Regen

1237 Tage. Heute in der Fabrik wieder Zitronenpressen. Etwas geht noch raus. Vielleicht, wenn man den Fuß draufstellt. Morgens aufwachen und denken, man sei bereit, ein Lied wie "Like A Rolling Stone" zu schreiben. Abends reicht es gerade noch zum "didn't you?"

Vor dem Fenster an meinem Platz am Brennofen brütet ein Saatkrähenpaar. Heute ducken sie sich tief und schwarz und müde mit leicht ausgebreiteten Schwingen über das Nest. Heute gibt es Regen.

Heute bietet man, zum Dank für die geleistete Sonderarbeit, weitere Sonderarbeiten an. Ich muß, ja muß, noch dankender danken, kurz vor dem Abdanken. Der Vorarbeiter, ein im Grunde netter Kerl, sieht es mit Kümmernis. Ich weise auf meinen Batteriestandsanzeiger. Wir werden nachspielen lassen.

Draußen tropfen die Bäume. Ich ziehe die Schultern hoch, schwingenlos, ein gerupftes Tier, dem ein einzelner Wasserfaden in den Nacken kriecht. Am Bahnhof ein Feuerwehreinsatz, ich gehe zu Fuß, was mir fehlt, ist nur eine Pinguinhaut.

Die geschnürten Pakete zu Hause sind dabei, sich langsam zu lösen. Aus den brüchigen Falten der Kartons quillt der Immobilienteil. Vielleicht, denke ich, ist es das Beste, wir rücken zusammen. Die Krähen, die schwarzen, und ich.

Homestory | 22:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nase - Samstag, 12. Mai 2007, 00:53
kommen sie ins rheinland, ich gewähre ihnen asyl.

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kid37 - Samstag, 12. Mai 2007, 00:59
Heute das erste Mal "bundesweit" geklickt, als ich nach offenen Stellen suchte.

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iii - Samstag, 12. Mai 2007, 12:42
Flügellahm
Das ist auch so eine Sache: Wieso wird man uff Arbeit derart verheizt? Und dann darfsollmuss man sich noch demütig bedanken, dass man eine hat. Hohn! Nachdem ich die Frage mit mir besprochen habe wie Dylan nach Ausschwitz^ noch singen konnte, muss ich mich damit beschäftigen. Und wann schreibst du Dein Lied? Oder doch: It ain't me?

^[edit: AUSCHWITZ mit einem s - natürlich. Und das mir. Und das hier. ]

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frau stella - Samstag, 12. Mai 2007, 12:54
Zusammenrücken, ja, Zusammenrücken ist immer gut...

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schein - Samstag, 12. Mai 2007, 19:12
...

'Das Krächzen der Krähen Raben
ist auch ein Stück -
dumm sein und Arbeit haben:
das ist das Glück'
...

(Dr.Benn)

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kopfherz - Samstag, 12. Mai 2007, 20:29
gruß von ausgepresster zitrone; das mit den füßen kenn ich auch sehr gut. und sonderjob jagt sonderjob auch.
und das mit bundesweit klicken auch.
ich drück die daumen ... Ihnen und mir.

"Im Winter ist meine Geliebte
ein Baum unter Bäumen und lädt
die glückverlassenen Krähen
ein in ihr schönes Geäst."
(aus: nebelland von ingeborg bachmann)

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kid37 - Samstag, 12. Mai 2007, 23:10
Ich bin erhellenden Antworten ferner noch als sonst, verzeihen Sie bitte. Es scheint als hätten die Krähen mich nicht unter die Fittiche genommen, sondern in meinem Kopf ein neues Nest gebaut. Ich lasse mich jetzt von Dr. Benn einweisen, ein moribunder Blogger, der auf dem Zauberberg dem fernen Donnerhall lauscht. (Oder ist es Feuerwerk vom Hafengeburtstag? Man steckt da nicht drin in meinem Kopf.)

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rabe489 - Sonntag, 13. Mai 2007, 03:38
Ist das wirklich wahr, 123x Tage? Bezaubernd, herzlichen Glückwunsch, das zeugt von einsamer, einzigartiger Kraft, oder?

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kid37 - Montag, 14. Mai 2007, 19:55
Einsam vielleicht, einzigartig nicht.

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