Handwerker, doo!



Vor Jahren schon überwies mir meine fürsorgliche Frau Mutter im Vorgriff auf das nichtzuerwartende Erbe eine sogenannte Herdprämie, zweckgebunden zum Erwerb einer neuen Kochstelle gedacht. Jetzt endlich, Zins und Zinseszins deckten nun auch die Transportkosten, konnte ich Wunsch, Wollen und Angebot in Einklang bringen, und Samstagmorgen erschienen denn auch in aller Früh zwei wackere Jungs, die schnaufend und schwitzend den edelstählernen Kochfreund die sieben Etagen hoch in meinen Leuchtturm trugen. Dort hatte sich schon ein umlufterhitztes Temperatürchen aufgestaut, der Sommer kommt ja immer zur rechten Zeit und knallt mir hier aufs Dach.

Die Küche wird vom alten Herd entkernt, dahinterdarunter Schmandspuren einer über Jahre geführten nackten Küchenchefkarriere, gute Gelegenheit, hausmännisch aufgetunkten Fettlösezauber zu sprechen. Wenig zauberhaft gehen die Sägearbeiten weiter. 90 Grad sind 90 Grad, wir reden über Winkel, nicht über Temperaturen, die Herren würgen und ächzen, daß mir Angst und auch ein wenig bange wird, läuft, signalisiert man mir, ich habe die drei Sicherungen rausgedreht, die Kabel wechseln ihren Platz, hochspannend finde ich das, dann wird der Stählerne an seinen neuen Platz geschoben. Paßt, paßt nicht, paßt, paßt nicht, lauteres Ächzen, lauteres Stöhnen, kritischerer Blick. Inzwischen ist das Thermometer weiter nach oben gestiegen. "Ich würde mir ein Klimagerät kaufen", schlägt der eine vor. Ich suche nach der ästhetischen Linie, der Herd steht nicht so, wie ich es mir vorstelle. Die Schrauben werden noch mal rausgedreht, ein Ächzen, ein Kippeln, ein Wackeln. "Steht der etwa auf dem Kabel?" frage ich. Nöneineindaskannnichtsein, prüfend wird gekippt, entschlossen wird geschoben. Alles klar im Hinterdeck. Man drückt, man preßt, man schwitzt, die Jungs tun mir leid. So eine alte Küche wie meine, so teilt man mir selbstverzeihend mit, könne sich schon mal verziehen. Dann sei alles schief, erklären sie mildtätig, es sei mir nur nie aufgefallen. Unverstohlen schauen sie auf die Uhr, ich bin es müde, ein wenig enttäuscht. So hatte ich mir das neue Gewerk nicht vorgestellt. Ich gebe Trinkgeld, die Jungs haben mir Mühen abgenommen, vielleicht gebe ich zu viel, man tut nicht überrascht.

Kaum sind die tapferen Gesellen fort, geht für mich die Arbeit los. Ich stapfe in den Keller, die Stichsäge holen, prüfe meinen Akkuschrauber. Der nutzt mir nichts - die Jungs haben die Schrauben völlig ausgefranst, ich muß neue Schlitze schneiden, vorsichtig drehe ich die ausgelutschten Teile von Hand mit meinem Schraubendreher auf. Glück gehabt, sie lösen sich Drehung um Drehung, endlich habe ich den Herd frei, ziehe ihn heraus, drücke die Kochmulde heraus, bearbeite die Schnittkanten nach, 90 Grad sind wieder 90 Grad. Ich schiebe den Herd zurück, er kippelt, er wackelt, ich bleibe mißtrauisch. Ich schwitze nach oben und nach unten. Es ist noch heißer geworden, dabei ist der Backofen noch nicht einmal an. Ich drücke erneut die Kochmulde heraus, ziehe den Herd nach vorne - sieh an. Er steht natürlich auf dem Kabel, kein Wunder, daß es wackelt, kein Wunder, daß es kippt. Als alles berichtigt ist, schiebt er sich wie von selbst in die Öffnung, steht endlich so, wie er soll, wie ich es mir vorstellte. Ich suche zwei stabilere Schrauben aus meinem Werkzeugkasten, ziehe sie fest. Alles auf Linie, von wegen, Küche schief, was ihr meint, ist der Küchenchief. Ich bin durchgeweicht, mein Rücken wird sich am nächsten Tag melden, niemand gibt mir ein Trinkgeld, ich denke an den Spruch - willst du es richtig haben, mach es selbst - erschöpft, aber friedlich. Jetzt können wir Freunde werden.

Darauf erstmal ein Käsebrot.

Homestory | 12:27h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
saxanasnotizen.blogspot.com - Montag, 10. August 2009, 12:41
Na für so feiner Handwerkskunst gibts doch kein Trinkgeld! Aber das Käsebrot passt. Man muss die Sachen ja schonen.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 13:29
Ein bißchen was gebe ich immer - ich habe früher auch in ähnlichen Bereichen gejobbt und mich immer gefreut, wenn es (als Aufmerksamkeit) was gab. Hier wollte ich eigentlich was abziehen, hatte es aber nicht passend... Mir fehlt da aber auch manchmal das Maß, denke ich. Da runde ich dann auf.

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ichichich - Montag, 10. August 2009, 12:48
Oh, Tage des Hamburger Handwerks offenbar. Ich kann Erfahrungen beisteuern bei der Anbringung von Deckenlampen in einer 4 Meter hohen Altbauwohnung mit morschem Gebälk, ich weiß nun, wie es sich anfühlt im Gesicht, wenn der Schlagbohrer einen mittleren Gebirgsschlag auslöst, ich kenne jetzt die Vor- und Nachteile von Nylon-Kippdübeln gegenüber Feder-Klappdübeln, ich habe einen gewissen Bedarf erkannt für ein neues Ordnungssystem im meinen diversen Werkzeug- und Schraubenkisten. Und ein paar neue Flüche habe ich gelernt, das ist doch auch was.

Mein Käsebrot hieß Matjesteller.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 13:33
Oh, die Freuden des Über-Kopf-Arbeitens. Wenn die Kraft in den Armen langsam nachläßt, bloß weil man es versäumt hat, zuvor jahrelang als Trapezartist zu arbeiten. Mir fehlt ein Bohrer, um kaputtgedrehte Schrauben auszubohren, fiel mir auf. Diesmal hatte ich noch Glück, aber so was ist vielleicht ganz nützlich. Und dann mal: Kelleraufräumen, Werkzeug sortieren. Es ist immer soviel zu tun.

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nnier - Montag, 10. August 2009, 12:51
Pfusch 1 & 2
Man erwartet doch meist zuviel Sachverstand, stellt sein eigenes Licht unter den Scheffel und meint, lass die Fachleute mal machen, die kennen sich aus, bis man wieder einmal merkt, dass man hätte Laut geben sollen. Wobei das, wie Sie sagen, ja oft nichts nützt. Generell trifft es die Aussage meines Bekannten ganz gut: Man selber pfuscht, weil man es nicht besser kann, will es aber ordentlich machen. Die Handwerker pfuschen, weil sie fertigwerden wollen und ihnen vollkommen egal ist, ob in zwei Jahren alles knirscht - bestenfalls sichern sie sich dadurch den nächsten Auftrag, so wie der Zahnarzt, der etwas Karies unter der Füllung übriglässt.


("Unverstohlen" gefällt mir sehr. Und das Käsebrot ist sicherlich überbacken.)

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 13:38
Man will die Leute ja auch nicht zu sehr kontrollieren. Ich selbst mag das gar nicht, wenn man mir bei der Arbeit in den Nacken atmet. Andererseits... Mein Vater, der ja handwerklich fast ein wenig überbegabt ist und für mich leider unerreicht, macht eh alles selbst, weil es ihm keiner "gut genug" macht - erst jetzt im Alter, Rücken und so, läßt er auch mal andere Parkett verlegen. Selbermachen bringt ja auch eine gewisse Befriedigung. Wenn es denn fertig ist.

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kristof - Montag, 10. August 2009, 18:28
Das habe ich mir abgewöhnt.
Das mit mit "nicht kontrollieren". Lieber alles dreimal überprüfen und erklären lassen. Auch auf die Gefahr hin, zur Nervensäge zu werden.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 19:40
Als hier Wasseruhren eingebaut wurden, wollten die mir ernsthaft eine über Putz auf die Wand flanschen. Das müßte einem eigentlich die Handwerkerehre sagen, daß das nicht geht. Am Ende mußte ich das aber sagen. Da war ich sehr penetrant und hartnäckig. aber so richtig gern mache ich das nicht. Ich denke immer, ich hätte es mit Profis zu tun.

(Hahaha, you fool kid! - Stimme von ganz oben.)

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giardino - Montag, 10. August 2009, 13:14
Ist es nicht auch Brauch, dem Handwerker nach getaner Arbeit ein kühles Bierchen anzubieten? Das haben Sie sich verdient.
(Schick, schick. Ich hatte ja bisher immer nur weiße Herde oder solche in 80er-Jahre-Braun.)

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 13:41
Ach was, kühles Bier. Ich mach dann einfach das Fenster auf und erlaube denen, mal raus aufs Wasser und auf die Boote zu schauen. Dann sag ich: Wenn Sie weiter so schön fleißig sind, finden Sie vielleicht auch mal eine Wohnung am Wasser! und klopfe jovial die verschwitzten Schultern.

(Ich wollte unbedingt einen Herd, der zu meiner Brottrommel paßt.)

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giardino - Montag, 10. August 2009, 13:45
Nein nein, ich meinte "Sie" Handwerker, großgeschrieben. :)

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 14:27
Ah, jetzt verstehe ich. Das Bier gab es tatsächlich - und den gemütlichen Entspannungsblick aufs Wasser dazu. Es gibt ja jetzt so viel zu überdenken: neun Regelstufen pro Kochfeld. Etwas für die feinsinnige Küchenarbeit.

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fishy_ - Montag, 10. August 2009, 14:02
Sie wissen aber auch immer wieder zu beeindrucken! Der Mann des Wortes auch ein Mann der Tat. Und das im subtropischen Klima unterm Dach. Respekt.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 14:28
"I love the sound of surrende Akkuschrauber in the morning."

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ichichich - Montag, 10. August 2009, 16:27
Und Sie besitzen eine Stichsäge! Dieses Wissen wird mir vielleicht noch einmal nützlich sein.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 17:44
In Wahrheit bin ich Tine Wittler! Sägen macht Spaß, aber auch viel Staub. Das hat es mit der Kunst gemein. (Nächster Schritt ist dann die Oberfräse.)

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ichichich - Montag, 10. August 2009, 17:59
Ich habe jahrelang mit mir um einen Akkuschrauber gerungen. Mädchenwerkzeug, dachte ich. Unsereins wird ja wohl ein paar läppische Schrauben per Muskelkraft reindrehen können, dachte ich. Aber dann baute mein gewitzter Lieblingsbaumarkt so eine Männerspielecke auf, in der man allerlei stromgetriebenes Werkzeug ausprobieren konnte. Da geschah es dann.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 19:42
Akkuschrauber sind so praktisch! Bohren, Schrauben, Milch aufschäumen. Ich hab immer einen Drehmel in der Tasche, falls mal was ist.

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dings - Montag, 10. August 2009, 17:07
Ich kaufe alle paar Jahre so ein scheußliches Tischgerät, einen Ofen-Desktop sozusagen. In meiner Küche (die in ehrlicheren Zeiten wohl mal eine Besenkammer war) hat es leider nicht genug Platz, und wenn ich mir eine Weißware aussuchen dürfte, die ich zusätzlich stellen könnte, ich nähme eine Spülmaschine. Zum Kochen reicht es räumlich nur für zwei Platten, und daneben dann eben der Tischofen für neunendreißichneunzich. Wenn der verspackt ist, wird er leichten Herzens durch einen neuen ersetzt, dessen Lämpchen dann in anderem Licht an anderer Stelle leuchten - Sublimierung my ass.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 17:51
Für ohne Spülmaschine hätte ich gar keine Zeit - bei mir macht das die Lady. Das gibt mir den Freiraum, währenddessen nach der Weltformel zu suchen. So ein Tischgerät hält einen natürlich beweglich. Ich bin ja jetzt in meiner winzigen Küche quasi fürs Leben festgeschraubt.

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vert - Dienstag, 11. August 2009, 02:26
ja, die lady ist schon eine echte perle. bei mir ein besonders schlankes exemplar.
wenn man nur wüßte, wer bei sie***s für die produktbenamsung zuständig ist, man würde ihm ein oder mehrere bier ausgeben und gemeinsam zotige herrenwitze reißen. ein wunderbarer abend würde das sein. oh mann.

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nnier - Dienstag, 11. August 2009, 10:53
So hießen die (mindestens) schon in den 70ern, als die Hausfrauen in der Werbung ihrem zeitunglesenden Mann noch lächelnd den Kaffee brachten und unglücklich zu Frau Sommer rannten, wenn er nach dem ersten Schluck vorwurfsvoll die Brauen zusammenzog. "Lady" war damals, als "Golden Toast" noch deutsch ausgesprochen wurde, progressiv.

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kid37 - Dienstag, 11. August 2009, 12:27
Bei meiner habe ich mit Letrasetbuchstaben Aschenputtel darüber montiert.

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vert - Dienstag, 11. August 2009, 15:51
@nnier: aus der zeit als es auch bei der konkurrenz noch hieß: bauknecht (überhaupt eintoller markenname) weiß was frauen wünschen huah.

@kid: schöne idee, sie schauen auch hinter die dinge.
wo sich doch eine wahre lady nicht für schmutziges geschirr die makellose alabasterhaut verderben würde.

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kid37 - Dienstag, 11. August 2009, 18:19
< öl > Eine Lady müßte natürlich bei mir bloß dekorativ herumstehen und gut aussehen. < / öl >

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monolog - Montag, 10. August 2009, 17:57
Na dann herzlichen Glückwunsch zum Neuen - meiner, der schwarz ist, steht hier noch verpackt und wartet darauf, dass die Küchenwände fertig renoviert sein werden und seine Umhüllung sich die Treppe hochschiebt.

Wir machen es gleich wie Sie am Ende: selbst. So schön drüber schreiben werde ich allerdings wohl nicht können.

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kid37 - Montag, 10. August 2009, 19:47
Schwarz wäre hier im Klinikbetrieb nicht erlaubt. Ist sicher schick, aber ich fürchtete das Hamburger Kalkwasser.

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