Samstag, 28. Dezember 2013


Merz/Bow, #45



Jahresendausfegen. Letzte Kleinreparaturen, kleine letzte Besorgungen, überhaupt, alles klein halten. Dabei eine kleine Pechsträhne entlangrutschen: die Schuhe, die ich zum Besohlen gebracht habe, sind anschließend kaputt. (Ich glaube, ich habe aber noch ein Paar. Oder drei.) Auf der Post, bei der ich zwei Paketsendungen abholen möchte, ist eines nicht auffindbar. Weg. Alles weg. Der neue Rasierpinsel gefällt mir nicht. Die Jacke, die ich mir zwei, drei Tage zu lange habe zurücklegen lassen, ist verkauft. (Ich glaube, ich habe aber noch eine. Oder drei.) Der Drucker, der bunt und schön kann, aber auh nicht so richtig, ist ausgefallen. (Wenn ich überlege, daß der alte HP Deskjet, also früher, jahrelang klaglos seinen beschränkten, dafür aber verläßlichen Dienst vollzogen hat.) Keinen Urlaub auch nicht, dafür Hunger.

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Dazu Bereitschaftsdienst. In der Mittagspause am Freitag lese ich kurz durch die Weihnachtsausgaben der Zeitungen. Der Herr Stadelmaier hatte Kolumnendienst und möglicherweise schon deshalb schlechte Laune. Herr Stadelmaier gilt als Deutschlands profiliertester Theaterkritiker, ein sensibler Mann mit breitem Wissen. Nicht so beim Film und dessen Rezeptionskonventionen. Stellen wir also klar: Gespoilert wird nicht. Auch wenn 99 Leute den Mörder kennen, es könnte einer unter Hundert sein, der ihn (oder sie) noch nicht kennt und dem man völlig unnötig den Spaß verdirbt. Das gilt auch für Genrestücke wie Agatha Christies "Die Mausefalle".

Beim klassischen Theater ist der Stoff meist gut tradiert, jeder kennt das Ende von "Romeo & Julia". Und nein, ich verrate es nicht. Aber gemeinhin enden Tragödien so und Komödien eben anders. Letztere mit einer Hochzeit, erste mit dem Tod. Weil das bekannt ist, interessiert beim Theater in aller Regel die Inszenierung. Niemand sagt: Wow, tolle Handlung. Und am Ende, stell dir vor, war's in Wahrheit die Lady MacBeth! Man sagt: Berührende Inszenierung, ergreifend, aufwühlend, beschwingt oder auch kühl, spröde, von allen guten Geistern verlassen. Oder sogar: einfallslos.

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Zurück zum Film. Stadelmaier, der allen Ernstes Inspector Barnaby zu den "bedeutenderen Kriminalkunstwerken" zählt, zeigt dafür nicht viel Ahnung von Hitchcock. Verriete man den Täter, so der Großkritiker, "könnte man zum Beispiel die großen Filme des großen Hitchcock, wenn man sie einmal gesehen hat, ja nie mehr sehen – weil man dann längst wüsste, wer’s jeweils war." Also mit Verlaub. Als wäre Hitchcock für Who dunnits bekannt. Es sind Thriller, spannend, weil sich dort ein Unschuldiger in einer ausweglosen Situation befindet, als Mordverdächtiger gejagt wird oder selbst einen Mörder jagt. Man weiß bei Frenzy, wer der Krawattenmörder ist, man wird Zeuge bei der mörderischen Verabredung bei Der Fremde im Zug. Überhaupt basiert die Spannung darauf, daß man als Zuschauer immer ein bißchen mehr weiß als der in Gefahr befindliche Held. Das Wie ist das Interessante, nicht das Wer.

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Apropos. Hübscher Tokioter Laden, bei dem man vor lauter Wie, das Was kaum sieht. (via Esther)

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Ich sortiere ein wenig rum, Bücher, Filme, Musik. Lee Ranaldos neues Album, Kim Gordons neues Album. Sehr stoische, unmoderne Alben. Gordon auf der manchmal etwas ratlosen Suche nach einer anderen Art ovn Krach, Ranaldo eher der Erzähler. Immerhin dürfen anders als beim Debüt die Gitarren wieder hübsch quersägen und hin- und herschringern.

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Bruce Davidson hat Ende der 50er jugendliche Gangs in New York (das ist eine Stadt in den USA) fotografiert. Coney Island Rocker und Rumlungerer. Wirkt sehr modern. Eine Jugend ohne Smartphones und couldn't care less-Attitüde.

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Bei mir auch. Die Fenster sind immer noch nicht geputzt.

MerzBow | von kid37 um 16:23h | 19 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 26. Dezember 2013


Vampir



Der rührige Berliner Avant-Verlag hat zum Ende des Jahres die vierbändige Reihe Vampir herusgebracht (also "Der große Vampir", es gibt ja noch eine entsprechende "kleine Vampir"-Reihe Desmodus, die sich eher an Kinder wendet). Lese ich gerade. Kann man hier zur Probe auch. Ist von Joann Sfar, dessen etwas krakeligen Zeichenstil ich insgesamt gar nicht so sehr mag, dessen Professor Bell-Reihe aber ganz goßartig ist, schon allein, weil ich mich mit der Hauptfigur gut identifizieren kann.

Ferdinand, Schallplattenliebhaber und Turmbewohner, ist in das etwas oberflächliche und flatterhafte Baummädchen verliebt. Deren Beziehung ist so, wie Beziehungen oft halt sind ("Ich habe dich nicht verlassen, nur betrogen. Es hätte gar keine Probleme gegeben, wenn du es nicht erfahren hättest.") - also von unterschiedlichem Verständnis von Wahrheit oder Pflicht, Logik und Benimm geprägt.

Das Baummädchen sucht sich pfff! aus einer Mischung aus Konfliktscheu und Erlebnishunger einen kräftig gebauten Kerl, der grollende Ferdinand neue alte Chansonplatten. Dabei lernt er eine borderlinige oder einfach auch bloß dauerpubertierende Vampirbraut (seit 200 Jahren 17, was will man machen) kennen, die ihn all zu rasch bedrängt und dem nach Ruhe strebenden Vampir zur Plage wird.

Dinge, die passieren, wenn man das Haus verläßt! So möchte ich also empfehlen, lieber daheim zu bleiben, Chansonplatten hören, mit Klebstoff basteln oder besinnliche Geschichten lesen.

(Joann Sfar. Vampir. Berlin: Avant-Verlag, 2013.)


 


Dienstag, 24. Dezember 2013


Jahresrund



So, liebe Punschtrinker und Klassikschallplattenherauskramer. Hier ist die Christbaumkugel aus dem Keller geholt und der Baum schon geschmückt, nicht zu früh, sich in den Cary-Grant-Hausmantel zu begeben und die besinnliche Zeit zu eröffnen, während draußen tiefausläufige Böen kräftig an den Fensterläden rütteln.

Ein Jahr der Rundungen, wenigstens was die Zahlen betrifft. Siebenunddingstiger Geburtstag, zwanzig Jahre das größte Liebespaar des Films (abgesehen von Katharine Hepburn und Spencer Tracy natürlich). "It's so intense, it sometimes is blinding" - wurde mir auch schon mal so ähnlich vorwurfsvoll gesagt, und irgendwoher muß man es ja haben. Zehn Jahre Hermetisches Café ist es heute. So lange hat es noch kein Blog mit mir ausgehalten. Scully: "Don't you ever just want to stop? Get out of the damn car? Settle down and live something approaching a normal life?" Mulder: "This is a normal life."

So schlecht kann 2013 also nicht gewesen sein. Nächstes Jahr nämlich nur hundert Jahre Krieg. Schöne Begegnungen gehabt, sogar sehr schöne Begegnungen gehabt, Schiffe im Nebel, Verluste gehabt, sogar sehr schmerzliche Verluste. Immer noch zu wenige Antworten auf zu viele Fragen. Also nichts, was ihr nicht auch kennt.

Heute abend dann ein paar gemütliche Käsebrote, vielleicht einen Film mit Katharine Hepburn sehen, ein bißchen im unbetrachteten Stapel Bücher blättern, dem Luftzug nachgehen, der hier durch die Ritzen pfeift. Denkt dran: Nicht zwischen den Jahren Wäsche waschen, UFO-Lichter nicht mit dem Stern von Bethlehem verwechseln, keine Bonbons von Fremden annehmen.

Frohes Fest!

>>> I owe you everything


 


Montag, 23. Dezember 2013


Schnell, schnell, schon Schlittenglocken



Hetze immer schön abschäumen. Indes: Einer muß ja arbeiten, während ihr die Füße hochlegt. Wie das so ist, wenn man auch eine soziale Verpflichtung trägt. Indirekt nämlich hängt in vielen Familien der Festtagsfrieden davon ab, daß ich meine Arbeit gut erledige. Mittags aber schnell noch eingekauft, erstaunlich, welche Mengen manche Menschen (bitte rhythmisch sprechen: Welche / Mengen / Manche / Menschen / Walle / Walle / Diese / Strecke / Mit Dem / Einkaufswagen / Wagen), welche Mengen also manche Menschen aus dem Super-Ü gleich hinter meiner Arbeitsstelle karren. Wir werden sie kugelrund zurückerleben.

Der Stakkatorest: Ich könnte meinen Zimmerpflanzen Namen geben. Sich vornehm und höflich begegnen. Bevor man sich naß macht. Der Herr Schmidt hat Geburtstag. In der U-Bahn aber keine Lieder, sondern müde Menschen auf dem Weg zu ihren Bienenwaben. Mein neues Möbelstück empfängt mich mit der richtigen Codenummer. Ich kann doch auch nichts dafür, es wird eine Verschwörung sein. Abendbrot.


 


Sonntag, 22. Dezember 2013


Bastelzeit



Heute morgen zu vorchristlicher Zeit, ich war traumlandschaftlich noch auf der Weihnachtsfeier unterwegs, spürte noch einmal der Situation nach, in der erwachsene Menschen um kindische Dinge "wichteln", als mich zwei junge Schweden aus dem Dämmerschlaf klingelten, mir keuchend Metallbauteile in die obere Etage zu hieven. Ich mußte nämlich letzter Tage links eine für mich gewagte Expedition in den Baumarkt und zum Möbelhaus gleich nebenan unternehmen, eine Frontblende und einen Griff für den neuen Kühlschrank erstehen. Und dann Sachen, wenn man schon mal da ist, die man eigentlich nicht braucht, aber es soll sich ja lohnen, Sachen, von denen man an der Kasse denkt, interessant, da addiert sich ganz schön was auf.

Dafür wurde ich nett beraten von einer Frau Wegschmelza, die offenbar sehr fröhlich aus Schweden kam und aussah, als könne sie Apfelkuchen backen. Zwischendurch geriet ich auch an einen Herrn Muffel, aber mit Ausdauer und Demutsgesten verwickelte ich ihn schließlich in ein Frage-und-Antwort-Spiel und fast wären wir am Ende Freunde geworden, hätte ich mich nicht bereits innerlich der netten Frau Wegschmelza versprochen.

Heute also Metallbaukastengeschraube, es hat ja eine besondere Befriedigung, wenn man nur mit einem archaischen Faustkeil Imbusschlüssel Sachen zusammenbaut, die am Ende Sinnzusammenhang und Nutzwert ergeben. Und so schwer ist das nicht, steht ja alles in der Anleitung. Dort aber auch Frechheiten. So rät der Möbelriese Singles vom Werken ab. Sie sind einfach in den Anleitungen gestrichen, offenbar soll man alleine keine Bretter zu Barrikaden schichten. Möglicherweise bahnt sich hier das nächste Skandalthema der Empörungsgesellschaft an. Also, sobald sich der derzeitige Straßenkrawall in der Stadt gelegt hat.

Da hat sich nämlich ganz schön was zusammengebaut, und ich möchte das nicht schön oder auch nur gelungen nennen. Statt sich gegenseitig zur Hand zu gehen und Türen beim Scharnierausrichten zu halten oder Seitenholme beim Verschrauben, stehen die Gruppen wie verfinsterte Singles gegeneinander und bauen anleitungsfern Gebilde in den Straßen, die sich als Pappkartons entpuppen oder kloppen gleich alles kaputt. Am schlimmsten hat es laut Spiegel-Online-Forum allerdings die getroffen, die "am verkaufsoffenen Samstag" (NDR Info) nicht ungestört zum Shoppen kamen. Eine Art Lampedusa-to-go für Speckgürteltouristen, Entbehrungsterror gegen brave Bürger. Ich hingegen habe jetzt am Kühlschrank alles am Griff, nur die Frontblende fehlt noch. "Du hast da Glück", mein Väterchen Kid. "Du wirst bei solchen Sachen nicht gedrängt." Ja, sage ich. Das habe ich mir schön zurechtgebastelt.


 


Donnerstag, 19. Dezember 2013


Trust no one

Die Erinnerung ist eine mysteriöse Macht.
Sie bildet Menschen um. Wer das,
was schön war, vergißt, wird böse.
Wer das, was schlimm war,
vergißt, wird dumm.

(Laotse)

Scharren in der Asche, verkohlte Erinnerungsstücke. Jeder Tag ein Kleinverrat, geschminkt mit einem abgehetzten Lächeln. Die Antwort, eine halbsatzgemurmelte Lüge. Ein Schweigen, drei Tage hängen wie Punkte in der Luft, knistern in der Leitung. Irgendwas mit... egal. Ich belasse es, ich ahne, was kommt, ernüchtert.

Wie man immer den schönen Lügen glaubt, sich selbst in kleine Münze wechselt. Das Murren des Körpers übertönt, der es besser weiß. Wie man trotzig weitersingt, wie in einem ratternden Zug, mit dem man nur zur letzten Haltestelle will. Wie schwer das zu Fuß gehen fällt. Wohin auch. Auf den Mond vielleicht. Immer nur ein karger Mond.

>>> Geräusch des Tages: Stina Nordenstam, People Are Strange


 


Freitag, 13. Dezember 2013


Wenn die Lady nicht mehr singt



Es gab zuletzt immer wieder Probleme, nun hieß es Abschied nehmen von der Lady, die einzige, die mir zuletzt im Haushalt ein wenig zur Hand gehen wollte. Aber nachdem sie erst kein Wasser mehr ziehen und beleidigt spielen, dann - nach Warten, Zureden und kleinen Tricks - mir auf einmal beweisen wollte, daß sie sehr wohl auch anders könne und zwar so richtig versaut und mir unerwartet ihre Feuchtgebiete vorführte - dafür aber "haushaltährisch" (wie es bei den Leistungsträgern heißt) keinen Finger mehr rührte -, war es das dann.

"It's a Mens World" heißt seit einiger Zeit das neue Lied in dieser kleinen Konzertmuschel, die meine Küche ist. Gerne - die ein, zwei Menschen, die mich persönlich näher kennen, erinnern sich - erzähle ich an Abenden, die sonst ins langweilige zu kippen drohen - die launige Kennenlerngeschichte meines Einbauherdes. Den ich am Ende dann doch erst mal wieder selbst ausbauen und einbauen mußte. Diese Erfahrung bremste mich etwas bei den Überlegungen, wie ich das mit der Spülmaschine halten sollte. "Laß das bloß machen", rieten mir Stimmen aus dem sozialen Umfeld, das ich daraufhin reduzierte. Denn, wie heißt es so schön, willst du es richtig gemacht haben, mach es selbst.

Es kamen dann doch zwei flotte Jungs, irgendwie fühlte ich mich dann derzeit nicht so nach auf dem Boden und unter Arbeitsplatten herumkriechen. Die packten die Lady grob, schleppten sie ächzend die vielen gewundenen Stufen hinunter zur Straße und schmiegten dann das junge aufgebrezelte Spülrehlein in die zahnlückenklaffende offene Wunde der Küche (was da noch an ungenutztem, nur von Staub bewohntem Stauraum zu Tage trat!).

"Und was ist mit dem Abstandsbrett?" fragte ich und deutete auf das nun deutlich schräg stehende schmale Brett zwischen Maschine und dem angrenzenden Eckkorpus. Es folgte ein Gewackel und Gestreichel des Monteurs, wie ich denn auf dies schmale Brett kommen könne?, dann der Befund: "Das muß so." Spontan, ich weiß nicht, wie es geschah, fiel mir die Geschichte meines Einbauherdes ein. Wer sich bereits jetzt schon nicht mehr daran erinnern kann, hier kann man das alles nachlesen. Auf Zuruf erzähle ich es aber gerne noch mal! Ich sag nur, "der steht doch wohl nicht auf dem Kabel?"

Bereits erschöpft vom bloßen Zusehen beim muskelkräftigem Gerumpel, Knarzen und Geschiebe, sah ich mich im Geiste schon die Stichsäge aus dem Keller finden holen, komplementierte die Jungs also auf den Rest ihrer Auslieferungstour, wünschte nachgerade eine gute Fahrt mit all den schicken Geräten durch den sozialen Brennpunkt hier, einen schönen Tag und alles Gute noch und hier, ein kleines Trinkgeld. "Das muß so", rätselte ich, fern eines Anfangsverdachts, darüber nach, warum der Austausch eines 60-cm-breiten Geräts gegen ein anderes 60-cm-breites Gerät zu solchen, nennen wir es geradeheraus, schrägen Verwerfungen führen sollte. Beschloß aber, dieses angebliche müssen erst einmal zu lassen.

Bis ich dann die Schublade des über Eck stehenden Nachbarschranks öffnen wollte, wo ich, falls ihr hier einmal was sucht, neben Geschirrhandtüchern all das Gerumpel aufbewahre, das in einer Küche anfällt: Batterien, vertrocknete Gummiringe, ein altes BIC-Feuerzeug, ein kleiner verchromter Haken für Handtücher, eine Betriebsunterlage, mein Sturmflutwarnfaltblatt, drei Heftzwecken, vergilbte Klebeetiketten - denn sollte ich mal irgendwann einen Gefrierschrank besitzen, habe ich immerhin schon Klebeetiketten - etwas Küchenschnur - und dazu Krimskrams, den ich im Leben nicht mehr brauchen werde. Was man halt so hat. Jedenfalls ging die Lade nicht mehr auf. Geblockt von der neuen Spülmaschine.

Das sind ja diese Momente im Leben, wenn einen plötzlich die widersprüchlichsten Empfindungen anfallen. So, wie wenn man jemanden bei einer plumpen Lüge oder einer absurden Anschuldigung ertappt, die Geliebte in flagranti oder sich selbst mit der lang gesuchten Brille auf der Nase - man weiß nicht, soll man schallend lachen, vor Wut zerplatzen oder beides. "Das muß so", murmelte ich also in einer gewissen "Is klar"-Erleichterung, darüber, daß Ursache, Fehler und Folge so rasch gefunden waren. Irgendwie fiel mir da wieder die gern erzählte Geschichte meines Einbauherdes ein und in stoischer Gelassenheit und innerem Schulterzucken holte ich den Werkzeugkoffer, schraubte - beinahe beschwingt, aber auch mit einer leisen Gehässigkeit, das Liedchen vom fröhlichen Handwerker pfeifend - die Befestigungsschrauben raus, schob die Maschine vorsichtig etwas weiter nach hinten, das Ausgleichsbrett wieder in die richtige Position - und verbrachte dann den restlichen Nachmittag damit, in einem, ich will ganz ehrlich sein, nur schwach verhüllten durchaus billigem Triumph, die Schublade immerfort rein- und rauszuschieben, dabei "DAS MUSS SO!" in unterschiedlichen Betonungen rufend.

Die Neue ist jetzt, nun ja, neu. Sie hat so eine Klaviatur aus schwabbeligen Kunststofftasten, dazu ein Display für allerlei Einstellungen und Gemütsäußerungen. Ich bin sicher, irgendwo kann die auch Radio empfangen. Ein berühmter stadionfüllender sogenannter Komiker würde sagen: "Radio. Kennt ihr vielleicht noch. So Sender mit eigener URL. Aber im Äther, nicht im Internet." Egal. Die Neue kann jedenfalls viel, aber wenn es nach mir ginge, bräuchte die das alles gar nicht. Mir reichten drei Kippschalter: Falls Mutter kommt, Komm, is OK und Für Gäste.

Wir fremdeln noch. In meinem Alter läßt man sich nicht mehr so leicht auf neue Mitbewohner ein. Ich glaube, die Neue könnte ein wenig launisch sein. In der übersichtlich gehaltenen Gebrauchsanweisung sind zwar Themen wie "Intensivzone" und "Hygiene" ("Ehe" ist dazu ja heute nicht mehr nötig) erwähnt, zugleich aber auch immerhin mehrere Seiten dem Thema "Störungen" gewidmet. Probleme hat man ja in meinem Alter nicht mehr so gerne. Nicht, daß die nächtelang Dinge bereden will, statt einfach zu Spülen. Würde ein berühmter stadionfüllender sogenannter Komiker jetzt sagen und dafür tausendfaches Gegacker ernten. Ich denke so etwas nicht einmal. Nicht mal still. Soll einfach laufen. So wie die Lady jahrelang. Ach.

(Nächste Woche dann aus der beschämend banalen Reihe Das Jahr der Großelektro: Herr Kid bekommt einen neuen Kühlschrank und beschließt, diesmal die Sache von vornherein in eigene Einbauhände zu legen. An Kaminfeuerabenden später bekannt als: "Eigenes Tun, neue Probleme.")