
Sonntag, 8. September 2013

Dienstag, 3. September 2013
In meinem neuen Tumblr-Blog Dinge, die auf Dinge geworfen wurden sammle ich Fotos von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden. Das können Gegenstände sein wie Bierflaschen oder Zigarettenschachteln, die von Fußgängerbrücken auf Vordächer geworfen wurden. Oder Münzen und Kleingegenstände, die von Kais auf Duckdalben landen. Was es halt so gibt. Die Sache fängt wie die meisten klein an. Erst mache ich hier und da ein Foto, bei denen es heißt "Wieso fotografierst du denn das?" oder auch "Was soll das sein?". Dann liegen die so rum, bilden Stapel und bald ist es eine SAMMLUNG. Bald gibt es in Hamburg, weil die Hamburger sich freuen, daß es auch mal was in Hamburg gibt, ein gewisses Raunen, unter den im Internet veröffentlichten Bildern von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden erscheinen witzige Unterschriften, Szene Hamburg berichtet, bald auch das Abendblatt.
Dann muß ich nach Berlin, Hauptstadt in vielem, vor allem auch in Dingen, die auf Dinge geworfen wurden, manche sagen sogar, janz Berlin is een Ding, das auf was anderes geworfen wurde. Ich muß aber aufpassen und schon deshalb dahin, damit nicht ein kreativer Schwabe Berliner auf die Idee kommt, diese Idee mit einer .com-Adresse und vielen Hipster-Werbebannern ins Netz zu stellen, damit auch Monopol und Art und schließlich derdiedas tip und schließlich Kulturzeit darüber berichten. So aber werde ich selbst mit dieser Idee bekannt, Tyler Sonderzeichen-Brûlée schenkt wohlwollende Aufmerksamkeit, die SZ-Online macht eine lange Klickstrecke mit vielen Bildern, Iris Radisch schreibt einen Verriss in der Zeit ("Quatsch, der mit Quatsch gemacht wird"), Felicitas von Lovenberg dagegen einen amüsierten Artikel in der FAZ. Dadurch werden auch Spon und Stern-Online aufmerksam, ein Spiegel-Redakteur veröffentlicht schnell ein Fotobuch mit derselben Idee, setzt sich damit aber nur auf dem Mitbringselmarkt der Bahnhofsbuchhandlungen durch.
Ich hingegen fliege nach New York (das ist eine Stadt in den USA), um dort zu fotografieren, denn, wie heißt es so schön, wer in New York Dinge, die auf Dinge geworfen wurden fotografieren kann, der kann überall Dinge, die auf Dinge geworfen wurden fotografieren. Das schlägt tatsächlich ein. Man nennt mich den neuen The Selby oder auch den Satorialist für Dinge, die auf Dinge geworfen wurden. Promis, auch aus Berlin, mailen mich an, um ihre von Dingen beworfenen Vordächer von mir fotografieren zu lassen. Der Rizzoli-Verlag wird aufmerksam und möchte einen Bildband herausgeben, allerdings meldet sich zeitgleich auch ein gewisser Benedikt Taschen, der bemerkt hat, daß Internet-Phänomene bislang an ihm und seinem Verlag vorbeigegangen sind.
Um den Kontakt zur Basis nicht zu verlieren, mache ich in Hamburg und kleineren Städten im Ruhrgebiet, wo seit Jahren schon Dinge, auf Dinge geworfen werden und auch liegenbleiben, launige Unterhaltungsabende in Pinten und anderen Szene-Lokalitäten, bei denen ich Dias von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden an die Wand projiziere und mit lustigen Ankedoten und Erlebnissen garniere. Mittlerweile zeigen sich im ganzen Land plötzlich Menschen Fotos von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden und treffen sich zu geselligen Abenden unter dem Motto Zeigst du mir deins, zeig ich dir meins.
Fast hätte ich vor lauter Trubel einen Anruf aus Italien verpaßt. Der Panini-Verlag ist in der Leitung, man möchte einen Sammelband herausbringen mit Klebebildchen von Dingen, die auf Dinge geworfen wurden. [aufgew.]

Mittwoch, 28. August 2013
Es galt, an der 30-Km-Marke zu kratzen. Ich weiß, das beeindruckt hier niemanden, aber man weiß ja, große Sprünge sind aus kleinen Schritten gemacht. Sonnenstand stabil, leichtes Lüftchen von achtern (meinem Rad fehlt ein Windmeßgerät, sonst zeigt der kleine Computer am Lenker ja alles mögliche an), auf gehts also mit gleich zwei geöffneten Hemdknöpfen (Hipster nennen es casual sunday) Richtung Wilhelmsburg. Letztes Frühjahr war ich zuletzt dort, und seither hat sich einiges getan. Seit Aufhebung des Freihafengebiets wurden nämlich die Grenzzäune entfernt. Jetzt kann man von der Veddel aus auf der asphaltierten Deichkrone bis ins alte Zentrum fahren. Immer schön am Wasser entlang, manchmal auch dazwischen, an Liegewiesen und Hausbootanlegern vorbei. Wer schauen will, macht einfach eine Pause auf einem bequemen Stück Deichmöblierung.
Aber auch dafür habe ich, wie für viele andere Dinge übrigens, keine Zeit, denn wie heißt es so schön: Im Leben warten die Liebe und ein Luftschiff nicht ewig. Schreibt euch das in eure Expeditionstagebücher. Meine eigene führte mich weiter über eine mittlerweile gut ausgebaute Fahrradstraße (!) zur S-Bahnstation. Dort war, eher zaghaft angekündigt durch die Internationale Gartenausstellung, ein mit Pflanzenkraft betriebenes Luftschiff aus Nantes gelandet.
Genau.
Gut, vielleicht sollte man das näher erläutern, sonst glaubt mir wieder kein Mensch. Wie nicht nur entspannte jüngere Menschen oder auch Alt-Hippies wissen, ist "Flowerpower" oder "Blumenkraft", wie die Romantiker unter uns sagen, nicht nur als Königsweg zur Antriebslosigkeit bekannt. Findige Ingenieure und Wissenschaftler aus besagtem Nantes sind daher weltweit unterwegs, um Phytokräfte in aufwendigen Experimenten zu untersuchen. Nantes, das wißt ihr alle, ist die Geburtsstadt Jules Vernes, der in zahlreichen Sachbüchern weit zahlreichere wegweisende Erfindungen und wissenschaftliche Phänomene beschrieben hat. Ihm zu Ehren gibt es ja die berühmten und, jetzt ganz ohne Schmäh, wunderbaren Machines de l'îsle, die ein paar seiner Ideen aufgreifen. Riesige Puppen, Elefanten und andere mechanische Wesen.
Ein unerschrockenes Team aus Nantes ist also den Weg nach Hamburg geflogen, hat sein Botanik-Luftschiff sicher in Wilhelmsburg gelandet, dort Expeditionszelte, Labortische und retrofuturistische Instrumente aufgebaut, um allerhand wichtige Untersuchungen an der norddeutschen Pflanzenwelt durchzuführen. Ich habe mir heimlich ein paar Notizen gemacht, sauber abgeskribbelt in mein Expeditionstagebuch. In den nächsten Wochen, sobald mein Labor umgebaut ist und ein paar ordentliche Spätsommergewitter niedergehen, werde ich meine eigenen Geschöpfe schaffen. Eine Armee.

Montag, 26. August 2013
Am Wochenende feierte das Hamburger Gängeviertel den bereits, Kinder wie die Zeit vergeht!, vierten Geburtstag. Vier grimme Winter also überstanden und zähe und zahllose Runden schwierige Verhandlungen mit Stadt und Behörden bislang unbesiegt überlebt. Neben zahlreichen bekannten und auch guten Menschen, bin ich mittlerweile Mitglied der Gesellsch Genossenschaft und gratuliere daher nicht nur herzlich, sondern kam auch noch vorbei. (Ich würde ja auch Schiffstaufen machen, Glück, Glas und Porzellan zerschlage ich schließlich gut, warum nicht mal Flaschen.)
Jetzt aber hieß es Lieder singen, Kerzen auspusten, in der Sonne sitzen und Ausstellungen anschauen. Hübsch sind die Sachen von Markus Mross, der retrofuturistische Mensch-Maschinen-Visionen als Siebdrucke auf verschiedene Träger bringt. Holz, Papier, so was halt. Das sieht ein bißchen aus als hätte Max Ernst Ideen von Jules Verne umgesetzt, es sind Zukunftsvorstellungen der vorletzten Jahrhundertwende, Frauen mit mechanischen Greifarmen, von Robotern gezogene Badewannenfahrzeuge, Dinge und Konzepte, die man halt im Haushalt braucht und von daher topaktuell. Zur Ausstellung ist ein kleines Buch im Pixie-Format erschienen, und auch für die Bilder gilt: Kunst kann man auch kaufen!
("Martin Mross: Zurück in die Zukunft". Hamburg, Gängeviertel: raumlinksrechts. Bis zum 7. September 2013.)

Sonntag, 25. August 2013
Entschuldigung. Ich war gerade 305 Minuten abgelenkt. Und muß nun erst einmal Luft holen. Und das Licht anmachen. Und die Türschlösser kontrollieren. Und dann meine Empörung eindämmen. Ich meine, das können die doch nicht machen!
Die BBC meine ich. Ich habe jetzt hier die DVD vor mir liegen mit allen fünf Folgen von The Fall. Es gibt ja viele neuere, sehr spannende Krimiserien. Ihr kennt die alle, seid Fans von den Skandinaviern und den US-Amerikanern und den Briten, berichtet von neuen Erzählformen, nie gesehenen Brutalitäten und großer Lebensechtheit. Aber in The Fall spielt Dana Scully Gillian Anderson. Gillian Anderson also spielt eine Polizeikommissarin in Belfast (BBC Northern Ireland hat produziert), die eine Sonderkommission leitet, nachdem klar wird, daß eine Handvoll Frauenmorde in der Stadt zusammenhängen. Ein Frauenmörder also. Und Dana Scull Gillian Anderson.
Ja, die Serie ist sehr brutal. Dabei gibt es nur wenig Blut zu sehen. Und keinerlei Mystery-Mumpitz. Die Spannung und der Grusel stammen eher aus der allgegegenwärtigen kalten Berechnung, der fast nüchternen Konsequenz, mit der die Taten vorbereitet und durchgeführt werden. Mit allem Ächzen und Gurgeln und Stöhnen. Töten als finstere, aber emotionslose Arbeit, nicht als Kunstform, wie es so oft im Film vorgeführt wird. Eine Kälte und Präzision, die aber auch auf Seiten der Polizei herrscht. Detective Super Intendent Stella Gibson (
Dana Scully Anderson) agiert fast emotionslos, ist in charge, führt ihr Team mit klaren, präzisen Anweisungen, versucht sich in den Täter zu versetzen, sammelt akribisch die wenigen Spuren, die es gibt. Die Atmosphäre ist geprägt von großer Tristesse. Keine pittoreske Morbidität wie in Sieben oder dem Schweigen der Lämmer. Über der Serie hängt die grau-braune Trostlosigkeit Belfasts, die latente und hier und da eruptive Aggression in den Reihenhaussiedlungen, die alltägliche Gewalt in Familien, das mickrige Sterben in Krankenhäusern, das Milieu aus Korruption, Prostitution und Drogen als Nebenstrang - und mittendrin ein Mörder, dessen Handeln in vielen geschickt gegeneinandergestellten Szenen parallel zur Ermittlungsarbeit der Polizei zu sehen ist.
Beklemmenderweise ist der Mörder derjenige in dieser deprimierenden Gemeinschaft, der Emotionen zeigt, zarte Gesten zuweilen, befremdend, es macht ihn nicht sympathisch, denn man weiß, wie selbstbezogen all seine angebliche Empathie im Alltagsleben ist. Doch die Beziehungen der anderen Figuren ist nicht anders durch Nutzen und Benutzen geprägt, auch bei Scully Gibson, die sich gleich zu Beginn einen Liebhaber nimmt, zur unsentimentalen Ablenkung und die dabei kühl, desinteressiert und unnahbar bleibt.
So aber auch die Polizisten mit ihren kriminellen "Nebengeschäften", ihren Verstrickungen in den politischen und religiösen Auseinandersetzungen in Nordirland. Ein vermintes Terrain für Verbrecher und Polizei, wenn sie durch regennasse, nächtliche Straßen schleichen, immer darauf bedacht, im richtigen Viertel zu sein. Glücklicherweise aber ist die Serie mit solchen Subtexten nicht überfrachtet, es sind Andeutungen, Stoff vielleicht für später. Sollte man das Atemanhalten während der fünf Folgen überleben. Oder sich aus dem Haus trauen. Oder überhaupt ins Haus.
So. Und jetzt kommt nämlich die BBC und lässt die Staffel mit einem Cliffhanger enden, der einen über Monate nicht ruhig schlafen lassen wird. Ich habe die fünfte Folge aus Versehen noch mal gestartet, weil ich dachte, ich hätte mich vertan. Aber nein, es ist der Clifffhanger. Da sitzt man dann mit halb ersticktem Schrei vor dem Bildschirm... aber nein, ist Ende jetzt. Erst im Januar 2014, das ist im nächsten Jahr, beginnen nicht etwa die neuen Ausstrahlungen, nein überhaupt erst die Dreharbeiten zu einer zweiten Staffel! Januar! Bis die fertig sind, ist es März. Dann Post-Produktion, nationales und internationales Marketing, dann ist schon Sommer und erstmal die Midem oder was weiß ich. Dann startet die erst im Herbst! Das können die nicht ernst meinen, können die? The Fall. Fünf Folgen. Nehmt euch gleich 305 Minuten Zeit.
>>> Trailer

Donnerstag, 22. August 2013
Aaaah, das ist jetzt wie früher als die meisten Blogger nur schwer angeheitert und bacardibefeuert ein paar Sätze in ihr Textfeld kloppten. Eigentlich haben wir das alle über die Jahre verlernt, was auch mit dem Trink- und Berauschungsverhalten zu tun hat, seit alle nur noch von Ingwer, Hanföl und frischen Salaten leben.
Ich war heute mal wieder in Hamburg engsten und dunkelstem Club, dagegen ist diese Stahlkang-Party aus der Markthalle nix. Junge Frauen am Eingang boten mir gleich flüssige Drogen an: Diazepam? flüsterten sie, und ich sage da längst nicht mehr nein. Wieviel ich brauchte? Ich nehme alles, sage ich jovial, und die Ärztin lacht und meint, geben sie dem mal 30. War so einer dieser Abende. Wo für Stammgäste alles aufs Haus geht.
Und ich muß sagen, 30 sind der Knaller. Dreiviertelstunde später wanke ich auf die Straße und habe das dringende Bedürfnis, auf die Köhlbrandbrücke zu schleichen, mich dort nackt auszuziehen, die Arme auszubreiten und "Ich bin der König der Welt!" zu rufen.
Ich war heute der letzte Patient am Abend, die haben noch Termine bis nach 21.00 Uhr. Die Stimmung ist dann schon angenehm gelöst, es werden Witze gemacht, die Assistentin sagt ihre Sprüche auf, Faust ballen, das wird jetzt kalt, das piekst jetzt, ich fahr sie auf dem Wagen rein und raus, hier ist die Notklingel..., und ich sage, das ist ja wie im Flugzeug hier, beachten Sie bitte die Notausgänge, bei Druckabfall in der Kabine lösen sich die Sauerstoffmasken... Wir lachen als hätte ich einen Knallerwitz gemacht, ich summe still für mich Blondies alten Hit "I'm On E, I'm On E...", dann habe ich schon diese Lärmschutzkopfhörer auf und schwupps geht's in die Röhre.
Ich merke gleich, die Dosis ist aber wirklich reichlich, ich hatte die Dame beim Tropfenzählen aber auch ein wenig abgelenkt, ein koketter Spruch hier, eine launige Bemerkung da. Ich bin ein alter Mann, mir nimmt man das nicht mehr übel. Den Rest hat sie einfach gekippt. Glaube ich. Durch die Kopfhörer Schredder und Schrotter, schön rhythmisch bisweilen, man möchte Headbangen, aber die wollen ja in meinen Kopf gucken, die kleinen bösen Dinger zählen und schwärmen von meinem riesigen Empathiezentrum.
Dengdengdeng, dieser Maschinensound ist wirklich amtlich, man müßte so was mal leicht auf die Bühne bringen, denke ich beschwingt und zugleich, meine Fresse, die haben mir da heute aber echt was eingeflößt. Viel zu schnell ist alles vorbei, CD ist auch schon fertig, kaum habe ich mich notdürftig wieder angekleidet. Oder waren das andere Hände? Leider sind nur Bilder drauf, kein Sound, wegen der GEMA sicher wieder, das muß ich monieren. Wacklige Knie, das Gefühl, ihr könnt mich alle mal schön und auch kreuzweise und lustig ist das auch und ich will unbedingt jeden Morgen vom Arbeitgeber einen kleinen Löffel. Zur Verbesserung des Betriebsklimas. Morgen sage ich dem Chef die Meinung, aber so was von. Ich gehe jetzt Bett. Mir doch egal.

Montag, 19. August 2013
Jewish Care - Pearls of Wisdom
Montag. Der Tag in der Woche, an dem man über die Woche nachdenkt. Manchmal schon über die nächste Woche. Oder sogar über den großen Rest. Ich für meinen Teil kann mit den Worten der berühmten Rheinländer sagen, ich kenne das Leben, ich bin bei Vimeo gewesen. Die meisten werden es ebenfalls bereits kennen, der Film ist schon zwei Jahre alt. Ab und an aber darf man sich ruhig daran erinnern lassen, wenn man den eigenen Eltern schon nicht zuhören will. Also Achtung, kurz mal die Longboards anhalten: Diese älteren Damen und Herren haben wichtige Botschaften zu überbringen.
