Queens & Kings




Zwischendurch mal Segel setzen in die Nacht. Der Burnster, dieser nette Rock'n'Roll-Lump, hisste überraschend seine Flagge in der Stadt, da ließ ich mich selbst auch nicht lumpen und empfahl gemeinsamen Kurs zum Tingeltangel durch die Seemannskneipen. Ich meine, der kommt aus Berlin, der will ja auch was sehen. Seit mich das Frl. DeVille letztes Jahr zur Eröffnung dorthingezerrt hat, bin ich ja Fan vom Queen Calavera, kuschelwarmes Wohnzimmer unter anderem der Harbour Pearls, die dort regelmäßig ihre Schlafzimmergarnitur zeigen.

Die Damen haben es gut, denn der Laden ist klein, eng und heiß, so daß es eine völlig naheligende Idee ist, sich überflüssiger Sachen zu entledigen. Aber nicht jeder kann es elegant, weshalb ich Schal und Mütze lieber anbehalte. Burlesque ist ansonsten eine entspannte Sache, angenehm ironisch und in keiner Weise mit irgendwelchem stumpfen Hochleistungsgeturne in diesen Dingsbumsbars auf der Reeperbahn zu vergleichen. Die Tänzerinnen hier tragen ihr Herz nämlich nicht nur auf der Zunge, sondern auch links und rechts vorne auf der Brust. Und das ist auch der große Unterschied zu allem. Dazu angemessen ausgesuchte Musik, schön schrebbelig von '40 bis '55, die goldenen Jahre, und ein Publikum wie du und ich. Hier gehört das eben irgendwie dazu, in anderen Gegenden hieße dies eine Trachtengruppe, so muß man das verstehen.

Herr B. behauptete, das gebe es in Berlin nicht, wozu ich mich naturgemäß nicht äußern kann. Allerdings treten hier immer wieder Gäste von dort auf, eine Art Landverschickung sicherlich, andererseits habe ich tatsächlich einmal so eine Burlesque-Show in der großen Stadt gesehen (merke: immer die Dinge selbst in die Hand nehmen). Leider war die Bühne dort viel zu groß für intimere Betrachtung und sowieso gleich alles wieder ein "Ereignis", wie es dort halt ist. In Hamburg ist eben doch alles deutlich eine Nummer kleiner, näher, definitiv unspektakulärer, familiärer vielleicht. Anderswo, heißt es, fallen Mauern, hier bloß die Hüllen (keine Angst, die fünf Euro sind schon gezahlt), wir nehmen das nicht krumm. Man kann nicht alles haben.

Angenehm beswingt also der umduselte Rückweg unten am Hafen lang, vielleicht etwas zu zeitvergessen dem Sonnenaufgang entgegen, dazu diese angenehme leichte Müdigkeit dann, das Schaukeln der Hochbahn, die zusammengedrängten Pärchen und einsamen Gestalten, ausgespuckt aus der Nacht oder Liebende im von flackernden Lichtern beleuchteten Transit. Die bis auf die Knochen runtergestrippten Geschichten, die man mitnimmt, im Kopf trägt und weiterspinnt, zusammennäht, aufs Ende zu träumt.

Radau | 13:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
burnster - Dienstag, 10. November 2009, 17:36
Ich würde an dieser Stelle gerne für einen gelungenen Abend danken (der allerdings dann nach dem nächsten Whiskey auch schlagartig und unrühmlich verendet ist) und um ein paar hochauflösendere Aufnahmen aus Ihrem Privatarchiv bitten. Mir hat's besonders der schwarze Pagenkopf am Anfang unseres Besuchs angetan.

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monopixel - Dienstag, 10. November 2009, 17:53
Natürlich gibt es das in Berlin! Zwar nicht immer mit Damen, denen es heiß ist und die Herzchen dabei haben, aber manchmal läuft auch sowas im Paradies für Rennkuckucke. Lassen Sie sich mal von Herrn Burnster dorthin einladen.

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burnster - Dienstag, 10. November 2009, 20:52
Ich kenn den Laden zwar nur vom Vorbeigehen, aber ich bin mir sicher, der kann da nicht mithalten. In Berlin gibt's eh keinen vernünftigen Striptease. Wie auch bei der unendlichen Indifferenz seiner Einwohner.

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kid37 - Dienstag, 10. November 2009, 23:38
Mit oder ohne Wachs ist noch die Frage ;-) Ich binde Ihnen mal einen kleinen Strauß, Herr Burnster. Wir hätten vielleicht besser noch in die finnische Seemannskirche zum Wodkatrinken gehen sollen. Der schwächt nicht so ab.

Herr Monopixel, danke für den Tipp. "Manchmal" ist natürlich schade, hier ist das ja jedes Wochenende, das macht das angenehm selbstverständlich und nicht jedesmal zum Ereignis.

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kopffuessler - Mittwoch, 11. November 2009, 14:36
Dafür gibt es in Berlin das Studio zum professionellen Erlernen der für elegantes Ausziehen nötigen Bewegungsabläufe.

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kid37 - Mittwoch, 11. November 2009, 14:48
Mit Hasenohren. Toll. Ich könnte natürlich behaupten, Hamburger Deerns müßten das nicht erlernen, die sind von Kindesbeinen an das elegante Schwingen mit und gegen den Wind geübt. Andererseits behalten die dafür immer den Cashmere-Pullover an.

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milk - Mittwoch, 11. November 2009, 19:21
Einspruch!
...
wir kriegen ab und zu blonde Austauschtänzerinnen vom Norden die uns dann einen Hauch salzige Meeresluft mitbringen und wir trinken dann sogar ganz brav Astra-Bier um uns selber zu täuschen, wir wären nicht mehr da wo wir wären.

Guckst du?
http://tflglobal.livejournal.com/339017.html

aber guck weiter unten.. hatte an dem Tag nen Schreibflash

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kid37 - Mittwoch, 11. November 2009, 21:43
Ha, Leolilly war just hier mit dem Herzen auch dabei. Sie sind jetzt die vierte, die auf diesen "Roadrunner" verweist. Sollten Sie sich also nicht gerade alle in Berlin abgesprochen haben, um mich zu foppen, muß ich davon ausgehen, daß es diesen Laden tatsächlich gibt. Es ist also kein Gerücht, man kann in Berlin abends ausgehen. Irre.

Nehmen Sie mich mal mit. Ich könnte Salz & Astra mitbringen.

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milk - Mittwoch, 11. November 2009, 23:41
Ein Bloggertreffen schwebt im Raum.
Wollen wa's einfangen?

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kid37 - Donnerstag, 12. November 2009, 13:22
Bei meinem nächsten Berlinbesuch sind sie gebucht!

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milk - Donnerstag, 12. November 2009, 20:36
Abgemacht.
Beim heutigen Gang durch den Kiez stolperte ich über die nächste Ausstellung in der Strychnin Gallery. Einer der Künstler, ich nehme an er war einer - schwarzer Hut, schwarze Lederweste, Krawatte, Sneaker, Backenbart, Zigarillo- blockierte mit seinen Werken den Sideboard.

Aber das wird zu kurzfristig. Nehm ich an.

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kid37 - Freitag, 13. November 2009, 12:20
Gehen Sie für mich hin, das wird bestimmt spannend heute. Ich muß mir das unbedingt mal wieder so hinlegen, daß es zu einer Eröffnung dort paßt. Ich kleb mir dann auch so ein Bärtchen an.

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pappnase - Dienstag, 10. November 2009, 18:23
welch angenehme abwechslung und kurzweil hier.
ich bin gerade ruckartig aus meiner schweinegrippe ins leben zurückgeholt worden.

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kid37 - Dienstag, 10. November 2009, 23:34
Da ich heute bereits fünf Euro in die Kalauerkasse stecken mußte, spare ich mir Wortspiele rund ums Schwein und freue mich, Sie auf dem Weg der Genesung zu sehen. Bitte husten Sie die Damen nicht an.

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wortschnittchen - Dienstag, 10. November 2009, 19:19
In der Tat, wie Herr oder Frau Monopixel bereits verlinkte, gibt es die entspannte Form des Entblätterns auch in Berlin. Sehr empfehlenswert der Laden, ohnehin, und nicht nur, wenn man im Besitz eines heißen Ofens oder einer fluffy Vespa ist. Sollten Sie, Herr Kid, sich dann doch einmal wieder in die große Stadt verirren, halten Sie Ausschau nach den "Teaserettes" im Programm!

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kid37 - Dienstag, 10. November 2009, 23:44
Ich glaube, die gastieren sogar ab und an hier. Danke aber für die Bekräftigung. Ich kann mich ja sehr beharrlich verirren. Vielleicht knipst mir Berlin mal nachts ein Licht an und schenkt mir Wein ein. Oder ein kühles Bier aus. Da bin ich dann sofort dabei, Fahrrad geht ja sicher auch. Teaserettes. Sind notiert.

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wortschnittchen - Dienstag, 17. November 2009, 00:08
Dies wäre übrigens die beste Verbindung zwischen Burlesque und Lesung...

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kid37 - Dienstag, 17. November 2009, 12:00
Hätte ich Sie mal direkt gefragt. Schade, das schaffe ich am Sonntag nicht. Tanzen & Lesen, das ist ja für alle Sinne, wie schön.

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generator - Dienstag, 17. November 2009, 14:28
Frag mich, warum dieses "burlesque"-Hupengewackel jetzt plötzlich so in Mode kommt - und was der Unterschied zum marktüblichen Stripperbums ist?

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Oder so:

"Die Ferengi sind eine kleinwüchsige Rasse von Aliens und können wegen ihrer auffallenden Stirn und ihrer großen Ohren leicht identifiziert werden. [...]
Bis vor kurzem war es Frauen gesetzlich verboten, Kleidung zu besitzen oder gar zu tragen. Frauen dienten nur dem Vergnügen ihres Eigentümers, zudem kauten sie ihrem Ehemann und ihren Söhnen das Essen vor. [...] Der Kontakt mit der Föderation hat sich für das Ferengi-Patriarchat als höchst subversiv erwiesen. Einige Ferengi-Frauen stellen sich nun gegen die tausendjährige Tradition. Sie wagen es, sich in der Öffentlichkeit bekleidet zu zeigen.
Wenige Ferengi heiraten aus Liebe, und diejenigen, die es tun, werden von ihresgleichen für sehr unglücklich gehalten. Einem verliebten männlichen Ferengi wird nachgesagt, ihm mangele es an der Stärke, seine Frau zu disziplinieren. Die Ferengi-Hochzeitszeremonie ist sehr auf die Männer ausgerichtet und besteht aus Latinum-Tänzen und Brautauktionen; die Braut ist die ganze Zeit über nackt. Die Zeremonie selbst ist recht schlicht und eher als geschäftlicher Vertrag denn als gesellschaftliche Beziehung anzusehen. Ferengi-Frauen soll man sehen, aber nicht hören können, sogar bei ihrer eigenen Hochzeit..."

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kid37 - Dienstag, 17. November 2009, 18:09
Weder "jetzt" noch "plötzlich", und den Unterschied habe ich oben beschrieben. Vielleicht nicht deutlich genug, andererseits verstehe ich Ihren Alien-Text auch nicht. Da scheint mir zudem die Quellenangabe zu fehlen.

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kid37 - Samstag, 19. Dezember 2009, 00:42
@ Roadrunner's
Ah, ich sehe. Wenn Strychnin da feiert, kann es nicht schlecht sein. Aber wehe, das ist jetzt wieder so eine großangelegte Gaukelei zum Thema Berliner Nachtleben.

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