Montag, 11. November 2013


Korblandschaft



Noch ist Zeit, da sammeln sich schon Körbe. Notfalls kaufe ich doch ein Axolotl. Die sind immer gut gelaunt und lächeln, wenn man abends nach Hause kommt. In dieser Disziplin zuletzt Rückschläge. Vom Rücken her. Erst wieder Taucherflossengang - patsch, patsch, patsch. Dann am Samstag, nach einem kleinen bedarfsbedingten Ausflug mit dem Einkaufskorb, die Ente die Treppe hoch. Demut lernt man, wenn man am Ende der Leiter auf allen Vieren in die Wohnung kriecht. Was andere vielleicht als Sexspiel machen, ist meine Übung für eine weitere Karriere als Slapstickkünstler. Nennt mich Buster Kid.

So ein Wochenende geht aber auch vom Sofa aus. Zeitschriftenstapel, der Monat hat gerade erst begonnen, Zehenwackeln, mäßige Filme sehen, Arzttermine in Kalender übertragen. Schon aber auch ein wenig eingesperrt fühlen. Aufräumen im Zellentrakt. Böden geputzt, was tatsächlich schneller geht, wenn man die Brille vorher abnimmt. Kein Wischiwaschi, sondern Zackzack. Zeit ist endlich.

So endet dann morgen auch dieses Projekt von Miranda July. Bei We Think Alone konnte man sich auf einen Verteiler eintragen und erhielt dann immer montags eine Mail von Miranda July, in der sie zu bestimmten Themen Mails aus ihrem Bekanntenkreis gesammelt hat. Das war anfangs recht merkwürdig, wenn ich montags in mein Postfach schaute und dort sah, daß mir Miranda July geschrieben hatte. Nämlich Mails von Klaus Dunst seine Tochter Kirsten und Lena Dunham und ein paar Künstlern, die ich auch erstmal nachschlagen mußte. Triviales Zeug, Unverständliches oft, manchmal Witziges. Aber es ging ja auch um den spontanen Moment, aus dem "Gesendet"-Ordner etwas zu einem Thema herauszufischen. Am besten gefielen mir die Beispiele zu "an angry mail". Diese sehr US-amerikansiche Art, Wut auszudrücken. Kritische Mails an Freunde zu schreiben und die Kritik darin so gewunden und gestelzt und politisch korrekt auszudrücken, daß man für einen Moment geneigt ist, es für Lob zu halten. Oder einen Antrag.

Hohe Schule des Körbchengebens. Ich bin ja mehr so für klare Worte. Ja oder ja. Vor dem Be-Denken erstmal A-Sagen. Morgen früh zum Beispiel muß ich zum Zahnarzt.


 


Montag, 28. Oktober 2013


Endlich alt



Na prima, der Tag fing schon gut an. Auch nicht so schön, wenn keine Drei im Haus ist. Mußte ich improvisieren, aber ich hoffe, daß das kein Omen ist. So eine Art "Siebenundsiebzig über Nacht" oder "Perfekt war gestern".



In meinem eMail-Postfach ging es gestern Nacht jedenfalls noch sehr hübsch und quasi perfekt zu. Danach dann die Hochzeitsdoppelfolge aus Mad About You gesehen. Gelacht. Heute morgen dann pünktlich an die Rechenmaschine. So lange man nämlich noch gerade Linien ziehen kann, sollte man diese auch machen. Zwei lange Listen also angelegt. Nur im Geiste natürlich. Eingesehen, dieses und jenes, dieser und jene, das kommt alles nicht wieder.

Böen bis 120 Km/h sind angesagt. Das Herbstlaub liegt schon horizontal in der Luft. Auf der anderen Seite vom Kanal stemmt sich ein Radfahrer gegen den Wind. Der hat es noch vor sich. Ich warte nur noch auf die vom Bereichsleiter unterzeichnete Glückwunschmail meiner Bank.

>>> Geräusch des Tages: Jackie DeShannon, What The Worlds Needs Now


 


Samstag, 19. Oktober 2013


Der Wochenbericht, die Samstaglage

Würde ich mit diesem Blog noch einmal von vorne beginnen, flögen alle Farbfotos raus. Nur noch Schwarzweiß. Oder besser: graugrau. Wäre das nicht toll, ein Blog, in dem es nur regnet?

Gut, aber Bloggen ist, "what you are writing on the internet while you were having other plans", wie John Lennon einmal sagte. (Jetzt aus dem Kopf zitiert.) Es ist wie es ist, und sollte ich einen falschen Eindruck verbreitet haben, so tut es mir leid.

Am kleinen bemoosten Betonhäuschen, in dem die Müllcontainer übernachten, ein Centstück gefunden. Nun wissen wir ja von früher alle, wie das geht mit dem Glückspfennig. Dreimal draufspucken und immer in der Hosentasche mit sich tragen. Das bringt Glück! Man hat nur das Problem, wenn man von der Neigungslage her Shoegazer ist und immer nur die Smiths oder My Bloody Valentine und manchmal auch New Order hört. Das Schuhestarren bringt es nachvollziehbarerweise mit sich, daß man einen gewissen Vorzug beim Pfennigefinden hat. Was wenig Sinn macht, denn als Shoegazer hat man von der Natur her eine herzensoffene Haltung zur Depression, und da macht "Glück" als Konzept keinen Sinn. Aber siehe, auch dies ist bloß scheinbar. Denn die Heimtücke und gleichzeitig ironiegeträntes Schicksal ist, daß man als Shoegazer alsbald die Hosentasche dick gefüllt mit Kupfermünzen hat. Was schnell zu Haltungsschäden, wenn nicht zu blöden Sprüchen ("Is that a gun in your pocket...") führen kann, sorgt man nicht rechtzeitig für gewichtsausgleichende Verteilung. Linke Tasche, rechte Tasche (daher der Spruch), hinten was, bis man einen Gürtel aus Kupfermünzen trägt. Und dann geh mal im besoffenen Kopf nach einem shoegaze-verhangenen Konzert am Hafen nach Hause und rutsch vom glitschigen Kopfsteinpflaster über so einen Kai ins Wasser! Da kann man dann Spucken wie man will, da helfen einem diese Glückstaler wirklich nur wenig.

Aber das ist sozusagen Zukunftsmusik, denn bislang habe ich heute nur einen Cent gefunden. Das geht sich noch wunderbar aus, und es muß sich niemand voreilig eine Sorge machen.

Im Supermarkt, in den mich mein weiterer Weg dann führte, mag ich besonders diesen Drehständer mit Grußkarten an der Kasse. Dort am Point-of-Sale des besonderen Humors verkündet ein Schild: Heute schon gelacht! (Handlungsanweisung!) und ein weiteres: Humorpostkarten 1,10 €. Witzig wäre doch, so dachte ich heute, jetzt 110 Glückscents auf den Kassentresen zu zählen, und dann haben alle mal gelacht. Insbesondere die gut zwanzig Menschen, die in der Schlange hinter mir standen.

Am Stand der Bäckerei jubelte mir die Bäckereifachverkäuferin schon von weiten zu: "Ein Soundsobrot?" Weil ich nämlich alle paar Samstage dort ein Soundsobrot kaufe. (Das heißt natürlich anders, aber ich will den Namen aus gleich erklärten Gründen nicht verraten und auch keine Werbung machen. Nicht, daß ihr beim Bäcker denkt, ach schau, die haben da Soundsobrot, das ißt der Herr Kid doch immer. Dann kaufe ich das auch. Oder: Dann kaufe ich das extra nicht!) So ein Glück, dachte ich. Nach zehn Jahren in diesem Viertel, bin ich endlich aufgenommen im sozialen Netzwerk der Bäckereifachverkäuferin. Ich bin auch nicht unsichtbar, wie neulich gehofft befürchtet, man kennt sich, eine Art Herr Kaiser des Brotekaufens.

Schön, daß die sich so eine Kleinigkeit gemerkt hat. Andererseits, dachte ich aber im selben Moment, denn jedes Centstück hat bekanntlich zwei Seiten, was, wenn die sich heimlich (Achtung, ein Wortspiel:) ein Zubrot bei einem Geheimdienst verdient. Der dann weiß, aha, Herr Kid, Soundsobrot ißt der also auch, verdächtig, verdächtig, denn Kunden, die Soundsobrot essen, haben bei Amazon auch Bücher über Münzwesen und Aberglaube bestellt. Oder sie wurde von ihrer Bäckereifilialkette dazu verpflichtet, kundenvertrauliche Informationen an das Marketing weiterzureichen. ("Durchzustecken", wie es im Fußballdeutsch heißt.)

Ich werde das wissen, wenn demnächst Werbemails bei mir eintreffen, die mir nicht nur heiratswillige Damen aus Osteuropa, bischofsstabverlängernde Maßnahmen oder auch einfach bloß sinnlosen Kram andienen wollen, sondern insbesondere Soundsobrot. "Herr Kid, Sie sind ein Glückspilz!" wird die Betreffzeile lauten (weiß ich doch, ich hab einen Cent in der Tasche!). "Drei Tonnen Soundsobrot warten auf Sie! Rufen Sie heute noch an, sonst verfällt Ihre Chance! Telefon Null-TausendMark-666! Damen aus Osteuropa warten auf Sie für eine leckere Brotzeit!"

Sonst habe ich mal wieder nichts erlebt.


 


Donnerstag, 17. Oktober 2013


Rapunzels neue Burg

Silent,
I have pulled myself clear.

(PJ Harvey,
"Horses In My Dreams")




Wochenende, Sonne im Herbst. Wozu soll das gut sein? Die tiefstehenden Strahlen enthüllen nur eins: Ich habe die Fenster schon lange nicht mehr geputzt. Guter Anlaß also, sich lieber die dreckigen Fenster anderer Häuser anzuschauen. Die sogenannte "Sachsenburg" in der weiteren Nähe ist ja beim Versuch, sie ordentlich abzureißen, etwas unglücklich in der Mitte durchgebrochen. Das sieht nun aus als hätte ein besonders zorniger Gott mit der Faust aufs Haus geschlagen. Oder ein sehr, sehr großgewachsener Dreijähriger. Jetzt steht sie so da als Trümmermahnmal, die Spitze im Nebel, die bessere Hälfte immerhin schon weggeräumt. Das ist wie bei mancher guten Ehe.

Ab und an mal den Hof fegen, dort wo Erniedrigte und Beleidigte Lieder aus Les Misérables singen oder wie die Jungstudentinnen unten im Haus ausnahmsweise nicht auf ihre Smartphones "phubben", sondern ihre in der Hand getragene Tiefkühlware laut kommentieren (in etwa: "Die werde ich gleich essen!" - "Hm ja, ich auch!" - "Oh, ich freu mich schon so.") statt - jetzt nur als Beispiel - einem älteren Herrn aus der Hausgemeinschaft die Tageszeit zu erbieten oder die Türe offen zu halten. Ich sage jetzt auch nicht, um wen es sich dabei handelte.

Ich schüttel da nur den Kopf oder tippe daran und schweige auch (aber nicht hier) über das frisch zugezogene, offenbar sehr religiös angehauchte Pärchen in der Wohnung unter mir. Zu allerlei obskuren Tageszeiten, heute zum Beispiel noch vor dem Frühstück, gerne aber auch mal mitten in der Nacht, wird dort sehr laut gebetet, wobei sich vor allem die junge Frau mit einer gewissen Inbrunst hervortut. Jaja! ruft es da zum Lob eines hoffentlich nicht ganz so zornigen Gottes, manchmal auch in direkter Ansprache "Oh, Gott!", gefolgt meist von weiteren, in einer gewissen Ekstase hervorgejuchzten Ja! Ja! Ja!

Mächtig was los also in letzter Zeit hier in diesem kleinen Leuchtturm, wo ich wie ein weltentrückter, bescheidener Bischof über Dingen schwebe, dabei aber nicht einmal einen Reliquienkeller besitze. Ein weiterer Grund, so mit halb zugekniffenem Auge und folglich unauffällig nach einer neuen Unterkunft zu suchen, ehe mir alles zusammenbricht wie die Sachsenburg. Es gibt da interessante Wohnprojekte, Mehrgenerationenhäuser, Menschen aus unterschiedlichen Richtungen und in unterschiedlichen Verfassungen. Ein federndes Gemeinwesen in nuce. Leider kann ich nicht gut mit Menschen, das könnte ein Problem sein. Ein Haus für mich, ein Axolotl und meinen eingebildeten Hund wäre da mehr nach meinem Geschmack. In Dorset gibt es ganz hübsche, und ich könnte bei PJ Harvey um eine Tasse Milch nachfragen, sollte es mir an solcher mangeln. Zucker hat die wahrscheinlich nicht. Eine Scheibe Brot vielleicht. Nach Kuchen frage ich ja schon gar nicht mehr. Obwohl man sich da nicht täuschen darf: Die schönsten Frauen entpuppen sich mitunter als begnadete Kuchenbäckerinnen!

Dorset ist mir jedenfalls zu weit, ähnlich wie manche vorgelagerte Stadtteile von Hamburg. Vielleicht sollte ich doch erst mal den Rest der Sachsenburg besetzen, äh, spontan ausgedehnt besuchen. Oben, von der Nebel-Etage aus, hat man einen guten Ausblick auf hübschen Wohnraum in der Stadt. Mir gefiele das.


 


Sonntag, 6. Oktober 2013


Tadaa!



So. Während ihr alle wieder an den Buffets von Filmempfängen und Vernissagen rumhängt, die Nächte mit innerlich und äußerlich schönen Menschen durchtanzt, willkommen im Hort der banalen Geschichten und belehrenden Sonntagspredigten. Aber getanzt mit einem Twist!

Mir, der ich im Leben quasi nie etwas verloren habe - gut, mein Herz natürlich schon, die Liebe auch oder Zuneigung und das Vertrauen anderer, selbstverständlich. Aber was die dinglichen Dinge angeht, halte ich meine Siebensachen gerne und meist erfolgreich bei mir. Soll kein Angeben sein. Ist so. Andere können dafür gut... na ja, irgendwas können andere meist auch. Jedenfalls ließ mir der Verlust des Objektivdeckels keine Ruhe. Um eine persönliche Niederlage zu vermeiden, fuhr ich heute die Strecke nach, die Augen sozusagen wie die Nase eines Spürhundes auf die Straßenränder gerichtet auf der Suche nach einem schwarzen runden Plastikding. Alles nur, weil ich es zu nachlässig locker in die Hosentasche gesteckt hatte.

Ich fand aber nichts. Das heißt doch. Ganz in der Nähe, wo ich meinen Objektivdeckel vermutete, lag plötzlich ein offenbar nachlässig locker in die Hosentasche gesteckter, dann aber herausgefallener zusammengeknüllter Fünfeuroschein. Dasjanding, dachte ich. Und: Das kommt davon, wenn man Dinge nachlässig in die Hosen stopft! Dann fällt's raus. (Notiert euch das.) Auch dachte ich, Gott nimmt, Gott gibt aber auch und nahm selbst den Schein in vorläufige Sicherheitsverwahrung. (Wer kürzlich dort in der Nähe einen verloren hat und nun meint, ihn wiederzuerkennen, bitte dienliche Hinweise unter Glaubhaftmachung einer exakten Beschreibung an mich.)

Eine Zustoßung von Glück! Dennoch, der Deckel blieb verloren. Am Kanal hielt ich innere Einkehr, beobachtete den einsamen Schwan, der seit ein paar Wochen dort seine Solokreise zieht und dachte über die Bedeutung dieses offenkundigen Fingerzeiges nach. Was man verliert, so schloß ich, verliert man nur halb. Denn niemals geht man so ganz, auch wenn man weg ist. Zehn Euro kostet so ein Deckel, die Hälfte hatte ich also schon mal wieder drin. Man darf den Glauben nicht verlieren, muß aber auch etwas dafür tun und darf nicht zu Hause sitzen und meinen, das Glück oder auch nur ein Objektivdeckel klopften an die Tür!

Ein wenig ist es manchmal aber doch so. Denn was liegt bei meiner Rückkehr vor der Türe des Fahrradkellers? Ja, ruft es ruhig im Chor: der Objektivdeckel! Seit einer Woche treu ausharrend und nur wenig verängstigt hielt er sich zwischen Herbstlaub gepreßt, sicher nur flach atmend, aber wohlbehalten. Da heißt es immer, es lohne sich nicht, alte Wege nachzugehen. Mein Leben ist so reich! Fünf Euro im Plus, um genau zu sein.

>>> Geräusch des Tages: Sparklehorse with PJ Harvey, Eyepennies


 


Donnerstag, 3. Oktober 2013


Ein Tag am Kraftwerk





Als Eleanor Rigby des Blogwesens gilt es, vom Feiertag zu berichten. Tilda Swinton ist in der Stadt, einen Preis entgegennehmen, aber man kann bei Frauen nicht immer auf Nein oder Nein, Ja oder Ja warten, also besser schnell den imaginären Hund angeleint und raus ins Freie. Sonnenschirm dabei nicht vergessen, es sind ja nicht einmal Wolken zu sehen. Ankreuzen gegen den Wind, und wenn einem der Wind entgegenbläst, herrscht ja eh die beste Stimmung. Nicht so auf dem Rad, kleine Pause daher unten am Kraftwerk, dort wo sich allerlei Vögel am Wasser sammeln. Auch die kauzigen.

Dabei dann den Objektivdeckel verloren. Ein Geschehnis mit Ansage, weil ich schon dachte, als ich den locker in die Hosentasche steckte, na, nicht daß der nachher weg ist. Schalt mich aber gleich selbst der durchstrukturiert denkenden Spießigkeit, also locker den Deckel in die Hosentasche gesteckt. Und nun ist der weg. Seltsames Phänomen, wie ich daheim nun schon fünf Mal in die Hosentasche griff, gleich einem nackten Mann im Angesicht der Steuerbehörde dort aber nichts finden kann. Jedenfalls keinen Objektivdeckel. Ein altes Taschentuch hilft hier nicht weiter. Immerhin habe ich den imaginären Hund nicht vergessen. Nicht, daß mir jetzt einer mit dem Tierschutz kommt.

Mehr Aufregung ist aber nicht passiert, das sind so die Tage, an denen ich im Anschluß ein wenig Schlaf finde. Ich komme jetzt in das Alter, so stellte ich an mir selber fest, als ich später im Fernsehen eine Landschaftsbesichtigungssendung vom Sofa aus verfolgte, in dem sich Männer für die Rosenzucht begeistern können. Das kommt nun auf meine Liste. Vor dem Löffelabgeben noch eine eigene Rosensorte züchten. Rosa triginta septimus, beliebt auch als Reisemitbringsel. Der NDR-Gartenmann verriet heute, daß man Mehltau mit einem Gemisch aus Milch (muß nicht laktosefrei sein) und Wasser vorbeugen kann. Das immerhin habe ich bereits gelernt, der Rest kann so schwer nicht sein.

Man braucht Pferdeäpfel dazu, jedenfalls gab es da mal einen Film mit Jean Gabin, so meine ich, der brauchte das immer für seine Rosen. Ich komme übrigens auch in das Alter, in dem Männer ein altes Gestüt übernehmen, das böte sich an, weil sich das eine mit dem anderen verbinden ließe. Dort könnte - jetzt nur als Beispiel - ab und an Tilda Swinton vorbeischauen, ungezwungen Ausreiten in eng anliegender Kluft, ein wenig Plaudern und anschließend mit einem Bund schöner Rosen zum Filmfestival fahren, weitere Preise entgegennehmen.


 


Dienstag, 1. Oktober 2013


Alles mal so hingeworfen (aber bio!)

Wir lebten in freigelegten Ziegelwänden/
zwischen Medizinbällen aus braunem Leder.
Wir tranken unser Soja noch aus Genen/
hielten Hunde aus dem Bauhauskatalog.

(Don Pascal, "Dein Liebster war ein Hipster")




Bei mir liegt ja alles immer nur so rum. In meinem Kopf, in meinem Zimmer, in meinem Viertel. Plunder und Zeugs, Plastikreste und durchweichte Kaffeefiltertüten, zerbröselte Eierschalen, Dinge, die wir nicht wissen, Dinge, die ich nur ahne, der Rest ist aus Polyester und Acryl. Ein Versagen an Lebensführung, so heißt es. Wie das oft so ist: Der eine verbettelt sich, der andere verbittet es sich.

Wie schöner ist doch der Dreck der Straße in den aufgeweckten Vierteln, wo die schönen Menschen wohnen. Hier wird nachhaltig gemüllt, hier zeigt man was die Tonne hat und leisten will. Hier wird biologisch verklappt, hier riecht Hipstermüll nach Oleander und Jasmin.

Seit ich auf den Lilienweg gelockt wurde, riecht es schwer und dunkel wie ein Mausoleum. Abends sitze ich mit einem Glas Getränk vor den harten Knospen, warte auf den Moment, da sie aufgehen, sich auffächern zur obszönen Größe, die Sinne vernebeln. Tage später dann der langsame Blumentod. Klagendes Altern, ich rede gut zu, tröste, belehre, halte einen aufmunternden Vortrag. Der Erde warst du entrissen, predige ich. Zur Erde wirst du gehen. Was Blüten halt so hören möchten, geht es ans röchelnde Adieu. Blütenstaub rieselt auf die Flächen, schwere Linnen, Gedanken hängen schwer wie ein Frachtflugzeug an herbstlichen Himmeln. Dann der Bescheid, das war wohl nichts, das kommt nicht wieder. Zusammenwringen also das Blumengestrüpp, einen Knoten machen, zum Müll bringen, leere Olivenölflaschen schmücken, vielleicht Kerzen ausbringen aus echtem Wachs. Schön, schön, schön der letzte Genuß.


 


Dienstag, 24. September 2013


Apfelmantie

Es gebe immer weniger Kornkreise, wurde kürzlich im Fernsehen berichtet. Einer der Macher habe mittlerweile heftigen Heuschnupfen entwickelt und mußte sich selbst von dieser schnörkeligen Kommunikationsarbeit freistellen. Herr Buddenbohm andererseits war nun im Alten Land zur Apfelernte und brachte eine pausbäckige Ausbeute mit. Fox Mulder Ich hingegen studiere einmal mehr die kryptopomologischen Handbücher auf der Suche nach den Bedeutungen der runzligen Botschaften höherer Instanzen, die diese mir mit Hilfe süßer Früchtchen wieder einmal untergeschoben haben. (Wir hatten das Thema hier ja schon mal, ich finde aber gerade den Link nicht).

Ich bin sicher, mit diesen Hieroglyphen einen wichtigen Schlüssel in den Händen zu halten. Leider welkt mir die Zeit, diesen zu entziffern, schneller hinweg als ich "Fruchtfliege" buchstabieren kann. "Verloren für die Menschheit für immer", kann ich da nur zitieren, in der einen Hand Äpfel haltend wie ein zweifelnder Dänenprinz, in der anderen den Deckel vom Mülleimer. Vielleicht die Formel für ein wichtiges Medikament. Vielleicht ein Datum für ein wichtiges Weltereignis. Vielleicht auch bloß ein intergalaktischer Einkaufszettel ("Bring Gene von der Erde mit!"). Ich habe überlegt, die beiden Äpfel den Einsamen Schützen vom CCC mitzubringen. Vielleicht gelingt es denen, mit den Früchten den Scanner neuartiger Telefone von Apple zu überlisten.

Bis dahin könnte man Textnachrichten über verschlüsselte Äpfel austauschen. "Ruf mich heute abend mal an!" oder "Ich habe heute nacht ganz herzlich an dich gedacht" oder "Liegt meine Obstkiste noch bei dir?" Dann könnte man ein Blog mit Fotos der schönsten gesammelten Apfelbotschaften eröffnen und im Anschluß eine Buchreihe herausbringen mit den witzigsten davon. Apfelbotschaften von gestern Nacht. Vielleicht gründe ich aber auch eine grüblerische Sekte, lege in kargen Behausungen die Inschriften mit Blattgold aus und binde sie in Bücher aus auf dem Ofen getrockneter Apfelhaut. Im Alten Land feiern wir dann rituelle Feste im Morgen Abendnebel, apfelbäckige Deerns in leichten Gewändern sammeln Früchte in ihren Schürzen, juchzend werfen wir uns Kerngehäuse zu, trinken süßen Saft und warten auf die Ankunft der großen illuminierten Schiffe.


 


Montag, 16. September 2013


Le Herbst

Bekanntlich ist nicht nur Geschlecht, sondern auch die Vorstellung, im Sommer alberne und vor allem den Körper nur unzureichend bedeckende Kleidung tragen zu müssen, bloß ein soziales Konstrukt. Glücklicherweise aber nähern wir uns den Jahreszeiten, da die Natur auch solches richtet.

Regen und ab und an ein bißchen Regen sind für diese Woche vorhergesagt. Das paßt gut, denn da habe ich Urlaub. Ich besitze ja allerlei meist mittelmäßig ausgeprägte Talente, aber tatsächlich fehlen mir unter anderem ein Händchen fürs Heiraten und eins fürs Verreisen. Heiraten ist nun zum Glück anders als zum Beispiel Geschenke einpacken, eine Wand zu streichen oder einen Wasserhan zu reparieren nichts, was allzu häufig von einem gefordert wird. Aber in hübscher oder in diesem Fall auch nicht so hübscher Regelmäßigkeit muß ich mich mit diesem Konzept namens "Urlaub" beschäftigen. Jedes Jahr aufs Neue, denn beide lernen wir nicht.

Was will man machen? Man kann ihn ja nicht mal verschenken, auch wenn es bei diesen Gelegenheiten, zumeist bei Menschen die soeben aus dem eigenen Urlaub zurückgekehrt sind, sehr häufig heißt: "Hast du es gut. Den hätte ich auch gern." Während ich denke, oje, oje, oje. Als wäre ich nicht schon krank genug! Dieses Jahr stand ich sogar um Fingerbreite davor, fühlte mich auch ausgelaugt und herumgezerrt genug für solcherlei frivole Unternehmungen, hatte sozusagen die Reiselektüre schon herausgelegt. Dann aber gab es Ereignisgeschehen und Ausbrennsymptome und schon versprach die Wettervorhersage, komm, ich mach's dir schön wie es der Herbst nur kann. Mal ehrlich, wer will da noch weg?

So sitze ich nun in meinem Zimmer und lese, denn dazu komme ich ja sonst auch nicht. Ich träume von wilden Abenteuern, so wie "einfach die Bettwäsche nicht mehr wechseln und sich ganz jung und unbekümmert fühlen". Jedermann sein eigenes Dschungelcamp! Oder "einfach alle Kreditangebote, die in mein eMail-Postfach trudeln, annehmen und eine Yacht kaufen!" Oder, ganz verrückt, "auf der Fernbedienung mal ganz bis nach hinten zappen!" Könnte ich alles machen.

Stattdessen komme ich erstmal Stufe für Stufe herunter, schalte nach und nach alles ab, vor allem die summenden Transformatoren in mir, stelle überall in der Wohnung Zettel auf mit "Ruhe!" und "Pst!" und tausche im Bad die Mischbatterie aus. Das hat vierzig Minuten gedauert und war eine große Befriedigung. Alles selbst geschraubt und das in einer Zeit, in der ich die alte nicht so glänzend geschrubbt bekommen hätte. Ich entdecke Talente.


 


Sonntag, 8. September 2013


Niesel, Leere, Perfektion