Mittwoch, 29. Juni 2005


Pudelshows und Menschenpyramiden

Das Circusmuseum öffnet seine buntgestreiften Koffer und präsentiert hunderte alte Plakate aus der Welt des Varietés, der Manegen und Freakshows. Ein schöner, nostalgischer Blick zurück für alle Zampanos und Eisenbieger, Hochseilartisten und Messerwerfer. Die Harry Houdinis unter uns möchten andererseits vielleicht einen hypnotisierenden Blick auf eine ähnlich retrospektive Sammlung von Magiern werfen.

Vor ein paar Jahren sah ich eine der letzten Vorstellung im ehrwürdigen Hansa-Theater in St. Georg. Dort tanzten Marionetten im Schwarzlicht, aufgeregte Pudel auf silberglänzenden Podesten, boten russische Artisten eine "erotische" Show am Trapez und ein leicht pointenlahmer Conférencier frischgeföntes Kabarett. Besonders eindrücklich blieb mir die Speisekarte mit echt 70er-Jahre Gurkenscheibenschnittchen und der livrierte Kellner in Erinnerung, der sich nicht einfach ansprechen, sondern nur über ein Bestellknöpfchen am Tisch heranlotsen ließ. Nach 107 Jahren war dann Schluß mit dem Varieté. Das Finanzamt, die Kultursenatorin, die schwierige Lage auf St. Georg wurden verantwortlich gemacht. Ehrlicherweise muß man aber auch anmerken, daß das Programm aus tanzenden Pudeln und oftgesehenen Jongliernummern schon etwas, öh, speziell war. Jedenfalls neigte sich auch das Durchschnittsalter des Publikums verdächtig den 107. Von den Gurkenschnittchen auf der Speisekarte mal ganz abgesehen.

Dennoch schade. Die Tradition des Vaudeville - wie in England - und des klassischen Varietés hat nicht überlebt. Was bleibt, sind schrille Sex-Shows, überdrehtes Komödiantentreiben und Travestiekaraoke.
Häufig auch nett, aber eben nicht dasselbe.