
Mittwoch, 21. Oktober 2009

Mod-Explosion, trop cool. Hin und wieder fragt man sich, ob in dieser Stadt manches nicht vielleicht auch ein Stück zu zuckersüß ist. Immerhin zieht ein munter ironisch bis sarkastischer Humor wie ein Kettfaden durch scharf geschnittene Anzüge, kaum blogbar diese warmherzige Schuftigkeit, die immerhin als einzige feststellte, wieviel traurige Liebe selbst im Kugelhagel manchmal steckt. Don't cry/Don't raise your eye/It's only Teenage Wasteland (The Who, "Baba O'Riley").
"Zu subtil", schrieb ich an andere Adresse. Aber wie laut hätte es sein können, wie laut die Frage, die Klage, die Ohrfeige, drei Tage kaum hörbar hinter dem klimpernden Glasperlenvorhang. Ohne Antworten bleibt manches undurchschaubar wie die Türpolitik zu einem angesagten Club. Can't Explain.
[...]
Die ungeschriebenen, gelöschten, ge-offten, gestrichenen, zerknüllten und verworfenen Sätze. Die aufgebrauchten Erinnerungen, die man glücklich zurücklassen muß, weil die eigene Kammer, der Kragen, das alte Leben zu klein geworden sind, man schlicht - und vor sich selbst fast unbemerkt - tatsächlich umgezogen ist. Auf Zweitaktern nämlich, kleinen pochenden Motoren; diese putzige Unbeholfenheit, die einen in Fahrt bringt, umstandslos und mit dem sorglosen Mut zur Peinlichkeit. Wenn man nicht heimlich mit anderen tanzen geht und nichts, aber auch nichts in Anführungszeichen setzen will. Die Idee vom Resonanzraum schließlich. Die Echokammer, in der manches nur widerhallt und anderes nimmer.
Wie ich verblüfft aus einem Fieberschlaf erwachte, bloß um wie im Fieber zu sein. Dieses Nachdenken plötzlich. Über Ausrufezeichen. Très cool.
>>> Geräusch des Tages: The High Numbers, Gotta Dance To Keep From Cryin'

Samstag, 17. Oktober 2009

Ich möchte Mitteilung machen über Ereignisse des nächsten Monats. Wenn meine halbe Blogroll, sozusagen das Tympanon (tolles neues Wort) der mit dem in dem hierzulande sichtbaren Teil des Internets verbundenen Ins-Netz-und-woandershin-Schreiber eine Lesung macht, wird es Zeit, sich Gedanken über die Abendgarderobe zu machen, in ein Boot zu steigen und wie quer durch ein Bild von Böcklin durch den herbstlichen Nebel zu rudern.
Wer fehlt, den schreibe ich auf.
Mit Henrike, Isa, Mek und Merlix.

Freitag, 16. Oktober 2009

Manch einem wurde schon durch eine störende Fliege der leckerste Kirschkuchen verdorben. Ich für meinen Teil kann es nicht leiden, wenn mir ein Rasanzfahrer durch die Tortenglasur fährt und einem Schlittschuhläufer gleich seinen verschrammte Spur durch den schönen Glanz zieht. Gerade will ich nämlich anfangen, darüber zu dozieren, wie die Stadt ihr ganz eigenes, und zwar auf menschliches Maß reduziertes, Tempo habe, da wird mir mit dem ganz eigenen Schmäh feixend das Gegenteil bewiesen. Laßt den Piefke mal reden, denken die sich, wie immer höflich und mit gespannt lauschenden Gesichtern, während ich mich in munterer Ernsthaftigkeit um Kopf und Kragen und Halsschlagader plaudere.
Wie langsam die Bilder ihren Platz finden, sich zurecht und in die eigene Ordnung fügen. Wie überall und hinter einem und um einen herum Tempo und Bewegung ist, während man selbst nur ein wenig Atem holt, nicht so viel strampelt, den Wetterbericht liest und den Kuchen auch ißt.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Als munterer, aber festfrei festgeketteter Fabrikarbeiter im Weinberg des Herrn schaue ich oft ab und an aus dem Fenster in die bereits winterliche Sonne, bloß um mich hinaus zu wünschen, weg von der rostigen Werkbank, hinein in die raren, klaren Augenblicke des Tages. Nicht einmal dazu reichte der Herbst bislang, Drachen steigen zu lassen, durch trockene Blätter zu rascheln, reife und brüchige und die nun selten gewordenen frischen Dinge zu sammeln. Sind wir nicht deshalb überhaupt da? Jemand ruft "Balance!" Ein anderer "Vorsicht an der Kohlenrutsche!" Wie schwarz dann die Finger sind, wenn ich die frischausgedruckten Quittungen in Händen halte, statt Herbstlaub, und den Graphitstaub betrachte, die Späne, die mir am Ende zur Verfügung stehen. Sicher. Wären die Finger rot bei solcher Betrachtung, man hätte ganz andere Sorgen.
Unsere kleine Arbeitsbrigade hört sich derzeit an wie die Frühstücksterrasse eines Lungensanatoriums. Einige behaupten gar, sie seien krank. Schauspieler, allesamt Schauspieler. Sie wollen sich hinausstehlen, in die Wälder, die Sonne, an die frostigen Ufer. Schmähgesänge werden sie singen, dort zwischen Laub und Pilzen und trockenen Zweigen, und mit Spott an Tisch No. 37 denken, dort, wo ich sitze und schmirgel und feile und bohre. Denn ich, ich rauche ja nicht, ich bin gesund für ein Dutzend Mann.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Vielleicht ein bißchen viel auf die Lampe gegossen. Wehmut trinken, Skulpturen schichten, mit dem scharfen Messer Haut um Haut abziehen bis hinab zum frischeren Ich. Dabei aber immer Massel gehabt, und schon begleitete ich mich selbst morgen & launig, man schiebt bereits wieder Atemwolken vor sich her, ins Labor. Heute empfängt nicht die mit der rasanten Frisur und den radioaktivblauen Augen, die das Blut am liebsten wohl mit den Zähnen aus der Halsschlagader ziehen würde. Ihre Kollegin aber, nur minimal bodenständiger, mir muß man nichts erzählen, verteilt Segen und Komplimente. "Diese Venen!" ruft sie entzückt und bremst sich nur knapp, nicht wie beseelt mit den Fingern über das blaue Liniengeflecht auf meinen Armen entlangzufahren. Immerhin damit könne ich dienen, biete ich an. Ich sei ein "sportlicher Typ", versteigt sie sich in Aberwitz. "Ruderer!" kontere ich, während sie ihre Gerätschaften sortiert und Mutmaßungen über mein Alter anstellt. Bitte nicht, sage ich. Man sollte sich nicht zu früh der letzten Geheimnisse entkleiden. Die Gemeinschaftspraxis ist groß, aber dennoch erinnert sie sich an mich, während sie die Kanüle durch meine Haut schiebt. Irgendwas mit Gartendekoration mache ich doch, hakt sie nach. Und ob das nicht anstrengend sei, schließlich gäbe es ja auch so viel Häßliches in diesem Bereich. Man könne es sich nicht aussuchen, versuche ich es entgegen meiner Art diplomatisch, das sei wie bei ihren Patienten auch. Sie nickt und spricht weiter mit mir, damit ich ihr nicht vom Stuhl falle. Kardiopulmonale Reanimation am Morgen schon kann einen ganzen Tag so belastend machen. Röhrchen um Röhrchen füllt sie so, während ich ihr weiter die ästhetischen Kategorien für frohes Werken auseinandersetze. "Wirklich schöne Venen", haucht sie am Ende und beginnt, mit einem Tupfer und einer Meterrolle Tape, den kleinen Einstich abzukleben, Schicht um Schicht, als hätte sie eine große Wunde gesehen. Als wolle sie einen Schirm basteln.

Montag, 12. Oktober 2009

Wenn ich im Leben eins begriffen habe, dann, wie alles mit allem zusammenhängt. Während ich also im strömenden Regen zum Lebensmittelmarkt ziehe, begegnet mir einsam am Straßenrand ein totes Kaninchen, das glasigen Auges und nass wie eine Katze bei Hemingway im Grase liegt. Ich werde noch darauf zurückkommen. Abends dann, ich springe jetzt wie ein Hasenartiger über den Assoziationsrasen, zu Schlingensief, ein Benefizabend für sein Afrikaprojekt. Ich bin dem Mann ja auf vielfältige Weise verbunden, was im Detail auszuführen jetzt aber die Dimensionen eines Schlingensiefabends sprengen würde. In gefühlten fünfeinhalb Stunden führte er das Publikum durch einen launigen Abend, eine Kreuzfahrt durch den Kosmos Christoph, und ja, es waren einige ermüdet, genervt, enttäuscht vielleicht, aber die meisten hätten dem charmant-humorvollen Parcoursritt durch Kunst, Leben, Krebs und Zukunft noch bis in das Morgengrauen folgen wollen. In einem endlos mäandernden Bewußtseinsstrom plauderte er über das Woher und Wohin (aus den Flitterwochen, demnächst wieder Röhre, aus Gründen), nahm seine Tablette, redete dabei aber schon weiter über die Zustände in Berlin, den Öko-Familienterror vom Prenzlauer Berg, die "Künstler-" (bitte mit Anführungszeichen) dort und Vernissagenkultur, die Freundinnen, seine heldenhafte Arschlochigkeit, das Versagen, das Scheitern, die schlechten Filme und immer irgendwie halbgeglückten Projekte. Wie er seine Freundin noch auf der Berlinale verließ, weil sie ihn nicht verteidigen mochte (immerhin, sie ist den Kritikern nicht um den Hals gefallen, da hätte es schlimmer kommen können, sag ich mal), die bescheuerte Vorstellung von Loyalität also, wie aber dann Ms Swinton ("klingeling") in sein Leben trat, sie heulend durch Berlin stapften, in die Arme von Udo Kier, "United Trash" (blöderweise der einzige Film von Schlingensief, den ich hier auf Video habe), überhaupt Filmförderung, Doris Heinze (Danke, Christoph!), Grüne, Piratenpartei (Danke, Christoph!) und natürlich "Chance 2000", Wolfgangsee, und immer wieder Wien. Die Container, die "Ausländer raus"-Aktion, Du Künstler!, das Scheitern und dann doch nicht Scheitern, was ich ja überhaupt so großartig an ihm finde: das Machen, das Tun, der intensive Wille, das rastlose Vorwärts, das für buchhalterische Bedenken keinen Raum findet. Er hätte auch Blogger werden können, mit seinen Fragmenten, den Versuchen, den retrospektiven Erkenntnissen, wieviel Mist man links und rechts produziert. Blogger, hätte er nicht das Theater gefunden, die Bühne als Ort vor dem Archiv, als unredigierter Platz vor der Druckreife. Vielleicht sollten Blogger statt der Politik besser die Theater erobern. Schlingensief parodiert Kollegen, Zadek, genial, bekräftigt seine Liebe zu Dieter Roth (Danke, Christoph!), Beuys, überhaupt, die Liebe, und landet endlich in Bayreuth, dem einzigen Kosmos, der möglicherweise noch durchgeknallter ist als die Welt des Chr. Sch. Und um den Kreis zum Anfang zu schließen: Während über ihm auf einer riesigen Leinwand ein Film lief, in dem im Zeitraffer ein toter Hase zur Musik von Parsifal verweste, pumpte, atmete, seine Wunde zeigte (und ich frage mich, wieso ich für meine Lesungen nicht auf diese wunderbare Idee gekommen bin), las er aus den schrägen Briefen der Wagners an ihn, den Regisseur, eingekauft wegen seiner schrägen Ideen, die dann ganz so schräg aber bitte doch nicht sein sollten. Wenn Gudrun schreibt, so die heitere Erkenntnis, bleibt kein Auge trocken. Ich ahne, warum auch ich für meine Freunde oft so anstrengend bin, wenn ich engagiert bin, endlos erzähle, hin- und herspringe, laut werde, energisch, mit den Händen fuchtel, weit nach Mitternacht noch, aber Schlingensief hatte ja noch nicht angefangen mit dem, um das es eigentlich ging: sein Opernprojekt in Afrika. Ich erinnerte mich an ein Uni-Seminar über afrikanische Literatur, wie dort in vielen Kulturen das Konzept vom linearen Erzählen, dem Abhandeln eines Plots weniger bekannt ist als das Kreisen und Winden der oral tradition, weshalb sein geplantes Festspielhaus vielleicht ganz richtig und konsequent in Form einer Spirale, eines Schneckenhauses angelegt ist. Also genau so, wie er selbst erzählt und kreist und kreißt. ("Der kommt nicht zu Potte", murmelte ein entnervter Zuschauer und verließ den Saal; aber genau darum geht es doch, ich meine, hatte er als junger Mensch nicht auch mal einen üblen Darmverschluß?!) Das Wunden zeigen, das Schwach-sein, das Weitermachen ("Krebs, verpiss dich! Ich hab jetzt keine Zeit!"), die Idee weiterspinnen, ein System in Form zu gießen, das anders als viele Entwicklungshilfeprojekte selbst Teil einer sozialen Architektur, eines Austausches ist, in dem Geld vielleicht der Starter ist, am Ende aber das Schaffen einer neuen Währung steht. Der Beitrag, der Kommentar, das Aufgeben und Überantworten, das Archivieren des Unbekannten, Marginalen, die Förderung des Vernikularen, Vorhandenen, die Symbiose statt einer Belehrung. Ich habe das nicht alles bis ins Letzte verstanden. Aber allen Kritikern und Vertretern des "das wird doch nie was" ins Gebetbuch: Ihr seht einen Mann, der etwas tut.
>>> Festspielhaus Afrika
>>> Schlingenblog
darin: Hommage an Jacko

Samstag, 10. Oktober 2009
[back on the chain gang] Man muß ja langsam zurück zur Spur finden, Rekonvaleszenzwoche. [mystery achievement] Ich weiß gar nicht, wie ich oben unten und hinterrücks arbeiten konnte. [private life] [...] [brass in pocket] $$$. Ich nenne aus Spaß eine Summe, und man steigt darauf ein. [bad boys get spanked] Rekapituliert. Manchmal laut. Vergangenes, Versäumtes, Verrissenes. [talk of the town] Was andere in der Zeit machten. Nach Hause brachten. [the wait] Das Tragbare. Das Unerträgliche.
[don't get me wrong] Es sollte nicht so lange dauern.
[boots of chinese plastic] Immer daran denken.
[stop your sobbing] .
[kid] So sehr.
