Der gefundene Satz, 20

"Die perfekte Melodie ist genauso schwer zu realisieren wie der perfekte Mord."

(Bjoern Ulvaeus in der Süddeutschen Zeitung, 23.7.2005)

Ex Libris | 15:08h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
blue sky - Mittwoch, 27. Juli 2005, 15:27
Interessante Analogie. Weitergedacht hieße das, eine Melodie könnte nur so lange perfekt sein, wie sie keiner hört.

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casino - Mittwoch, 27. Juli 2005, 16:38
Genauso, denn sobald sie gehört wird, kommt die Neigung dazu. Eine perfekte Melodie müßte fast abstrakt sein, eine blanke Fläche, die in jedes Ohr passt und dort beschrieben wird. Reduktion, wie der perfekte Mord bestimmt auch ein ganz einfacher und komplikationenloser ist.

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kid37 - Donnerstag, 28. Juli 2005, 02:18
Der perfekte Mord ist tatsächlich auf den ersten Blick so unspektakulär wie ein Abba-Song. Erst bei näherem Hinsehen wird man die Vertracktheit merken. (Es gibt ja die These, daß die meisten Morde unentdeckt bleiben, weil Totenscheine hierzulande so bedenkenlos ausgestellt werden.)

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nase - Mittwoch, 27. Juli 2005, 16:49
das lied möcht ich hören...

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marie__ - Mittwoch, 27. Juli 2005, 17:11
Die Analogie ist so schön plakativ, daß sie zum Zitieren einlädt. Allerdings halte ich sie für Quatsch. Denn: was ist eine perfekte Melodie?
Ein perfekter Mord, das haben uns Bibliotheken von Kriminalliteratur gelehrt, ist einer, der niemals als solcher erkannt werden kann, der dem natürlichen Tod oder dem Tod durch die eigene Hand oder einem Unfall so täuschend echt nachempfunden ist, daß er eben nicht als das identifiziert wird, was er ist.
Aber wie definieren wir "perfekte Melodie"?
Eine, die immer paßt?
Eine, die immer schön ist und zwar für alle?
Aber wo ist denn dann die Analogie?
Ist der perfekte Mord dann der, der ästhetisch betrachtet allen Ansprüchen genügt, egal, welche Maßstäbe man anlegt? Und gilt das dann auch für Melodien?

Hm, so sehr ich auch hin- und herüberlege, es hinkt und hinkt und hinkt....

Sehen Sie sich mal besser den phantastischen Bikini bei Frau Wise an, der würde dem Altabbaisten sicher auch gefallen.

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frau klugscheisser - Mittwoch, 27. Juli 2005, 19:41
Nur weil mehr Menschen Kriminalromane lesen, als sich theoretisch mit Musik zu beschäftigen, heisst das noch lange nicht, dass sich nicht haufenweise Musiker/Musiktheoretiker mit dem Phänomen des perfekten Klanges und demzufolge mit der perfekten Melodie auseinandergesetzt haben.
Die deutlichsten Ansätze hierzu finden sich in Überlegungen Schönbergs und seinem Gefolge. Ein wenig früher entstand der sog. Tristanakkord und seit Menschengedenken suchen Komponisten nach der perfekten Melodie. Die Definition bleibt der subjektiven Wertvorstellung unterworfen.

Muss sich ein Vergleich eigentlich in allen Komponenten ähneln? Zudem bezieht sich der Vergleich m.E. vor allem auf die Schwierigkeit des Erreichens und nicht auf die Sache an sich. Ich finde den Satz sehr treffend.

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kid37 - Mittwoch, 27. Juli 2005, 23:39
Der perfekte Mord als Kunst betrachtet - so einer wie Ripley kommt dem vielleicht nahe. Ich sehe den Vergleich auch eher als Metapher für das "Unmögliche" - steckt doch in jeder "perfekten" Ton- und Akkordfolge irgendwo ein "Fehler", eine künstlerische Unreinheit. Es ist wie die Näherung an ein Ideal. Viele verstehen das ja falsch, weil sie Ideale mit Prinzipien verwechseln. Beim Ideal aber ist das Scheitern immer inbegriffen - was bleibt, ist das Streben.

Das Zitat paßt gut hierzu. Im übrigen scheiden sich ein wenig die Geister, aber nicht wenige gestehen Herrn Ulvaeus zu, der "perfekten Melodie" ein, zweimal recht nahe gekommen zu sein.

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alex63 - Donnerstag, 28. Juli 2005, 02:56
das beste an abba war immer noch, dass der name vorwärts und rückwärts genauso scheiße geklungen hat. die musik wäre rückwärts besser gewesen. sach ich mal so ohne jedwede praktische hörerfahrung in der richtung. die perfekte melodie ist glaube ich doch weit eher bei den beatles anzusiedeln. wobei das wort "perfekt" in dem zusammenhang je länger ich darüber nachdenke immer ekliger wird. will jemand wirklich den perfekten song hören?

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kid37 - Donnerstag, 28. Juli 2005, 11:30
Hören vielleicht nicht. Schreiben aber bestimmt. New Order fabulieren auch immer davon. Man muß Abba vielleicht im Kontext von Pop-Songschmieden wie Chinn/Chapman oder später Stock/Aitken/Waterman sehen. Ulvaeus ist von Haus aus Ingenieur; mir gefiel in dem Interview, die Herangehensweise und Ethik eines Arbeiters: Ja, laß uns mal ein perfektes Werkstück machen.

Das ist natürlich weit entfernt vom Rock'n'Roll-Anspruch, he, laß uns anders sein als die anderen und laß uns eine Botschaft in die Welt rausschreien. Es wäre schade, gäbe es nur Abba. Aber irgendwie ist es interessant, daß es auch Abba gibt. (Wer jemals versuchte, einen Abba-Song nachzuspielen, wird wissen, was ich meine.)

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marie__ - Donnerstag, 28. Juli 2005, 12:42
Das Bild der Unmöglichkeit gefällt mir noch am besten. Aber insgesamt schauert es mir doch immer bei der anklingenden Überheblichkeit der Vergleiche. Wahrscheinlich störe ich mich ähnlich wie Herr Alex am Wort "perfekt".

@Frau Klugscheisser: Die Nennung des Tristanakkords und Schönbergs Überlegungen ist ja ganz nett, wirkt hier aber lediglich wie Namedropping, da Sie den logischen Kreis Ihrer Überlegungen hier nicht schließen.
In meiner Erinnerung ist der Tristanakkord sozusagen die erste Umsetzung expressionistischer Atonalität der "Emanzipation der Dissonanz", die Schönberg später prägte (oder "erfand"), da hier keine Eindeutigkeit in der Auflösungstendenz mehr erkennbar ist in die vormals bestehenden Dur-/Moll-Tonalitäten.
Als musiktheoretisches Konstrukt mag Schönberg Perfektion angestrebt haben, ohrentechnisch kann es aber wohl keinen größeren Abstand zu dem geben, wofür Herr Ulvaeus steht. Ich wage nicht zu spekulieren, wie sehr sich dann auch die Ausprägungen dessen unterscheiden würden.
Letztlich ist Musik wohl zu subjektiv. :)

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