
Freitag, 21. November 2008
Herr Paulsen nennt ihn einen Zukunftsarbeiter, und dieser gibt uns sogar davon ab. Ich hab's jetzt nicht so mit Traditionals, aber Seemannslieder, Fischerelegien gehen immer, die rauhen Geschichten von strammen Jungs und losen Frauen, denen an Land die Langeweile droht. Dieser Mann, ist ganz bei sich, merkt man, der kokettiert nicht mit den Straßen von Hammerbrooklyn. Der Dylan aus Borgfelde macht einen knarzenden Kutter, ein stampfendes Schiff aus jedem Wohnzimmer. Denn weil er nicht bloggt, hat er Zeit, etwas vernünftiges zu tun. Gitarre spielen, Folksongs singen, auftreten, Leute begeistern. Und am Ende die Version von "After Hours" - Hammer!, wie man in diesem Stadtteil sagt.
Das kleine Café übrigens ist eine Entdeckung an sich. Selbstgebackene Kuchen, versprach die Speisekarte, und die Chefin 1a. Ich muß da unbedingt noch einmal hin.

Donnerstag, 20. November 2008
Vor Jahren habe ich im Sorgenbrecher mal lange Händchen gehalten. Da war ich verknallt, die Stimmung gut und die Nacht wohl ohne Ende. Den Laden gibt es immer noch, die Liebe längst nicht mehr. Daran kann man merken, an welchen Rettungsring sich festzuhalten im Zweifelsfall weniger Risiko birgt. Wo vielleicht mehr Zuspruch kommt, wenn das Telefon drei Tage schweigt. Man humpelt besser in die Kneipe, suchst du etwas mit Verlaß.
Aber natürlich legt man immer wieder ab, zerstreue ich die Trübsal wie mit einer lässigen Hand. Schmeißt sich aus dem Rettungsboot, mit nackter Brust und bettzerzausten Haaren, holt vom Laden Milch, Eier, Brot als frischen Bordproviant. Gedanken, die in Zügen fahren, ferne Städte, fremde Welten, viele Fragen, keine Antwort, sie gibt den Kafka, sagt: Gibs auf!
Später, woanders dann, zwei Theken weiter, werden Gang of Four gespielt. Am Tresen raucht einer eine Zigarette, und ich sage, eben das ist meine Musik. Ich will es rauh, nicht glitzernd. Musik, mit der man Häuser baut.

Dienstag, 18. November 2008
Mein Lesestuhl ist ein Fundstück vom Flohmarkt. Die seelenberuhigende Aura eines Sanatoriumsliegestuhls aus den 20er Jahren fiel mir gleich ins Auge, perfekt, so dachte ich, für moribunde Lese- und Entspannungsstunden. 30 Mark kostete er (oder waren es schon Euro?), Wintergarten leider nicht inklusive.
Nun entdeckte ich meinen Stuhl bei Manufactum*. Ein wenig unbezahlbar für normalversicherte Zauberberglungenkranke, wie ich finde. Und meiner hat neben der patinierten Ausstrahlung sogar Fächer für Zeitschriften und Gläser in den Armlehnen. Überhaupt läßt sich eine Menge mit ihm anstellen, Rückenlehne, Beinstütze, alles beweglich, allerlei interessante Sitz- und Aufenthaltspositionen bietet er an für fiebriges Dämmern oder aufmerksames Blättern. Ich habe ihn unter ein Fenster gestellt, gleich neben dem Grammophon, und kann so aus dem Schiss Flug der Möwen die Zukunft lesen. Auf so ein wertvolles Möbel mag ich mich jedoch kaum noch setzen, denn nachher hinterlasse ich Staub und Kratzer. Überraschend käme das nicht.
* Das Foto entstand übrigens im Botanischen Garten Wuppertal, eine Stadt, deren morbider Reiz darin liegt, selbst wie ein ewiger Zauberberg mit eigener Zeitrechnung zu sein.

Montag, 17. November 2008
Lange wachliegen im bläulichen Licht. Den Spuren der Tapeten nachwandern, den zerfaserten Knittern und Sprüngen, den schattigen Flecken, dort, wo die alten Fotos hingen, die ausufernden Mäander, die sich verzweigen wie die Wurzel eines alten Baums. Seltsam, wie man beschworen wurde, alles ein Geheimnis zu lassen. Wenn die Worte fehlen, ganz am Ende dann, muß man leise Schritte tun. Raus aus dem Bitterfeld, den Matsch von den Schuhen treten.
Herbstlicht. Zeit für die stummeren Herzen. Wenn zwei die Kraft der eigenen Worte unterschätzen. Die Schärfe der Klinge. Auch das muß man sehen.
>>> Soundtrack: The Knife, Marble House

Samstag, 15. November 2008
Wie sich noch die banalste Tragödie am Ende in eine Farce wandelt.

Freitag, 14. November 2008
Die letzten Tage feiern wir einige Ausstandspartys. Man trinkt sein Bier, ißt etwas von der Notration, steht zusammen, wie auf einer Eisscholle, die abdriftet. Ringsum schmilzt das Eis, wir drängen uns weiter zusammen, ab und an fallen welche über den Rand; da muß man eben cool bleiben, meint einer. Ich sage, laßt uns Titanic spielen, und hinten summen ein paar "Nearer My God To Thee".
Es ist aber auch schön, dieser Moment, da alle spüren, wie sich etwas ändert, etwas sich neigt, auch neu beginnt dann irgendwann. Alte Kollegen schauen herein, es gibt viel Hallo, stummes in-den-Arm-nehmen, manche küsst man, die vielen Jahre, sieben, elf oder achtzehn. Menschen, die man lieb gewonnen hat, auf ihre Art oder auch eigene Art, Menschen, mit denen man mehr Zeit verbringt als mit den Liebsten daheim oder denen, die man am Wochenende trifft.
Ich denke, wie oft man strukturiert und umstrukturiert, Menschen neu zusammensetzt und sich dabei selber neu zusammensetzt. Wie Leichtigkeit verlangt wird, die Fähigkeit nämlich, Bindungen zu lösen, zu vergessen, und groß zu bejubeln, was neu erscheint. Wir aber sagen, fuck you, good night, danke, und mit uns zieht die neue Zeit, und die wird bekanntlich super.
Wir wippen zur Musik, Robbie singt was von Abschied, so ein Scheiß, einer erzählt noch vom Setbesuch. Wir tauschen Namen, ich lache (nach innen), es sind doch immer dieselben Gestalten. Und dann noch die, die ihre Lügen per Anwalt deckt.
>>> Emotional Landscapes

Donnerstag, 13. November 2008
Wovon singt sie da?
Von Liebe.
Geht es in unseren Liedern nicht immer darum? Gemeinsam im Regen naß werden.
* Großartiger Film übrigens.
