Donnerstag, 21. Februar 2013


Merz/Bow, #39

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Das Kommando Trauernde Weide schleicht seitwärts im Krebsgang durch den Wochenanfang. Neue Pläne von oben werden mit Vorbehalts-Pst! verkündet, das Echo ist geteilt. Summende Erregung jedenfalls im Bienenhaufen.

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Zielvorgabe 2013: stabile Verhältnisse. Check-up-Gespräch mit der netten Ärztin. Wir gehen die Liste durch, ich lege eine Reihe konsilarischer Befunde vor. Wir singen im Chor das Lied vom großen Hm. Hm. "Können Sie nicht mal eindeutige Symptome und Befunde haben?" Nein, sage ich, die Welt sei komplex, es gebe keine einfachen Lösungen. "Mehr Kryptik" heißt das Zauberwort. Ob sie nicht bloggen würde. Die Menschen im Internet haben alle zuviel Zeit. Meint sie.

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Zur Empörung zum Beispiel. Bestellt ein Negerkönig eine Lasagne bei Amazon, gehen die Aufreger Woche. Und alle so Uiuiui. Die Skandalisierung hat mittlerweile auch den geliebten öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfaßt. Tagesschau und Tagesthemen sind sich nicht zu schade, schamlose Eigenwerbung als quasi brandaktuelle Entdeckung in den Nachrichtenblock zu packen. Tadaa, liebe Zuschauer, bleiben Sie dran. Wir haben da passend und wie zufällig eine Doku für Sie. Soylent Green ist Menschenfleisch!

Dieses naive Ermittlungsstück aber zeigt, was doch niemanden überraschen dürfte, der die "Liberalisierung" der Markt- und Sozialgesetze in den letzten Jahren (und zwar seit Rot-Grün) mitverfolgt hat. Welche Ziele und Methoden werden denn von Konzernen wie Amazon, Zalando, Google, eBay usw. wohl verfolgt? Unternehmen, die hierzulande Milliarden umsetzen, aber nur 3,50 Euro Steuern zahlen?

"Die da oben machen doch nur, was wir wollen", sang Bernadette La Hengst. Die Strukturen sind kein Unfall. Und man hüte sich vor Selbstgerechtigkeit, Fingerzeigen und den eigenen blinden Flecken: Wir treffen jeden Tag (Konsum-)Entscheidungen, die ethisch zweifelhaft sein können. Von einem Applegerät aus eine Petition gegen Ausbeutung anklicken hat jedenfalls auch einen guten Schuß Absurdes. Es ist komplex. Kaufe hier eine Biokiste und buche dort eine Flugreise. Wir leben in einem Hütchenspiel mit drei Fettnäpfen und nur einer Gewissensseife.

Action speaks louder than words. Zu wenige übrigens sind in einer Gewerkschaft. Zu wenige nehmen die Politik ernsthaft in die Pflicht. PR-Skandale allein ändern selten die Verhältnisse. Sie führen zu besserer PR.

Kelly hat seine Eindrücke besser in Worte gefaßt.

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Wer wissen will, wie der Laden läuft, schaut heute abend TV. "Versicherungsvertreter - Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker" zeigt dort der WDR um 23.15 Uhr. Die Doku zeigt Momente des "Systems Größenwahn" in einsamer Offenheit. Die "Mehmet E. Göker AG" war mal zweitgrößter Makler für private Krankenversicherungen, holte bei den Konzernen bis zu 8.000 Euro Provision (!) für einen Vertrag heraus, setzte über 60 Mio um und Topvermittler in Ferraris. Bis irgendwann die Steuerermittlung und der Absturz kam. Göker selbst aber, ein charismatischer Quasi-Selfmademann, ist ungebrochen. Seine Firma führte er wie eine Sekte, Tatöwierungen für die Mitarbeiter inklusive, Ansprachen zwischen Drohgebärde und Mutterwitz, ein lebendes Beispiel für ballastbefreite Selbstoptimierung. ANDERE ATMEN, WIR VERKAUFEN! ist einer der von ihm konsequent in Versalien gehaltenen "Gökerismen" (mit denen sich Abreißkalender oder Bücher, z.B. bei Amazon verkaufen ließen). Eine ganz dicke Empfehlung. Blogger können da auch was lernen

>>> Trailer

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In eigener Sache. Gesine von SteglitzMind stellt eine Reihe Blogger vor und hat mich ein paar Sachen gefragt. Vielen Dank!

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Mal praktisch gefragt. Wo kann ich Filme von F. J. Ossang kaufen, wenn nicht via Amazon.fr? Ich sehe schon. Ich stehe in einer Wanne voll Blut.

MerzBow | von kid37 um 17:14h | 32 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 18. Januar 2013


Merz/Bow, #38

Hier mußte mal ein bißchen Ruhe rein. Ich bin gerade etwas empfindlich auf den Ohren. "Enough is enough is enough" (Gillian Anderson). Jetzt habe ich aber einen neuen Besen von der Marke Delete. Mal schauen, wie der die Stube putzt.

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Ich bin übrigens schon sehr, sehr sofagespannt auf The Fall. Ich habe neulich die wirklich recht hübsche BBC-Verfilmung von Great Expectations gesehen, in der Gillian Anderson die gefährlich verschrobene Mrs. Havisham spielt (leider letztlich eine etwas statische Rolle, die noch dazu kläglich underwritten ist). Als Komödiantin ist sie großartig. Als Ermittlerin auch. Ich vermute, sie kann auch Kuchen backen.

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Ein Filmteam war neulich auf meiner Insel in meiner Wohnung in Brooklyn. Es ist dieser minimalistische Stil, der meinen Gedanken Raum läßt.

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Für eines der Videos des "Valtari-Mystery"-Filmprojekts der isländischen Gesangskapelle Sigur Rós hat Floria Sigismondi Regie geführt. Leaning Towards Solace ist deshalb auch sehr schön geworden. Mehr Informationen gibt es hier, die 16 Filme werden noch auf DVD erscheinen. Danach braucht ihr keine weiteren mehr, weil ihr dann ganz demütig werdet und begreift, wie klein wir alle sind. Anspieltip: Dauðalogn. Wer "Pathos" sagt, fliegt raus.

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Ich werde ja immer gefragt, was die 37 bedeutet.

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Ich überlege, ein neues Fahrrad anzuschaffen. Es soll den neuen Begebenheiten besser gewachsen sein, eine gute Beleuchtung haben und vom Stil her zu mir passen. Bleibt also nur dieses.

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In letzter Zeit wurde viel über die Gefährlichkeit von sogenannten "Kinderbüchern" speziell für jüngere Bevölkerungsschichten geredet. Dabei liegt in der erstmal nur für die Älteren unangenehmen Grenzüberschreitung ein lebenslehrreicher Effekt. Wie die bislang kaum bekannten Werke Bob Staakes zeigen. Ich kann nicht oft genug darauf hinweisen. Mein Favorit: Dead Whales can't wave back. Ruhig mal durch die Galerie blättern und Nerven bewahren. Als ich Kind war, war es sogar noch gefährlicher. Ich sage nur Peter kommt ins Krüppelheim, andere Literatur gab es gar nicht. (Aber Schnee und Eis auf dem Schulweg.)

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Was mich eigentlich beschäftigt: Ich muß bald mal zum Friseur. David Lynchs Haare beispielsweise sehen aus wie Gemälde. Meine wie eine Installation von Tracey Emin.

MerzBow | von kid37 um 15:23h | 19 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 26. November 2012


Merz/Bow, #37

Hipster, dein Schwengel steht schief! Das habe ich ja noch nie gemacht gesehen. Kaffee mit 'ner Presskanne. Entschuldigung, einer französischen Presskanne. Entschuldigung, einer per Smartphone zeitüberwachten, dudelmusikunterlegten französischen Presskanne. Ein zelebriertes Ritual! Nicht etwa einfach so. Gleich mal ein Holzfällerhemd raussuchen. Für das simple living! Danke für diesen Film. Morgen dann: ein Brot selber schneiden.

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Dazu paßt doch wunderbar dieses Tumblr-Blog: Kitchen Counters You could Fuck on. Mal Themen auf den Punkt bringen. Nicht immer dieser Sublimierungskack.

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Ich gehe jetzt zurück in meine etwas unaufgeräumte Bibliothek. Ausmisten, umstellen, liegen bleiben. Erneut stelle ich fest, daß es in meiner CD-Sammlung etwa so ungeordnet zugeht wie im Kopf von Katie Jane Garside. Die dabei allerdings wesentlich besser aussieht.

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Stillende Mütter können es auch übertreiben (denken bestimmt andere stillende Mütter bei sich). Natürlich Neid, ich könnte das in vielfältiger Hinsicht nicht.

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Mimimi. Manchmal fragt man sich schon, oder? Ich meine, das geht auf keine Kuhhaut, auch wenn jedes Ding bekanntlich seine zwei Meinungen hat. Die eine.

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Mimimi. Manchmal fragt man sich schon, oder? Ich meine, das geht auf keine Kuhhaut, auch wenn jedes Ding bekanntlich seine zwei Meinungen hat. Die andere.

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Um mir die Fäden zu ziehen, kniet die Arzthelferin in so einer Art Gebetshaltung vor mir. Ich will einen lauen Witz machen, fühle mich aber unbehaglich. Einfach mal die Klappe halten. Sie dankt es mir mit einem extra Pflaster.

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Ermüdend. Alles sehr ermüdend.

MerzBow | von kid37 um 13:37h | 30 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 31. Oktober 2012


Merz/Bow, #36


Banksy-Halloween-Kostüm, via Haute Macabre

Jetzt habe ich eine neue Klingelanlage, aber bislang haben keine Monster hier geklingelt. Dabei hätte ich nach den Veränderungen hier im Quartier auf bettelnde Hipster im Banksy-Kostüm gewettet.

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Denen hätte ich hübsch was Saures rausgelegt. Der Musikfilm Der Taucher im Anorak mit Dackelblut und Jens Rachut ist online. Ich bin ja generell nicht so der Deutschpunk-Fan, aber für ehrliche Energieübertragung mache ich immer eine Ausnahme. Im Publikum ist auch die "Muse" aus Hamburg zu sehen. Wo ist die eigentlich abgeblieben? (Oder andersherum: Wo ich bin ich eigentlich abgeblieben?)

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Auch toll für Halloween: "Blondie"-Nipple-Badges von Julian Baker. Hervorstechend kleidsam. (Geht natürlich nicht bei jedem Bloggertreffen.)

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Schon mal überlegt, warum es keine neuen Alben von Tim & Struppi gibt? Na, weil der blonde Reporter seit Jahren in einer Band spielt und damit auch ganz gut um die Welt kommt.

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Es ist Herbst, da greift manchen das Emo-Frösteln an. Singles werden sicher Trost im oft sehr lustigen Tumblr My Friends are Married finden.

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Das ist sooo 80er. Ein Porno, ein "guter" Film, hieß der Deal damals. Eine betrübliche Serie über aufgelassene Videotheken. Vorbei, vorbei, es ist alles vorbei: Flavorwire.

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Achtung, Berlin. Am 5. November wird zum sechsten Mal der "Wollita"-Kulturpreis verliehen. Ausgerichtet von der großartigen und großartig-umstrittenen Häkelpuppe von der nicht minder großartigen Françoise Cactus ("Stereo Total"). In der Bar Marianne (In Berlin gibt's ne Bar?) findet die Verleihung statt, dazu eine Performance mit Wollita, Françoise Cactus, Wolfgang Müller und der ausgezeichneten Künstlerin Christine Sun Kim.

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Pathos seit 3237 Tagen.

MerzBow | von kid37 um 20:22h | 13 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 6. September 2012


Merz/Bow,#35

Heute viel hin, aber auch her. Noch schnell und viel atmen, dann die nächsten Termine. Gestern irgendwo gewesen, "Branche und so", wo ich anschließend sprachlos war. Konsterniert, heißt das wohl. Vielleicht schreibe ich mal eine meiner vielen Autobiographien darüber: Der Tukur, der Rommel und ich. Im November, Allerheiligen, wird man mich da besser verstehen.

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Zwei gedungene Helfershelfer von einem großen rheinisch-westfälischen Stromkonzern klopfen bei Mütterchen Kid an die Tür. Wie hoch denn die Stromrechnung wäre, begehrt man zu wissen. Von wo man denn herkäme, gibt es gleich mal die ostpreußisch geprägte Retoure. Im übrigen hinge man an der Scholle am bewährten Anbieter. "Oh, nicht, daß es da bald schlimme Probleme gibt!" munkelt der eine, kann aber Mütterchen Kid nicht mal an der Wimper erschüttern. Die läßt sich doch nicht von angeblich drohenden Stromausfällen ins Bockshorn jagen. Arschgeigen.

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Ich werde ja auch nicht jünger ("Aber die Leberwerte stimmen" - Die Braut haut ins Auge). Interessanter Einblick in das musikalische Reich der Untoten: Goth Ikonen früher und jetzt. Kommt, Leute. Das ist witzig.

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Der Standard: "Polizisten brauchen Liebe". Interessantes Interview zum Thema Macht, Ordnung und Gewalt. (Beiträge, die man in der Qualität bei Spiegel Online leider selten findet)

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Sehr süßes Blog Honigtopf. Davon bitte 37.000 mehr. (Jetzt mitsingen, Grinderman, "Honey Bee, Let's Fly To Mars")

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Hinsetzen, festhalten: John Peels Plattenarchiv. Oh, mein Gott! Mit Möglichkeit zum Reinhören. (Leider nur 100 Alben pro Buchstabe, aber ich meine, John Peel's Plattenarchiv!) Oh, mein Gott! John Peel.

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Spektakuläre Fotos: Die britische Performance-Künstlerin Sue Austin sitzt seit 16 Jahren im Rollstuhl und macht was damit? Genau, hab' ich auch sofort gedacht, akrobatische Stunts unter Wasser. Wie klein man irgendwie selber ist.
(Webseite von Sue Austin)

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Wollt' ich noch sagen.

MerzBow | von kid37 um 23:21h | 16 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 11. August 2012


Merz/Bow, #34

Aus den Augenwinkeln zwei, dreimal Olympia geguckt. Die Übertragungen unterscheiden sich nicht mehr allzusehr von den beliebten Nachtsendungen auf Das Vierte oder diesem Sportkanal. SexyClips, in denen knapp bekleidete Akteusen mit den Deuserband oder irgendwelchen Bällen spielen. Bei Olympia: Beachvolleyballerinnen im Stringtanga und Tassles aus dem Burlesque-Bedarf. Oder knapp mehr. Die Staffelläuferinnen würden in ihren bauchnabelfreien Outfit aus jedem Restaurant auf Mallorca geworfen werden. Selbst die Turmspringerinnen tragen mehr. Worum geht es da? Mich stößt das ein wenig ab. Was aber wäre, wenn jede Sportart so fotografiert würde wie diese Miezenparade? Hier erste Ergebnisse. (via Kottke)

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Angeliska besucht das Grab von Hank Williams und erinnert sich. [1, 2]

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(c)Theron Humphrey

Fotograf Theron Humphrey reist mit seiner Hündin Maddie durch 50 Staaten der USA und führt darüber ein Blog. Die Hündin ist sehr begabt darin, eine Balance im Leben zu finden, einen Platz zwischen Oben und Unten, dem Möglichen und dem Unmöglichen. Dem Vertrauen, sich Einlassen- und Auf sich-zukommen-lassen-können. Mit der unverfälscht-lässigen Eleganz und Selbstvergessenheit, wie sie nur Tiere haben. [via BumBumBum]

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Im Bus steigt ein junges Mädchen ein. Lange, gesunde, natürlich ins Kraut geschossene Haare, freundliches Gesicht, die Hose mit modisch zerfetzten großen Löchern auf den Oberschenkeln, durch die gebräunte Hautflecken glänzen, nicht in diesem verlederten Solariumton, sondern in einer leichten Segelbräune, wie man hier sagt. So genau habe ich das olympionikische Taxieren gelernt. Ihr gegenüber sitzt eine andere Frau, die sie ebenfalls betrachtet. Sie ist über 40, Typ Eppendorfer Agenturfrau, die es nur zumBusfahren geschafft hat, verledert an Handtasche und Gesichtshaut, sie hält ihren frischen Blumenstrauß hart umklammert und wirft erst einen kurzen, dann immer längere Blicke auf das Mädchen. In ihren Augen schimmern Abschätzigkeit, dann Neid und Bitterkeit. Ihr Taxieren hat nichts sportliches mehr, es ist ein Existenzkampf. Sie hört nicht auf zu schauen.

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In der U-Bahn sitzt mir gegenüber ein junges EMO-Pärchen. Sie erzählt von einem Freund, der knapp 20 zu seiner neuen Freundin zieht. "Die ist voll alt. Fast 50. 48 ist die." Ich beuge mich vor und sage: "Entschuldigung, ich bin auch, äh, 37. Da geht noch was." - "Ja", rollt sie mit den Augen. "Aber der ist doch erst 20!" (Ich denke. Na ja, 20. Die haben eine schöne Haut, und viele sind ja auch schon sehr weit in diesem Alter. Sagt man doch so. Das muß man sportlich sehen. Wie dieser Fußballer, wie hieß er noch gleich.)

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Sich nicht abstempeln lassen. Auf neue Geschichten einlassen. Mit dem Schmutzigen Würfel immer wieder Liebesgeschichten erfinden (mit der Maus über die Wörter fahren). Botschaften weitergeben. Kassiber.
("Das fühlt sich gut an/und wir sehen super aus/und wir haben uns was zu sagen." Blumfeld, "2 oder 3 Dinge, die ich von dir weiß".)
(via Mumien, Analphabeten, Diebe)

MerzBow | von kid37 um 16:37h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 11. Juni 2012


Merz/Bow, #33

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Ja.

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Moonrise Kingdom. Nach langem wieder im Kino gewesen. Nicht geweint. Bildhübsch erzählte, nostalgische Geschichte über erste Liebe und Selbstbehauptung. Wes Anderson ist mittlerweile der John Irving des Films. Wiederkehrende Motive, surreale Momente, brutale Unschuld, verschrobene Familien, der Kampf fürs schräge Ich. Tilda Swinton ("Jugendamt!") die Eiskönigin, Bruce Willis immer wieder faszinierend abseits seiner Actionrollen, Murray und McDormand als Wiedergänger von Spencer/Hepburn in "Ehekrieg", zwei Anwälte mit lebensdurchdringendem Berufsethos. Viel Americana, Neue Welt, Frontier, Pocahontas, David Crockett-Mützen. Harvey Keitel als Boyscout-Chef muß man gesehen haben. Zart die Initationsszene, als der kleine Sam seiner Liebsten Suzy (im melancholischen YéYé-Girl-Look) die Ohrlöcher durchsticht. Klug auch Andersons Entscheidung, nicht in die Retrofalle zu tappen und seinen Sixties-Film mit Popmusik aus der Zeit auszutapezieren. So ein schöner Film.

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Anschließend bis zum Auskehren in der Weltbühne gesessen. Viel gelacht. Noch.

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Herr Krüger präsentiert bei Feinkunst Krüger die Gruppenausstellung Unter Butter. Die große Margarine-Verschwörung in teils abstrakten, dann sehr anschaulichen Positionen. Kurz überlegt, das Gemälde eines Butterbrotes anzukaufen. Wieder viel gelacht. Jedenfalls bis ich anfing, Fragezeichen einzustreuen. (bis 30.6.)

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Mit der neuen Radtasche (bitte beachten) zur Hafentour. Seit einer Woche schmerzfrei, dafür aber Symptome, die man als Vulkanier sicher faszinierend findet, auf Erden aber für den Sprachgebrauch unsichtbar bleiben. Ich selbst bin mir gegenüber unbefangen, mümmel ein Pausenbrot gegenüber der großen Bauruine, schaue einem Mann im rosa Hemd zu, der mit einem Dessousmodel und einem SUV aus dem Speckgürtel der Stadt herangefahren war, Bildnisse unter rostigen Kränen anzufertigen. Da er keinen Aufheller benutzt, kann ich ihm jetzt schon sagen, daß man vom Ergebnis als einen gewissen Butterbrotbelag wird reden müssen.

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Beim Versuch, einen urbanen Explorationszugang zu einem alten Eisenbahngelände im hiesigen Williamsburg zu finden, in einer Art Ken-Loach-Sozialtristesse gelandet. Wohnsiedlungspanoramen vor dunkelgetupften Himmel.

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Abends Essen zu Amália Rodrigues. Ich habe die CD nach dem 0:1 noch nicht gewechselt. Ich summe ein bißchen mit, es paßt schon.

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Nein.

MerzBow | von kid37 um 00:37h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 11. Mai 2012


Merz/Bow #32



Jetzt nur noch senkrecht bleiben. Dann alle so Yeah!.

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Großartig: Ödland (-> siehe) sind unterwegs:
am 29.5. in Hamburg
am 6.6. in Wuppertal

Das wird etwas sehr besonderes, humorvoll-nostalgisches. Ich mag diese Ausgestaltung eines kompletten Kosmos', einer durchgestalteten Welt, die sich sanft ironisch und assoziationsreich bedient an Versatzstücken der Erinnerung und unserer Erwartung. Hier gibt es auch ein Video vom Auftritt in Zürich. -> weitere Tourdaten

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Dass die Piraten keine “Endlösung der Kreativenfrage” haben, ist Schade. (Q)

An der Sprache sollt ihr sie erkennen. Unter den Avataren der Muff von 1000 Jahren. Lesenswerter Beitrag übrigens von Volker Strübing zum Thema Verwertungsrechte. Überhaupt gäbe es viel zu sagen zum unverhohlen durchscheinenden Hass auf Künstler (immer als "sogenannte "Künstler"") und Kreative (immer als "sind keine Kreative"). Wer in den Foren bei Spiegel Online oder Standard.at die Stimmen von Netzbenutzern sammelt, stößt auf Zitate wie "Der Dreck muss weg", "sollen mal arbeiten gehen", "wer sich nicht durchsetzt, hat eben Pech gehabt", "das ist eh keine Kunst", "die machen sich mit Hilfe der Künstlersozialkasse einen Lenz. Und wer bezahlt es? Ich mit meinen Steuern!" Usw. usf. Dahinter verbirgt sich eine verblüffende biedermeierhafte Spießigkeit. Der Künstler, 'tschuldigung, "Künstler", als armer Poet unterm Dach.

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Im Grunde wollen sie eine Schriftumskammer.

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Sie schenkten uns die Empörungskultur.
Ich kann natürlich immer noch Revuetänzer werden.

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search request: rasierte katze
Das ist falsch buchstabiert. Versuch es noch mal.

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"Wash it out." (PJ Harvey, "Bad Mouth")

MerzBow | von kid37 um 14:12h | 15 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 29. April 2012


Merz/Bow #31


© Amazon-Benutzer "Mike"

Laßt uns alle Einhörner sein: Soziale Massenbewegungen im Netz sind oft eine zwiespältige Sache, dieses Adden und schubsen und Freunde zählen als Fortsetzung dieses uramerikanischen Carnegie-Phänomens Wie man Menschen beeinflußt und Freunde gewinnt. Unterhaltsam sind im Gegensatz dazu nichtorganisierte Spontanwolkenbildungen und Meme-Festivitäten, wie man sie beispielsweise bei Amazon erlebt, wenn man das berühmte Schweizer Taschenmesser mit knapp 150 Funktionen sucht. Zitat: "Schade, daß ein Defibrillator fehlt". Noch hübscher aber sind spontan anwachsenden Bildergalerien, die Käufer skurriler Produkte angelegt haben: die Freunde von Pferden zum Beispiel. Und ganz goldig, die Einhörner.

via Coilhouse

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Ach, die Urheberrechtsdebatte. Ist es eine Debatte? Entlarvend dieser Monitor-Bericht, in dem drei Vorreitende der Piratenpartei versuchen, eine Frage zu beantworten beziehungsweise andeuten, daß ihre Forderungen absichtlicher Irrwitz, strategisch platzierte Maximalforderungen sind, die man offenbar selbst für wenig realistisch hält. Aha. Na dann.

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Apropos Irrwitz. Nicht, daß es überraschen würde. Aber dieser Beitrag in 3sat faßt einmal viele Punkte des Glühbirnen-Schmus zusammen. Angefangen vom Gift in den Energiesparlampen, der erlogenen Brenndauer und angeblichen Einsparungspotentiale bis hin zur verheerenden Ökobilanz zählt man die katastrophalen Herstellungsbedingungen und Probleme bei der Entsorgung dazu. Die Problematik mit den viel zu starken elektromagnetischen Feldern war auch mir nicht bewußt. Mir haben die butterweichen Aussagen aus der EU-Behörde am besten gefallen

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"Ultra korrekt nach Aufstehn. Ischschwör: Herz is krass gechillt, weil nich mehr so scheiß'n'dreck kalt da draußen. Guckstu!" soll die Übersetzung von "Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße." sein. (Der hinkende Bote)

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Sie war so dieser Billardkneipentyp.

MerzBow | von kid37 um 01:07h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 21. November 2011


Merz/Bow #30

[...].

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Wenn, so ein milder Gedanke, es mit dem Radfahren nicht mehr so richtig will, habe ich ein anderes, höchst adäquates Gefährt für mich gefunden. Es löst sogar ein hohes Maß an Begehren aus, ein Empfinden, das in meinem Alter ja erlebensgemäß etwas nachläßt. Man hat ja so vieles schon gesehen. Hier gibt es weitere Informationen. Zum Gefährt, nicht zum Begehren.

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Das paßt natürlich zu dem Buch, das ich gerade lese. Oder blättere, denn leider übertreibt es das Layout ein wenig mit dem Fifties-Design. In munterem Plauderton gehalten, so als säße man beim Diaabend daheim, also nicht unbedingt tiefschürfend, aber recht vergnüglich, berichtet Marlotte Backhaus von der Weltreise im Kleinstwagen, die sie und ihr Mann in den 50er Jahren unternahmen. Von Hamburg aus über Indien nach Japan, später - im zweiten, etwas größeren Goggo - dann durch Nord- und Südamerika und Afrika. Eine sehr spannende Vorstellung, ein Unternehmen, als Reisen wirklich noch eine Expedition war, zumal wenn es in solche touristisch bis heute kaum oder wenig erschlossenen Gebiete geht. Und ja, zwei Menschen und Gepäck und Filmausrüstung passen in ein solches Auto. Wenn man richtig (an-)packt und ein wenig Struktur in die Sache bringt. Mein Reden seit langer Zeit.

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Rock ohne Roll. Die Energie ist ja bekanntlich nicht weg, sie ist bloß woanders. Nach 237 Jahren haben Kim Gordon und Thurston Moore (beide ca. 75) die Scheidung eingereicht, hält man ja auch für unnötig so was, aber bitte. Noch unnötiger wohl nur die drohende Konsequenz, daß die derzeitige Sonic Youth-Tour durch Südamerika möglicherweise die letzte gewesen sein könnte. Schwacher Trost ist dieser einstündige, dreiteilige Mitschnitt vom Konzert am 14.11. Ach.

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Die Kunstwelt in Aufruhr. Eine Biografie über den Kunstsammler Heinz Berggruen sorgt für Wirbel. Im Skandalton der "Enthüllungsbiografien", wie sie seit den 80ern populär geworden sind (Hitchcock war gar nicht nur ein Genie, er hatte auch dunkle Seiten; Picasso war gar nicht nur ein Genie, er hatte auch dunkle Seiten; Einstein war... usw. ad nauseam) hat eine Vivien Stein aufgedeckt: Der Kunstsammler, der zugleich eben auch Kunsthändler war, hat doch tatsächlich mit Kunst auch ein Geschäft gemacht und das offenbar auch deshalb so geschickt, weil er, der nämlich Jude war, und das schreibt Stein tatsächlich, in Deutschland "die Judenkarte" gezogen hätte. Kurz, Berlin erwarb (mit Bundeshilfe) seine heute fast unglaublich und vor allem unglaublich günstig wirkende Sammlung für damals wie heute lächerliche 250 Mio. DM - aber, so suggerieren Stein und ihre Fürsprecher, nur weil Berggruen ans Schuldbewußtsein der Deutschen appelliert habe.

Das offenbar durchweg im polemischen Geiferton geschriebene Buch könnte man schnell ignorieren, hätte es nicht durch eine großaufgemachte Rezension an Öffentlichkeit erfahren. Prominent auf fast eine Seite im Feuilleton der Süddeutschen vorgestellt, sorgte dies für einen zweiten Skandal. Was bewog den Rezensenten, sich die Argumente der Stein offenbar wenig distanziert zu eigen zu machen und überdies das Argument draufzusetzen, die jüdische Geschäftstüchtigkeit zeige sich auch im Treiben des Sohnes Berggruens, Karstadt-Investor Nicolas? Die SZ nennt es ein "Sittenstück", ein "denunziatorisches Werk" hingegen Ex-Kultur-Staatsminister Naumann im Tagesspiegel. In der FAZ rätselt Swantje Karich über die Motive ihres SZ-Kollegen, spricht von einer "Kampagne" und sagt: "Speicher und Stein kokettieren mit dem 'jüdischen Geschäftssinn'". Die Welt schreibt: "Bislang war Speicher eher durch seine Weltfremdheit und hoch gebildete Harmlosigkeit bekannt. Er besaß nicht den Ruf, im Gewerbe der Niedertracht so beschlagen zu sein, wie es nun zutage tritt", ein Urteil, dem ich indes nur zur Hälfte zustimmen kann.

Ich habe den Mann vor über zwanzig Jahren noch in seiner Zeit als Uni-Dozent kennengelernt. Daß er dort auch nur irgendeine seiner Beschlagenheiten oder Gewerbekenntnisse verborgen gehalten hätte, ist mir nicht erinnerlich. Ein interessanter Werdegang also, man fragt sich, jedenfalls so halb, welche Verbitterung da am Werk sein muß, eine doch ganz ansehnliche journalistische Karriere, auch wenn es mit der akademischen nicht so geklappt hat, mutwillig in den Sand setzen zu wollen. Vielleicht diktierte ihm der Wille zur Vernichtung die Feder, der sich nun aber gegen sich selber richtet.

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Wie der ins Seminar geladene große deutsche Autor eine der kompliziert verstiegenen Theorien des Dozenten mit sanftem Lächeln auf ein common sense-Weltwissen zurückstutzte. Auch dafür danke, Herr Rühmkorf.

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Proustitute, eines meiner Lieblingsblogs derzeit.

MerzBow | von kid37 um 12:11h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link