Sonntag, 29. April 2007


Nullen, Nerds und Einsen

Herr Dings warf mir so ein, öh, Dings zu, da kann ich aus gegebenem Anlaß (kennt noch jemand "Büro, Büro"?) nicht widerstehen.

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich nämlich mit diesem Linux für Doofe - Ubuntu. Das ist eine so narrensicher gestaltete Linux-Distribution, daß im Prinzip auch Narren wie ich damit klar kämen, wenn... aber erst einmal ein Blick zurück (ist ja schließlich auch Kultur!):

Was war Deine erste “echte” PC-Hardware?
Als das mit Rechnern "für zu Hause" losging, also C64 und Co. fand ich das selbstverständlich komplett blöde, was für Nerds, die Killerspiele spielen (das Problem gab's damals schon), Zeitverschwendung (im Gegensatz z.b. zu endlos billigem Wein trinken und um vier Uhr morgens die Welträtsel zu lösen) und eine Ausgeburt des kapitalistischen, kulturzerstörenden Teufels.

Im Grunde so wie heute auch. Aber später dann an der Uni wagte ich den Schritt in die Digitalhölle. Ein großer, ach was, sehr großer Büromaschinenkonzern hatte unseren geisteswissenschaftlichen Fachbereich mit einem Netzwerkraum mit ungefähr 20 PCs ausgestattet (ich bin mir nicht sicher, ob die schon Festplatten hatten, grüne Monitore sind mir noch im Gedächtnis geblieben). Angeblich, so raunte man, wollten unsere Linguisten was mit "neuronalen Netzwerken" erforschen - keine Ahnung, ob das stimmte. Keine Ahnung, was das überhaupt war.

Der Klang war für einen Illuminaten-Leser und Verschwörungstheoretiker (he, das waren die 80er Jahre!) jedenfalls verlockend. R.U. Sirius? Ja, ich war plötzlich Mondo 2000 - und das kam so: Ein Einführungskurs in Word 3.0 (kann das sein? alles so verschwommen auf einmal) wurde für mich zum digitalen Erweckungserlebnis - und während andere Punx und Post-Punx Kneipen eröffneten oder religiösen Sekten beitraten, wurde ich Bitter & Byter. Man konnte - statt Basic-Prügelspiele zu spielen - was RICHTIGES mit Computern machen! Texte schreiben, zum Beispiel, auf so einer floppigen Scheibe abspeichern, bearbeiten und sich dem Glauben an eine künstliche Intelligenz hingeben. Also ganz so was wie "Malen, Töpfern, Kreativ sein" (frei nach Die Tödliche Doris).

Ich gab das Trinken auf, aß nur noch Käsebrote und konnte mir vom Ersparten den ersten eigenen Rechner leisten, einen Commodore PC10, ein "IBM-kompatibles" (so das Zauberwort damals) Zahlenwalzwerk mit zwei (!) 5.25-Zoll-Laufwerken (when I was king) und einem Schwarzweiß-Monitor. Wer noch den Begriff "Hercules-Grafikkarte" kennt, weiß, was ich meine.

Deine erste Anwendung welche Du benutzt hast?
Ich war selbstverständlich schon damals DAGEGEN und benutzte statt MS-DOS das überlegene (was sonst?) DR-DOS und erwähnte Textverarbeitung. Ich glaube, zu meinem Rechner gehörte eine Genius-Maus und ein "Malprogramm" namens "Dr. Halo". Das obige Kunstwerk ist meine erste elektronische Zeichnung. Warum ich an der Akademie trotzdem nicht angenommen wurde, bleibt mir bis heute ein Rätsel.

Dein erstes Spiel?
"X jagt U" - eine Version von Nethack, das selbstverständlich auf reiner Textgrafik basierte (he, ich hatte nen PC, keine Spielkonsole). Die Spielfigur war X, ein Monster z.B. f und eine Schatztruhe $. In den folgenden Nächten jagte ich nicht mehr nach der Weltformel, sondern nach mir unbekannten Getümen namens "Orks" und "Trolle". (Was das sein soll, habe ich erst Jahrzehnte später durch diese Filme kapiert.)

Bis heute unerreicht war aber ein Spiel, dessen Namen mir partout nicht mehr einfällt. Ein Weltraumeroberungsspiel ebenfalls in Textgrafik. Man starte beispielsweise auf dem Planeten "E" und mußte dann das Alphabet erobern, Raumflotten ausschicken, Spionageschiffe, nebenbei meuternde Koloniewohner unterdrücken befrieden - und nächtelang aufbleiben (obwohl davon nix in der Anleitung stand). Ich hätte natürlich auch schneller studieren können, aber he, ich wollte den Umsturz und ich wollte das System Ypsilon!

Später übrigens kam "richtige" Grafik ins Spiel (ins Spiel!). Wichtigstes "echtes" Spiel (nach SimCity) war Ultima VI. Von der revolutionären Spieltiefe vielleicht bis heute nicht erreicht, behaupte ich mal provozierend.

Hattest Du von Anfang an Spass an der Materie?
Mich reizen Widerstände und Mysterien. In der Hinsicht konnte ich mir zeitweise keinen besseren Gegenpart als einen Computer vorstellen - denn ich hatte wirklich keine Ahnung. Bald aber nannte man mich den Wizard of DOS (was sich jetzt bewährt, wo ich mich mit Ubuntu beschäftige und auf sogenannten "Konsolen" eine ähnlich spartanische Welt vorfinde).

Damals war diese Idee der "Künstlichen Intelligenz" sehr in Mode, Vernetzung war bald ein Thema, simulierte Welten ("SimLife" z.B.). Ich las dazu diese San-Francisco-Bewegung, eben R.U. Sirius, Hacker-Mythen, Cyberpunk & Shadowrun, experimentierte mit Lyrik-Generatoren, philosophierte mit "Eliza" und fühlte mich überhaupt wie Dr. Frankenstein mit seinem neuesten Geschöpft. Modern Prometheus. Versuche, mir eine RS-232-Schnittstelle in den Unterarm zu ritzen, schlugen aber fehl. Das Licht wollte irgendwie nicht an und mittlerweile weiß ich besser Maß zu halten.

Seit wann bist Du online, und mit welchem Anbieter?
Mein erstes Modem hatte 9600 Baud, das gehörte damals zu den etwas schnelleren. Es gab in Wuppertal und Umgebung ein paar Mailboxen, in die man sich einwählen konnte. Eine hatte 4 Ports - d.h. vier Leute konnten gleichzeitig online sein und miteinander chatten kommunizieren (habe ich mich nie getraut. Ein merkwürdiges Gefühl: Man wird auf einem Computerbildschrirm angesprochen) oder Daten runterladen. Meist Sharewareprogramme oder pixelige Prono- Landschaftsbilder.

Das war Ende der 80er, Anfang 90er. Bei einer lokalen (Hobby-)Mailbox konnte man sich eine eMail-Adresse einrichten und auch das USENET beziehen, Forengruppen zu allen möglichen Themen - World Wide Web war in seiner grafischen Form noch kein Thema.

Mittlerweile interessieren mich Computer, Betriebssysteme, Spiele und "Ideen" wie Cyber-Welten nicht mehr so. Wenn ich jetzt in den Gehäusen rumschraube, dann fluchend, weil irgendwas nicht funktioniert und nicht aus Interesse und Neugier. Mit Linux (oder was ich dafür halte) kehrt einiges von meinen ursprünglichen Erfahrungen zurück - aber ehrlich gesagt, würde ich gerne darauf verzichten. Das erste Mal bleibt das erste Mal - und manchmal wünsche ich mir den Sog der ersten Spiele zurück und deren spartanisches X und U. Dieser irgendwo sehr beeindruckende Oberflächenreiz moderner Spiele läßt mich schnell gelangweilt zurück.

Leider unterstützt das assoziationsschwache XP mein altes Cubasis nicht mehr. Nix mit "das ist ein Midi-Instrument, hier ist noch eins - nun hast du eine Band"-One, two, three, four. Bleiben noch Bildbearbeitung, Schreiben und Surfen. Sobald also Ubuntu vernünftige Multimediaanwendungen anbietet, kehre ich der Windowswelt gerne den Rücken.

Ich reiche weiter zu Mek Unix, dem Herrn Rationalstürmer und Frau Diagonale.