Das Thema ist ja nun wirklich durch. Deshalb wollte ich eigentlich überhaupt nicht mehr hin. Aber da es nun so was von durch ist - konnte ich ja auch mal hingehen. Liebenswerterweise war mir der Katalog zur Ausstellung "Körperwelten" schon 1997 aus Mannheim mitgebracht worden. Man war also präpariert. Ausserdem habe ich während meines Studiums eine zeitlang in der Pathologie gearbeitet. Man war also doppelt präpariert.
Etliche Raucherlungen später dann die dumpfe Erkenntnis: Och jo, ein büschen öde ist das dann doch. Das dritte Plastinat bringt nur noch den reichlich durch die Ausstellung dozierenden Medizinstudenten frivole Erkenntnis, dem interessierten Laien aber ist bald Pankreas, Nierchen und Herzeleid ganz einerlei. Zudem - und jahreszeitlich induziert - mag der kritische Blick von der lautstark gepriesenen Filigranarbeit nicht viel erblicken. Manche Rippenbögen erinnern an nachlässig abgenagte Gänseviertel vom Weihnachtsdiner. Überall noch leicht schmuddelig wirkende Reste. Aber filigran ist relativ, und wahrscheinlich ist das, was dieser Beuys der Knochenschnitzer mit seiner patentierten Technik hinbekommt, schon mehr als sich das Medizinerherz jahrhundertelang erträumen konnte. Geschenkt. Diese Ausstellung erzeugt auch keine moralischen oder ethischen Probleme. Hier wird auch nicht die Würde von Lebenden oder Toten verletzt. Diese Austellung bietet ein rein ästhetisches Problem.
Lieber Gunther von Hagens: Einem an die 20.000 Marks teurem Ganzkörper-Gestalt-Plastinat wie dem "Schachspieler" stellt man doch kein billiges Reiseschach im Aufklappkistchen vor die Finger, was bei Kaufstadt 19,95 gekostet hat! Das ist total lieblos und UNÄSTHETISCH! Da kann man doch wohl mal 'nen Tausender locker machen für ein edles, schönes, wirklich künstlerisches Schachspiel, das dem tödlichen Ernst des Spielers und der Würde des Spenders angemessen wäre.
Noch schlimmer: Dieser Memento-Mori-Mann mit der Eieruhr in der Hand. Mich hätte fast der ästhetische Schlag getroffen. Da drückt man einem Ganzkörper-Plastinat, in das so viel Mühe und Kunststoff geflossen sind, völlig lieblos ein dermaßen unedles und kitschiges Pseudo-Antikteil in die Gummifinger! Unglaublich. Eine potthäßliche, künstlich auf "alt" getrimmte Sanduhr aus dem Fantasy-Rollenspiel-Bedarfsladen für 5, 75 Euro. Oder von einem dieser Mittelalter-Märkte, auf denen man auch "echte" Langschwerter für den Hausgebrauch kaufen und Pseudo-Met aus Tierhörnern trinken kann. Das sieht ja aus wie im Zimmer eines 16-jährigen Cradle-of-Filth-Fans! Man ist pikiert.
Meinen Aufnahmeantrag als Körperspender habe ich noch an Ort und Stelle zerrissen. Hier wird meine ästhetische Würde empfindlich gestört.
Aber die Lunge, die sich anfühlte wie ein Wutball, die war schön. DAS wäre mal eine Idee für diesen gleichfalls aufs obszönste verkitschten Museumsshop.