Neue Kleider, alte Kaiser

Partly politic
Heads will roll
Mostly politic
God must call
Till the winning hand does belong to me

(Echo and the Bunnymen, "Heads Will Roll")

Als ich heute vom Aktzeichnen kam, dachte ich über die Worte meines Dozenten, eines anerkannten Malermeisters, nach. Ob ich den Realismus nicht gleich überspringen und gleich das Kubistisch-surreale ansteuern wolle? Streichen wir aber das "Surreale", meinte ich, da bin ich empfindlich. (Nachher muß ich Fische durch den Himmel fliegen lassen.) Mein Erfolgserlebnis sei schneller größer, meinte der Meister. Effizient gedacht, das mag ich. Zumal mein Kopf in letzter Zeit eh von Begriffen wie Synergie und Zeitgewinn überschwemmt ist.

In der Gartenzwergfabrik beginnt nämlich jetzt auch endlich für unsere kleine Dienststelle die Fastenzeit und das große Köpferollen. Namen werden noch nicht genannt, der Spannung halber, denn spannende Sachen haben wir uns aufs Tapet geschrieben. In der Versammlung verkündete der Chef aber bereits zur allgemeinen Verwunderung, meine Einmann-Abteilung gäbe es ja gar nicht.

Seither verlange ich, mit "The Man Who Wasn't There" angeredet zu werden. Mein Kopf kann also nicht rollen, denn ich bin gar nicht da. Da ist das Schöne, wenn man vogelfrei ist. Da kann man den Kopf einziehen, Fische statt Vögel fliegen lassen, den ganzen Tag unbekleidet herumlaufen, weil es einen ja sowieso nicht gibt, und allerlei Schabernack treiben. So lange, bis wir alle neue Kleider haben. Die Zukunft nämlich ist schick und elegant.

Und so betrug es sich, als die kaiserlichen Berater eine große Volkszählung veranlaßten, daß die freien Mitarbeiter nicht wußten, in welche Abteilung sie sich begeben sollten. Denn sie waren nackt wie im Paradiese, und keiner der Köpfezähler konnte ihre Kleider sehen. Ein surrealer Traumtanz in der Kleiderkammer. Wie schön. Jetzt kann der Sommer kommen.

Homestory | 01:14h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Freitag, 27. Mai 2005, 14:13
So wie ich Ihren Chef verstehe
wollte er damit sagen, Ihre Ein-Mann-Abteilung existiere nicht im Sinne einer sozialversicherungspflichtigen Planstelle.

Da haben Sie den festangestellen Mitarbeitern ganz klar was voraus: Wer schon nackt ist, braucht sich vor dem Strippen nicht zu genieren...

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kid37 - Freitag, 27. Mai 2005, 15:22
Sach ich doch. Gleich bin ich nackt und dann greife ich mir selbst in die Tasche. Wollen wir doch mal sehen. Bald arbeite ich sowieso als Straßenmaler an der Croisette. Landschaften, Akte, Blumen. Und Revolutionsplakate.

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mark793 - Freitag, 27. Mai 2005, 16:09
Ah, Croisette...
...Baguette, Claudette - ganz nett.
Cote d' Azur - veel ze düür, wie der Kölner sagt. Aber für Revolutionsplakate mit Ihrer Originalsignatur drauf seh ich definitiv einen Markt. Lassen Sie sich von DonAlphonso nicht einreden, Rebellen hätten keinen Markt. Es fehlt den Revolutionären nach der Desavourierung der marxistischen Ideenwelt nur an einem zugkräftigen Gegenentwurf zum Spätkapitalismus. Hermetik könnte diese Lücke durchaus füllen. Es lebe die permanente hermetische Revolution!

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brittbee - Freitag, 27. Mai 2005, 16:18
Dieser Akt ist übrigens toll gezeichnet. Nicht nur dass, er beklemmt mich auch ein wenig, was mir aber gefällt. Wollte ich vorhin schon sagen, aber dann störte der Praktikant.

Den ignoraten Umgang mit Ihren bestimmt meisterlichen Gartenzwergen bedauere ich sehr. Ich hoffe, dass Ihr Kopf nur rollt wenn Sie es im Stillen wollen und herbeisehnen, dass mehr Zeit für schönere Gartenzwerge und die Kunst bleibt.

Zum Heuschrecken zeichnen zum Beispiel. Bei Ihnen habe ich doch irgendwann auch einen schönen Heuschreck gesehen. In einem anderen Sommer.

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modeste - Freitag, 27. Mai 2005, 18:48
Dann hoffe ich doch, dass Sie - bekleidet oder nicht - ihren Kopf behalten, wenn Ihnen denn danach ist, und nicht andere Köpfe schöner erscheinen.

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kerstin13 - Freitag, 27. Mai 2005, 22:59
da wird einem ja ganz kalt...

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