
Donnerstag, 26. Februar 2009
Wie ich im Bad stehe und das herausgebrochene Stück Fuge neu verfuge (Hiermit wird verfugt, daß...), vor mich hinsumme, dummes Zeug, alles Fug und Trug, denke ich, und was das immer soll auf Fugen und Brechen. Was ich verfugt habe, soll Wasser nicht mehr trennen. Fugen lernen, auch ein schönes Buch. Nachtfug von diesem Schriftsteller, der Postfuger war, so wie ich es als Kind auch gerne geworden wäre. In einem winzigen Doppeldecker, manchmal war es ein Pappkarton, fug ich über Südamerika oder Alaska, landete mit rasanter Fugbahn in halb verlassenen Ortschaften und brachte die Post. Und Medikamente, immer ganz wichtig. Die Medikamente. Für ein fieberndes Kind, ein krankes Schaf oder den schlimmen Husten der Großmutter.
Die Fliesenpartie sieht gut aus, ich bessere hier und da noch ein paar schadhafte Stellen aus, ziehe die Fugenlippe immer schön diagonal über die Rillen, streiche die Ränder glatt. Wie neu alles wirkt, ein weiteres unentdecktes Land. Ich sollte kleine Fähnchen in die noch feuchte Masse stecken, das Fugengebiet reklamieren für Gott, für mich, fürs Fugenland. Ein vergnügter Monarch würde mir Orden verleihen, ein berühmter Orgelspieler donnerte Toccata und Fuge zu meinen Ehren und der elfenbeinernen Reinheit der neuen Kolonie. Tierarten würden nach mir benannt und nicht nur im Zorn, Fughunde würden es sein. Aufnehmen würde man mich im Klan der Fugger... gut, es geht jetzt etwas zu weit. Man soll sich nicht selber loben, das Werk muß für sich sprechen.
Morgen beim Duschen, wenn wir Auge in Auge, schutzlos und nackt gegenüberstehen und uns gegenseitig die Fugen zählen können, wird sich zeigen wie dauerhaft, hilfreich und gut sich alles fugte. Morgen dann.

Mich erreichte heute diese Videobotschaft, und sie hat mir sehr zu denken gegeben.
via Wurzeltod
(Und ja, ich weiß, es ist was virales, aber ich habe vor einiger Zeit den Piloten zu Breaking Bad gesehen und fand den super. Und ihr wollt es doch auch. Gebt es zu.

Dienstag, 24. Februar 2009
Mehrere Leben führen
Auf mehrere Schiffe gehn.
(PeterLicht, "Kopf Zwischen Sterne".)

Den Regen teilen, Zuflucht finden in einem dieser vielen neuen Cafés, die mit bedrückend vorgestanzter Inneneinrichtung entlang der Kopfsteinpflasterstraße den Charme einer gerade erwachenden Autobahnraststätte verbreiten. Draußen also Regen, es pladdert, plästert würde man daheim sagen. Früher habe ich Musik gemacht, genau so, aber du wolltest es nicht hören. Drinnen modelliere ich Mondphasen im Selbsterklärungsversuch, lasse eine Tasse um die Kerze kreisen, das Zuckerglas im Schatten stehen.
Den Wind teilen, später also, kleine Fluchten auf noch kleinere Inseln. Triste, zusammengeduckte Fassaden, abgeliebte Klinken, mühsam versperrte Gatter. Man hat sich selbst im Gepäck, die zwei, drei Träume für die Notration, und keine Mütze, immer fehlt die Mütze, wenn die schneidend kalte Luft um die Ohren pfeift. Eine vergessene Tasche an der Bushaltestelle. Ein verschlurfter Schuh. Eine demolierte Bretterbude. Ein Wochenende der stummen Lieder, vielleicht einmal kurz nur den alten Refrain, wirklich nur kurz, man kann sich ja selbst nicht mehr hören. Und will es auch nicht.

Freitag, 20. Februar 2009
Tausend Träume geträumt, von neuen Häusern, einer neuen Welt. Sich zwischendurch mal auserwählt gefühlt, ehe man doch nur wieder neues Mineralwasser heranschleppte. Die Kreide halten. Die Frühstückspakete packen, den Reiseproviant. Die Zeitung meldet, auch der Angsthase sei in der Evolution ein Siegertyp. Narben, Brüche, Falten, Adern. Neue Länder zu entdecken heißt, die weißen Flecken im eigenen Ich zu besetzen, Flaggen zu hissen auf der eisigen Insel Un (-berührt, -aussprechlich, -erkannt), auf der einem Meteoritenhagel gleich das ganz andere seine Spuren hinterläßt. Beim Wettlauf aber zu den eigenen Polen verloren wir die Schlittenhunde.
Vielleicht auch nur den Weg.
Echte Verluste indes sind andere. In short in between setting up my birthday shot yesterday and shooting and printing it I discovered that some 20 years of selected negs had been attacked by liquid carrying caustic substance, plaster, ash and 88 years of dust. Und auch danach bleibt immer nur das eine, die ewig gleich Mühle: immer weitermachen.
So now I just look for the next shot.
>>> Sowieso und hier bereits ab und an erwähnt: ein ganz wunderbarer stream of consciousness, ein schier endloser, dunkler Traum: Lauren E. Simonutti.
Nachtrag: Lauren E. Simonutti bei Ipernity.

Donnerstag, 19. Februar 2009
Während ich es also endlich geschafft habe, mich dem Werk PeterLichts anzunähern, ein Vorgang, der um so leichter fiel, je mehr der gute Mann abließ vom hingetupften Spaßsong, mir also die Lieder vom Ende des Kapitalismus (immerhin bereits drei Jahre nach ihrem Erscheinen) vom Ende des genannten künden und mir zugleich mit zaghaftem Klingeln Bestätigungsmails eines bekannten internationalen Buch- und Kochtopfversenders die Illusion vom Fortbestand des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wahren - wenn es mit dem wahren Geld schon nicht klappt, jedenfalls und erst recht nicht, so lange das Hermetische Café nicht unter aufgespannte Schutzschirme schlüpft und seinem Autor Boni auszuschütten sich in der Lage sieht - während all dieses also geschieht (und wer sich dem Werk des PeterLicht ebenfalls nocht nicht genähert haben sollte, was ich angesichts meiner hochinformierten, urbanen, junggebliebenen und jeden Scheiß mitmachenden gebildeten Leserschaft bezweifeln möchte [Ihr müßt mir das doch sagen!], der erwerbe die Lieder vom Ende Kapitalismus jetzt oder schweige für immerdar), während dies alles sich also vollzieht, denke ich über Erschöpfung nach.
Es ist doch ein Umstand mit der Monotonie des immer wieder aufs Neue geübten Einsatzes. Dem Einsatz für Rendite und Wohlergehen von Kunden (gern), dem philantrophischen Konzernlenker (untertänigst) und - natürlich - meiner selbst (Bitte. Danke.). Am Anfang eines Jahres merkt man auch erst, welche Kraft das zurückliegende mitunter gekostet hat. Wenn man ausgelaugter ist als die Luftballonmenschen, die sowieso immer im Wind fliegen, egal aus welcher Richtung er gerade weht.
Ich bin dünner geworden, ein bißchen. Und nur ein wenig müde. Wie nach einer sehr lauten Party.
>>> PeterLicht, Lied vom Ende des Kapitalismus

Montag, 16. Februar 2009
Ein romantischer Tag in Leder, elftausend Ruten aus Weidenkätzchen, ein intensiver Zuckerguß über dem Nachdenken. Die brüchige Fläche des Krakeleelacks, Sprünge im Zarten, feine Risse unter der Haut, im dunklen Keller das schwere Gerät: Hammer, Feile, Stichsäge. An rostigen Eisenketten der Homo faber des Baumarktwesens.
In diesem Haus gibt es ein paar sehr hübsche Details, wie ich sie mir für mein eigenes Zimmer unter den Wolken wünsche. Man kommt ja bald wieder dahin, alte Bahnhöfe renovieren zu wollen. Wenn außer Zeit und vielen Ideen nichts mehr vorhanden ist.
Wenn karierte Holzfällerhemden über den Ringelpulli gezogen werden, um die Hüfte nur der Werkzeuggurt.

Freitag, 13. Februar 2009
Schön, wenn man morgens überrascht wird. Mit einem freundlichen Gedanken oder Bild oder bloß dem Gefühl einer Schneeflocke, die auf der Nasenspitze zerschmil... So, jetzt aber nicht gleich durchdrehen, denn gegen Ende der Woche werden die Schritte, die da müde durch den Schnee stapfen, schwerer bereits. Mein Freitag, der 13. Bis ich ans Tor der großen Fabrik gelangt bin, sehe ich aus wie ein wandelnder Schneemann, ein schwarzer Schatten, auf den Streifen um Streifen weißer Schnee sich gelegt hat.
Bei Good Winter erinnert man sich an den Valentinstag der 3 Akkorde. Morgen ist wieder Herzchentag. Wer dazu etwas sagen möchte, hier ist die Gelegenheit (via Gedankenträger). Die Hälfte der Notizen habe aber ich bereits befüllt. Ich liebe euch mehr als den Schnee, der endlich das Schreien erstickt.

Mittwoch, 11. Februar 2009
Mein Tipp: Wenn Du etwas im Leben werden willst, solltest Du Deinen Kleidungsstil schnell ändern oder Du wirst immer eine Außenseiterin bleiben. Dies nur als gut gemeinter Rat einer jungen erfolgreichen und modebewussten Jurastudentin (gebe Dir gerne Styling-Tipps). Bedenklich finde ich auch, dass Du und andere hier Punkerin oder "Emmoerin" nicht nur optisch, sondern auch von der Einstellung sein wollen. Ich wusste da nicht viel drüber, aber meine Großcousine hat mir aus ihrer Jugend nur üble Dinge berichtet: linke Randale, Pöbeleien und Menschen, die sich schick gekleidet haben und erfolgreich waren - sogenannte "Popper" wurden damals von Punkern sogar verprügelt. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass es das nicht mehr gibt und wir wieder mehr Ordnung haben.
Antoinette
