Donnerstag, 28. April 2011


Mad Kid



(Ich habe eigentlich überhaupt keine Zeit und ganz viel zu tun, weshalb ich als allererstes, sozusagen zum Warmwerden und Fingergelenke beweglich machen, so ein Mad Men-Bildchen erstellen mußte, auch wenn das jetzt wieder Zeit gekostet hat, die ich eigentlich nicht habe. Das Gemälde heißt: "Warte, ich wollte doch noch unser Lied spielen!" und stammt aus meiner frühen, von Roy Lichtenstein und vielen Niederlagen geprägten Zeit. Herr Prieditis kann das besser.)

via Mad Men Yourself


 


Mittwoch, 27. April 2011


Ostern ohne Feuer



Also folgendes, man denke sich das so in der Kurzversion: Herr Kid versucht, Frau Gaga Obstblüten mitzubringen und kommt auf den Hund. Nachdem es zuletzt nämlich nicht mit dem Übersetzen ins Alte Land geklappt hat, unternahm ich es nun, weiter östlich den Stadt- und den Weltkreis zu befahren und der Frau Gaga die blaue Blume der Ostbaumblüte zu fnden. Das Spadenland ist da allerdings nicht so ergiebig, der Rhythmus aus Deiche, Felder, Deiche, Felder wird dort eher von dem ein oder anderen Windrad synkopisch durchbrochen, denn von einem Apfelbaum.

Dafür schießt ein kleiner aufgebrachter Hund aus einem Wohnmobil, dem Radler nach der Wade schnappend, verfolgt von einem Rentner mit hochrotem Kopf. Warum, schreit er, man nicht anhalten würde. Und, noch nie in freier Wildbahn, sondern immer nur im schlechten Sketch gehört, auf meinen Protest und Vorhalt setzt er tatsächlich nach mit: Der wolle "doch nur spielen". Allein dafür lohnt es sich ja schon, ab und an wenigstens die heimische Bibliothek und Dunkelkammer zu verlassen und auf Menschen in der sogenannten Realität zu treffen. Demnächst, ich bin fast sicher, werde ich irgendwo unten am Deich auf eine Mario-Barth-Type stoßen (haha, "stoßen"!), der mir was von einer gewissen "Uschi" erzählen will. Hömma.

Zuerst aber betrat ein weiterer Hunderentner die Bühne und behauptete, ich hätte den Hund ja "selbst herangepfiffen". Was für ein gut erzogener Hund, denkt man still bei sich und mit augenrollendem Blick zum Himmel, läuft in Radfahrer, läßt sich von Fremden heranpfeifen... innerlich aber habe ich mich in solchen Momenten längst zurückgelehnt, weil ich denke, daß ist jetzt ein absurdes Theaterstück, schreib mal schnell die Dialoge mit, gleich erzählt jemand was von Nashörnern, die auf einen gewissen G. warten. Pfiffe also. Tinnitus vielleicht oder ausgedehntes Sitzen in der Sonne, ohne Obstbäume fehlt es dort eben auch an Schatten.

Ringsum zudem eine Badeseestimmung: eine ins Endlose geparkte Autokarawane, Ostermotorräder, auf dem Uferstreifen Decke an Decke an Decke. Der Mitmensch als seine eigene soziale Plastik am Wegesrand, aber ohne weitere Wärme.



Mit der schwimmenden Tanzdiele durch den nächtlichen Hafen, andere Eindrücke, andere Spacken. Durch einen Studenten, Ende 20, Typ Sauberbravgeleckt, letzteres aber nur von der hütenden Mutter und einem spuckegetränkten Taschentuch, spricht sein eigener Vater, Typ BenzvorderTür. Die Freundin deutet ans Ufer, fragt, ob es Hausboote seien, er antwortet wie fest ins verengte Weltbild gemeißelt: "Das sind so Spinner." In Fahrt gebracht, moniert er die angeblich "katastrophalen hygienischen Zustände an Bord" und kommentiert die hier und da im Hafen untergebrachte Aktionskunst mit "entartet". Zum Glück macht seine Freundin eine spitze Bemerkung, so daß bald Ruhe eintritt, während ich schon denke, noch ein Wort, Junge, und du gehst über Bord. Ist Hamburg hier, das geht ganz schnell.

Die Ufer sind dunkel, nur vereinzelt schlackern kleine Feuer durch die Nacht. Mich hält die Reling fest und die Sehnsucht über Wasser.

>>> Vamos!


 


Samstag, 23. April 2011


Elbe abwärts



Der Plan, die Fähre nach Cranz nehmen, erwies sich als wenig originell. Zu viele Leute wollten offenbar im Gänsemarsch durchs Alte Land, die Obstblüte gucken, die Fähre also ward bald mit Rädern und Menschen gefüllt, die Skipper zuckten bedauernd die Schultern, legten ab und ließen eine weitere Schiffsladung Fahrgäste am Ufer zurück. Kurzentschlossen also Pläne ändern, Lenker drehen und weiter die Elbe hinunter: Die Begleitung macht Tempo, aber die hat ein federleichtes Diamant ("Diamonds are a Girl's best Friend"), während ich mit Sack und Pack beladen bin wie der sprichwörtliche Esel.

An den Schafen vorbei, die träge in der Sonne standen. Statt Obstbaumblüten buntmarkierte Lämmer, über holprige Wege weiter voran, Gatter öffnen, Gatter schließen, ein Picknick im Schatten des Kraftwerks. Verstehen, wie ein Tsunami funktioniert: Durch den Sog der großen Schiffe zieht sich das Wasser der Elbe plötzlich weit zurück, legt wie bei Ebbe Schlick und Sand frei, um dann in vier, fünf großen Wellen unerwartet weit aufs Ufer zurückzulaufen.

Abends alles friedlich, die Touristen sind weg. Nur noch die Schafe liegen dösend auf den Wegen, Restwärme tankend.


 


Dienstag, 19. April 2011


Pina

Mein erster 3D-Film. Ich dachte also, legst du mal diese Skepsis ab, den bloß emotionalen Vorbehalt gegen diesen "affigen, neuen Technikscheiß". Ja, man kann diese Brille über der Brille tragen und ja, der Effekt funktioniert, aber dies festzustellen bin ich wohl wahrlich der letzte.

Wie also die Tänzer sich herausschälen aus der Dunkelheit des Bühnenraums, wie sie sich aus den Zuschauerrängen herauszuschwingen scheinen, das ist schon imposant. Mir gefällt, daß es nicht um einen Effekt des Effekts willen geht, ein billiges Prahlen mit dem Überraschungsmoment der Zuschauerverblüffung. Wir erleben eine haptischere Version einer, wennauch inszenierten, Wirklichkeit, man taucht ein in die Bewegung auf der Bühne, gleitet förmlich selbst zwischen die fließenden Körper, sieht deren Rundungen und Ecken, das Hervorwölben von Muskeln und Anspannen von Sehnen.

Das polternde Stühlerücken in Café Müller, die Frühlingserweckungen, die Wasserschlachten und das Ringen mit den Elementen, man schubbert beinahe selbst seine Nase dran. Zum nur leicht sentimentalen Überbau, den Erinnerungen an Pina Bausch, die Schockstarre des Ensembles nach ihrem unerwarteten Tod, fügt sich für mich ein Blick auf die Stadt, deren Sommer mir fremd geworden sind. Seit 15 Jahren bin ich nur im Winter da, zu Ostern, aber nie mehr im Sommer, wenn die Sonne nach wochenlangem Brand die Grasflächen braun und ocker und gelb verdorrt hat, die Wellen des Flusses glitzernde Funken werfen, die Hausfassaden grell das licht zurückwerfen auf schäbigen Beton und die kühne Fassade des Schauspielhauses, auf die Ornamente der Bürgerhäuser und die quietschenden Wagen der Schwebebahn.

Wenders, der sich unerwartet und angenehm zurückhält, beinahe nicht kenntlich wird, als seine oft irritierene Selbstinszenierungsfigur zurücktritt hinter die schlafwandlerische Grandiosität des Ensembles, den berückenden visuellen Ideen, den Körpermetaphern des Tanzes, holt einzelne Szenen heraus in die Stadt, an altbekannte und verbotene Orte, an Steinbrüche und Verkehrsinseln, in rostige Fabrikanlagen und lichtdurchflutete Plätze, zieht die Tänzer hinein in die Schwebebahn, die dort dann mit viel Humor die tiefenversenkten Seiten des gemeinen Wuppertaler spielen.

Kein Film vielleicht für Freunde von schwarzen und weißen Schwänen, für Spitze, Tata und Tütü. Ein Film für Entfesselungskünstler, über die Möglichkeiten von Aufbruch und Ausbruch, Verlangen und elementaren Sehen. Für die Liebe, woll?

(Pina - tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren. (D 2011). Regie: Wim Wenders)

Super 8 | von kid37 um 12:50h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 15. April 2011


Wir sind alle ramponierte Sterne



Runter die Straße, Achtung Kopfsteinpflaster. Mein Himmel gekränkt, so ein Geruch von ungefähr an den Fingern, man will es nicht wissen. Ich zähle auf: Stich für Stich und Schnitt für Schnitt und Beule für Beule. Ein Auto weht Musik herüber, ein Pumpen und Drängen aus der frischgewaschenen Hamburger Nacht, der Atem versteift, es hat lang schon nicht mehr geregnet kurz bevor der Morgen kam.

Damals also, ich fuhr mit fremden Autos durch die Nacht, zog an fremden Zigaretten, krauchte in fremde Pullover, lutschte an fremdem Kaugummi. Wir stahlen uns Bedeutung, schlürften fahle Morgensonne, verbrannten Beton und falsche Utopien, küßten uns im Schatten der Industrieanlage, drehten unsere Schuhspitzen in Pfützen von Benzin, dachten an ein später, das gestern bereits war.

Damals, mit dir, wollte ich alles stehlen. Das Oben, das Unten, den Glanz und den Zuckerguß für unser Stück vom Kuchen, für die Blicke unter schräg geschnittenen Haaren, dem Hallo unter Nebelmaschinen.

Leisere Parole also, den Kofferraum voll mit Gelumpe der Vergangenheit und ein Leben nun im comme ci, comme ça. Die Alterskrankheit des mal-so-mal-so, diese Münze mit zwei Seiten, und heute weinst du, morgen lachst du, und alles und auch das andere läßt sich immer auch mal anders sehen. Mal bist du oben, mal bist du unten, Tralala, du buntes Karussell. Hinter jedem Ende wartet eine offene Tür. Und auf Regen folgt einfach noch mehr Regen.


 


Mittwoch, 13. April 2011


Melodramen

Von meinen bislang 37 Romanen hat sich ausgerechnet Wer liebt den Wasserfall, wenn er ganz unten ist? am besten verkauft. Ein kitschiger Schinken, eine Gelegenheitsarbeit, gespickt mit Kalendersprüchen und abgewandelten Benjamin-Franklin-Lebensweisheiten, die mich wie lästige Fliegen umschwirren und ebenso schwer abzuschütteln sind.

Trost allerdings spenden sie mir in diesen Tagen, alldieweil die elektrischen Rechner in meinem Haushalt sich wie trotzige Teenager aufführen, wichtige Betriebsbestandteile vor mir verborgen halten und steif und fest behaupten, von einer Veranstaltung namens "Internet" noch nie etwas gehört zu haben. Wenn ich darum bitte, im virtuellen Haushalt mitzuhelfen, den Blogmülleimer runterzubringen beispielsweise, neue Fotos einzukaufen oder eine MP3-Datei fürs Abendbrot vorzubereiten, heißt es nur Pfff, es wird gelangweilt an der Festplatte gedreht oder sie vor meinen Augen aufreizend und provokativ hochgejault, daß man gleich schimpfen möchte, He, laß das bitte, die geht kaputt, aber man weiß ja wie das ist mit pubertierenden Systemen: schreit man sie an, schreien sie bloß lauter.

Mit Hilfe der therapeutisch arbeitenden Super-Nanny Linux allerdings, eine warmherzige Mama vom Stamme der Ubuntu, die mit gütigen Händen und erstaunlichen Einblicken in die vor den erziehungsberechtigten Administrationseltern verborgenen Systemdateiwinkel der Windowsseele dem verbockten Familienmitglied das ein oder andere bedrückende Problem entlockt und mit ein, zwei, drei Kopierschritten wieder geraderückt, ist immerhin bereits so etwas wie Friede am Frühstückstisch zurückgekehrt. Zersplitterte Ini-, Def- und Sys-Dateien liegen zerschlagenem Geschirr gleich noch herum, dafür sind die offenbar zum Haarefärben zweckentfremdeten guten Handtücher nur leicht lädiert im Schrank wieder aufgetaucht.

Kurz gesprochen, die Rechenmaschinen benehmen sich wieder einigermaßen wie verläßliche und nicht nur von Launen gesteuerte Mitglieder meines kleinen Haushaltverbunds. Ein bißchen Aufräumen, vielleicht noch einmal väterlich über diese merkwürdige Frisur reden oder den pöbelhaften Ton, der sich hier und da noch einschleicht, dann aber heißt es hoffentlich bald wieder, wir sind one family, ein Team und können bald gemeinsam wieder diese kleine Bloghütte befüllen.


 


Montag, 11. April 2011


...a hell of a tester

Zuletzt wieder Schüsse hier im Ghetto, nachdem neulich erst einer seinen Wagen nach einem während der Fahrt erlittenen Kopfschuß in die benachbarte Grünanlage lenkte. Von wegen Rentnerviertel. Diesmal ist alles noch schlimmer, "Beziehungstat" sagt man dann, und: er war so ein harmlos wirkender, unscheinbarer Nachbar, und man fragt sich, wann endlich diesen "Sportschützen" die Knarren abgenommen werden.

Vor zwei Jahren wurde im Parkhaus des gegenüberliegenden Fitneßstudios auf einen Luden geschossen, später feuerte einer mit einer MP auf der nahen Tankstelle herum. Ein Nachbar ballert manchmal nachts raus auf die schlafenden Enten unten am Kanal, das wiederum hat fast schon so was folkloristisch-hinterwäldlerisches, demnächst wird er auf seinem Balkon Eichhörnchen grillen.

>>> Ria van Dijk sammelt seit 1939 bis ins hohe Alter ihre Selbstporträts vom Foto-Schießstand auf der Kirmes.