Raushaus



Abends lassen sich hier am Fenster vom Leuchtturm dickleibige Spinnen von der Dachtraufe herab. Weben in nullkommanix diagonal verankerte Netze aus, schaukeln in der Abendbrise. Warten.

Warten mußte ich am Sonntag nicht. Zeit fiel mir unverhofft in den Schoß, rasch also aufs Rad und diesmal ein paar andere Haken schlagen, die Hausstrecke kann ich ja schon im Schlaf. Pause am Segelflugplatz, kurze Rast auf der Rentnerbank, zusehen, wie die Gleiter hochgezogen werden, wie sich knapp vor dem Ende des Geländes der Haken des Zugseils löst, an einem kleinen Fallschirm zu Boden geht, während das Flugzeug, von der Leine befreit, durchsackt, sich fängt, die Thermik erwischt und losfliegt... wahrscheinlich ins Metaphernland. Dergestalt nämlich kann man herumdenken, Parallelen für sich und das weitere Leben suchen, denn überhaupt müssen bald mal ein paar Fragen gestellt und dann, leider, leider, auch beantwortet werden.

Vorher aber über die Deichstraße zurück, vorbei an den kleinen Bauernherrenhäusern, wo steinerne Löwen vor dem Eingang wachen oder antikisierte Säulen verdecken, daß es sich um eine umgebaute Scheune handelt. Weitere Schlenker durch die industrialisierte Zone, die Müllverbrennung brütet in der Sonne, das Ticken im Lager, das seit ein, zwei Wochen meine Fahrt begleitet, gibt den Takt, sonst nur Surren der Reifen.

Daheim dann die letzten Erdbeeren des Sommers, am Vortag erstanden und dabei einen entspannten Schnack mit dem Verkäufer in seinem kleinen Glantz-Häuschen gehalten. Wie auf dem Dorf, dabei war es der Supermarktplarkplatz in der Nähe vom Haus. Wir tun so als ob, also als ob es ein Dorf wäre, die Erdbeeren aber waren wirklich frisch. Ausruhen im Liegestuhl, Bücherblättern, die Pläne fürs neue Haus studieren. Das kann so schwer nicht sein, hier hat das einer aus Lego nachgebaut.

Es ist ja nun so: Mein, nennen wir es mal, Sammlungsgebäude könnte ähnlich den Mitmenschen, die für ihr Gewicht zu klein geraten sind, eine neue Außenhülle vertragen. Eine Zufluchtsstätte für die Letzten. Die letzten Bücher, die letzten Schallplatten, die letzten Erdbeeren des Sommers meinetwegen auch. Henry Chapman Mercer (1856 - 1930) hat mit seinem gemütlichen Haus (hier ein kurzer Film) vorgemacht, wie das aussehen könnte. Vielleicht, so mein versteckter Gedanke, braucht man gar kein Geld dafür. Das hat man ja nie. Weder mit 37 noch mit 73. Nur die Idee. Hausbau als Schattenboxen, bevor es Winter wird. Danach dann ungewöhnliche Berufe haben. Als Fliesengestalter leben. Oder Radieschenzähler.

Homestory | 22:23h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
montez - Dienstag, 6. August 2013, 18:54
Aaaaaaaahhhhhhh. Verschwunden. Was hatte ich da nur geschwafelt?
Jedenfalls eine gute Idee, ein Haus zu schattenboxen.

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kid37 - Dienstag, 6. August 2013, 22:04
Endlich Platz für alle Dinge. Und im Sommer sicher schön kühl. Jetzt braucht man das ja nicht mehr. Aber vielleicht wird es ja noch mal Sommer. Dann ist es kühl. Und es gibt Platz. Ein eigenes Zimmer für Tand! "We can have one room for our coats and one room to keep cats in." (John Lennon). Andere Blogger bauen sich extra einen alte Scheune neben ihr Haus, um dort im Winter Bogenschießen zu üben oder Fahrräder zu horten. Da will ich nicht zurückstehen. Man darf nicht klein denken!

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kreuzbube - Mittwoch, 7. August 2013, 14:11
Bogenschießen geht auch im Sommer, auf abgeernteten Feldern, vor deren Strohballenstapel man die Scheibe hinstellt, denn wie wir wissen "im Leben, im Leben geht so mancher Schuss daneben" und so ein Pfeil ist schnell auf Nimmerwiedersehen verschwunden.

Klein denken darf man aber auch dabei nicht. So ein paar Quadratkilometer Platz sollten es schon sein, damit man nicht versehentlich Mitmenschen beim Picknick am Wegesrand erschießt. In der Scheune hingegen, da könnte man auf den Marder...

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kid37 - Mittwoch, 7. August 2013, 16:46
...und anschließend einer befreundeten Taxidermistin zuführen. (Neulich für mich festgestellt: die "wissenschaftlichen" Präparatoren sind nach meiner persönlichen Schätzung fast alle Männer, die künstlerisch tätigen aber fast alle Frauen. Aber das nur nebenbei.)

Freiland ist ein Mangel in der Stadt, dafür gibt eshier lauschige Picknickplätze, wo einem theoretisch ein Segelflieger im Salat landen könnte. Hätte man aber was zu erzählen hinterher, und das ist ja meist die Hauptsache.

Frau Montetz, Ihnen würde ich sogar ein eigenes Raucherinnenzimmer einrichten.

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kreuzbube - Donnerstag, 8. August 2013, 11:21
Ich denke daran, mich selbst dereinst ausstopfen zu lassen und mein Bloggerdasein so über die Jahrhunderte hinweg auszudehnen. Mittels einer live-cam können die Menschen späterer Zeitalter zuschauen, wie ich erst noch ganz lebensecht dastehe oder vielleicht auf dem Rad sitze, dann jedoch langsam aber sicher die Motten ihr Werk verrichten.

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montez - Donnerstag, 8. August 2013, 11:34
Ich fühle mich sehr geehrt! Meine abendliche Raucherei ist auch wirklich moderat, so das man sie auch gut nach draussen verlagern kann. Allerdings so ein kleines Kaminzimmer für den Winter, das wär' schon was.

Eine Mottenwebcam fände ich sehr aufregend.

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cabman - Dienstag, 6. August 2013, 22:20
Zum Thema Hausbau jetze, kurze Frage: Sind Häuser im Garten, die daher auch ihren Namen haben, im weitesten Sinne auch geeigneter Schattenboxenersatz? Wenn ja würde ich gern bildreich berichten, sofern das Kind es zulässt....

Neulich, was gar nicht stimmt, da es breits im Mai war, also vorvorvorneulich, musste ich an Sie denken, denn ich habe ein wahnsinnig irre Geschäftsidee gehabt, für Sie und mich:

The Kid`n Cab Curiosity Show. Näheres dazu später, sofern, Sie haben es erraten, das Kind es zulässt, im Cove.

Bis dahin, mein Lieber, schön dass hier alles so ist, wie ich es erwartet habe. Sehr schön(!) und nun, da in Bälde des Herbstes Antlitz uns milde stimmt und wir freudig den regenreichen grauen Tagen entgegenschwitzen, wollte ich den Kuchen erinnern und nochmal ein recht formidables Rezept zum Zwecke der Lockung anbieten. Echt. ;-) Es kommen Äpfel drin vor und wie ich heute las, sollten wir uns beeilen, denn die Preise, Herr Kid, Sie haben es erraten, die sollen steigen, wegen all des Wetters, das wir bisher hatten; so günstig bekommen wir das nie wieder. Sagt man.

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maphisti - Mittwoch, 7. August 2013, 04:06
Also, ich würde Sie ja auch gern einladen wollen, hätt' ich so ein barockes Wasserschlösschen mit Türmchen drauf, ein Bächlein (Graben!) drum rum, einen sprudelnden Springbrunnen im Atrium, viele bunte Majolika-Fliesen an den Wänden und zarte Vorhänge vor den hohen Fenstern! Speisen würden im grünen Gewölbe gereicht oder im Spiegelsaal. - Von den anderen Gemächern ganz zu schweigen!

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kid37 - Mittwoch, 7. August 2013, 16:40
Oh, toll. Kuchen. Das Zauberwort. Bei Ihnen ist das ja immer so. Wo andere reden und zaudern noch mehr reden, machen sie einfach zackzack in Sachen Heirat, Heimat, Hosenmätze. Herr Kristof ist auch so einer, und ein wenig glaube ich, daß wird auch deshalb getan, um mich zu beschämen und heimlich in extra dazu in Gärten errichteten Nebengebäuden über mich zu kichern.

Wir klären das, und ich klopfe auch gerne alle Gartenhäuser und Geschäftsideen fachmännisch ab.

Ein Wasserschloß, Frau M., wäre wirklich famos. Da kann man auch neckische Zugbrückenspiele spielen. Rauf, runter, rauf... hab's gleich, Moment, ein bißchen noch, ach, jetzt geht sie wieder hoch. Wie bei Mr. Hulots modernem Bruder und dem Fischbrunnen im Garten.

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ana - Mittwoch, 7. August 2013, 12:30
Der nur 1.50m große Simon Rodia hat ohne Geld und mit eigenen Händen seinen Architekturtraum verwirklicht. Er hat die riesigen Watts Towers aus Bauschutt mit einfachsten Werkzeugen alleine errichtet. Fast 37 Jahre hat er in seiner Freizeit daran gearbeitet. Klick Am Ende des Films sagt er: "I had it in my mind to do something big and I did it."

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kid37 - Mittwoch, 7. August 2013, 16:42
Das ist wirklich beeindruckend. Ich kannte das gar nicht. 37 Jahre. Das hat sehr viel Ähnlichkeit mit der Arbeit hier. Wenn ich nach 37 Jahren ausgebloggt habe, könnte man alles ausdrucken und zu einem großen Merzkunst-Turm zusammenkleben. Ich sollte doch mal mit den netten Leuten aus Marbach reden, vielleicht können die das dann später koordinieren. #letzterwille

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bestpilot - Freitag, 9. August 2013, 00:25
Vom Seil befreit geht die Suche nach Aufwind los. Kann ein hartes Geschäft sein, manchmal geht es auch sehr fix und schön trägt es nach ganz oben. Dann wird die Landschaft gescannt, mit allen Sinnen, es soll ja weitergehen. Mit Glück fügt sich eines zum anderen, die Wolken zeigen den Weg. Die Aussicht unschlagbar. Bleibt der Lift aus verliert sich die Höhe. Zeit zu schauen wo man die Aussenladung hinlegt. Das schlimmste wäre in Panik zu geraten.

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kid37 - Freitag, 9. August 2013, 21:41
"Außenlandung". Der Begriff kam mir neulich erstmal beim Thema Wo ist beim Segelflieger eigentlich die Bordtoilette? unter. Da gibt es ja sehr interessante Lösungen, bis hin zu den Mahnungen Urin- und andere Beutel nicht den Zuschauern unten auf den Kopf zu werfen. Es ist wohl wie so oft im Leben: Handtuch dabeihaben und Don't panic! Danke für die fachmännischen Hinweise.

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bestpilot - Donnerstag, 22. August 2013, 00:18
Nur ein kleiner Blick ins Metaphernland. Die schlimmste Toilettenlösung von der ich gehört habe war eine verlängerte Kondomvariante, die als Schlauch durch die Bordwand nach außen ging. Der Schlauch soll sich bei der Landung um das Hauptrad gewickelt haben ...

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