Dienstag, 11. März 2008
Beim ersten Mal dachte ich, hm. Beim zweiten Mal, hm ja. Nun, nach dem dritten Mal bin ich begeistert: Fell (OT: Fur) beschreibt eine Epsiode aus dem Leben der Fotografin Diane Arbus, die am 14. März 85 Jahre alt geworden wäre.
Steven Shainberg, Regisseur des ganz entzückenden Films Secretary, erzählt nicht die Biografie der Arbus, sondern in wunderbar fotografierten Tableaus den entscheidenden (fiktiven) Wendepunkt ihres Lebens. Wie sie die luxuriöse, oberflächliche und hohl glitzernde Welt ihrer pelztragenden High-Society-Eltern verläßt und eine ganz andere findet: Die der "Anderen", der Freaks und Transvestiten, der Artisten und Ausgestoßenen. Manchmal muß man Gehen, um Anzukommen.
Arbus (Nicole Kidman) folgt wie Alice im Wunderland dem weißen Kaninchen und entdeckt Stück für Stück eine neue, bizarre Welt, enträtselt die Geheimnisse des Kellers und das Mysterium des Dachgeschosses. In surreal angehauchten Szenen entwickelt sich die Freundschaft zu Lionel Sweeney (Robert Downey Jr.), einem Mann, der an Hypertrichose, dem sogenannten "Werwolf-Syndrom" leidet. Sein exzessiver Haarwuchs, sein "Fell" ist die Kehrseite der schönen Raubtierpelze, die Arbus' Ehemann in Szene setzt. Je weiter sich Diane in diese traumhafte Welt verliert, desto klarer scheint ihr die neugefundene Realität. Desto wacher wird sie.
Technisch nicht übertrieben versiert, ging Diane Arbus bis zu ihrem frühen Freitod 1971 einen nicht immer unbeirrten, aber traumwandlerisch-wagemutigen Weg dahin, wo Amerika nicht ganz so schön ist. Sie suchte die Ästhetik des Häßlichen, das Abstoßende, das Aufregende - und ihre eigenen Ängste. Die Reaktionen auf ihre Fotos waren ablehnend bis haßerfüllt - sehr zu Arbus' Überraschung, die sich, so vermute ich, nicht immer was dabei dachte. Heute gilt sie als eine der bemerkenswertesten US-Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ich bin natürlich Fan.
Shainberg spielt geschickt mit Fetischen wie Haar, Masken, Nackheit und Musik, verschönt, wo es der Arbus ums Radikale und Häßliche ging, weidet die sexuellen Aspekte aber nicht aus. Am Ende, am Ende des Films jedenfalls, geht es sowieso um eine ganz andere Liebe. Um einen anderen Atem. Am Ende geht es um Inspiration. Am Ende geht es um das Erwachen.
(Fell. Fur. USA 2006. Regie: Steven Shainberg.)
>>> Trailer
- Kritik zur Arbus-Biografie von Patricia Bosworth (Deutschlandradio)
- Bildersuche
Montag, 28. Januar 2008
Heute meine Einladungen für die Berlinale zurückgegeben. Es ist besser, es einen Kollegen machen zu lassen.
(Aus meinem Buch: Dinge, die jetzt auch nicht mehr so leicht fallen.)
Dienstag, 8. Januar 2008
Heute morgen wollte ich meinen inneren Frühaufsteher entdecken und schlich noch schnell in die Pressevorführung des neuen Films von Wong Kar-wai My Blueberry Nights. Schöne Bilder, elegische Musik und tragische, unerfüllte oder besser noch erfüllte Liebe hatte ich erwartet, ein Paket Papiertaschentücher in Griffweite, durchaus bereit, mich von diesem Film rühren zu lassen wie von einem Messer, das sich in der Nähe des Herzens in den Körper bohrt und dann langsam umdreht.
Stilisierte Bilder, oft bereits über der Grenze zum Kitsch (Kamera nicht Christopher Doyle, sondern Dariius Khondij), akzeptabler Soundtrack (u.a. Cat Power, die auch eine kleine Nebenrolle hat), das Versprechen einer großen Liebesgeschichte - nur leider funktionierte es für mich nicht.
Wie es manchmal so ist, begibt sich eine junge Frau (Norah Jones, keine Schauspielerin), nachdem ihre Liebe zerbrochen ist, auf eine lange Selbstfindungsreise. Kenn ich auch, aber eines hat sie mir voraus: Sie schreibt regelmäßig Karten an ihre Zufallsbekanntschaft, einen Barkeeper (Jude Law, muß man mögen). Dazwischen werden "Gespräche" geführt - und das war die Enttäuschung - die aus theaterhaften, gestelzten Dialogen bestanden, die unangenehm an Glückskekssprüche erinnerten.
Türen, so heißt es, solle man nicht für immer zumachen. Ich bin dafür und wünschte hart, meine wäre beizeiten offener gewesen (Charakterfehler, also ich jetzt). "Aber manchmal kann man die Türen nicht mehr aufmachen, auch wenn man die Schlüssel dafür noch hat oder?" fragt eine alte Liebe des Barkeepers. Der den nächsten Glückskeks nachreicht: "Selbst wenn die Tür offen ist, ist der Mensch, den Du suchst, möglicherweise nicht da."
Oh ja. Das ist dem Leben abgeschaut. Denn die alten Philosophen lehrten bekanntlich bereits: "Du schreitest niemals zweimal durch dieselbe Tür." Denn alles ändert sich! Man holt Atem, taucht unter, ist ein Arschloch, zwei Monate, drei Tage und sieben Stunden verschwunden - und will sich noch wundern? Daß Türen geschlossen, Menschen verschwunden, Schlösser ausgetauscht sind? Nein, da gibt es nichts zu wundern. Jude Law jedenfalls hat ein ganzes großes Glas voller verlorener und weggeworfener Schlüssel auf seinem Tresen stehen. Doch, halt, die alten Philosophen gingen weiter. Wer aber den Mut hat, sich selbst zu ändern, sich selbst zum Schlüssel zu machen, darf es wagen, in die veränderten Räume zu treten. Wachsen, neue Türen finden und Mut für die alten haben. Den Mut haben, zu klopfen, die Klinke zu drücken. Und bleibt sie trotz allem geschlossen, dann steht man Ende eines Weges, aber vielleicht nicht aller. (Nur daß es leider genau dann so aussieht und sich, das weiß ich genau, auch so anfühlt.) Dann aber besser nicht so machen, wie ich von Zeit zu Zeit, sondern wie Gregory Peck in Ein Herz und eine Krone (auch ein super Film): Alles mit den Augenbrauen! Haltung, Mann! (ein Lehrauftrag)
Von alledem erfährt man aber nichts im neuen Film von Wong Kar-wai. Denn das habe ich ja so ausgedacht. Nur eine, dafür sehr wahre Erkenntnis gibt es: "Ich wollte nur, daß er mich losläßt. Und jetzt, wo er es getan hat, verletzt es mich mehr als alles andere auf der Welt."
Da hätte sie losgehen können, die weitere Wahrheit, das Beispiel, das zeigt, wie es von dort aus weitergeht. Doch nichts davon, keine Ratschläge, keine Hilfereichung. Mein Taschentuch blieb trocken, und ich ahnte wieder einmal, daß Kino zwar das Leben, das Leben aber nicht das Kino imitiert. Schade, denn am Ende, dem vom Film, immerhin, - gab es einen Kuß.
Wong Kar-Wai. My Blueberry Nights. (HK, China, F, 2007.)
Samstag, 29. September 2007
"Are they made with real girlscouts?"
(The Addams Family)
Regen, Regen und noch ein bißchen Regen. Morgens Regen, mittags Regen und, daran werden auch Uwe Wesps Abschiedsworte nichts ändern, für den Abend erwarte ich keine Änderung.
Nur am Plästern, würde man in meiner Heimat sagen. Dem Hamburger ist es vielleicht nicht usselig, aber auch nicht wirklich wohl in seiner Schuppenhaut. Ein prima Tag also, um nicht draußen spielen zu müssen, hej! Ein Tag, um mit gut gefüllter Keksschale und einem Heißgetränk sich einem wohlig warmen Eskapismus hinzugeben. Bei mir ertönt deshalb das charakteristische Da-da dada, das Amerika funktionierendste Familie ankündigt: Die Addams Family.
Die gehen warmherzig miteinander um, ertragen ihre Launen, sitzen abends miteinander, ach was, den ganzen Tag, ohne Fernseher, spielen Karten, machen Explosionsexperimente, genießen das Mondlicht, sinnieren laut über Sex, machen aus ihrer erotischen Leidenschaft füreinander (die Eltern jetzt) keinen Hehl und wußten schon ohne neuzeitliche Forschungsergebnisse, daß Tintenfische einfach die intelligenteren Spielkameraden sind. Ich bin ja ein Fan dieser alten TV-Serie, die zwar nicht so opulent ausgestattet ist wie die beiden Kinofilme (von denen ich den zweiten immerhin ganz witzig finde), die aber darunter leiden, Sensationen aufbieten zu müssen, Aktion und Geschichte und Wendepunkte, wo es doch gerade um das Banale und Alltägliche dieser sympathischen Vorstadtbewohner geht.
Leider ist die Originalfassung mit ihren eingespielten Lachern vom Band nicht so gut zu ertragen wie die insgesamt recht gute Synchronisation. Mir daheim schallen schließlich auch keine künstlichen Heiterkeitsgeräusche entgegen, wenn mir eine sarkastische Bemerkungen entschlüpft - die, in Ermangelung eines Tintenfischs, meist nur mein Monitor hört.
Fast, wir reden über den Eskapismus der Regentage, wäre ich noch dem Charme des deutschen Pendants zur Addams Family erlegen. Fünf Filme in einer DVD-Kollektion: Immenhof! Da war ich schon sehr hin- und hergerissen, hatte ich doch gleich das charakteristische Leitmotiv im Ohr, dieses "Trippel-trappel-trippel-trappel Pooony". Als Kid07 war ich ja, wie mir heute klar ist, ein wenig in Heidi Brühl verschossen. In einem Alter, in dem mir die Art der in mir tobenden Gefühle gar nicht deutlich war, weil ich erst später erfuhr, daß andere Menschen dies als "Liebe" bezeichnen. Mir jedenfalls waren die Ponys ziemlich egal, so lange nur die blonde "Dalli" wild und ungezähmt ihre wohlwollenden Ränke schmiedete. Heidi Brühl, auch schon tot.
In Malente, jetzt kommt's, so informierte mich die Rückseite der letztlich ungekauft gebliebenen Kollektion, gibt es ein Immenhof Museum. Der Geist von Malente, die Älteren werden sich daran erinnern. Hätte ich das mal gewußt. Das wäre ein herrlich eskapistisches Urlaubsziel gewesen. Nächstes Mal dann, so lange halte ich einfach noch durch.
>>> Webseite über Charles Addams, besonders hier.
Mittwoch, 22. August 2007
"Ich will keinen Ehemann. Ich will nachts gut schlafen können."
(Robin Wright Penn, die ich anderenfalls sofort geheiratet hätte, als "Liv" in Breaking and Entering. USA/GB 2006.)
Freitag, 8. Juni 2007
Wer heute abend nicht so lange auf den ganz wunderbar verstörenden Cronenberg-Film Die Unzertrennlichen warten will (Tele 5, 0.05 Uhr), der zieht sich vernünftig an (das ist kein Werk, das man im Schlabberlook anschaut!) und schaltet um 23.15. Uhr Arte ein.
Dortselbst läuft das selten gezeigte Drama Der Nachtportier, das ja ohne das Wort "umstritten" gar nicht umschrieben werden kann. Ein abgründiges, lange verbotenes Psychogramm beschädigter Seelen, brutal, todessehnsüchtig, obszön und von schamloser Schönheit. Dirk Bogarde und Charlotte Rampling als Albtraumpaar, dessen zerstörerische Beziehung mehr und mehr den Zuschauer fesselt.
Sonntag, 25. März 2007
(Agent Dale Cooper)
Ich bin Fischen." Jedenfalls in der nächsten Zeit recht beschäftigt. Mal sehen, welche roten Räume ich dabei entdecke. Damals zu der Zeit, als man eine in Plastikfolie gehüllte Leiche am Wasser fand, damals an der Uni also fanden wir immer im Hilfskräftezimmer zusammen, um die neuen Folgen und Ereignisse bei Twin Peaks zu erörtern. Eine war dabei, die konnte wie Audrey Kirschstengel im Mund verknoten. Jedenfalls bildete ich mir das ein, denn damals war ich ein wenig verknallt in Sherilyn Fenn.
Ich identifizierte mich zunächst mit dem Polizisten Andy, der immer so ergriffen war und nah beim Wasser gebaut hatte. Aber natürlich schwenkte ich schnell zu Special Agent Dale Cooper mit seinem schicken Diktiergerät zurück, zumal sein berühmtes blauschwarzes Haar mich an dunklere Gothic-Zeiten erinnerte. (Rudolf Moshammer steigerte diese Frisur dann später zur Perfektion.)
Die Geheimnisse, die in diesem scheinbar so biederen Bergkaff zu Tage traten, waren auch nicht wilder als die in meiner Heimatstadt im Bergischen. Streng genommen behandelte David Lynch all die Dinge, die man selber wußte, ahnte oder von Dritten an der Schule gehört hatte. Man mußte nur einmal unter die Müngstener Brücke gefahren sein, um all die Orte wiederzufinden, wie Lynch sie nahe der kanadischen Grenze beschrieb. Ach ja, eine Ronette Pulaski kannte ich auch. Aber man hört nichts mehr von ihr.
Donnerstag, 15. März 2007
Zeit, mal wieder beinahe zusammenhangslos Blondie zu zitieren, denn ich möchte einen kleinen Film vorstellen, der vielleicht nicht dem Atomzeitalter geschuldet ist, aber dafür auf zum Nukleus komprimierten Raum Action, Schauwerte und Rawumm vereint: Kaboom ist ein Kleinod aus der wunderbaren Sammlung von PES - ein schräges Minimalfilmkombinat mit beschwipsten tollen Ideen und Spaß nach Ladenschluß. Natürlich machen die auch Werbung, aber das ist ihr Job. Kunst allein macht nur wenige satt.
Samstag, 10. März 2007
Geh weg, Hollywood! Da sitze ich seit einiger Zeit an einem atmosphärischen Drehbuch voller Gewalt, Leidenschaft, Eifersucht und Emotionen, um den ersten echten Blogger-Film zu realisieren - und was ist? Es ist alles schon gesagt, geschrieben und projiziert worden auf die seidigen Leinwände des amerikanischen Kinos. Ich bin 37 47 Jahre zu spät!
>>> The Bloggers - Trailer auf DailyMotion.
Dienstag, 6. März 2007
Is a sweet candy
(5.6.7.8's, "Edie Is A Sweet Candy")
Trailer sind oft so dicht und schnell und zugespitzt geschnitten, daß der lange richtige Film Mühe hat, den Erwartungen, die solche Vorversionen auslösen, noch gerecht zu werden. Bei Factory Girl werde ich aber das ernüchternde Gefühl nicht los, daß eine noch größere Enttäuschung bevorsteht. Wenn schon der Trailer so lustlos und steril wirkt. Artifiziell müßte man sagen - wäre das im Universum Warhola nicht schon wieder ein Kompliment.
>>> Webseite der 5.6.7.8's