Heute war letzter Tag der Jahresschau der HFBK in Hamburg. Früher habe ich ja gegenüber gewohnt und ging schon mal mittags zum Essen in die Mensa.
(Das sage ich jetzt jedes Jahr). In den letzten Jahren schaute ich nur ab und an mal vorbei; aber den Akademierundgang lasse ich mir nicht entgehen.
Fast könnte man meinen, da feiert sich die Künstlerszene von morgen selbst. So aufgeregt und engagiert und bionade- flaschenübersät präsentieren sich die Werkstätten und Klassenräume und deren Bewohner. Aber ich diskutiere da nicht lange in Grundsatzfragen herum, sondern lasse einen paternalistisch gutmütigen Blick über die Exponate schweifen, murmele hier und da Sachen wie "hübsch pastoser Farbauftrag", fasele von "quasi haptischen Erlebnissen", tadele hier und da die Linienführung, um die jungen Menschen aufs Leben vorzubereiten und lasse ungefragt durchblicken, daß ich sozusagen in einer artverwandten Branche tätig bin.
Das kommt beim elternentrückten Nachwuchs immer gut an, denke ich. Und ob Kunst oder Gartenzwerge, seien wir ehrlich, wer will das schon immer so genau entscheiden?
Wenn man regelmäßig dorthingeht, kennt man seine Pappenheimer. Ich weiß, daß es kurz vor der Bildhauerklasse die besten Waffeln gibt, und ganz oben, bei der "Freien Kunst" die entzückendsten Ergebnisse. Wie jedes Jahr, kaufe ich eifrig Künstlerbücher, man weiß ja nie, vielleicht ist der nächste Immendorf dabei.
Nachdem man letztes Jahr deutlich die Sparmaßnahmen an der HFBK (Danke, Senat!) merken konnte, hat man sich dieses Jahr daran gewöhnt. Alles kleiner und kurzgeschorener. Inhaltlich zeigt sich mehr und mehr eine merkwürdige Versachlichung. Genitalbilder, vor ein paar Jahren noch das sine qua non der künstlerischen Selbstexploration, sind bis auf auffällige Ausnahmen kaum noch zu sehen. Die klassische Menstruationsblutmalerei scheint ebenfalls auf dem Rückzug. Man wagt nicht, man spielt Schach. (Das riesige Schachspiel war aber wirklich beeindruckend.) Man pinselt aber auch nicht mehr so viel im eigenen Bauchnabel herum (Vielleicht haben die jetzt auch alle Blogs!). Wie immer: Tasten, testen, tremolieren. Ich liebe das.
Musikalisch gab es viel Robocop Krauss und Interpol und Techno; aber an drei Örtlichkeiten habe ich eine akustische Gitarre, vulgo "Klampfe" gesichtet. Hark!
Bilder gibt es in den Kommentaren.
Yes, but is it art? Links definitiv, rechts bin ich mir nicht ganz sicher.
Keine Kunst, aber ungeheuer praktisch. Überhaupt muß man aufpassen, was auf den Fluren steht. Manchmal ist es Müll, manchmal aber auch eine Installation. Bei der documenta ist das ähnlich.
Die Surrealisten waren auch da. Es kommt eben alles wieder. Ich suchte sofort einen Regenschirm und eine Nähmaschine und hielt eine Rede von Artaud.
Mein Zimmer. Hier ließen wir die inneren Kinder von der Leine.
Symphonie der Zwölf Schimpfworte.
Eine Hängematte aus Handschuhen. Ein Umstehender:
"Da muß man erstmal drauf kommen."
Vielleicht aber mal fegen, wenn Besuch kommt.
Könnte man auch drauf kommen.
Hm. Ich möchte da kein Urteil abgeben.
Möglicherweise doch eine Installation.
Diese Fotos von (Name leider vergessen) haben mich sehr an die Arbeiten von Francesca Woodman erinnert. Kleine Meditationen über das Ich und das Verschwinden und das Verschwinden des Ichs. Fotografie hat an der HFBK traditionell einen schweren Stand. Aber diese kleine Serie war angenehm unprätentiös und gar nicht dumm. (Ansonsten wird nicht mehr so viel geBechert, geTillmant und geStrufft. Ein Glück. Die gibt's ja schließlich schon.)
Jeder nur drei Minuten. Nichts für Langweiler wie mich.
So ein paar Ausflüge ins Zwischenmenschliche
und Geschlechtliche gab es natürlich schon.
Es ist noch nicht alles verloren.
(Wie diese unvergessene Anekdote auf irgendeiner leicht langweiligen Party, auf der ich meinen Gegenüber - offenbar ein BWLer - mit arglosen, aber begeisterten Geschichten übers Sammeln, sich interessieren, Flohmärkte, rostige Nägel von der Straße usw. Blabla unterhielt - und der dann innehielt, ernsthaft scharf nachdachte und schließlich meinte: "Ich glaube, ich sollte auch mal was Sammeln.")
"Nun", sagte er. "Meistens ordnungspolitische Artikel."
Und nicht daß es gleich wieder heißt, ja, der Herr Kid, der nun wieder. Der hält sich mal wieder für was besseres, der mit seiner Rechtschreibschwäche und den toten Tieren und obskuren Themen. Und jetzt hat er auch noch 'nen Kulturpreis. Nein, nein, ich will das gar nicht bewerten. Im Gegenteil, ich finde das hochinteressant! Ich meine, wer scannt schon ordnungspolitische Artikel aus der FAZ in seinen Computer? So am Wochenende. Das sind doch die New-aufregenden Leute, nicht diese
Tatsächlich haben Sie völlig recht, Herr Kid, warum sollte nicht jeder irgendetwas sammeln? Eingescannte FAZ-Artikel über Ordnungspolitik, das ist schon heavy stuff, um nicht zu sagen pretty weird.
Ich selber hab ja mal alte Wählscheibentelefone gesammelt, und nicht mal mein näheres Umfeld hat damals nachvollziehen können, was ich an diesen alten Apparillos so faszinierend fand. Es war die Zeit, als das Endgerätemonopol fiel und alle Welt froh war, sich jetzt irgendwelche brandneuen Garfield-Telefone oder Porsche-Design-Fernsprecher an die TAE-Buchse stöpseln zu können. Wie es ist, sich als Sammler unverstanden zu fühlen, weiß ich also durchaus...
Ansonsten e4 x e127 Turm schlägt Läufer.