Dienstag, 1. Oktober 2013


Alles mal so hingeworfen (aber bio!)

Wir lebten in freigelegten Ziegelwänden/
zwischen Medizinbällen aus braunem Leder.
Wir tranken unser Soja noch aus Genen/
hielten Hunde aus dem Bauhauskatalog.

(Don Pascal, "Dein Liebster war ein Hipster")




Bei mir liegt ja alles immer nur so rum. In meinem Kopf, in meinem Zimmer, in meinem Viertel. Plunder und Zeugs, Plastikreste und durchweichte Kaffeefiltertüten, zerbröselte Eierschalen, Dinge, die wir nicht wissen, Dinge, die ich nur ahne, der Rest ist aus Polyester und Acryl. Ein Versagen an Lebensführung, so heißt es. Wie das oft so ist: Der eine verbettelt sich, der andere verbittet es sich.

Wie schöner ist doch der Dreck der Straße in den aufgeweckten Vierteln, wo die schönen Menschen wohnen. Hier wird nachhaltig gemüllt, hier zeigt man was die Tonne hat und leisten will. Hier wird biologisch verklappt, hier riecht Hipstermüll nach Oleander und Jasmin.

Seit ich auf den Lilienweg gelockt wurde, riecht es schwer und dunkel wie ein Mausoleum. Abends sitze ich mit einem Glas Getränk vor den harten Knospen, warte auf den Moment, da sie aufgehen, sich auffächern zur obszönen Größe, die Sinne vernebeln. Tage später dann der langsame Blumentod. Klagendes Altern, ich rede gut zu, tröste, belehre, halte einen aufmunternden Vortrag. Der Erde warst du entrissen, predige ich. Zur Erde wirst du gehen. Was Blüten halt so hören möchten, geht es ans röchelnde Adieu. Blütenstaub rieselt auf die Flächen, schwere Linnen, Gedanken hängen schwer wie ein Frachtflugzeug an herbstlichen Himmeln. Dann der Bescheid, das war wohl nichts, das kommt nicht wieder. Zusammenwringen also das Blumengestrüpp, einen Knoten machen, zum Müll bringen, leere Olivenölflaschen schmücken, vielleicht Kerzen ausbringen aus echtem Wachs. Schön, schön, schön der letzte Genuß.


 


Dienstag, 24. September 2013


Apfelmantie

Es gebe immer weniger Kornkreise, wurde kürzlich im Fernsehen berichtet. Einer der Macher habe mittlerweile heftigen Heuschnupfen entwickelt und mußte sich selbst von dieser schnörkeligen Kommunikationsarbeit freistellen. Herr Buddenbohm andererseits war nun im Alten Land zur Apfelernte und brachte eine pausbäckige Ausbeute mit. Fox Mulder Ich hingegen studiere einmal mehr die kryptopomologischen Handbücher auf der Suche nach den Bedeutungen der runzligen Botschaften höherer Instanzen, die diese mir mit Hilfe süßer Früchtchen wieder einmal untergeschoben haben. (Wir hatten das Thema hier ja schon mal, ich finde aber gerade den Link nicht).

Ich bin sicher, mit diesen Hieroglyphen einen wichtigen Schlüssel in den Händen zu halten. Leider welkt mir die Zeit, diesen zu entziffern, schneller hinweg als ich "Fruchtfliege" buchstabieren kann. "Verloren für die Menschheit für immer", kann ich da nur zitieren, in der einen Hand Äpfel haltend wie ein zweifelnder Dänenprinz, in der anderen den Deckel vom Mülleimer. Vielleicht die Formel für ein wichtiges Medikament. Vielleicht ein Datum für ein wichtiges Weltereignis. Vielleicht auch bloß ein intergalaktischer Einkaufszettel ("Bring Gene von der Erde mit!"). Ich habe überlegt, die beiden Äpfel den Einsamen Schützen vom CCC mitzubringen. Vielleicht gelingt es denen, mit den Früchten den Scanner neuartiger Telefone von Apple zu überlisten.

Bis dahin könnte man Textnachrichten über verschlüsselte Äpfel austauschen. "Ruf mich heute abend mal an!" oder "Ich habe heute nacht ganz herzlich an dich gedacht" oder "Liegt meine Obstkiste noch bei dir?" Dann könnte man ein Blog mit Fotos der schönsten gesammelten Apfelbotschaften eröffnen und im Anschluß eine Buchreihe herausbringen mit den witzigsten davon. Apfelbotschaften von gestern Nacht. Vielleicht gründe ich aber auch eine grüblerische Sekte, lege in kargen Behausungen die Inschriften mit Blattgold aus und binde sie in Bücher aus auf dem Ofen getrockneter Apfelhaut. Im Alten Land feiern wir dann rituelle Feste im Morgen Abendnebel, apfelbäckige Deerns in leichten Gewändern sammeln Früchte in ihren Schürzen, juchzend werfen wir uns Kerngehäuse zu, trinken süßen Saft und warten auf die Ankunft der großen illuminierten Schiffe.


 


Montag, 16. September 2013


Le Herbst

Bekanntlich ist nicht nur Geschlecht, sondern auch die Vorstellung, im Sommer alberne und vor allem den Körper nur unzureichend bedeckende Kleidung tragen zu müssen, bloß ein soziales Konstrukt. Glücklicherweise aber nähern wir uns den Jahreszeiten, da die Natur auch solches richtet.

Regen und ab und an ein bißchen Regen sind für diese Woche vorhergesagt. Das paßt gut, denn da habe ich Urlaub. Ich besitze ja allerlei meist mittelmäßig ausgeprägte Talente, aber tatsächlich fehlen mir unter anderem ein Händchen fürs Heiraten und eins fürs Verreisen. Heiraten ist nun zum Glück anders als zum Beispiel Geschenke einpacken, eine Wand zu streichen oder einen Wasserhan zu reparieren nichts, was allzu häufig von einem gefordert wird. Aber in hübscher oder in diesem Fall auch nicht so hübscher Regelmäßigkeit muß ich mich mit diesem Konzept namens "Urlaub" beschäftigen. Jedes Jahr aufs Neue, denn beide lernen wir nicht.

Was will man machen? Man kann ihn ja nicht mal verschenken, auch wenn es bei diesen Gelegenheiten, zumeist bei Menschen die soeben aus dem eigenen Urlaub zurückgekehrt sind, sehr häufig heißt: "Hast du es gut. Den hätte ich auch gern." Während ich denke, oje, oje, oje. Als wäre ich nicht schon krank genug! Dieses Jahr stand ich sogar um Fingerbreite davor, fühlte mich auch ausgelaugt und herumgezerrt genug für solcherlei frivole Unternehmungen, hatte sozusagen die Reiselektüre schon herausgelegt. Dann aber gab es Ereignisgeschehen und Ausbrennsymptome und schon versprach die Wettervorhersage, komm, ich mach's dir schön wie es der Herbst nur kann. Mal ehrlich, wer will da noch weg?

So sitze ich nun in meinem Zimmer und lese, denn dazu komme ich ja sonst auch nicht. Ich träume von wilden Abenteuern, so wie "einfach die Bettwäsche nicht mehr wechseln und sich ganz jung und unbekümmert fühlen". Jedermann sein eigenes Dschungelcamp! Oder "einfach alle Kreditangebote, die in mein eMail-Postfach trudeln, annehmen und eine Yacht kaufen!" Oder, ganz verrückt, "auf der Fernbedienung mal ganz bis nach hinten zappen!" Könnte ich alles machen.

Stattdessen komme ich erstmal Stufe für Stufe herunter, schalte nach und nach alles ab, vor allem die summenden Transformatoren in mir, stelle überall in der Wohnung Zettel auf mit "Ruhe!" und "Pst!" und tausche im Bad die Mischbatterie aus. Das hat vierzig Minuten gedauert und war eine große Befriedigung. Alles selbst geschraubt und das in einer Zeit, in der ich die alte nicht so glänzend geschrubbt bekommen hätte. Ich entdecke Talente.


 


Sonntag, 8. September 2013


Niesel, Leere, Perfektion


 


Dienstag, 3. September 2013


So You Wanna Be A Meme-Star



In meinem neuen Tumblr-Blog Dinge, die auf Dinge geworfen wurden sammle ich Fotos von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden. Das können Gegenstände sein wie Bierflaschen oder Zigarettenschachteln, die von Fußgängerbrücken auf Vordächer geworfen wurden. Oder Münzen und Kleingegenstände, die von Kais auf Duckdalben landen. Was es halt so gibt. Die Sache fängt wie die meisten klein an. Erst mache ich hier und da ein Foto, bei denen es heißt "Wieso fotografierst du denn das?" oder auch "Was soll das sein?". Dann liegen die so rum, bilden Stapel und bald ist es eine SAMMLUNG. Bald gibt es in Hamburg, weil die Hamburger sich freuen, daß es auch mal was in Hamburg gibt, ein gewisses Raunen, unter den im Internet veröffentlichten Bildern von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden erscheinen witzige Unterschriften, Szene Hamburg berichtet, bald auch das Abendblatt.

Dann muß ich nach Berlin, Hauptstadt in vielem, vor allem auch in Dingen, die auf Dinge geworfen wurden, manche sagen sogar, janz Berlin is een Ding, das auf was anderes geworfen wurde. Ich muß aber aufpassen und schon deshalb dahin, damit nicht ein kreativer Schwabe Berliner auf die Idee kommt, diese Idee mit einer .com-Adresse und vielen Hipster-Werbebannern ins Netz zu stellen, damit auch Monopol und Art und schließlich derdiedas tip und schließlich Kulturzeit darüber berichten. So aber werde ich selbst mit dieser Idee bekannt, Tyler Sonderzeichen-Brûlée schenkt wohlwollende Aufmerksamkeit, die SZ-Online macht eine lange Klickstrecke mit vielen Bildern, Iris Radisch schreibt einen Verriss in der Zeit ("Quatsch, der mit Quatsch gemacht wird"), Felicitas von Lovenberg dagegen einen amüsierten Artikel in der FAZ. Dadurch werden auch Spon und Stern-Online aufmerksam, ein Spiegel-Redakteur veröffentlicht schnell ein Fotobuch mit derselben Idee, setzt sich damit aber nur auf dem Mitbringselmarkt der Bahnhofsbuchhandlungen durch.

Ich hingegen fliege nach New York (das ist eine Stadt in den USA), um dort zu fotografieren, denn, wie heißt es so schön, wer in New York Dinge, die auf Dinge geworfen wurden fotografieren kann, der kann überall Dinge, die auf Dinge geworfen wurden fotografieren. Das schlägt tatsächlich ein. Man nennt mich den neuen The Selby oder auch den Satorialist für Dinge, die auf Dinge geworfen wurden. Promis, auch aus Berlin, mailen mich an, um ihre von Dingen beworfenen Vordächer von mir fotografieren zu lassen. Der Rizzoli-Verlag wird aufmerksam und möchte einen Bildband herausgeben, allerdings meldet sich zeitgleich auch ein gewisser Benedikt Taschen, der bemerkt hat, daß Internet-Phänomene bislang an ihm und seinem Verlag vorbeigegangen sind.

Um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren, mache ich in Hamburg und kleineren Städten im Ruhrgebiet, wo seit Jahren schon Dinge, auf Dinge geworfen werden und auch liegenbleiben, launige Unterhaltungsabende in Pinten und anderen Szene-Lokalitäten, bei denen ich Dias von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden an die Wand projiziere und mit lustigen Ankedoten und Erlebnissen garniere. Mittlerweile zeigen sich im ganzen Land plötzlich Menschen Fotos von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden und treffen sich zu geselligen Abenden unter dem Motto Zeigst du mir deins, zeig ich dir meins.

Fast hätte ich vor lauter Trubel einen Anruf aus Italien verpaßt. Der Panini-Verlag ist in der Leitung, man möchte einen Sammelband herausbringen mit Klebebildchen von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden. [aufgew.]


 


Montag, 5. August 2013


Raushaus



Abends lassen sich hier am Fenster vom Leuchtturm dickleibige Spinnen von der Dachtraufe herab. Weben in nullkommanix diagonal verankerte Netze aus, schaukeln in der Abendbrise. Warten.

Warten mußte ich am Sonntag nicht. Zeit fiel mir unverhofft in den Schoß, rasch also aufs Rad und diesmal ein paar andere Haken schlagen, die Hausstrecke kann ich ja schon im Schlaf. Pause am Segelflugplatz, kurze Rast auf der Rentnerbank, zusehen, wie die Gleiter hochgezogen werden, wie sich knapp vor dem Ende des Geländes der Haken des Zugseils löst, an einem kleinen Fallschirm zu Boden geht, während das Flugzeug, von der Leine befreit, durchsackt, sich fängt, die Thermik erwischt und losfliegt... wahrscheinlich ins Metaphernland. Dergestalt nämlich kann man herumdenken, Parallelen für sich und das weitere Leben suchen, denn überhaupt müssen bald mal ein paar Fragen gestellt und dann, leider, leider, auch beantwortet werden.

Vorher aber über die Deichstraße zurück, vorbei an den kleinen Bauernherrenhäusern, wo steinerne Löwen vor dem Eingang wachen oder antikisierte Säulen verdecken, daß es sich um eine umgebaute Scheune handelt. Weitere Schlenker durch die industrialisierte Zone, die Müllverbrennung brütet in der Sonne, das Ticken im Lager, das seit ein, zwei Wochen meine Fahrt begleitet, gibt den Takt, sonst nur Surren der Reifen.

Daheim dann die letzten Erdbeeren des Sommers, am Vortag erstanden und dabei einen entspannten Schnack mit dem Verkäufer in seinem kleinen Glantz-Häuschen gehalten. Wie auf dem Dorf, dabei war es der Supermarktplarkplatz in der Nähe vom Haus. Wir tun so als ob, also als ob es ein Dorf wäre, die Erdbeeren aber waren wirklich frisch. Ausruhen im Liegestuhl, Bücherblättern, die Pläne fürs neue Haus studieren. Das kann so schwer nicht sein, hier hat das einer aus Lego nachgebaut.

Es ist ja nun so: Mein, nennen wir es mal, Sammlungsgebäude könnte ähnlich den Mitmenschen, die für ihr Gewicht zu klein geraten sind, eine neue Außenhülle vertragen. Eine Zufluchtsstätte für die Letzten. Die letzten Bücher, die letzten Schallplatten, die letzten Erdbeeren des Sommers meinetwegen auch. Henry Chapman Mercer (1856 - 1930) hat mit seinem gemütlichen Haus (hier ein kurzer Film) vorgemacht, wie das aussehen könnte. Vielleicht, so mein versteckter Gedanke, braucht man gar kein Geld dafür. Das hat man ja nie. Weder mit 37 noch mit 73. Nur die Idee. Hausbau als Schattenboxen, bevor es Winter wird. Danach dann ungewöhnliche Berufe haben. Als Fliesengestalter leben. Oder Radieschenzähler.


 


Montag, 22. Juli 2013


Hausmannskost



Auch im hermetischen Café ist nicht alle Tage nur Schoppenhauer. Hinter jedem Blogger steht immer auch ein Mensch, der ab und an im Haushalt zu tun hat. Oder mit dem Haushalt. Es verhielt sich nämlich so, daß von jetzt auf gleich die Lady, die hier immer das Geschirr spült, nicht mehr spülen wollte. Sie zickte so rum, gab wimmernde Geräusche von sich, daß man halt gleich wußte, aha, die Lady, die hat eine Laune, dagegen kommt man jetzt nicht an.

Das ging so ein paar Tage und ich brachte schließlich eine jüngere ins Spiel. Schicke Frontblende, zeigte ich ihr so im Prospekt, eine glänzende Fassade und moderne Programme, die kennt meine Lady gar nicht. Wie das so ist, wenn man schon etwas reifer ist und quasi aus anderen Zeiten stammt. Also auch vom Denken her.

In all diesen Tagen stapelte sich Geschirr, aber nichts passierte. Gut, dachte ich - die meisten werden mir zustimmen - so ist es dann eben, wenn man es richtig gemacht haben will, muß man es selber machen. Und spülte halt mit der Hand. Das wiederum gefiel der Lady aber auch nicht, und bei einem letzten Test ("Willst du vielleicht doch?") zog sie plötzlich brav Wasser und begann ein munteres Spülprogramm - also das einzige, das sie so kennt. Mir genügt das aber, wir sind da wie ein altes, eingespieltes Paar.

Ich will jetzt trotzdem eine Jüngere.

Lebendige Tiere suchen mich heim, das ist verdächtig. Eine prächtige Libelle, von mir mißtrauisch beäugt, verirrte sich in den zum abendlichen Lüften geöffneten Leuchtturm, wurde kurz erkennungsdienstlich behandelt und im Internet ausgestellt, danach aber in die Freiheit entlassen. Oder was sie dafür hält, denn auch hinter den Mauern der Libellen lauern bloß weitere Mauern.

Auch der treuherzigste Imker indes kennt das Problem der Wandervölker: Man tut und macht, und doch sind sie auf einmal weg, die Bienen. Nicht aber die kessen Wespen, für die ich offenbar eine gewisse Attraktion darstelle. Zuletzt bereits schienen sie mir etwas sehr aufdringlich, nun aber lungerten sie wieder vor meinem Schlafzimmerfenster herum (also, ich schlafe ja nicht, aber um zwischendurch kurz mal meditieren zu können, habe ich einen Raum mit einer schmalen Pritsche und einer Waschschüssel mit aufgedrucktem Zwiebelmuster).

Engtaillierte, betriebsame Damen in Ringelklamotten huschten vor dem Fenster herum, taten ganz unschuldig, ich aber kenne das schon. Nachher nagen sie sich nur wieder ins Innere, war ich aus Erfahrung überzeugt, und dann wird mir das rasch wieder zuviel. Auch ein Internetkünstler braucht schließlich einmal Pausen vor aufdringlichen Fans. Ich lasse mich da jetzt immer von meiner Security abschirmen, ein netter, ruhiger junger Mann in weißem Poncho und lustigem Hut mit Netz vor dem Gesicht. Psychologisch geschult, denn ich hasse Gewalt. Der hat mich aus dem Zimmer sozusagen backstage geschickt und das dann alles geregelt. Ich hoffe, er hat jeder noch ein schönes Autogrammfoto von mir mitgegeben. Weil ich finde, seine Fans sollte man schon gut behandeln, das ist eine professionelle Pflicht. Und mir natürlich ein Vergnügen.

Am Rad ließen sich die Pedale nicht wechseln, und ich stellte fest, daß ich noch nicht einmal WD40 im Haus habe. Zum Glück funktionierte es dann mit Waffenöl, das hat man ja immer parat. Kurz einwirken lassen, dann ließen sich die alten abschrauben. Reine Aufhübschung, ohne tieferen Sinn, aber der Fuß fährt ja bekanntlich mit und der soll es auch schön haben.

Zum Abschluß der Woche Grillen auf fremden Balkons, die drei Geschichten, die ich im Leben erlebt habe, noch mal erzählt, dann heim und die Positionslichter gelöscht. Viel Betrieb hier auf dem Kanal in letzter Zeit. Ich komme gar nicht mehr mit.


 


Montag, 17. Juni 2013


Versorgungslage im Stadt-Hin-und-her



Begebenheiten spielen sich ab oder gar nicht. Bauruhe zum Beispiel gegenüber. Seit bald vier Wochen sind Kräne und Maschinen, Mensch und Material abgezogen, Enten sitzen auf den Sandhaufen, harmlose Bodenbrüter erobern das Gelände, auf dem ein Afrikakorps Manöver halten könnte. Gerüchteweise ist die Umweltbehörde eingeschritten, die Yuppisierung hier im Viertel ist kurzzeitig in der Etappe steckengeblieben.

Gelegenheit, den James-Stewart-artigen Beobachtungsposten am Fenster zu verlassen und hinaus in die Welt zu humpeln. Also in einen anderen Stadtteil. Nachdem Besuch mich mit gutem Brot (Das gute Brot!) aus der weiteren Heimat (Hier haben wir ja nüscht!) versorgt haben (Tränen der Rührung usw.), galt es, das Versorgungsangebot im Windschatten der Altonale zu testen.

Dort ernährt man sich bekanntlich auschließlich biogentrifiziert und so gab es Balkonfleisch und Spiegeleimarmelade, schön medium und weitgehend schadstoffarm. Ein Strand wie Bio de Janeiro, ich lasse mich ja gerne überzeugen. Der Akazienhonig allerdings machte mich alten Theorieimker stutzig. Nun lasse ich mir von kessen Bienen gerne viel erzählen, aber daß sie acht Beine besitzen wollen, bin selbst ich nicht naiv genug zu glauben. Die Imkerlyrik auf dem Etikett auch herzallerliebst. Natürlich könne man nicht garantieren, so heißt es dort, daß die Bienen nicht ausschließlich ökologisch bewirtschaftete Flächen ansteuern. Das wiederum glaube ich sofort. Wo die überall hinsteuern, paßt man einmal nicht auf... nun, wer wüßte das besser als ich. Aber, so fährt die einlullende Saga fort, der biologisch geschulte Imker verabreitet das alles nach Vorschriften von... usw.

Also nach Vorschriften, nach denen auch alle anderen deutschen Imker verfahren: der Honig wird kalt geschleudert, wird nicht mit anderem Honig vermischt und bleibt von Zusätzen verschont. Alles andere sind Honigprodukte mit Chili und Korn, Beimischungen aus Nicht-EU-Ländern und was es alles gibt.

Andererseits sind diese arachniden Bienen vielleicht etwas ganz besonderes. Oder aber es handelt sich um Bienen, die sich in Netzen verfingen und von Spinnen gemolken wurden, die dann wiederum von einem besonders geschulten Imker... usw.

Heute im Bus auch großes Gesummse. Es handelt sich um eine weitere Begebenheit. Der Bus war gefüllt mit mitteljungen Menschen auf dem Weg zum Großkonzert einer bekannten britischen Elektropopband mit düsterem Einschlag. Ich nenne jetzt aber den Namen nicht. Fans haben früher regelmäßig Tanz-wie-der-Sänger-Wettbewerbe ausgetragen, von denen aber waren keine im Bus. Die im Bus sahen ein bißchen so aus als wollten sie zu Bon Jovi oder den Dire Straits oder einer ähnlich gut abgehangenen Gepflegtrockveranstaltung.

In meiner Nähe ein Pärchen, der Typ Typ Maschinenbauer, jedenfalls trug er ein kariertes Hemd, also muß es ein Maschinenbauer gewesen sein. (Gegenanzeigen bitte in den Kommentaren.) Nun sind auch Maschinenbauer dufte Leute, unter meinen Leser sind die tollsten von ihnen, und es muß ja auch Menschen geben, die diese ganzen Maschinen konstruieren und bauen. In diesem Fall aber handelte es sich wohl um einen vom Leben zerfressenes Exemplar Karierthemdtrager. Seine Freundin (ja, es gibt Maschinenbauer, die haben Freundinnen, manche sind sogar mit ihnen verheiratet usw.) blieb weitestgehend stumm, während er ohne Punkt und Beistrich ätzte und hämte, daß es ein Frust war.

Irgendein Bekannter, er wolle ja nichts sagen , aber warum ausgerechnet der immer Hilfe bei Renovierungen bekäme. (Man ahnt, Mister Karierthemd ist nicht sooo beliebt in seinem Bekanntenkreis usw.) Und dann dieser Wahlkandidat auf dem Politikerplakat an der Haltestelle. Der hätte keine Ausbildung zu Ende gebracht, nichts geschafft im Leben und wolle jetzt in den Bundestag. Na, seine karierte Stimme bekäme der nicht. Und so ging es fort in einem endlosen Bewußtseinsstrom der Nörgelei als befände man sich in einem dieser Empörungsblogs. An einer Haltestelle dann fuhr ihm ein anderer Fahrgast beim Aussteigen mit dem Rollkoffer über den Fuß. Eine dieser Ungeschicklichkeiten im öffentlichen Personennahverkehr, wie sie immer wieder vorkommen und bei denen man im Stillen denkt du Trottel, paß doch auf usw. Der Karierte aber brüllte durch den Bus: "Trottel! Paß doch auf!" - so als hätte man ihm beim Tanzwettbewerb um die größte Ähnlichkeit mit dem Sänger einer berühmten britischen Elektropopband mit düsterem Einschlag, deren Namen ich aber nicht nenne, als Personal Jesus ans Kreuz geschlagen.

Was für eine stimmungstötende, naturunzufriedene Person, dachte ich. Wäre ich seine Freundin gewesen, ich hätte ihn sofort verlassen. "Du gehst mir total auf die Nerven", hätte ich gesagt. "Und ich glaube, du bist überhaupt gar kein Maschinenbauer", hätte ich nachgesetzt und mich davongemacht wie eine Biene auf acht Beinen. Sie aber blieb stumm, wahrscheinlich nämlich bewahrte er die Karten für die britische Elektropopband mit düsterem Einschlag in seiner karierten Brusttasche. So sah der aus.

Das ist, was heute passiert ist. Auch viel Menschliches war dabei.


 


Montag, 27. Mai 2013


Plop, plop, plop

Ist der Mai bloß kalt und nass,
bleibt gewiss der Sommer blass.

(Bauernregel, alte)

Ab der 89. Minute wurde es sehr still im Stadtteil. Hier wohnen gute Menschen, zuvor bereits, beim 1:0, war nur ein einzelnes klägliches Böllerchen zu hören, das aber in vielen (gedachten) "Schnauze, ihr Gentrifizierer, hier ist nicht die Säbener Straße!" oder auch "Knallt doch wo ihr wohnt" unterging. Seither also nur noch Regen, den ganzen Sonntag lang. Ein echtes Pladdern und Plästern, das man ja sonst in diesen windurchwehten Landstrichen gar nicht kennt.

Man muß jetzt einfach tapfer sein und darf den Glauben nicht verlieren. Mund abwischen, wie es beim Kaiser heißt, und weitermachen. Die Wahrheit ist eben nicht nur auf dem Platz oder als Medaille außen angeheftet, sondern in dir drin.

Man trägt wieder Schirm, betrachtet den Flug schutzsuchender Insekten, denkt sich seinen Teil, stopft die Socken.


 


Montag, 20. Mai 2013


Kleinigkeiten



Auf einem meiner T-Shirts steht "Ich leg die Servietten gerade hin". Also, sofern ich welche habe und nicht wieder wie so häufig auf Küchenkrepp ausweichen muß. Auch das muß man nicht achtlos auf den Tisch feuern, sondern kann dem, wie anderen Dingen auch, ein wenig Freude und Aufmerksamkeit schenken. Denn die Dinge schenken auch zurück. Ihr So-sein, ihre Dauerhaftigkeit (vorausgesetzt, es handelt sich um richtige Dinge und nicht um irgendeine Art von Plastiktinnef), Wärme und, ja, auch Humor. Humor ist sowieso das wichtigste. Oder Augenklimpern. Wenn die Dinge mal nicht so wollen.

Andere hält man einfach vorrätig. Servietten selbstverständlich. Für die Radfahrer beispielsweise halte ich diesen Rotwein vor, gekeltert am Ende einer aufreibenden Bergetappe aus dem blutigen Schweiß tapferer Helden. Den muß man durch die Blume atmen, worin sich sonst nur Worte verirren.

Oder verzerrte Basstöne. Dumpfes Grummeln für einen plötzlich schräggestellten Stimmungshorizont. Halte ich auch vorrätig. Wer weiß, was kommt. Die Telefonnummer meines Abgeordneten. Und frisches Brot.