Mittwoch, 11. Mai 2005


Mord im Puppenhaus



Kriminaltechnische Ermittlungspraktiken und Spurensicherung befanden sich in den 30er Jahren noch in den Kinderschuhen. Allzu oft wurden damals noch wichtige Beweismittel am Tatort vernichtet, Indizien übersehen oder nicht richtig gedeutet. 1936 gründete Frances Glessner Lee das Institut für Rechtsmedizin in Harvard. Um angehende Detectives zu schulen, bastelte sie mit einer unerhörten Akribie verschiedene authentische Tatorte als Modelle nach. Anhand dieser Puppenhäuser, in denen jeder Fleck auf der Tapete und jedes Brandloch im Teppich detailgetreu nachgestellt sind und kleine Puppenleichen exakt die Verletzungen aufweisen wie die echten Leichen, konnten die Ermittler den Tatort aus jedem Winkel betrachten.

18 dieser makabren Puppenhäuser sind erhalten geblieben. Die Fotografin Corinne May Botz hat den grausigen Barbie-Tod mit suggestiven Kameraeinstellungen aus vielen Perspektiven fotografiert. Ihre Bilder sind nun in einem bizarren, wunderbar gestalteten Buch zusammengefaßt worden, das nun wirklich zu Entdeckungsreisen einlädt. Jeder Fall ist kurz beschrieben, die wichtigsten Fakten aufgelistet, ein Grundriss des Tatorts beigefügt. Die meisten Fälle sind bis heute ungeklärt, wessen kindlicher Spieltrieb also über das An- und Auskleiden von Püppchen hinausgeht, kann hier vielleicht seine detektivische Spürnase beweisen. Ich jedenfalls bin ziemlich neidisch, daß ich so etwas als Kind nicht hatte. Für andere vielleicht eine Anregung, die alten Puppenstuben vom Dachboden zu retten und ihre Lieblingsdramen nachzustellen.

Corinne May Botz. The Nutshell Studies of Unexplained Death. New York: Monacelli Press, 2004.


 



Die lieben Kollegen, 2

Sie sind heute so ausgesucht freundlich zu mir, betonen meinen Namen, wenn man sich die Tageszeit wünscht.

Wissen sie mehr als ich? Werde ich endlich entlastet entlassen?