Dienstag, 7. Juli 2009
Herr Monopixel erinnerte neulich an dieses Lied als Begleiter durch die Nacht, damals, als man mit dem Auto durch die Industriegebiete fuhr, Erwartungen entgegen oder auch nur dem nächsten Tanzlokal. Nun haben wir hier keine Autobahnen, die durch weitläufige Industriegebiete führen, dafür aber einen Hafen und durch den fährt man dann gleich mitsamt dem Tanzlokal.
:Das schrebbelige Video nehme ich nachher wieder raus:
Am Samstag lud Lady Grey zur Kaperfahrt mit ihrer Piratenposse, eine vergnüglich-sentimentale Zeitreise, der man kein Ende wünschte - und gerüchteweise pflügt die Barkasse tatsächlich noch heute als totenkopfbeflaggter Post-Punk-Panzerkreuzer durch die aufgewühlten Wellen.
An Bord prima Stimmung und eine windzerzauste Besatzung, Axel K, Herr Ichichich samt Wirwirwir, Isa und, große freudige Überraschung, Sig. Giardino auf Stippvisite. Und wie schön das ist, wenn man merkt, es paßt, man teilt diesen Raum, man bewegt sich gemeinsam, sieht diese immer wieder aufs Neue berührende Kulisse mit den Lichtern der Kräne und Schiffe, dem Funkenschlag der Schweißarbeiten auf den Docks, läßt sich umhüllen von der Musik, tanzt, singt DAFs Alle Gegen Alle und meint in diesem Moment ganz das Gegenteil, spürt die warme Abendluft, den Geruch von Fluß und Nacht und Hafen.
Auf der Fahrt durch die engeren Kanäle, hallt das Echo von Oasis unter den Brücken, schmuggelt sich unter die rostigen Eisenplatten, die wir über den Herzen tragen. "Don't Look Back in Anger". Es sind diese Augenblicke, in denen man allen verzeihen mag. Dir. Und mir auch.
Freitag, 3. Juli 2009
In einer Viertelstunde bin ich unten am Fluß. Das muß kein Nachteil sein: Dort abends eine Stunde am Wasser sitzen, etwas lesen, etwas Sonne mitnehmen, den Tag abschütteln, noch etwas lesen, die Vögel betrachten, die Skipper in ihren Booten. Die Angler am Ufer, die dort etwas mit Fischen machen, denen ich sonst nur vorlas. Zum Schluß etwas lesen. In den Wolken. Durchatmen. Etwas.
Dienstag, 30. Juni 2009
Sie wurde erst verlacht, von manchen sogar gehasst. Es dauerte lange - und natürlich brauchte es die Erfolge im Ausland - bis die Wuppertaler anfingen sie zu lieben. Vor einigen Tagen mußte ich an sie denken, als mir eine Freundin schrieb, sie ginge jetzt zu Pina Bausch. Wie man das so sagte. Man ging nicht "ins Schauspielhaus". Man ging zu Pina.
A Coffee with Pina
Montag, 22. Juni 2009
Mag das Wetter unbeständig sein und von eisig, regnerisch und schönster Sonne alle Orgelregister ziehen - raus kann man trotzdem, zumal zur Sonnenwende der Abschluß der Altonale lockt. Es lohnt sich bei solchen Veranstaltungen, ein paar Schleich- und Umwege zu gehen, an den dichtesten Menschentrauben vorbei, ehe man Zustände bekommt oder unversehens auf dem Mittelaltermarkt landet. Es ist zum Glück jedoch, ein Lob der Vielfalt, für jeden was dabei. Wie ein Netz aus Ameisenstraßen wuselt und wimmelt es mal in diese Gasse, mal in jene Twiete, immer auf der Suche nach Vergnügen - so jedenfalls darf vermutet werden. An den schöneren Straßenrändern werden Sardinen gegrillt, mit ernstem Gesicht noch ernsterer Tango gespielt, Kunst & Handwerk ausgebreitet und die freien Plätze insgesamt sehr wohnlich gemacht.
Am Stand der Station 17 ein bißchen eingekauft, dann einem alten Mann mit hörbar ostpreußischen Akzent ein ebenfalls altes Voltmeter abgehandelt. "Könnte aus einem U-Boot stammen", vermutete der freundliche Herr. Möglich ist es, immerhin ist es von innen ein wenig mit Wasser beschlagen. Da ich ab und an unter starker Spannung stehe, benötige ich so etwas. Nur falls sich jemand fragt. V für Victory, an Bord meiner Nautilus macht sich auch ein wenig Literatur sehr gut, die Besatzung will belesen sein. Leider fand sich nur bekanntes, aber solche Bücher sind ja wie kleine verlassene Kätzchen, die einem vom Boden eines Pappkartons her anmaunzen, und können folglich nicht zurückgelassen werden. Nachher, man hört immer wieder davon, landen die dann im Wasser, nur weil sie keiner wollte - und dann ist kein U-Boot, nichts, kein niemand, in der Näh’.
So war das.
Freitag, 19. Juni 2009
...Frank Zander? Der stadtbekannte Berliner Spaßmacher ("Ich trink' auf dein Wohl, Marie") hat sich wie viele seiner Kollegen aus Funk und Fernsehen in Hamburg ein zweites Standbein aufgebaut. Neben seiner Tätigkeit als Synchronstimme von Asterix verdient er sich mit einem Umzugsservice nebenher so manche gute Mark und ist dabei vermutlich mindestens so einnehmend und gut gelaunt, wie man es von seinen umjubelten Bühnenauftritten vermuten darf. Mit seinem Wahlspruch "Schwarzer Humor, aber keine schwarze Arbeit" führt der "Ur-Ur-Enkel von Frankenstein" sein Nebenerwerbsunternehmen korrekt und organisiert und eifert damit als geübter Parodist seinem zupackenden Berliner Kollegen augenzwinkernd nach. Ein Möbelrücker weiß eben genau: Wer den Aufschwung will, muß etwas bewegen wollen!
Donnerstag, 18. Juni 2009
... Uwe Friedrichsen? Der beliebte Hamburger Schauspieler, der dieses Jahr 75 wurde, betreibt neben seiner Arbeit für Fernsehen, Theater und als Synchronsprecher von Ringo Starr einen erkennbar florierenden LKW-Handel weit abseits der glitzernden Bühnen und glamourösen Viertel der Hansestadt. Dabei kommt ihm, das mag vermutet werden, seine Erfahrung als ehemaliger Zollfahnder zu Gute. Meine Mutter, das aber nur nebenbei, hat einmal im Urlaub den Bruder des Herrn Friedrichsen kennengelernt, auch ein netter Mann, wie ich hörte, und in einer interessanten Branche tätig. Das ist Herr Friedrichsen zweifelsohne auch, mit jedem seiner Standbeine. Ich finde das vorbildlich, daß die Schönen Menschen (The beautiful people, the beautiful people! Marilyn Manson) nicht nur tagelang mit ihren Fans durch die Szene-Bars ziehen, sondern - wie Blogger eben auch - ein zweites, ganz normales Leben haben, in dem sie jeden Morgen pünktlich auf ihrer Arbeitstelle erscheinen, den Kittel aus dem Spind nehmen und einfach ihren Job machen. Denn der Aufschwung kommt nicht lässig über den roten Teppich geschlichen. Er kommt mit Schwielen an den Händen.
Donnerstag, 11. Juni 2009
(Nick Cave & The Bad Seeds, Tupelo)
Abends dann beim Bucerius-Forum versucht, doch noch eine Karte für Sophie Rois zu bekommen. Vielleicht, so hieß es, sei noch eine an der Abendkasse erhältlich. Glück hatte ich nicht. Da will man einmal zur Hochkultur, und schon sind die Ellbogen draußen wie beim 999-Konzert. Menschen, die aussahen wie Roger Willemsen, um hier auch mal exotische Namen einzustreuen, waren schneller, entschlossener, huschten an mir vorbei in den Saal. Grüßt schön, dachte ich und setzte mich irgendwo an den Rathausplatz. Drinnen, einigermaßen verbarrikadiert, las die Rois aus dem Decamerone, diese Fluchtgeschichten vor der großen Pest. 1348 waren zehn junge Menschen aus Angst vor dem schwarzen Tod aus Florenz geflohen und hatten sich in ein Landhaus zurückgezogen. Weil es weder Fernsehen, Blogs noch Twitter gab, erzählten sie sich Geschichten. Eine Überlebensstrategie. Spät war die Sonne herausgekommen, strich über die golden glitzernde Fassade des Rathauses, und ohne rauchige Stimme im Ohr sah ich den Menschen zu. Es war ganz still geworden.
Montag, 8. Juni 2009
Abends telefoniere ich mit meinem Vater (3h 47m, zeigt das Display später an) und schaue dabei einen David-Lynch-Film. Ohne Ton.
Dienstag, 26. Mai 2009
Die heutige Andacht erinnerte mich daran, daß ich ja einiges nicht kann, man das Belastbare am Menschen dennoch nicht frivol unterschätzen sollte, denn mangelnde Kraft machen häufig Zähigkeit und Beharrlichkeit auf ihre Art wett:
Dein Wahlspruch muß heißen: "Immer besser." Nur der ist ein rechter Überwinder und wird am Ende die Krone empfangen, der so lange ausharrrt, bis die Kriegsposaune nicht mehr erschallt.
(C.H. Spurgeon. Abendandacht zum 26. Mai.)
Im guten Glauben also schritt ich durch die Türen des Palastes, die Säulen vor dem Eingang sangen das architektonische Lied vom großen Willkommen, Wilkommen, du mein schlafloser Prinz. Die Jungfrau dahinter jedoch empfing mich im Morgenmantel, grauer Frotté, ach holdes Feinliebchen, du spottest mich, hub ich an, den Scherz wohl erkennend. Du bist so schön wie dein Palast, deine Beine den schlanken Säulen gleich, die Augen ein einzig glänzender Schein, die Haut... ja, was ist mit der Haut? Was ist mit dem Haus, dachte ich und hob argwöhnisch das grausgeputzte Frottégewand, während draußen die Signaltrompeten der Automobile ihr fröhliches Lied von der Heimkehr nach Ithaka bliesen.
Paläste sollt ihr sein, ihr grauen Häuser. Mein Schreibtisch indes ein Ozeandampfer, ein tapferer Expeditionskreuzer, ein Kanonenboot. Man muß es einfach sehen wollen, glauben und beharren. Immer besser. Läuft.
Montag, 25. Mai 2009
Ein jeder übt behaglich seine Schnauze.
Die Erde ist ein fetter Sonntagsbraten,
Hübsch eingetunkt in süße Sonnensauce.
(Alfred Liechtenstein, "Sommerfrische". 1913)
Abends weiterhin Spargelzeit im Hermetischen Café, unten tuckern die Motorboote vorbei, ich gebe weißweinverstärkte Lichtsignale. Ich möchte jeden in seinem Hafen wissen, gute Fahrt, denke ich, wo kämen wir sonst auch hin. Am nächsten Tag dann einen sonnenverklärten Milchkaffee auf dem Flohmarkt, hinter dunkleren Gläsern den tieferen Blick.
Gegen Ende verschenkte ein Händler seine nichtverkauften Bücher. Alles gesittet, ein paar Interessierte, kein gieriges Gewühle. Geduld im Sonnenschein, heut ist nicht der letzte Tag auf Erden. Einen bedächtig alten vierbändigen Brockhaus lasse ich lieber liegen, ich weiß so schon nicht, wohin. Das Traumtagebuch von Elsa Morante in einer schönen Arche-Ausgabe hingegen nehme ich an mich. Und dann dieses wunderbare Werk in einer Ausgabe von 1894: Tauperlen und Goldstrahlen: Tägliche Morgen- und Abendandachten für stille Sammlung und häusliche Erbauung von C. H. Spurgeon, verlegt im schönen Hamburg-Borgfelde. Im Vorwort zu dieser (fünften) Auflage heißt es - ganz modern -: "In unseren Tagen, wo so wenig Ruhe ist, sondern ein Jagen und Rennen, ist es nicht leicht, sich mit der Familie in Ruhe zu sammeln... Und doch, wie notwendig ist es, wenn der innere Mensch nicht verhungern und verkümmern soll!"
Für jeden Tag (auch an den 29. Februar ist gedacht) gibt es zwei kurze Andachten, den Tau für morgens, die Strahlen für abends - eine Art immerwährender Kalender der inneren Einkehr. Heute, für den 25. Mai, heißt es: "Wenn das Schiff vom Steuermann verlasen wird, kommt's sogleich vom Kurs ab und treibt als Spielball der Wellen ziellos umher."
Sonst wird es sein wie in der aktuellen Autoreklame, die Alfred Liechtenstein bereits 1914 ahnte:
Im Windbrand steht die Welt.Für diesen Montagmorgen möchte ich also allen andächtig nahelegen: Haltet die Hände immer schön am Steuer. Und achtet auf die Lichtsignale.
Halloh, der Sturm, der große Sturm ist da.
Ein kleines Mädchen fliegt von den Geschwistern.
Ein junges Auto flieht nach Ithaka.
("Der Sturm")