Donnerstag, 10. Mai 2007


Schnitt mit dem Küchenmesser

He, he, Sie junger Mann
Dada ist keine Kunstrichtung

(Berlin-Dada)

Nicht die Mama.Hannah! Von hinten wie von vorn... Hannah Höch, Dada-Mama und weitaus mehr als die Betriebsnudel der Berliner Dadaisten, wie Hans Richter leicht herablassend andeutete, hielt den kaspernden Jungs gern den ironischen Spiegel entgegen. Die Höch war eine Scherenschwester - tagsüber öffnete sie die Handarbeitsredaktion des Ullstein-Verlags der Moderne, danach säbelte sie säuberlich durchs selbstgefällige Bürgertum: Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands heißt eines ihrer berühmteren Werke. Die große Schere (in der Ausstellung zu sehen) als Verlängerung ihres scharfen Blicks im Anschlag, trennte und sezierte sie aus Fotos, Zeitungen und Zeitschriften unzählige Fetzen, Stücke, Sätze, Wörter, Buchstaben - dekonstruierte und konstruierte neu.

Mutter der Collage nannte man sie - später - nachdem Heartfield, Hausmann, Grosz des Streitens müde geworden war, wer sie denn nun erfunden hatte, die Montage. Was sie zusammenbrachte, schmerzhaft, mit scharfer Kante und häufig unendlich detailreich nahm die dicke Berliner Plauze, die Zustände, aber auch die Gefährten aufs Korn. In Raoul Hausmann war sie verliebt, der - ganz Dandy - sich aber nicht recht von seiner Frau trennen wollte. Wie so vieles, nahm sie auch dies spöttisch auf die Schippe, für uns ein Segen vielleicht. Ihre Montagen und Collagen zeigen, wie aus dem Remix eigenständige Kunst entstehen kann, die ihre parodierten Vorbilder überlebt. Bloßes Spiel? Ja sicher, aber voller Kraft, Ironie und Witz und einer leichten Handschrift. Höch, selbst von scharfgeschnittenem Profil, studierte Kunstgewerbe in Berlin, traf Hausmann bei Herwarth Walden und nahm 1920 bei der Dada-Messe in Berlin teil - nicht sehr zur Freude von George Grosz und John Heartfield, die sich in ihrer Männerunde gestört fühlten.

Hätten sie mal gewußt, daß ohne Hannah Höchs Sammelleidenschaft viele Erinnerungen verloren gegangen wären. In ihrem Haus in Berlin-Heiligensee (was ich nicht kenne, man zeigt mir ja nix!) verwahrte sie Plakate, Briefe, Fotos, Puppen und andere Werke zu einem einzigen Musée dada. Die Sammlung erwarb nach ihrem Tod 1978 die Berlinische Galerie, die nun eine nicht allzu große, aber informativ gemachte Werkaustellung macht.

Das Lob der kleinen Form: Ich mag das, wie sich aus dem scheinbar Banalen, dem oft verlachten Alltäglichen, dem aus Verbrauchsmaterial Zusammengepusselten etwas herausschält, das eben doch mehr ist als ein herablassend Remix genanntes Verwursten. Lob dem unspektakulären Höhepunkt: Zwei der von Höch aus Resten zusammengeklöppelten Dada-Puppen sind in der Ausstellung auch zu sehen.

Dortselbst auch ein Verweis auf die Dunkle Seite, denn in den 30er Jahren gehörte die Höch zu den verfemten Künstlern im Nazi-Reich und erfuhr erst nach dem Krieg allerlei Ehren. Die "Warenwelt des Wirtschaftswunders", so der Katalog, war vor ihrer Schere auch nicht sicher, sie malte, schnitt und klebte bis ins hohe Alter getreu dem Motto: "Ich habe alles gemacht und mich um Handschrift und Material nie gekümmert".

(Hannah Höch, "Aller Anfang ist Dada!". Noch bis zum 2. Juli 2007 in der Berlinischen Galerie, Berlin.)