wie schön. Jetzt kann der Sommer kommen.
Donnerstag, 26. Mai 2005
Mein Herz pocht! Just wanderte ich durch ein tiefes Tal entlang der tentakligen Arme des trashigen Labors von 1313, ein Ort anheimelnder Erbauung (grad läuft noch die Wahl zur "Miss Morgue 2005"!), da verirrte ich mich zum Film Day Off The Dead [sic!], den man bei Atom Films anschauen kann (was man tun sollte, unbedingt, wenn man ein romantisches Herz hat).
Aber dann sah ich die Vorankündigung für den neuen Animationsfilm von Lee Lanier: Little Dead Girl. O Zauber einer Maiennacht! Ist sie nicht tot zuckersüß? Schöner wäre sie natürlich als Stop-Animation und nicht als Geschöpf aus dem Computer (schnell Haar in der Suppe finden). Außerdem könnte sie andere Strümpfe vertragen, mal überlegen, hm, hm... Welche würde ich da empfehlen...
Wir janusköpfigen Seelen vom hermetischen Café danken jedenfalls erneut dem Herrn Pappnase, der mich heute an Joe Vaux erinnerte, durch den wiederum ich überhaupt so weit kam.
Der ganz wunderbaren Miss Wurzeltod muß ich Blut Dank zollen für die Hinweise auf Coraline Gillet, die ihre Geschöpfe durch tomatenhafte Traumlandschaften schickt und Angie Mason, die kleine Tentakelmädchen unsittlichen Situationen aussetzt. Heuchlerisch, wie ich bin, will ich nämlich genau das sehen, um mich sogleich als Held und Retter aufspielen zu können.
Dazu höre ich dann Emilie Simon mit Desert Song, nähe ihr sachte die Haut wieder zu und trage sie zu mir in mein marodes Haus. Wir verwandelten uns in weiße Streifen, ich zeigte ihr meinen Hengst und meine Schlange und ganz allgemein hätten wir eine doch ganz orchideenhafte Zeit.
Dienstag, 24. Mai 2005
Da kann man mal sehen: Stefan Nagel trägt Material zu Schaubuden, Kuriositätenkabinette, Panoptika und Wunderkammern zusammen. Sehr anregend.
(via Schockwellenreiter)
"Als Modell der heutigen Kommunikation könnte der Minitelaustausch gelten. Man verbindet sich zuerst erotisch via Bildschirmtext, dann ruft man einander an, dann trifft man sich und - dann - was tun? Nun, "man ruft mal wieder an", kehrt zum Bildschirm zurück, auf dem es letztlich viel erotischer zugeht, weil zugleich esoterisch und transparent. Dies ist die reine Form der Kommunikation, die nur die Promiskuität des Bildschirms und den elektronischen Text als Filigran des Lebens kennt, wo wir uns in einer neuen Höhle des Platons wiederfinden und nur noch die Schatten der fleischlichen Lust an uns vorüberziehen sehen. Wozu sollte man noch miteinander reden, wenn es so einfach ist, zu kommunizieren?"
(Jean Baudrillard, "Videowelt und fraktales Subjekt". 1988. In: Aisthesis: Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig, 1990.)
Montag, 23. Mai 2005
Mythenbildung geht über das Internet ja schneller. Schon Odysseus wußte, sind die Stühle erst vor die Tür gestellt, heißt es, sich ein neues Heim zu schaffen. Schöne Bilder, schöne Lieder, schönes Essen auch. Das Gegenteil von Vegetarier heißt übrigens nicht Carnetarier, das war nur eine Satire. Muß man denn alles erklären. Zum Glück beginnt die Spargelzeit, da kann man dummes Geplapper in gemüslicher Bitterkeit ertränken.
Der Grand-Prix machte wieder einmal klar, daß ein Schwuler im TV nicht automatisch für Humor steht. Besonders irritert es, wenn der eine TV-Schwule dem anderen TV-Schwulen öffentlich in den Arsch kriecht und auf den einzig sinnvollen Satz des Abends behauptet, "daran" habe er auch "die ganze Zeit gedacht". Nein, bevor der andere das nicht erwähnte, hast Du überhaupt nicht daran gedacht, Du Flitzpiepe. Ich übrigens auch nicht, aber ich saß ja nur vor der Mattscheibe. Niemand wollte auch sagen, daß unsere Frau von der Gnade ihr Lied vor Nervosität und Übereifer schlicht zersungen hat. SpOn behauptet, nun wisse Deutschland, auf welche Länder es sich verlassen könne. Grundgütiger.
In der Ukraine kann man jedenfalls so viele Visa verteilen wie Fischer will, die mögen es nicht, wenn ledergekleidete Deutsche da auftauchen und "Run and Hide" schreien. Das leuchtet ein. Besonders in Tagen wie diesen. BESONDERS IN TAGEN WIE DIESEN muß man ja jetzt wieder sagen. Ab jetzt trinken wir also Rüttgers Club, haha, und ab Herbst dann Club Cola, hoho. Können die Ostdeutschen mal Verantwortung übernehmen, jenau, und nicht immer nur rumschreien, "aba keen Aldi-Kaffe!"
Gott, ist das bitter, da hilft nicht mal Ananas.
Früher ritt Europa noch auf einem Stier. Jetzt ist es wohl eine neue Pasiphae, die sich voller Entzücken einer Gans einem Ochsen nähert. Das wird nicht nur für die lüsterne Gute ein weitgehend folgenloser Spaß: Ein Minotaurus wird uns so jedenfalls erspart bleiben. Und bieliger ist es sicher auch. Nächstes Jahr also besser einen Ochsen Kastraten nach Athen schicken.
Samstag, 21. Mai 2005
Ich war unterwegs.