Sonntag, 16. Januar 2005


Wie mir ein kleines Krokodil sechs Euro sparen half

Neulich war ja der Herr Axel K. bei mir zu Besuch. Vorher habe ich natürlich ein wenig gefeudelt, Altglas und -papier zum Container gebracht, die theologischen gegen die Fußballmagazine ausgetauscht, aber meine Lautsprecherboxen Quäkkistchen konnte ich nicht verstecken. Nun ist Herr Axel K. ein viel zu höflicher Mensch, mir im eigenen Heim lautstarke Vorhaltungen zu machen, aber jemand, der selbst so viel Wert auf klangliche Finesse legt, konnte nur peinlich berührt sein beim Anblick meiner Kirmesbudentröten.

Neulich berichtete ich nun wichtigtuerisch, ich hätte mir "neue Boxen angesehen", worauf mir - zurecht, zurecht - ein trockenes "nur gesehen oder auch gehört?" entgegnet wurde. Touché. Am Samstag nun sollte der große Tag sein, da ich mich zum hiesigen Elektrofachmarkt begab zu einer ordentlichen Hörprobe. Im extra abgeteilten Hifi-Zimmerchen strich ich um Gebilde von der Größe einer mittleren Pharaonengrabstätte herum und pfiff mir einen Fachberater heran.

Ich schoß ein paar aufschneiderische Fragen ab nach seiner Meinung zu supraleitfähiger Kabelage, Klangrasseln und schockgefrorenen Membranen zur Klangverbesserung, die er alle brav, aber irgendwie ausweichend beantwortete. "Na, dann lassen Sie mal was hören, junger Mann", meinte ich schließlich und ließ ihn zum NAD-Verstärker für € 4.500,- (reduziert von € 8.750,-) eilen. Er wollte schon seine "Whitney-We've-Got-A-Problem-Houston-in-Quadrophonic- Sound"-Vorführ-CD einwerfen, als ich ihm meine mitgebrachte Selbstgebrannte in die Hand drückte.

Und so kam es, daß ich mir "Schnappi das Krokodil" auf einem 4.500 Euro- Verstärker und Beryllium-Hochtontürmen anhörte. In beeindruckender Lautstärke. Ich war sehr begeistert, der Verkäufer geringfügig weniger. "Das hat Sound, was?" schrie ich ihn strahlend an. Er lächelte gequält. "Machen Sie mal mehr Bässe, das rockt!" Er lächelte eine Spur gequälter und schrie zurück:
"Geht nicht!" Was? Na, so ein Hochleistungsverstärker hat selbstredend keine Klangregelung, nur Laut und Leise.

Wie jetzt, Meister? 4.500 Schleifen und keine Klangregelung? "Muß man extra bestellen, was?" rief ich und klopfte ihm jovial auf die Schulter. (Bald tritt Karneval in die heiße Phase ein, da muß ich schon mal Leutseligkeit üben).
"Was ist denn, wenn es scheiße klingt?" - "Dann liegt es an der Aufnahme."

Oh, ok. Mp3 - alles klar, das kann man ja ändern. Ich nicht faul und hoch in die CD-Abteilung. Und was muß ich sehen, im Fach mit der Nummer eins?
Nix! Nada! Leere! Schnappi ist ausverkauft! Na schönen Dank, weltgrößter Elektrofachmarkt! Spontan beschloß ich, die Aktion abzubrechen und Lautsprecher Lautsprecher sein zu lassen.

An der Kasse wollte ich mir nur noch schnell meinen Parkchip entwerten lassen.
"Brauch ich nen Kassenbon", meinte der Spacko an der Kasse.
"Ich hab nix gekauft".
"Dann kann ich den Chip nicht entwerten", meinte der Fuzzy an der Kasse frech.
"Oh. Ich wollte "Schnappi" kaufen, das ist aber ausverkauft."
"Na, was ein Glück", meinte der Karnevalist an der Kasse.
"Ja, gut, aber was soll ich machen?"
"Bessere Musik kaufen", meinte der vorlaute Klugscheisser an der Kasse.
"Nächstes Mal nehme ich Blumfeld, aber nun hatte ich mich auf "Schnappi" gefreut und bin sehr enttäuscht."
"Na gut, ich habe ein Einsehen", meinte der freundliche junge Herr an der Kasse.
"Ach, das ist aber nett. Sie machen gerade einen traurigen Schnappi-Fan sehr glücklich."
Der extrem zuvorkommende Fachkassierer lächelte mich nachsichtig an und schob mir den Chip zu.

Im Parkhaus an der Kasse - und hier kommt nun endlich die Kurve zum Titel - dann der Schock: NEUN EURO hätte ich bezahlen müssen für meinen angeregten, wenn auch längeren Aufenthalt im Lautsprecherfachmarkt. Hätte - wenn nicht "Schnappi", das lustige Krokodil, gewesen wäre. So mußte ich nur drei Euro berappen. Schni, schna, schnappi machte der Automat, ich aber wußte nun, welche Macht gute Musik besitzen kann. Leider bin ich jetzt etwas unzufrieden. Seit ich "Schnappi" auf dieser Anlage gehört habe.

Nächste Woche gehe ich zu Bang & Olufsen.

Radau | von kid37 um 01:21h | 18 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 14. Januar 2005


R.(udolph ) I. P.

So Leute, jetzt hört mal das Gelaber auf. Der Mosi ist nämlich tot bei Mama.

Heute abend werde ich ihm zu Ehren sein grandioses Spoken-Word-Album auflegen, daß Ihr auch alle kaufen und Euren Müttern schenken solltet.

(Und wer steckt dahinter? Wer erinnert sich noch an Walter Sedlmayr?)


 


Freitag, 14. Januar 2005


Das Kabinett des Dr. Kid

Wer nach Wien fährt, sollte nicht versäumen, das Josephinum zu besuchen. Letztes Jahr schleppte ich Frau Sonne dorthin - und wir waren beide begeistert von den detailreichen, filigranen Wachspräparaten, die es dort zu besichtigen gibt. Allein die Art der Präsentation in den über 200 Jahre alten Schaukästen, die aus edlen Hölzern und gewölbten, mundgeblasenen Glasscheiben gebaut wurden, die so nie wieder zu beschaffen sein werden, ist mehr als beeindruckend. Die Präparate selbst sind den Plastinaten der Körperwelten-Ausstellung in ihrem Ausdruck und ihrer Anschaulichkeit (und möglicherweise selbst in ihrer anatomischen Treue) nach wie vor überlegen.

Fotografieren ist dort leider nicht erlaubt, eine vernünftige Webseite gibt es nicht. Aber das Vorbild des Josephinums, die La Specola-Sammlung in Florenz, läßt sich hier besichtigen.

(via Wurzeltod, die jetzt auch endlich mal verlinkt ist.)


 


Dienstag, 11. Januar 2005


The Thin White Duchess

Der Ansatz, den Elke Buhr in der Frankfurter Rundschau verfolgt, ist ganz interessant. Sie sieht das Publikum als kollektive Weight-Watchers-Gruppe, die strengstens Busen, Taillen und Hintern ihrer Stars vermißt und dabei ein Schönheitsideal, das zwischen La Hintern Jennifer Lopez und Sarah Jessica Parker ("Bügelbrett mit Silikontüten") oszilliert, zelotisch im Auge behält.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, die schlanken Frauenkörper auf den Leinwänden, Laufstegen und Bildschirmen würden dort vor allem für die Männer appetitlich angerichtet, und die Frauen wären nur Opfer patriarchal bestimmter Schönheitsideale. In der öffentlichen Inszenierung des Frauenkörpers spielt die Erotik in weiten Bereichen über Bande: Die Models sollen nicht direkt für die Männer attraktiv sein, sondern sie spielen den Frauen vor, wie Attraktivität auszusehen hat - nach Meinung der Frauen.

Im Prono, so Buhr, hätten dürre Gestalten wie Kate Moss keine Chance, ein Mann wolle keine Rippen zählen. Das ist eine oft gehörte Litanei, deren Gegenteil jedenfalls auch nicht wahr ist. Die Wahrheit liegt männlicherseits in der Mitte, mit teils heftigen Ausschlägen nach der einen wie anderen Seite. Knabenhintern, dünne Beine haben aber an einer Frau gemeinhin nichts zu suchen. Berühmt ist der Satz von Humphrey Bogart über die große Katherine Hepburn: "Sie ist wie eine Garderobe. Wenn man einen Hut nach ihr wirft, bleibt der überall hängen." (Katherine Hepburn hätte ich allerdings sofort mit nach Hause genommen, und das nicht nur, weil sie rote Haare hatte. Ich hätte ihr auch ein leckeres Käsebrot angeboten.)

Die Hysterie um dieses SATC (was ich nie gesehen habe) läßt allerdings zweifeln, um SJP wirklich so weit vom "Ideal" entfernt wandelt. Mich jedenfalls machen diese neurotischen "Allies" bestenfalls nervös. Irgendwie unentspannt.

Liebe Damen: Miss Monolog hat noch Schokolade anzubieten. Greifen Sie zu!


 



Hermetische Autobahnraststätte



Das ist eine Statistik meines Webtrackers von 2004 für das Hermetische Café. Wie man sieht, gab es im September einen sprunghaften Anstieg der Besucherzahlen.
GRAD ALS ICH IM URLAUB WAR!

Vielen Dank auch. Ich sollte wohl öfter Pause machen.

(Ach, ich sehe gerade, die wollten sich nur alle an meinem Rentendebakel delektieren. Hm.)

Homestory | von kid37 um 01:07h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 11. Januar 2005


Sacre du Printemps

Herr LeTeil machte mich auf einen schönen, was sage ich, sehr schönen Artikel in der Zeit aufmerksam, der ein schönes, was sage ich, sehr schönes Vorkommnis beschreibt. Geschmack hin, Schnappi her, eins ist völlig klar: Die Deppen der Musikindustrie sollen sich gefälligst selbst einen MP3-Player ins Knie bohren. Von Musik haben die sowieso keinen Plan, von Industrie höchstwahrscheinlich auch nicht. Ich als Miteigentümer der Musikindustrie (ja, auch ich habe mal Aktien gekauft, damals. Repent, Sinner! Repent!) darf das sagen.

Haha!

Heute war ja der erste Frühlingstag im Jahr. Ich bin sicher, es werden noch einige folgen, aber der erste ist immer der schönste und den vergißt man auch nie. Temperaturen um die 15 Grad lockten manche eher nachlässig bekleidet zum Altpapiercontainer, andere jagten die ersten Mücken oder setzten sich bei der Russin gemütlich auf dem Naschmarkt nach draußen. Ich selbst wollte da nicht zurückstehen und gab heute dem inneren und unzähmbaren Drängen nach, endlich einmal für Durchblick zu sorgen. Fünf Fenster putzte ich nachdem ich vom eher lustlosen Eisenbiegen aus der Werft nach Hause kam, was zu dieser Jahreszeit nichts anderes heißt als daß ich sie im Dunkeln putzen mußte. Immerhin legte ich Strawinsky dazu auf.

Das wird morgen ein buntgestreiftes Erwachen geben, fürchte ich. Ein heiteres Frühlingserwachen. Aber was soll's, dann stelle ich mir einen Strauß Tulpen in die Küche. Bestimmt gibt es auch schon Schokoosterhasen zu kaufen. Denn wenn man so ins Alter kommt, verfliegt die Zeit bekanntlich immer schneller.


 


Freitag, 7. Januar 2005


In den Orkus gebrowst

Hm. Blogger kennen das Problem mit dem Internet Explorer. Man tippt und tippt und tippt an einem Beitrag oder Kommentar, hat irgendwelche Daten vergessen oder wurde hinterrücks ausgeloggt, erhält eine Fehlermeldung, blättert mit dem Browser eine Seite zurück - und weg sind Text und Frucht langer Arbeit.

Dann schimpft man auf Bill G. und Microdingens, surft fortan mit Mozilla und in Frieden, bis der Hype kommt und alle Welt den Firefox empfiehlt. Der speichert Dateien zwar immer noch tausendmal langsamer als der IE, läßt dafür aber auf gewohnte Weise Texte verschwinden. Wie eben festgestellt. Na toll.

Also, ich bleib jetzt bei Mozilla. Safe and sound. Dürfen sich andere gerne mit den Kinderkrankheiten beschäftigen.


 


Donnerstag, 6. Januar 2005


Lady Lazarus

Herr God, Herr Lucifer
Beware
Beware.
Out of the ash
I rise with my red hair
And I eat men like air.

(Sylvia Plath, "Lady Lazarus". 1963.)


Hoffnungen hatte ich schon mit diesem Projekt verbunden, zumal ich Gwyneth Paltrow seit Beziehungen und andere Katastrophen (The Aniversary Party) als Schauspielerin ernster nehme. Zumal Die Glasglocke eines meiner zahlreichen Lieblingsbücher ist.

Zumal ich die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath für komplex, verrückt und in Person und Werk interessant halte. Seit ihrem Freitod im Jahre 1963 stand die Rezeption ihrer Arbeit immer auch unter dem Versuch einer Suche nach ihrem "inneren Ich, erfüllt von Gewalt und Zorn, das sie unter ihrer scheinbaren Ausgeglichenheit und Effizienz verbarg" (Anne Stevenson über Sylvia Plath).

Wer also ein bißchen Interesse für diesen Themenkomplex besitzt, muß sich darüber ärgern, wie wenig davon dieser Film aufbringt. Er hangelt sich an den hinreichend kolportierten Episoden einer Künstlerehe entlang und sollte vielleicht schon deshalb eher "Sylvia & Ted" heißen. Wir sehen Fragmente und Anekdoten: Wie Sylvia bei ihrem ersten Treffen Ted die Wange blutig beißt, wie sie später aus Wut und Enttäuschung seine Manuskripte im Garten verbrennt, wie sie, die Tochter des deutschen Vaters Otto, am Ende das Gas als Ausweg nimmt.

Wir sehen eine extrem talentierte, extrem engagierte Frau, die literarisches, akademisches und hausfrauliches Leben unter einen Hut bringen will und dabei an ihren Ansprüchen scheitert. Ihr Perfektionismus, ihr Wahrheitsfetisch, ihre skorpionische Eifersucht - in diesem Koordinatensystem bewegt sich diese Film-Plath, über die wir nach diesem Film genau so schlau sind wie vorher.

Ihr Leben, ihre Kreativität, der Prozeß des Kunstschaffens - alles ausgeblendet. Ach ja, sie kritzelt auf ein Blatt Papier, zerknüllt es und wirft es in die Ecke. So sieht er aus, der dichterische Schaffensrausch. Zeitzeugen wie der Literaturkritiker Al Alvarez, der im Film selbst auch nicht allzu gut wegkommt, haben sich bereits vorsorglich von dem Werk distanziert. Der Film klebt am Anekdotischen, geht über seinen Stoff aber niemals hinaus. Er wagt keine Analyse, bezieht keine Position, bietet schicke Bilder (sehr, sehr stimmiges Set-Design) und viel hübsches Zeitkolorit - seiner Hauptperson oder gar dem künstlerischen Werk der Plath jedoch kommt er nicht nahe. Ihre Ausbrüche, ihr symbolisches Ausagieren (der Blutfetisch, die Suche nach dem "verlorenen Vater", der Wunsch nach Inkorporation und "Eins-sein") - alles nur angerissene Szenen einer Ehe, Stoff einer Seifenoper zwei berühmter Künstler.

Und warum eigentlich heißen Filme über Frauen (zumal, wenn sie Ikonen der Frauenbewegung sind) immer "Frida", "Evita" oder eben "Sylvia", die über die Männer aber "Columbus", "Pollock" oder "Picasso"?

Ein weiteres Übel rückt den Film gar in die Nähe einer TV-Schmonzette, denn offensichtlich vertraut er weder seinen Zuschauern noch seinem Stoff: Jedesmal, wenn die Hauptpersonen, immerhin zwei der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts, sich zum Eigentlichen, dem Wort nämlich, erheben, schlägt leider gnadenlos das Gefiedel und Gegeige von Gabriel Yared, der schon den "Englischen Patienten" zerdudelt hat, zu. Der nächste Film dieser Reihe? Ich darf mal raten: "Zelda und Scott".

Sylvia (GB, 2003). Regie: Christine Jeffs.

Super 8 | von kid37 um 22:35h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link