In schlaffen Zungen reden



Um der gleichsam wie die derzeitigen Regenschauer ("Einen Schirm brauchen Sie heute nicht", NDR info) auf- und abziehenden Schwermut ein Schnippchen zu schlagen, verbringe ich viel Zeit an der sogenannten frischen Luft. Gelegenheit, ein kleines Gerät zu testen, das sich vollmundig "Kamera" nennt, vielleicht Dienste als kleines digitales Notizbuch leisten könnte, aber wohl dennoch am Montag zurück zum Händler geht. Als ob das jetzt interessant wäre, aber ein kleines Lamento wird wohl erlaubt sein. Sowieso formt sich in mir zusehends die Meinung, im Zeitalter ubiquitärer visueller (Selbst-)Überwachung ist Bilderlosigkeit das neue Schwarz. Es wäre einen Versuch wert.

Straßenfest in und auf St. Pauli, unter wasserschweren Plastikfolien sind nicht viele Schätze zu erkennen, in einem aufgeweichten Pappkarton schwimmen Plüschtiere. Niemand kann ihr Klagen hören, und ich hoffe, Scharli und seine Leude hatten insgesamt mehr Glück bei ihren Geschäften.

Ich komme jetzt in ein Alter, so höre ich, in dem auch bei Männern die Themen "Faltenbildung" und "Hauterschlaffung" um hochkonzentrierte Aufmerksamkeit heischen. Als führte das Problem "Versorgungslücke" nicht schon genug zu allgemeiner Erschlaffung geistiger und körperlicher Art. Man sollte nur noch französisches Vulkaneifelwasser trinken, ohne Trauben, ohne Prozente. Überhaupt sollte ich strenger zu mir sein; zu anderen natürlich auch. Eine flotte Freizeitidee wäre es andererseits, sich mit viel sehr viel Alkoholika in ein Wochenende zu sperren, im zerschlissenen Bademantel auf dem Sofa zu hocken und sich überhaupt mal so recht gehen zu lassen. Bis an den Rand der Verwahrlosung, sagen wir mal, oder jedenfalls bis das Haar strähnig herabhängt. Vielleicht nicht gerade bis zur Selbsteinnässung, auch wenn, man mache sich nichts vor, diese endgültig schlaffen Jahre für jeden irgendwann kommen.

Dann, ich schlage jetzt den Bogen in die Gegenwart und zu echten Problemen zurück, wäre ein Platz in der ersten Mannschaft bei Scharlis Leuden unwahrscheinlicher als die Rückeroberung der Stammposition unseres Torwarthelden bei seinem Heimatverein. Man nutze also die Zeit, wasche sich täglich, halte sein Haar gekämmt und immer etwas Kleingeld bereit.

Homestory | 21:57h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
mark793 - Samstag, 8. September 2007, 22:25
Genau:
Auch wenn der Ratschlag aus Walter Serners "Handbrevier für Hochstapler" bei Licht besehen eine abgedroschene Durchhalteparole ist, mir hat er in schlimmen Phasen einen gewissen Halt gegeben:

"Reinige Dich stets gewissenhaft. Das Glück könnte Dir täglich nahen."

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kid37 - Samstag, 8. September 2007, 22:44
Zungenschaber nicht vergessen.

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schein - Samstag, 8. September 2007, 23:21
und um mit Doderer zu sprechen...

'Jederzeit besuchsfähig sein: dies ist das comme-il-faut der Intelligenz'.

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neo-bazi - Sonntag, 9. September 2007, 00:05
Opas Mama Karolina, eine echte Allgäuer Bauerntochter:

"Waschen ist nicht so wichtig, Hauptsache, du trocknest dich gut ab."

Daran habe ich mich stets gehalten.

PS:
Die Allgäuer Fliegen sind viel schneller und viel schwerer zu erjagen als das müde Hamburger Ungeziefer. Saubande, lästige.

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saxanasnotizen.blogspot.com - Sonntag, 9. September 2007, 02:11
Sport, Sport am Morgen und am Abend! Nur waschen und kämmen und saufen ist zu schlaff.

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kid37 - Sonntag, 9. September 2007, 23:54
Wohl gesprochen! Weshalb ich jeden Morgen zu Sonnenaufgang nur im Turnerhemd bekleidet am zum Wasser hin geöffneten Fenster meine Übungen mit dem Expander mache. Meine mentale Ausgeglichenheit und physische Belastbarkeit kommen schließlich nicht vom Eifelwasser allein von ungefähr.


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kid37 - Sonntag, 9. September 2007, 23:56
@ Neo-Bazi: Die Astra-Mücken hier stehen eben nicht so im gesunden Saft. Mich wundert das nicht.

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iii - Montag, 10. September 2007, 00:31
Achso. & ich dachte, Du stellst am offenen Fenster kuhl die Luftgitarren WM nach. (= kid37 vs. Ochi "Dainoji" Yosuke).
Gut dass ich nicht voreilig gewunken hab.

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kid37 - Montag, 10. September 2007, 00:43
In der Tat: Früher wollte ich das mit meinem ehemaligen Vermieter als Duo machen: Ich als Power-Akkord-Mann, er als Filigrantechnik-Gniedler. Wir hatten das richtig durchdacht: Erst Hut aufstellen auf der Mönckebergstraße, dann Weltruhm! Jetzt, Jahre später, weiß ich nicht, ob ich gegen die wilden Finnen und enthemmten Japaner noch eine Chance hätte.

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iii - Montag, 10. September 2007, 01:09
Kinder, wie die Zeit vergeht! Du bist jetzt mit Ende 30 aber auch eher in dem Ich-mach-mal-wieder-Sport-Alter. Mit Ende 40 (das haben meine zuverlässigen Feldstudien + Akten ergeben) wendet mann sich dann eher dem Kochen und der Ästhetik des Anrichtens zu. Du hast also noch 10 Jahre Zeit herauszufinden wo's das beste Pesto und Vulkaneifelwasser der Stadt gibt.
Und nun: Der alterslose Schönheitsschlaf. Gesichtsmaske + Gebet nicht vergessen.

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kid37 - Montag, 10. September 2007, 01:15
Auch da ist was dran: Mit 37 liebäugelt man noch mit dem Triathlon, mit 47 werde ich nur noch die Spaghetti brechen. Schönheitsschlaf ist bis dahin ein gutes Stichwort. Hände über der Decke halten!

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