Montag, 10. September 2007


Einmal um... und die Taschen voller...

Ich würde ja behaupten, Garantien gibt es im Leben für gar nichts. Und wer auf dem Kiez unachtsam mit seiner Geldbörse umgeht, wird auch auf der Reeperbahn nach Zuneigung Sex lange suchen.
Noch eine Erkenntnis: Die kurzfristige Absichtserklärung, als Alleinreisender noch ein Stück von der Welt oder vorzugsweise einfach nur Sonne zu sehen, erfordert Entschlußkraft, Stamina im Nehmen ästhetischer Hotelzimmerhärten und mehr noch den furchtlosen Griff zum Portemonnaie - spätestens, wenn das böse Wort "Einzelzimmerzuschlag" fällt. Ein Zauderer wie ich eignet sich nicht mal mehr zu Last Minute, der bleibt gleich ganz zu Hause in der schönsten Stadt, wie die Einwohner hier zu jeder Jahreszeit behaupten. Mehr Brücken als Venedig! (Dafür hat Wuppertal mehr Treppen, wie ich in meinen ersten Jahren hier noch mutig einzuwerfen pflegte, unverständige Blicke erntend.) Ich könnte mir natürlich eine Expedition sponsern lassen, aber wie Neil Young betonte ("I don't sing for nobody/Makes me look like a joke"), steht das nicht jedem gleich gut zu Gesicht.

Auf dem Flohmarkt heute bei den Mädels vom Immenhof noch mal nach dem skurrilen Kinderbuch gesucht, das ich dort einst mit Frau Grey entdeckt, unverständlicherweise aber nicht gekauft hatte. Liebesmüh, file under: vergebens! So ist das mit Gelegenheiten, man ergreife sie beim Schopfe oder gar nicht, denn ein zweites Mal wird selten gefragt, egal mit welchen Scheinen man winkt.

Mein Vater lockt mit der Terrasse in der Stadt der Treppen, aber ich fürchte, er sucht bloß jemanden, der ihm den Rasen mäht. Es wäre aber andererseits schon die halbe Strecke bis Paris, um nur mal ein Beispiel für andere schöne Orte zu nennen. Die Stadt der Liebe lockt zwar nicht direkt mit Sex, wohl aber in der Foundation Cartier mit Rock'n'Roll. Mal sehen. Es sind ja noch ein paar Tage bis zum Harvest Moon (Youtube). Man kann schließlich vieles planen. Nur Garantien, die gibt es für nichts.


 


Samstag, 8. September 2007


In schlaffen Zungen reden



Um der gleichsam wie die derzeitigen Regenschauer ("Einen Schirm brauchen Sie heute nicht", NDR info) auf- und abziehenden Schwermut ein Schnippchen zu schlagen, verbringe ich viel Zeit an der sogenannten frischen Luft. Gelegenheit, ein kleines Gerät zu testen, das sich vollmundig "Kamera" nennt, vielleicht Dienste als kleines digitales Notizbuch leisten könnte, aber wohl dennoch am Montag zurück zum Händler geht. Als ob das jetzt interessant wäre, aber ein kleines Lamento wird wohl erlaubt sein. Sowieso formt sich in mir zusehends die Meinung, im Zeitalter ubiquitärer visueller (Selbst-)Überwachung ist Bilderlosigkeit das neue Schwarz. Es wäre einen Versuch wert.

Straßenfest in und auf St. Pauli, unter wasserschweren Plastikfolien sind nicht viele Schätze zu erkennen, in einem aufgeweichten Pappkarton schwimmen Plüschtiere. Niemand kann ihr Klagen hören, und ich hoffe, Scharli und seine Leude hatten insgesamt mehr Glück bei ihren Geschäften.

Ich komme jetzt in ein Alter, so höre ich, in dem auch bei Männern die Themen "Faltenbildung" und "Hauterschlaffung" um hochkonzentrierte Aufmerksamkeit heischen. Als führte das Problem "Versorgungslücke" nicht schon genug zu allgemeiner Erschlaffung geistiger und körperlicher Art. Man sollte nur noch französisches Vulkaneifelwasser trinken, ohne Trauben, ohne Prozente. Überhaupt sollte ich strenger zu mir sein; zu anderen natürlich auch. Eine flotte Freizeitidee wäre es andererseits, sich mit viel sehr viel Alkoholika in ein Wochenende zu sperren, im zerschlissenen Bademantel auf dem Sofa zu hocken und sich überhaupt mal so recht gehen zu lassen. Bis an den Rand der Verwahrlosung, sagen wir mal, oder jedenfalls bis das Haar strähnig herabhängt. Vielleicht nicht gerade bis zur Selbsteinnässung, auch wenn, man mache sich nichts vor, diese endgültig schlaffen Jahre für jeden irgendwann kommen.

Dann, ich schlage jetzt den Bogen in die Gegenwart und zu echten Problemen zurück, wäre ein Platz in der ersten Mannschaft bei Scharlis Leuden unwahrscheinlicher als die Rückeroberung der Stammposition unseres Torwarthelden bei seinem Heimatverein. Man nutze also die Zeit, wasche sich täglich, halte sein Haar gekämmt und immer etwas Kleingeld bereit.


 


Freitag, 7. September 2007


Reimen und Federn

Kommst du mir böse
kommst du mir frech
wart nur ein weilchen
ob ich mich nicht räch'

(ich brech dirs Genick
knick knick)


 


Montag, 3. September 2007


New Dawn Fades

A loaded gun won't set you free.
So you say.
(Joy Division, "New Dawn Fades")

Zum Glück bin ich kaum noch zu erschüttern, wie ich meine. Kaum. Nicht nicht zu erschüttern, aber man härtet halt ab. Heute habe ich nämlich zu allem Überfluß meinen digitalen Fotoapparat geschreddert. Einmal Trude noch, dann ging nicht ich, sondern nur er zu Boden, etwas was Kameras allgemein und digitale im besonderen so gar nicht mögen.

Ich habe aber nicht viel dazu gesagt, denn dieses Jahr sah schon einige Schäden, das wird dann ja irgendwann auch langweilig. Jetzt sind zudem die Bilder irgendwie eigenwilliger, das immerhin muß man zugeben. Der Fokus steht auf ungefähr 3 Zentimeter, was ja noch zu vertreten wäre. Muß man halt mal richtig nah rangehen, dann wird das schon. Aber die Streifen sehen nach beschädigtem Sensor aus, da nimmt man besser mit ernster Miene die Kopfbedeckung ab und blickt stumm in den Himmel oder gleich in die Grube.

Ich glaube, deute ich die Zeichen richtig, da löst sich gerade meine Urlaubskasse auf. Schlimmer noch: das aktuelle Angebot an der Immer-dabei-Kameras gefällt mir entweder optisch, ergonomisch oder wegen der technischen Daten nicht. Ihr werdet mich also länger nicht sehen. Andererseits, ein kleiner Zeichenblock und ein Paket Buntstifte kosten nicht die Welt. Ich könnte mir die Knarre meines Nachbarn leihen, der nachts immer auf die Enten anlegt, in die Telefondose schießen, eine Badehose anziehen und mich in meinem Zimmer in einen ruhigen Palmengarten träumen. Improvisieren kann ich schließlich gut.

Nicht zuletzt wäre mit ein wenig Urlaub wohl auch die Fallsucht bald gebannt. So ein Strand heitert schließlich noch die trübste Tasse auf, selbst Keith Richards ist nicht einfach so von einer Palme gefallen. Das ist ein hart rollender Stein, der kein Moos ansetzt. Bei Nachtlicht betrachtet ist es vielleicht auch so: Ich war viel zu lange nicht tanzen so wie früher.

Es ist gut, daß der Herbst kommt. No Love Lost.

(Alle Clips von Youtube, vor allem dieser, der ist großartig.)


 


Freitag, 31. August 2007


Feuer geh mit mir



Knackende Knochen, schwarzgrindiges Geschick, Staub frißt meine Haut. Immer wieder droht es, der Ofen sei bald aus. Vielleicht droht auch nicht es, sondern das Über-Ich, das mag dem aber egal sein, der in kalter Asche stochert. Als ich heute in der U-Bahn mit dem Rücken zur Fahrtrichtung fuhr, sah ich, wie die Tunnelwände in einem dunklen, schmutzigen Braun, das aussah wie getrocknete Blutklumpen, aufeinander zu rückten, zusammenstürzten, schnell und immer schneller. So als wäre ich rückwärts ins Meer gefallen und sänke hinab, während die Wellen, das Wasser, alles eben über mir zusammenschlüge und ich hinabwirbelte, in einem teilnahmslosen Sog, bis hinab an den Grund.

Bevor ich also, viel zu schnell auftauchend und japsend nach Luft schnappend, verzweifelt vielleicht, in einer Sylvia-Plath-Gedächtnisaktion den Kopf in den Ofen stecke, werde ich lieber kürzertreten. Batterien aufladen, endlich daheim bleiben, ein oder zwei herbstliche Eindrücke sammeln, nur wenig an die Kollegen denken, die hoffentlich gut, aber bitte nicht zu gut ohne mich auskommen. Im Zweifelsfall kann ich sowieso länger die Luft anhalten.


 


Dienstag, 28. August 2007


Berüchtigte Jahrzehnte

Sammlung Pablo Cruz AguirreKeine Zeit für gar nix, kein Wort fällt mir ein. Noch fünf Tage, dann aber stelle ich mich ans Fenster und atme tief durch. Wenigstens einmal. Noch fünf Tage. Dann startet ein neues Programm, zu Wasser, zu Lande und vielleicht auch mit etwas Luft. Wie Ben Becker derzeit werde ich auch ohne Chefarztbegleitung in mich gehen und weniger dunkle Lieder brummen.

Doch halt, keine Tränen für die Gestalten der Nacht: Vollmond kündigt sich an, fett schlich er gestern bereits etwas schwankend übers Wasser hinterm Haus. Ein guter Tag zum Haareraufen, ein guter Tag für Erinnerungen. Ein guter Tag, dich zu finden oder wenigstens etwas. Alte Fotografien aus Argentinien vielleicht. Verlassen, verloren und wiedergefunden. Treibgut der Straße, sag dem Fremden Hallo.


 


Dienstag, 21. August 2007


Ach

How I wish you were
here with me now

(New Order, "In A Lonely Place")



Während ich meine harten, im Krankenhaus zerstochenen Venen massiere, über das Konzept "Urlaub" nachdenke und mit kurzem irren Lachen der Idee Raum gebe, einfach sieben Tage nach Mauritius zu fliegen, obwohl ich doch lieber ins nebelverhangene... Na egal. Jedenfalls, ließ sich eine Woche auch schon mal besser an, selbst am Montag. Am Wochenende wieder diese Schlägereien in meiner U-Bahn, am Wochenende wieder diese Messerstechereien auf dem Kiez, nicht lange, nachdem ich just dieselbe Stelle passierte, mit einem Wort: es nervt.

Kein gerader Satz wird heut entbunden, mir fiele nicht mal eine theatralische Wendung ein und wollte ich schnell noch was in meinen Unterarm ritzen. Was ich heute schaffte, neben der Fabrikarbeit natürlich? Etiketten raustrennen. Ja genau. In den 70ern ein Anlaß für die Rasterfahndung, rausgetrennte Etiketten, sehr verdächtig, ist heute hoffentlich nur eine Marotte. Ich mag meine Leibwäsche halt befreit von solchen Dingen. Wie sieht das auch schon aus? Ich bin ja jetzt auch doppelt sensibilisiert. Hieß es früher, trag schöne Unterwäsche, du könntest deiner Traumfrau begegnen, kontere ich heute, trag vernünftige Unterwäsche, du könntest unverhofft ins Krankenhaus kommen. Was waren das noch für Zeiten, wo man so was gar nicht kannte, Unterwäsche. Und Krankenhäuser sowieso nicht, denn man war ja kern & gesund. Aber schäbige Webetiketten? Niemals nein.

Neulich habe ich Tracey Emin einen Brief geschrieben, aber die Antwort steht noch aus. Die kennt sich aus. Derweil denke ich über die beiden nach, eine Geschichte, auf die mich Saxana gestoßen hat. Auch irre, in jeder Wendung. Noch habe ich nicht alles verfolgt und lese gerade ein wenig im Blog von Theresa. Endlich passiert mal was, möchte man denken. Nicht immer nur phoney mahoney, sondern richtiger 4/4-Takt. Dieses Gequatsche nämlich immer.

So viele Arten. Fast so viele, wie es Liebe gibt.


 


Dienstag, 14. August 2007


Wir sind Sternenstaub



Heute dann wurde mir klar, das es ja immer weitergehen muß. Heute fiel mir wie derzeit nur der langsam abbröckelnde Wundschorf aus den Haaren ein Brief vor die Füße. Die schöne Sternentätowierte schrieb aus dem Krankenhaus und möchte nun Geld für jeden mitleidigen Blick aus ihren trostspendenden Augen. Ich sei Zuzahler erfahre ich, denke aber im Stillen, bin ich nicht eigentlich viel eher Draufzahler, wenn man mal ganz ehrlich ist? Sie jedenfalls tut unschuldig, ihr seien die Hände gebunden. Aber auch das hätte ich, wenn schon, lieber selber erledigt.

Den Brief zu erfassen, erfordert mehr Mühe als sonst schon unangenehme Nachrichten. Um Mißverständnisse auszuschließen, versuche ich mich derzeit aber angestrengt in der Re-Alphabetisierung. Als Youtube-Patient liest man mir immerhin Edward Goreys A-B-Weh. Die Gegenprobe liefert die ebenfalls deutliche Buchstabierhilfe vom - Achtung, jetzt kommt's - Head Injury Theater.

Die Urlaubsplanung hingegen gibt sich als widerspenstige Freundin. Mal brauche sie "noch Zeit", mal habe sie schon Besuch. Mal lockt sie mit einladender Geste, reagiert aber beleidigt, wenn ich nicht sofort springe, und droht mit regenverhangener Miene, abweisender Kühle oder Hingabe an den Nächstbesten. Vielleicht brenne ich einfach durch mit meinem Kumpel, dem Job.


 


Mittwoch, 8. August 2007


Herr Kid geht k.o.



Das kommt davon, wenn man artistische Scherze über Rehab-Inszenierungen macht - prompt wird man selbst zum Protagonisten. Ich möchte betonen, Rock'nRoll hin oder her, aber das ist mir auch noch nicht passiert. Gehe ich doch eben schnell nach der Arbeit im Supermarkt einkaufen, merke noch wie mir blümerant zumute wird... und verliere dann den Faden. Dunkel erinnere ich mich an die Kühltheke, dann aber an nichts mehr. Vielleicht war es der Milchpreisschock, vielleicht hatte ich auch einfach keinen Saft mehr, jedenfalls wachte ich so zwei Stunden später in der Notaufnahme auf.

Fade to Black, danach emsiges Treiben um mich herum, eine Kopfwunde, ein sauberer Cut, muß versorgt werden, ein paar Instrumente piepsen. Von meinem Sturz bin ich am halben Körper grün und blau, als hätte ich eine muntere Sparringsrunde mit Darius "Tiger" Michalczewski hingelegt. Aber das merke ich alles erst am nächsten Tag. Jetzt gerade kniet eine junge Schwester vor mir, hält meine Hand und spricht mit sanfter Stimme zu mir. Fasziniert betrachte ich ihr Sternentattoo auf dem Handgelenk. Hier bei den Sternen bin ich zu Hause, weiß ich, hier ist das katholische Krankenhaus. Der behandelnde Arzt hingegen ruft ganz irdisch nach einer dickeren Nadel. "Das ist die härteste Schwarte, die ich je genäht habe!" Ich finde, so dickköpfig bin ich nun auch wieder nicht. Hätte er mal die Schwester gelassen, ganz weich wäre ich geworden.

Abends am nächsten Tag höre ich die Andacht, die in die Zimmer übertragen wird. Mir ist sofort besser.
Davor noch ein Besuch im Technikpark. Man schiebt mich zum Kernspin in die Röhre, das pulsierende, modulierte Brummen hört sich an wie auf einem Industrial-Festival. Nur der Kopfhörer mit dem Lokalradiosender, den ich tragen soll, stört etwas. Brrrr. Bzfff Bzfff. Bzfff. Könnte man auch mal samplen. Nachmittags noch ein EEG, ich wette, das Netzmützchen aus Gummi, das ich dazu trage, steht mir nicht. Die Kurven scheinen nicht so interessant zu sein, wie die auf dem berühmten Joy-Division-Cover, obwohl ich abwechselnd die Augen öffne und schließe, Rechenaufgaben löse und "an was Schönes" denke. Meine Entlassung zum Beispiel.

Die habe ich dann heute veranlasst, nachdem ich den Kollegen Arzt überzeugen konnte, brav zu sein und unauffällig und überhaupt ein echter Simulant. Wie ein geprügelter Hund schlich ich nach Hause, gleich darf ich mir vorsichtig das Blut aus den Haaren waschen. Und nachher, nun, da gehe ich dann mal zum Supermarkt.


 


Montag, 6. August 2007


Janus-Sunaj

Sammlung Joe Coleman

Manchmal einfach mal abschalten. Manchmal einfach mal runterkommen. Manchmal fühlt man sich wie eine Laune der Natur, manchmal jedoch sehen die vielen anderen so aus.

Dürfte ich bestimmen, ich schlüge vor, heute den Tag der zweiköpfigen Kälber auszurufen. Für alle, die zuviel denken und am Ende nicht wissen, wohin sie eigentlich schauen. Vorwärts und rückwärts, zwischendrin ein Stocken wie im fahlen Licht eines Nachtzugs zwischen größeren Städten. Wenn draußen im Dunkeln die Klarheit verschwindet, man nicht mehr erkennt, in welche Richtung man fährt und ob überhaupt. Wenn sich gegenüber ein anderer Zug bewegt, lautlos und stoisch wie ein alternder Ochse, oder bloß eine zitternde Spiegelung ans Fenster wirft. Dazu ein Knarzen und Brummen. Über die Sprechanlage murmelt der Zugchef Unverständliches. Nur etwas wird deutlich: Wir haben den Anschluß verpaßt.