Montag, 28. März 2005


Gangrän

Cuts like a knife.

The Mercy Seat | von kid37 um 18:10h | | Link

 


Mittwoch, 23. März 2005


Ein oder zwei Dinge, die ich über dich weiß

Eckstein, Eckstein, einer muß versteckt sein! Jaja, wo ist er nur, der geheimnisvolle Text, den nur wenige sahen, der Google-Roboter allerdings nicht. Heute wurde eine kleine, sagen wir mal, Safari nach ihm veranstaltet. Ist er vielleicht hier?
Oder hier?
Hier könnte es sein!
Oder doch eher hier?

So interessant war das alles nicht. Ehrlich.
Und irgendwann erzähl' ich es halt noch mal.

Nachtrag: Haha, so liebe ich meine Leser. Die Suchanfragen kurze Zeit später:

1 Search request: kid37 der vollpfosten
1 Search request: kid37 ist doof :-D
1 Search request: kid37 so ist das wohl

Ja, so ist das wohl. ;-)

The Mercy Seat | von kid37 um 21:21h | | Link

 


Sonntag, 27. Februar 2005


Das eine ist nicht wie das andere

I've never done good things
I've never done bad things
I never did anything out of the blue

(David Bowie, "Ashes to Ashes")

"Und dann hast du mich mit meinem neuen Freund auf der Straße getroffen, Gott, war das peinlich." - "Ja, das lief wohl zwei, drei Wochen parallel..." "Höchstens eine Woche! Und außerdem hatte ich mich da sowieso nicht gemeldet." Sie strahlt mich an mit ihrem entwaffnendem Lächeln und ich strahle zurück, und ich weiß, in diesem Moment sind wir uns sehr nah, und ich weiß, ich mag sie wirklich sehr, sehr gern. "Gab es da nicht noch so ein Gerangel zwischen euch Typen?" Haha. Wir lachen, schwelgen in Erinnerungen.
Wie lange ist das her? 15 Jahre? Wir zucken mit den Achseln.

Und dann so viele Gedanken. Ashes to Ashes. Damals, kaltes Licht der Frühe. Man kehrte heim aus der Nacht, entlang endloser S-Bahn-Gleise, durch die dunklen Wuppertaler Treppenstiegen und Unterführungen. Blaues Licht in den Discos und die kalte Musik. Und einmal, Silvester, auf so einer Hippieparty, zogen sich plötzlich die Mädchen aus und tanzten, und ich weiß, ich fand das damals sehr bizarr, ich war so 17, 18, und eine fremde, extraterrestrische Welt, the shrieking of nothing is killing/just pictures of jap girls in synthesis.

Und dann, zwanzig Jahre später, ein Silvester, verließ meine Freundin um Viertel vor Zwölf das Haus, keine Minute früher. Und zog sich später wohl aus, auf irgendeiner Hippieparty, keine Ahnung, ich war ja nicht dabei, aber ich weiß, ich fand das sehr bizarr und extraterrestrisch. Und es war auch nicht so ganz schön, daß Tage später ihr Name rund um unser Haus und an die S-Bahnstation gesprüht war, mit Herzen drumherum und Initialen, die ich nicht kannte. They got a message from the action man/I'm happy, hope you're happy too. Und ich habe, glaube ich, ein wenig geschrien. Ist ja schon was her.

Dann am Hafen entlangfahren, durch das kalte, gefrorene Licht. Manchmal ist es einsam, und im Player singt David Bowie want an axe to break the ice/want to come down right now, und ich ahne, dieses Eis bricht keiner mehr.

Was danach besprochen wurde, war bloßes Entgegenkommen, eigentlich nicht die Spucke wert. Heute weiß ich, dieses Silvester war nur der Auftakt, das nächste Mal wurde höchstens wilder. Heimlich war sie stolz, exaltiert, berauscht. Heute weiß ich, daß sie wie ein Junkie nur noch die Droge sah. Daran schmerzt heute nur eins: die endgültige Desillusionierung. Strung out on heaven's high/hitting an all time low.

Das sind Geschichten anderer Menschen. Denn meine eigene werde ich nicht mehr erzählen. Genau drei Menschen wissen davon. Dieser Freundin erzählte ich sie auch, damals nach diesem Silvester. Sie hat sie kurz darauf vergessen. "Erzähl es halt noch mal", meinte sie, eher genervt. Und strahlte mich nicht an mit einem entwaffendem Lächeln, auf eine Art, die Entschuldigungen überflüssig macht, weil die implizit sind und weil darin eine Wärme liegt, in der man sich geborgen fühlt. In ihrem Blick lag nur das Achselzucken des Junkies, der sich nach dem nächsten Schuß sehnt. One flash of light, but no smoking pistol.

Zu Hause wartet eine eMail. "Herr Kid, Sie haben schon soviel Zeit verschwendet. Verschwenden Sie nicht noch sich." Ich zucke mit den Achseln.


 


Donnerstag, 24. Februar 2005


Der Lore-Roman, die letzten Kapitel

I hope I lie.
And tell everyone
you were a good wife.

(The Mountain Goats, "No Children")

Am Ende blieb die Erkenntnis, daß die zweifelhaften Anzeichen eines Bedauerns, nie Reue, sondern immer nur dem Augenblick geschuldet waren. Am Ende blieb unverhohlener Stolz auf das Tun, das Treiben, die Abenteuer, die nie "wild" und verdrängend genug sein konnten. Vanitas, oszillierend zwischen unaufgefordert erzählten Details und einem hingehauchten "Verzeihung".

Fragen nach Moral und Loyalität dadurch pariert, daß einem eigene Verfehlungen nachgewiesen wurden. Der billige Triumph, "Heuchler" zu rufen, um sich weiteres Nachdenken sparen zu können. So als sei es ein Fußballspiel, bei dem am Ende die Tore gezählt werden, um einen Sieger zu ermitteln.

Das Mißachten sozialer Beißhemmungen als Freiheit verstehen. Sich über Regeln stellen und doch nur Sklavengedanken denken. Die Idee, Mitmenschen als fühlende Wesen zu begreifen - ein fremder Gedanke. Rustikal in jeder Beziehung blieb nur stete Verachtung für den, der sich zu schwach zeigte für den rigorosen Vitalismus, der als Götze diente. Alleine sein, allerdings, und konsequent absolut und absolut konsequent kam dennoch nicht in Frage. Es blieb ein gelebter Lore-Roman.

Das bacchantische Treiben, bei dem Gewalt nicht mit Leidenschaft und Blut nicht mit Liebe verwechselt wird, erfordert jedoch eine Freiheit, die allent- lassend ist. Etwas Absolutes, ganz wie ein Ideal. Diese Freiheit, immerhin, habe ich als letztes Geschenk geben können. Es fiel leicht, weil die Manipulationen erstmals nicht mich ins Ziel nahmen. So waren sie als das zu erkennen, was sie waren: Plumpe Zerstörungswut, getarnt unter dem armseligen Mantel aus angeblich wohlwollender Aufklärung.

Für gewöhnlich wünscht man sich dann Glück. Und alles Gute.
Das also kann ich tun. Aus freiem Herzen.

The Mercy Seat | von kid37 um 15:42h | | Link

 


Dienstag, 16. November 2004


Besichtigung im Haus der Lüge

Wind, weiße Stimme,
die an des Trunknen Schläfe flüstert;
Verwester Pfad.
(Georg Trakl, 1912.)

Ein abgedunkeltes Kabinett. Ausgebleichte Schädel in den Regalen, dazwischen Bücher von G.B. in seltenen Ausgaben. Ein altes Radio spielt einen dunkleren Quartsextakkord. Unter einem Glassturz das fahle Skelett der Begierde, von der Gier nur blieb. Ein Schaustück fernerer Tage, staubumhüllt.
Im anderen Zimmer dunkle Regale. Bücher von G.B.* in seltenen Ausgaben. Aus den Lautsprechern das monotone Pluckern industrieller Geräusche. Auf einem Baumstamm ein Messer und das Skelett der Begierde, ein schwarzer Knochen. Erinnerung an fernere Tage, staubumhüllt.
(* einem anderen, das ist der Witz der Synchronizität)

Hier eine Stelle, da tropfte Blut auf den Boden. Hier eine Stelle, da erkannten sie sich. Ertrunken in rotem Wein.
Eindringen ins Haus der Lüge. Tür auf, ein Seufzen. Ein Glöckchen erklingt. An der Wand eine Botschaft: "Eine strenge Hand gibt niemals Antwort". Nur die Gewißheit, hier ist jemand da. Denn ganz ohne Grenzen, bleibt doch nichts zu übertreten.

Ein Traum: Wir gingen durch einen Tunnel, ein Kellerlabyrinth, ein dunkler Mäander aus Schmerz und Umnachtung. Transgression im schwarzen Regen. "Vor uns bleibt allerdings nur das Nichts." (Arthur Schopenhauer). In der Nacht warten Opfer und Tod. Ich sagte, ich wüßte, wie Blut schmeckt. Du sagtest, du hättest seltene Früchte im Wald gesehen.

Am Morgen räumen wir unser Leben auf. Du wischst das Erbrochene weg, damit es weitergeht im Haus der Lüge. Ich streiche Farbe über das Blut an der Wand. Dann gibt es Pesto mit Nudeln und ein Glas kühle Milch. Trink von der Milch, iß alles vom Teller. Es ist doch die einzige Antwort, die wir kennen.

An den Handgelenken erscheinen seltsame Zeichen. Das Haus ist hermetisch. Den Schlüssel gaben wir fort.

The Mercy Seat | von kid37 um 02:22h | | Link

 


Mittwoch, 20. Oktober 2004


Up the Down Escalator

I wish I was special
But I'm a creep, I'm a weirdo.
(Radiohead, "Creep".)

Mail von einem fernen Planeten.

Du siehst nicht besonders aus.
Du kannst nichts besonderes.
Du bist nicht besonders im Bett.
Aber Du bist
intensiv, das habe ich gemocht.

Gut. Ich halte mir jetzt ein Bolzenschußgerät an den Kopf.
Und dann geht es auf die Intensiv-Station. Haha.

Dort ist offensichtlich mein Zuhaus.

(Notiz an mich selbst: Im nächsten Leben unbedingt als Ork wiedergeboren werden.)

Gonna use my arms
Gonna use my legs
Gonna use my style
Gonna use my sidestep
Gonna use my fingers
Gonna use my, my, my imagination

’cause I gonna make you see
There’s nobody else here
No one like me
I’m special, so special
I gotta have some of your attention, give it to me

(The Pretenders, "Brass In Pocket".)


 


Freitag, 15. Oktober 2004


Sudden Death

Als Ersatzspieler wollte ich nicht enden.

Da habe ich die Sportart gewechselt.


 


Dienstag, 5. Oktober 2004


Elefanten

Mit einem Wisch ist alles weg.

Dieses aber gilt nur für Küchentücher.

(Wird häufig vergessen.)


 


Mittwoch, 4. August 2004


Es kommt nicht immer auf die Länge an

Man kann viele Worte machen so wie ich. Oder es kurz und bündig sagen so wie der Herr Sweetmaker.


 


Samstag, 24. Juli 2004


Zero Zero Zero

Der Nachtbus ist mir vor der Nase entwischt. Zu warten hatte ich keine Lust, darum ging ich zu Fuß. Ein Taxi nehme ich nie. Ich stamme aus einer armen Familie; Taxifahren galt als unerhörter und verschwenderischer Luxus.
Zweimal habe ich in Hamburg ein Taxi benutzt. Einmal kamen wir in einer kalten Dezembernacht von meiner eigenen Ausstellung. Sie war nur spärlich bekleidet, und außerdem war ich der Künstler an diesem Abend und benötigte eine große Geste. Noch ein anderes Mal nahm ich mir ein Taxi. Sie hat sich darüber lustig gemacht.

Zero, Zero, Zero.

Zu Fuß dauert es eine gute Stunde. Wenn man schnell geht, so wie ich. Der Weg durch die von spärlichen Lampen illuminierte Speicherstadt hat nachts seinen eigenen Reiz. Das Wasser der Kanäle ist tiefschwarz und übt eine besondere Faszination auf mich aus. Wie bei einem Wunschbrunnen voller Öl kann man den Grund nicht sehen. Ich würde jetzt gerne schwimmen gehen. Wirklich sehr gerne. Aber ich habe meine Betonschuhe nicht dabei. Nicht einmal ein paar Ziegelsteine, so wie in The Hours.

Zero, Zero, Zero.

Der Weg führt dann irgendwann durch endlose Gewerbegebiete. Um drei Uhr morgens, wenn die biologischen Funktionen auf ihren niedrigsten Stand absinken, plagen mich leichte Unterzuckerungen. Der Körper versagt. Aber auch ein angenehmes Gefühl, wie in Trance, mit schwammigen Knien und wackligen Beinen immer weiter zu gehen. Immer weiter, automatisch. Ich fühle mich wie der "unsichtbare Mann" aus Ralph Ellisons Roman. Ich gleite durch die Straßen, vereinzelte Autos rauschen wie ein Lichtstrahl an mir vorbei. Ich verschmelze mit dem Trottoir, den Wänden, den Unterführungen. Ich bin nicht da. Ich bin unsichtbar. Man kann in dieser Zeit über vieles nachdenken, sich an vieles erinnern. Dinge, die man niemals wissen wollte. In einer Hofeinfahrt sitzt ein weinendes Mädchen auf dem nackten Boden. Wochenendkrisen. Ich schleppe sie mit bis zum Bahnhof. Angeblich will sie noch irgendwohin.

Zero, Zero, Zero.

Die Briefe, die ich schrieb, waren so gut wie die Briefe, die ich nicht schrieb. Sie blieben alle unbeantwortet. Ich will Dir keine Hoffungen machen, meinte Sie auf einem der zahllosen Treffen, zu denen sie mich bat. Dann hielten wir weiter Händchen.
Ich hielt sie daraufhin für unnahbar, geheimnisvoll, zurückhaltend. Eine groteske Wahrnehmungsstörung. Erst später fand ich heraus, daß sie sehr wohl eifrig mit irgendwelchen Männern korrespondierte, die sie über das Internet und auf Parties kennenlernte, zu denen sie lieber alleine gehen wollte. Ihnen Fotos schickte.

Zero, Zero, Zero.

Silvester feierte sie lieber mit einem sogenannten Freund auf einer anderen Party. Die beiden warteten freundlicherweise bis viertel vor zwölf, ehe sie die Wohnung verließen. Dann war ich endlich allein.

Silvester. Zum Glück ein Tag, den man leicht vergißt. Als sie die Unordnung, die Flaschen und die zerstörten Sachen fand am nächsten Morgen dann, hatte sie nur eine Sorge. Ich hoffe, es trifft nicht meine Sachen, schrieb sie auf einen kleinen Zettel. Nein, schrieb ich zurück. Es trifft immer nur die anderen.
Sie wünschte mir kein frohes neues Jahr. Sie erzählte mir aber, mit unverhohlenem Stolz, daß sie ein "schönes" Silvester hatte. Sie sparte auch nicht mit den anderen Details.
Ihre Bekannten wurden ebenfalls brühwarm informiert. Die zeigten sich selbstverständlich schockiert. Über die Unordnung. Mich könne man ja nicht mehr einladen. Nachher randalierte ich auch in fremden Wohungen ab.

Zero, Zero, Zero.

Vielleicht war es das, was sie wollte. Sehen, wie andere zu Boden gehen. So wie die Männer, mit denen sie zusammengelebt hatte. Von denen sie verächtlich sprach und die in irgendeiner Form alle Gescheiterte waren. So wie ich nun. Und so zeigte ich mich ihr, entblößt, auf dem Boden. Und erzählte ihr von der Sache, dem eigenen Urschmerz, unter Tränen, am Boden. Etwas, was ich erlebt hatte, als ich ein kleines Kind war. Eine Sache, nur deshalb so groß und so weitreichend, weil sie im Grunde ganz furchtbar banal war. Eine Sache, von der ich vermutete, sie, die sich selbst ihr halbes Leben so abgelehnt fühlen mußte, könne es verstehen.

Wenige Wochen kamen wir auf das Thema zurück. Sie hatte es vergessen.
Na, meinte sie, erzähl es mir halt noch mal.

Zero, Zero, Zero.