Donnerstag, 23. Februar 2006
Das Pling der Rundmail
Langsam wandert das Echo
durch den Büroflur

Freitag, 17. Februar 2006
Wenn sie solche Reden führt, frage ich mich, ob wir nicht eine besonders privilegierte und verwöhnte Generation sind. Aufgewachsen zwischen den Entbehrungen der Nachkriegszeit und den Grausamkeiten der achtziger Jahre, sind wir Kinder unschuldigen Konsums und Erben jener Freiheiten, die die rebellierende Generation vor uns in den sechziger Jahren erstritten hatte. Wir kamen in den Genuß einer freien, vorzüglichen und doch irgendwie trödelnden Ausbildung, lebten dann die nächsten fünf Jahre von der Stütze, um unseren selbstgerechten politischen Überzeugungen hinterherzujagen, und begannen schließlich, in der Medienwirtschaft zu arbeiten und viel Geld zu verdienen. Weder Moral noch Religion hemmten uns sonderlich. Musik, Tanz, Ficken bis zur Besinnunglosigkeit, das waren unsere Götzen. Wir brüsteten uns, die freiesten Menschen aller Zeiten zu sein.
(Hanif Kureishi. Intimacy. 1998.)

Montag, 13. Februar 2006
Nur weil wir gerade von der ganz wunderbaren Elizabeth McGrath reden: Pulstreibende Freude im kleinen spinnwebverhangenen Haus, letzte Woche traf endlich ihr im Dezember erschienenes Buch ein. Everything That Creeps ist entzückend aufgemacht (allein der Vignetten-Ausschnitt im Deckel und die Goldprägung!) und gibt einen augenerweiternden Überblick über ihr bisheriges künstlerisches Schaffen: Puppen, Dioramen und Schauerkabinette.
Liz McGrath wird von ihrer Freundin und Kollegin Helen Garber wirklich charmant skizziert: Liz is almost legendary in the underground art scene: this absolutely beautiful woman who creates amazing art pieces, drinks like a sailor, fronted both the visceral punk rock band "Tongue" and her current project with her fiancé [Wer ist der Kerl? Ich fordere ihn sofort heraus...], writer Morgan Slade, "Miss Derringer".
Miss Derringer kann man hier bestaunen - der Name erinnert mich übrigens daran, daß eine gute Freundin ihr Blog "Frau Glock" nennen wollte. Schon das zeugt vom guten Geschmack beider Personen. Die Band jedenfalls ist großartig, die lasse ich auf meinem 38. Geburtstag spielen.
Im Buch signalisieren Kapitelüberschriften wie "Villains and Vermin of Dubious Nature": Hier ist der kleine Ausgestoßene in uns zu Hause. Ein Varieté beladener Gestalten, Insektoiden und Menschen wie du und ich - nur anders! Man kann gar nicht soviel Platz in die Regale bringen, wie man diesen Gefährten des Trübsinns Asyl schaffen möchte.
(Elizabeth McGrath. Everything That Creeps. Last Gasp, 2005.)

Freitag, 10. Februar 2006
Jedesmal machte es ihm weniger Kummer, diese Küsse verloren zu haben und diese endlosen Stunden und diese Düfte, die ihm einst Entzücken gewesen. Daß er weniger litt, machte ihn leiden, und dann verschwand selbst dieses Leiden. Und dann waren alle Leiden fort, die Freuden mußte er nicht vertreiben, denn sie waren lange schon, ohne ihr Haupt zu wenden, auf geflügelten Sohlen entflohen, blühende Zweige in der Hand; sie waren von dieser Behausung gegangen, die nicht mehr jung genug war für sie. Und dann starb er wie alle Menschen.
(Marcel Proust, "Tage der Freuden". 1896.)

Sonntag, 5. Februar 2006
Gerade gefunden in einer alten Ausgabe (1955) von Marcel Proust, Tage der Freuden, die ich offensichtlich 1984 antiquarisch erwarb - und noch offensichtlicher nie gelesen habe.
Dieser kleine, mittlerweile vergilbte, nichtsdestotrotz lockende Werbezettel markierte das Kapitel XVIII: Gestade des Vergessens, dessen erster Satz lautet: "Man sagt, der Tod verschöne seine Opfer, er hebe ihre Tugenden ins Licht, aber oft ist es nur das Leben, das sie in den Schatten gestellt hat."
Wenig nur scheint mir die südamerikanische Extase, die in dieser modernen Tanzgaststätte geboten wird, zu den Worten Prousts voll "Schwermut und Trauer" zu passen (wohl ein Grund, weshalb ich mir das schmale Bändchen kaufte).
Denn wenn in den herrlichen Räumen im Casino Bad Harzburg Deutschlands Jazz-Geiger Nr. 1 aufspielt und zu deutschen und chinesischen Speisen (1955, sieh an!) gute Unterhaltung bietet - wo bleibt da noch Platz für Schwermut?
Mein Vater hatte recht.

Donnerstag, 26. Januar 2006
Es gibt Leute, welche die Technik so ziemlich für jedes Übel in unserer Zeit verantwortlich machen. Sie würden sicherlich nichts dagegen haben, die Geschichte der Technik mit dem bekannten Motto vom "Fluch der bösen Tat" zu überschreiben. Tatsächlich ruft nahezu jeder technische Fortschritt nach einem neuen, wenn man ihn gebührend ausnutzen will.
(Hanns Günther. Im Reiche Röntgens. Stuttgart, 1930.)

Freitag, 20. Januar 2006
Damit es nicht heißt, Radio, Radio - und wo bleibt der Kulturbeitrag?
Alfred Döblin als Radiobastler, bitteschön.

Mittwoch, 21. Dezember 2005
Eines Tages, als sie noch ganz von Liebe erfüllt nach Hause zurückkam, fand sie ihren Mann an der Decke aufgehängt. Sie stieß einen kurzen, aber so wilden Schrei aus, daß die dünne Schale ihrer Vernunft für immer zerbrach.
(Philippe Paringaux, Jacques Loustal. Die Farbe des Traums. 1994.)

Montag, 19. Dezember 2005
Skrizzel, skrizzel: Der Schweizer Comic-Künstler Thomas Ott macht seit Jahren anrührend morbide kleine Geschichten in Schabkarton-Technik, eine grafisch ähnlich strenge Angelegenheit wie Linol- oder Holzschnitte. Sein letztes Buch, Panoptikum erzählt makabre Tragödien und wundersame Begebenheiten wie die über den Mexican Wrestler, der gegen den Tod kämpft, ihn besiegt und doch verliert.
Streng, wortlos und ungeheuer beredt (Blogs sollten so sein, denkt man) und über allem: ein ungeheures Schwarz. Thomas Ott ist der diesjährige Preisträger des Jahresstipendiats seiner Heimatstadt Zürich und beweist: Mit Titeln wie "t.o.t.t.", "Dead End", "Hellville" und "Tales of Error" irrt man selten.
Wer also noch schnell ein finster-melancholisches Weihnachtsgeschenk sucht für Menschen, die dem Gezickten und Gezackten nahestehen: nur zu.
Die Editon Moderne dankt.

Donnerstag, 17. November 2005
"Find out who you are, and then do it like mad."
(Quentin Crisp)
