Freitag, 20. August 2004


Mauerdurchbrüche

Man muß natürlich auch vorsichtig sein.


 


Freitag, 20. August 2004


Bankgeflüster


 



VPL

Während der Mittagsexkursion in die Innenstadt war bedauerlicherweise wieder einmal Gelegenheit für gewisse stilpolizeiliche Ermittlungen. Die Jahreszeit mit den linden Lüftchen provoziert ja regelmäßig mit Ansichten, die wie blanke Reißnägel ins Auge fallen.

Offenbar ist für junge Damen diese Saison die Hosenfarbe Weiß angesagt. Kurz hintereinander marschierten gleich drei dieser Exemplare aus durchscheinender, wohlgefüllter Baumwolle vor mir her. Nun wäre ich der letzte, der etwas gegen die anmutige Bewegung runder Formen hätte. Aber wie sieht das denn aus? Durch diese transparenten Hosen sieht man überdeutliche nackte Hintern, über denen ein dreieckiger Stoffetzen dünne Strippen gerade noch zusammenhält. Meine Damen, wir sind doch nicht am Strand von Las Palomas!

Die Stringtrendfarben (sofern sie nicht aus echtem Leder sind, wie wir hier erfahren können. Ach so, waren gar nicht gemeint. Egal.) sind weiß (geht gar nicht), schwarz (geht immer) und blau mit etwas, was wie rote Punkte oder Blümchen aussah. (Zu sehr wollte ich nicht in die Hocke gehen, und ich hatte meine Stilpolizei-Marke nicht dabei, um eine eingehendere Untersuchung vornehmen zu können.)

Wie auch immer, das wissen wir nun. Vielen Dank. Nachdem ich gestern in irgendeinem Blog, das mir gerade nicht einfällt, was von "zerfetzten Höschen unterm kurzen Rock" gelesen habe, scheint sich ebenfalls anzudeuten, daß der Trend dieses Jahr eindeutig wieder zum "Ich trage Unterwäsche" geht. Das ist löblich, nicht immer aufregend, aber gut für die Blase.

An den Anblick minderjähriger Schnurwäscheträgerinnen, denen das Stoffdreieck irgendwo zwischen den Schulterblättern hängt, hat man sich ja schon gewöhnt. Man zuckt ja nur noch hilflos mit den Schultern. Aber transparente weiße Hosen bringen dieses Land, das ja sogar andere Probleme als die Rechtschreibreform hat, wie ich immer wieder lesen muß, nicht weiter. Zumal, und ich muß es leider sagen, es nicht immer nur lockende Ansichten sind, die einem da - freiwillig oder unfreiwillig - präsentiert werden.

Wenn das nicht bis morgen aufhört, ziehe ich kurze Pfadfindershorts an und schocke mit weißen, haarigen Beinen zurück. Oder probiere doch den Red Hot Chili Peppers-Look. That's official!


 



Stille im Stroh

Das ist ein alter Beitrag, der vor längerer Zeit seinen Weg zu Flokati fand. Dort passiert aber leider schon lange nichts mehr. Und weil er gerade hierzu paßt, hole ich ihn heim.


Als Kind war ich in den "großen Ferien" immer bei meiner Großmutter, die in einer schleswig-holsteinischen Backstein-Kate direkt neben einem Bauernhof wohnte. "Hausen" würde man heute wohl sagen, denn es gab nur ein Plumpsklo, das sich in einem gemauerten Schuppen gegenüber des Häuschens befand. Wasser gab es nur aus einer Pumpe auf dem Hof. Morgens wurden zwei Eimer geholt - einer für Trinkwasser, der andere für Brauchwasser zum Waschen. Die Eimer wurden in der Küche auf zwei alte Stühle platziert, und dann nahm man sich zum Waschen etwas davon in eine Schüssel. Vor dem Häuschen gab es eine kleine Rasenfläche und einen kleinen Weg, der aus grobem Kopfsteinpflaster bestand. Hinter dem Haus befand sich der Nutzgarten. Dort standen ein paar alte Kirsch- und Apfelbäume und Beete, in denen Mohrrüben und Kartoffeln wuchsen.
Ich fürchte, das Ganze war alles ein wenig schäbig. Aber als Kind was es das Größte. An der Kate befand sich noch ein alter Kuhstall, der aber nicht mehr genutzt wurde und voller Gerümpel stand. Hier, fürchte ich, haben noch richtige alte, antike Schätzchen gelegen. Perdu.

Das aufregendste aber war der Bauernhof nebenan. Dort wurde die Milch gekauft. Ein gefährlicher, großer Hund lag an einer langen, klirrenden Kette, von der man nie genau wußte, wie weit genau sie reichen würde. Vorsichtshalber sind wir Kinder immer ganz flink an ihm vorbei und haben uns in die Ställe geschlichen. Hier haben wir nach den Kälbern geschaut oder die Fütterung der Schweine beobachtet. Manchmal waren wir auch häßlich zu den Hühnern oder spielten mit der einäugigen Katze. Ein wenig unheimlich war auch der "Verrückte". Die Bauern hatten einen behinderten Sohn unbestimmten Alters, der sich in unartikulierter Sprache mit uns zu verständigen versuchte und ansonsten seinen geheimnisvollen Geschäften nachging. Als Kinder waren wir grausam genug, ihn hinter seinem Rücken zu hänseln - auch wenn ich immerhin zugeben kann, daß mir das als nicht "ganz richtig" vorkam. Aber die Dorfkinder neigten auch dazu, sich vor mir als "Städter" als besonders abgebrüht und weltläufig zu produzieren.

Mit Vorliebe wurden mir auch die grausamen Geschichten erzählt. Wie sich Kinder im Getreidefeld versteckten, um ihren Vater zu überraschen, der mit seiner riesigen Erntemaschine das Getreide mähte. Die meterlange Messertrommel glänzte böse im Sonnenlicht. Und natürlich hat er im infernalen Lärm seiner Maschine die eigenen Kinder nicht gehört und ihnen mit der Mähmaschine die Arme abgeschnitten.

Dann spielten wir immer Verstecken im Stroh. Im Nachhinein war das wohl gefährlicher als sich während der Ernte im Getreide aufzuhalten. In der Scheune lagerte das Stroh meterhoch. Wir sprangen von wackeligen, gepressten Ballen hinunter ins Heu und wühlten uns durch labyrinthische, enge Tunnel, die manchmal zwei, drei Meter steil nach unten führten. Es war heiß und stickig in der Tenne und die Strohhalme pieksten uns in die Arme und bohrten sich durch unsere Hemden. Wir wären wahrscheinlich jämmerlich erstickt, wenn die Strohballen über uns zusammengefallen wären. Aber daran haben wir nie gedacht.
Einmal habe ich einen verdorrten Hühnerfuß im Stroh gefunden. Ich habe nie herausbekommen, ob den die einäugige Katze oder der verrückte Sohn dort hineingelegt hatte. Oder ob das dumme Huhn während der Ernte im Getreide herummarschierte.


 


Mittwoch, 18. August 2004


Der gefundene Satz, 6

"Jeden Tag trifft irgendwo jemand die Entscheidung, jemand anderen zu zerstören."

Adaption (USA 2002).

Super 8 | von kid37 um 14:33h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 17. August 2004


Die weiße Haut

Ein frankokanadischer Ausflug in die Welt der Succubi. Der Student Thierry lebt mit seinem schwarzen Freund Henri (Thierry - Henri - soll das witzig sein?) in einer WG. Thierry mag keine Rothaarige, und der Film macht nach vielen unnötigen Schleifen ins öde Hierhin und Dorthin (Studienprobleme, abgebrochene Spontanumzüge) auch klar, warum er recht daran tat. Denn kaum schleppt er doch mal die rothaarige Claire ab, entpuppt die sich als Succubus. Die beiden hampeln dann etwas unkoordiniert auf Thierrys Bett herum (manche würden dazu wahrscheinlich sagen "leidenschaftlich", aber mir wäre das entschieden zu hektisch), dann macht sie etwas, was man wohl als kinky bezeichnen könnte. Aber warum auch nicht? Nur Henri schöpft gleich Verdacht.

Dann passiert erstmal wieder nichts, dann will der Film doch lieber eine Komödie sein, dann gibt es bißchen Blut. Der Film endet als Komödie, hinterläßt ein paar Tote und jede Menge Logiklöcher.

Die Botschaft war nun schon in der Eröffnungssequenz klar, wenn Thierry seine Abneigung gegen Rohaarige bekennt. Warum er sich dann doch eine krallt, wird sein Geheimnis bleiben.

Die Gefährlichkeit von Rothaarigen war mir hingegen schon lange klar, und ich habe auch Beweise dafür. Dennoch habe ich ein Faible für Rothaarige und irgendwie auch für Frauen, die ein klein wenig gefährlich sind. Wobei sich die Betonung mit zunehmendem Alter immer mehr auf "klein" und "wenig" verschiebt. Mein persönlicher Succubus saß im Publikum, mit weißer Haut und roten Haaren. Das muß ja nun nicht sein, habe ich erneut festgestellt. Wenn auch nur am plötzlichen Durchstrom hochkonzentrierten Adrenalins. Und an der Stimme, die plötzlich flüsterte: "Haben Sie schon mal über eine Beschäftigung im Ausland nachgedacht, Herr Kid?"

Ich habe nach wie vor Schwierigkeiten, gemeinsam mit dem Succubus in geschlossenen Räumen zu sein. Deshalb meide ich auch bestimmte Orte. Man weiß nie, von welcher Seite der Leinwand das Blut dann spritzen wird.

Und zu sagen gibt es ja nichts. Der Succubus ist auch nicht so dumm und würde fragen. Wozu auch. Das war schon vor Jahren nicht anders. Es ist auch nicht die Zeit, einen "Kaffee" zu trinken. Es ist auch nicht die Zeit, wortlos gemeinsam auf dem Klo zu verschwinden, um dort dann, hektisch womöglich, Dinge zu tun, die vielleicht ein wenig kinky sind. Ich bin dafür zu schüchtern, und der Succubus hat gewiß blutvollere Opfer.

Wie man einen Succubus befriedet und heilt? Man mache ihm ein Kind und spiele sein Spiel. Für diese Antwort hasse ich den Film.

Den andererseits sicherlich netten Film Octane heute abend habe ich mir nun vorsichtshalber gespart. Obwohl die "erotischen Fänge einer Sekte gut gekleideter Bluttrinker" sehr verlockend klangen. Für heute aber reicht es an Succubi.

La Peau Blanche (Kan. 2004). Regie: Daniel Roby

Super 8 | von kid37 um 22:09h | 13 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 16. August 2004


Ich weiß, was ich vor 30 Sommern getan habe

Auch wenn ich aus der Gegend von nirgendwo stamme, bin ich als Kind sozusagen in Schleswig- Holstein aufgewachsen. Meine Großmutter väterlicherseits bewohnte dort eine alte Bauernkate, in der sie nach dem Krieg sechs oder sieben Kinder großzog. (Da meine Mutter ebenfalls sechs oder sieben Geschwister hat, geht mir da schon mal der Überblick verloren. Wie das in solch großen Familien üblich ist, besteht auch nicht mehr zu allen Teilen Kontakt.) Als kleines Kind war ich die ganzen Sommer über da, später dann zumindestens die sechs Wochen in den großen Ferien.

Die Sommer früher™ waren bekanntlich heiß und endlos. Ich war die ganze Zeit draußen, hing wahlweise im Kirsch- oder Apfelbaum oder auf dem Plumpsklo in dem kleinen Schuppen vor dem Haus, wenn die Früchte noch nicht reif genug gewesen waren. Das Haus war ein langgezogener Flachbau, in dem links und rechts jeweils Familien wohnten. In der Mitte befand sich ein ehemaliger Kuhstall, damals dann Lagerort allerlei geheimnisvoller Schätze und Piratenkisten. Das Leben war einfach und für uns Kinder nicht hart. Das war die Gegend, wo man kilometerweit barfuß durch den Schnee zur Schule ging. Aber, he, es war Sommer, und ich hatte große Ferien. Vier Steckdosen gab es in dem Haus, in jedem Zimmer eine. Wollte man zusätzliche Geräte anschließen, wurde eine mürbegewordenes, baumwollumsponnenes Kabel durch den Raum gespannt. Eines nachts holte ich mir an der wackligen Steckverbindung den ersten Stromschlag meines Lebens.

Der Tag begann damit, daß man Wasser von der Pumpe auf dem Hof holen mußte. Zwei Eimer voll wurden geholt. Einen für Trinkwasser, den anderen für Waschwasser. Großes Abenteuer. Dann ging es raus in die ewige Sonne (geregnet hat es selbstverständlich nie oder nur nachts). Ich spielte auf dem Kopfsteinpflaster rings ums Haus (auf denen konnte man sich prima aufgeschlagene Knie holen, wenn man zu schnell um die Hausecken peste) oder sah den Schwalben zu, die unter der Dachrinne im meterabstand ihre Nester bauten. Oder ich traf mich mit den anderen Kindern aus der Umgebung. Dann rasten wir durch die Getreidefelder oder besuchten die Kälber in den Ställen. Häufig waren auch zwei meiner Cousinen dabei, von denen die eine immer wollte, daß ich mich auszog. Ich spielte aber lieber mit den Katzen vom Nachbarhof.

Als ich älter wurde, war die ländliche Einöde Schleswig-Holsteins nicht mehr wirklich interessant, und ich verlebte meine Ferien anderweitig. Dreißig Jahre bin ich nicht mehr dort gewesen.

Bis neulich. Von Hamburg aus ist es mit dem Auto nicht so furchtbar weit, und vor ein paar Tagen habe ich es denn endlich einmal geschafft, die Orte meiner Kindheit aufzusuchen. Dunkel erinnerte ich mich an den Namen des kleinen Dorfes irgendwo bei Neumünster. Von der Bundesstraße links ab, hatte ich ein diffuses Bild vor Augen. Und tatsächlich ging es von der Bundesstraße links ab. Und tatsächlich kamen da die Bauernhöfe, und dann gabelte sich der Weg, und statt der von mir erwarteten endlosen Reihen nutzloser Einfamilienhäuser, waren da immer noch die Felder, in denen sich meine Cousine verdächtig oft die Schlüpfer geraderücken mußte, während ich nach meinem Kätzchen suchte. Und dann war da immer noch der große Baum (nun ja, es waren sogar zwei. Keine Ahnung, woher der andere auf einmal kam), an dem sich der Weg erneut gabelte. Und wieder ging es links, und ich dachte, na, nun werden hier aber nutzlose Einfamilienhäuser stehen. Aber dann kam der Bauernhof, wo meine Großmutter und ich abends immer die Milch holten, und die Scheune, wo ich einmal fast im Stroh erstickt wäre. Und dann stand da die alte Kate.

Und was soll ich sagen? Die alte Kate ist sozusagen eine neue Kate. Hübsch hergerichtet, der Dachboden ausgebaut, die Tür in den Kuhstall versetzt. Alles noch da, bis auf die Pumpe. Aber selbst die Schuppen mit den Plumpsklos stehen noch, nunmehr als reine Lagerräume für Gartengeräte genutzt.

Das war natürlich Anlaß für tolle Erinnerungsrückstürze. Wie kurz doch der Weg vom Haus meiner Großmutter bis zu dem großen Baum, der eigentlich zwei ist, geworden ist! Da entlang kam einmal die Woche der fahrende Supermarkt, ein umgebauter Laster, mit vielen Regalen, auf denen Lebensmittel aller Art angeboten wurden. Meine Großmutter kaufte mir immer Lakritzschnecken. Die Packung hielt aber nie bis zur nächsten Woche. Einen Briefkasten gab es dort auch, aber kein Postamt. Man warf den Brief einfach hinein und zwanzig Pfennig für die Marke hinterher. Auf der Post wurde das dann alles abgerechnet. Soll noch mal einer sagen, die Deutschen könnten nicht lässig sein.

Die neuen Bewohner waren nicht daheim. Aber mit den direkten Nachbarn und mit den Leuten von gegenüber habe ich mich unterhalten. Zugezogene, die sich aber noch dunkel an den Namen meiner Familie erinnern konnten. Die Nachbarn ließen mich sogar hinters Haus in den alten Garten gucken. Da stand noch der Kirschbaum. Meine Großmutter hatte dort ein Bündel alter Blechdosen gehängt, an denen eine lange Schnur befestigt war, die bis zum Haus reichte. Kein Dosentelefon, um mich zum Essen zu rufen, sondern ein Schreckapparat, um die Vögel zu verscheuchen. Ab und an ging man im Haus ans Fenster, wo das Ende der Schnur verknotet war, zog ein wenig und ließ die Dosen klappern. Dann rauschten ungezählte beleidigte Kirschendiebe mit wildem Gezeter davon.

Ein schönes Gefühl. Es ist alles noch da. Nicht zu einem Haufen alter Steine zermahlen, sondern schöner denn je. Erinnerungen, mal nicht zertrümmert. Meine Cousine bekam früh ein Kind. Ich weiß aber nicht, was sie heute so macht.


 



Careful With That Axe, Eugene!

Fragmentarische Anrisse, Splitter nur:

Ginger Snaps Unleashed (Kan. 2004). mehr...

Madame Edouard & Inspector Leon (F/B/Lux. 2004). mehr...

The Big Empty (USA 2003). mehr...

One Missed Call (J 2003). Takashi Miike, dieses Mal geschenkt.

Ginger Snaps Back: The Beginning (Kan. 2004). mehr...

La Peau Blanche (Kan. 2004). mehr...

Super 8 | von kid37 um 02:41h | | Link

 


Montag, 16. August 2004


Ginger Snaps Back: The Beginning

Der dritte Teil der "Ginger"-Reihe schildert das Prequel der Geschichte. Anfang des 19. Jahrhunderts treffen die verirrten Fitzgerald-Schwestern Ginger (Katharine Isabell) und Brigitte (groß: Emily Perkins) auf die entlegene Handelsstation Fort Bailey irgendwo in den Wäldern Kanadas. Auf dem Fort lastet ein Fluch: Die Schwestern ("Together forever") werden erstmals mit blutrünstigen Werwölfen konfrontiert. Eine indianische Seherin macht ihnen eine Prophezeiung, das Fort birgt ein schreckliches Geheimnis... und am Ende sind alle tot. So oder ähnlich geht der bislang schwächste Teil der kleinen, feinen Horrorreihe.

"The Beginning" ist konventioneller Monsterschocker: einsame Wälder, zwielichtige Burschen und ein leider allzu deutlich zu sehendes Rudel (!) Werwölfe. Bedauerlich. War die Stärke von "Ginger" bislang, den Fokus auf die weibliche Perspektive zu legen, ist der dritte Teil im Grunde ein Männerfilm. Die Fitzgerald-Schwestern sind hier weniger schnoddrige Heldinnen, sondern meist nur klassische "Damsels in distress", die in Nachtgewand und Kerzenschein mutterseelenallein finstere Kellerverliese erkunden oder einsam durch verschneite Wälder stapfen. Derart passiv haben sie auch nicht mehr den sexuellen Subtext der anderen beiden Teile in der Hand: Hier werden die beiden ständig bedrängt, mit Vergewaltigung bedroht, niedergeschlagen und beinahe als Hexen verbrannt. (Deshalb eben auch ein ganzes Rudel von Werwölfen - Metapher für das raue Rudel Burschen innerhalb das Forts. Nun ja.)
Ihr Triumph: Sie werden als einzige überleben - aber zu welchem Preis.

Ärgerlich nur, daß damit auch der Aspekt der Schuld in ein neues Licht gerückt wird. Wurden die Schwestern in den ersten beiden Teilen sozusagen schuldlos von der "bösen Natur" überwältigt, zeigt das Prequel, daß die beiden es in der Hand gehabt hätten, den Fluch zu brechen - aber bewußt versagten. Das Böse ist weiblich, als hätte man dies nicht schon seit Jahrhunderten gewußt. Denkt man zu lange darüber nach, wird damit eigentlich der ganze originelle Ansatz der "Ginger"-Filme diskreditiert.

Sei's drum. Als konventioneller Horrorfilm funktioniert das Ganze recht gut. Passabel sagt man wohl. Die Gothic-Aspekte schlagen hier noch mal den Haken in eine andere Teilnische dieser Subkultur:

War Teil 1 noch "Vorstadt-Gothic" und Teil 2 eher "Industrial", so holt Teil 3 schnell noch die Mittelaltermarkt-Szene ins Boot. Indianische Mystik, Traumfänger, Trinkhörner, Vogelschädelhalsketten, Kapuzengewänder, Ritualmesser - dieser ganze, nun ja, langweilige Tinnef wird als visueller Leckerbissen-Schwurbel über die insgesamt dünne und von Beginn an vorhersehbare, komplett lineare Handlung gelegt.

Nett, sagt man da. Und das ist ja bekanntlich ein Todesurteil. (Außer man will sich nicht in die Karten schauen lassen, aus Selbstschutz zum Beispiel. Aber das hat jetzt nichts mit dem Film zu tun.)

Und Emily Perkins ist in ein paar Jahren ein Star. Oder tot.

Ginger Snaps Back: The Beginning (Kan. 2004). Regie: Grant Harvey

Super 8 | von kid37 um 01:46h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Nachts manchmal später

Ausgang. Nachtwandelnd durch Gewerbegebiete, monotones, industrielles Grundrauschen. Versprechen im fahlen Licht einer Verkehrsunterführung. Eine Straßenlaterne zum Trunk einladen. Sieche Tiere. Wäre der ganze Körper doch aus Rost. Metallischer Zerfall. Berstende Schweißnähte, grünspanbewucherte Zähne aus schartigem Messing. Sich mit den zu dreckigen Sporen geformten Fingernägeln ein nächtliches Tier reißen. Rostiges Wasser aus brackigen Pfützen trinken. Wir schleichen rund um die Krankenbaracke und schlagen uns mit der blechernen Suppenkelle auf die rasierten Schädel. Die Tonsur für die Elektroden. Nicht mal das Stroboskoplicht direkt vor unserem Auge weckt uns aus mechanischem Halbschlaf. Eine aufgestörte Fliege jagt in verzweifelter Flucht in meinen Mund. Ein Kadaver der Landstraße. Glaubst du es diesmal? "She says all the things that make you sick/But do you believe her when she says she loves you?" (The Raveonettes, "Do You Believe Her?")
Unsere rostigen Körper schleifen über die Straßen, schreddern aneinander. Zerfetztes Metall. Man meint, es sei die Krankheit, doch im Institut haben sie nichts für mich. Wir werden nichts mehr glauben müssen.


 


Samstag, 14. August 2004


Yes, I believe her

Warum sagt mir wieder keiner was? Muß erst wieder die formidable Miss Monolog daherkommen und mir "Bescheid" ins Ohr brüllen?

Also für Menschen, die z.B. in den 80ern die Primitives gehört haben oder als zweite Grobrichtung Naked Lunch stimmlich ganz gut finden, die können sich mal bei den Raveonettes umschauen. Melancholie mit Eiern.

Ich geh jetzt mal eben den Motorradführerschein machen.

Radau | von kid37 um 20:03h | 14 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



The Big Empty

Den Vergleich mit David Lynch, den das Presseheft erhebt, vergessen wir gleich mal wieder. Jedermann "Joe Person" (Jon Favreau) ist arbeitsloser, verschuldeter Schauspieler. Aus Not nimmt er einen obskuren Auftrag an: einen blauen Koffer irgendwo in einem Wüstenkaff übergeben. Dort im Big Empty begegnet er einigen bizarren Einheimischen. Sein Motelwirt hat eine Sthalplatte im Kopf, Barfly Dan quatscht ihn mit Alien-Geschichten voll, White-Trash-Göre Ruthie (Rachel Leigh Cook) macht ihn heiß und ihren durchgeknallten Freund (Adam Beach) rasend eifersüchtig. Einzig Ruthies Mutter, Barfrau Stella (cool: Daryl Hannah), scheint einigermaßen geradeausdenken zu können.

Dann aber passiert ein Mord, hinter dem Joes Kontaktmann, der "Cowboy" (Sean Bean), zu stecken scheint. Und Joe hat plötzlich das FBI und die Aliens im Nacken... oder auch nicht.

Vorab: Die Musikauswahl ist echt daneben. Statt die "Mystery"-Stimmung zu unterstützen, kommt so Lala Marke Cajun-Country-Lustiggedudel. Dann wird zuviel erklärt, statt uns mit offenen Fragen und einem offenen Ende zurückzulassen. Ganz ordentlich, hätte man aber mehr daraus machen können.

The Big Empty (USA 2003). Regie: Steve Anderson

Super 8 | von kid37 um 02:37h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Madame Edouard & Inspector Leon

Ach ja. Belgisch, schwarz, makaber. Aus Belgien kommen ja viele merkwürdige Sachen. Aber hier spielt das St.-Pauli-Volkstheater eine Version von "Kottan ermittelt". Skurril, sicher. Exzentrisch, auch. Witzig hier und da. Aber auf Dauer ist der Plot dann doch ein wenig arm. Albern sicherlich. Insgesamt leider nur TV-Niveau.

Stärkste Szene eigentlich, wie das Mädchen nach zwanzig Jahren das erste Mal seinen Vater trifft.

Madame Edouard & Inspector Leon. (F/B/Lux. 2004). Regie: Nadine Monfils

Super 8 | von kid37 um 02:16h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link