
Freitag, 15. Dezember 2006
Burning in the light.
(Siouxsie and the Banshees,
"Into The Light")
Schenk mir doch die Nacht, flüstere ich. Ich will mich selbst vergessen, mal laut sein, die Anlage vorsichtig auf vier oder fünf. Zwei Gläser, vielleicht auch drei. Organe auf der Wäscheleine, nach dem Trocknen geht's voran. Ich will dieses nicht und jenes und nicht mal mehr Erinnerung. Manchmal ist es so, weil nämlich, ich denke: Raus hier, und schnell noch die Mäuse, nein lieber besser die letzten Kröten zusammenkratzen. Einen anderen Himmel sehen mit wirklichen Engeln, vielleicht einfach nur Bienen züchten oder am Wasser liegen. Wo ist denn dieser Stern, von dem alle reden und singen in diesen Tagen? Ach so, hast du auch nicht gesehen. Das ist doch völlig verdreht: die Stadt ist schwarz wie die Nacht, aus grimmigen Fenstern strahlen Lichter wie Sterne. Verkehrte Welt unter blutrotem Himmel. Nur, Engel soll es dort auch geben. Sie wandern, öffnen Herzen oder verzweifeln. Sie kennen die Wege, die Adern der Städte, sie haben eine Netzfahrkarte. Raus, rufe ich, raus. Der dunkle echolose Raum ist wie ein schwarzes Loch, ausgestülpt aus mir selbst, evoziert, wenn man so will, ein tiefer Rachenlaut, ein auf links gedrehtes Etwas, wimmernd, auf dem Boden kauernd, wie ein ausgesetztes Tier mitten auf dem Weihnachtsmarkt.

Donnerstag, 14. Dezember 2006
Da sagt man doch nicht nein, wenn einen Oberverschwörer Mek Wito bittet, für den leider verhinderten Ole stimmlich einzuspringen. (Waren ja auch nur zwei Sätze. ABER WAS FÜR WELCHE!)
Großartige Sprecher sprachen sich selbst oder doubelten bekannte Stimmen aus Film, Funk und Fernsehen. Julia, Lu, MC Winkel, Opa Bazi, der großartige Rationalstürmer und natürlich der noch größere, wenn nicht artigere Mek, dessen wohltemperiertes Stimmorgan verführt zur bizarr-fantastischen Burns-Verschwörung!

Auch eine fast vergessene Tradition im Zeitalter ubiquitärer (Digital-)Fotoapparate. (US-Amerikanische) Schriftsteller in den 40er Jahren - porträtiert - "so wie sie sich selber sahen" - vom spanischen Maler Luis Quintanilla. Darunter Richard Wright, John Dos Passos, Dorothy Parker, Lillian Hellman und Arthur Miller: eine eindrucksvolle Galerie.
Weitere Erläuterungen zum Hintergrund der Bilder.

Mittwoch, 13. Dezember 2006
Spöttische Stimmen würden sicher rufen, das sei kein Wunder, wenn man Absinth mit Rotwein mischt oder andere sinnentleerende Experimente mit sich selbst anstiftet. Als ich neulich nacht in die Küche gehe, um meinen Nachdurst zu stillen nach dem Rechten zu sehen, werde ich doch einen dunklen Schatten gewahr, der sich am äußeren Rand meines Gesichtsfeldes bewegt. Schnell, krege, quick, alert: das huschende Wesen schießt in Bodenhöhe an der Wand lang, während ich an der Spüle stehe und meinem Basilikum ebenfalls einen letzten Schluck gönne. Eine Fledermaus? Zu niedrig. Eine Spinne? Zu schnell, und besser nicht sooo groß und dunkel. Ein vernehmliches "Bonk" dringt an mein Ohr - und plötzlich bin ich hellwach. Flirrende Schatten? Die sehe ich öfter. Hinter mir auf der Kellertreppe, geduckt neben den Mülltonnen, auf dem nächtlichen Nachhauseweg, selbst in den Referrern meines Blogs tauchen sie ab und zu auf. Herr Kid hat einen Schatten, schon klar. Trinkerschicksal - spotten manche, Hysteriker - vermuten andere. Weiße Mäuse, alles klar. Mäuse?
Über der Fußleiste ist zwischen Wand und Einbauschrank ein kleiner Spalt. Sollte da soeben eine Maus mit Karacho gegengerannt sein - in panischem Entsetzen, dem knallgefährlichen Bewohner eines vielversprechenden Küchenfußbodens mit lukrativem Krümelbesatz begegnet zu sein? Meinen Augen traue ich kaum - meinem Gehör sehr wohl. Da war was in meiner Küche - und was immer es war, es war agil, dunkel und möglicherweise zu allem entschlossen.
Im Vergleich zum Neanderthaler verfügt der mordende moderne Mensch
über ein ganzes Arsenal zur Einschüchterung seiner Fressfeinde
Die Natur schlägt zurück! Der Angriff der mutierten Kannibalenmäuse aus den Tiefen des Weltalls! Kann schon sein, denn seit einigen Wochen wird mein Treppenhaus saniert. Warum also sollte nur ich am Rande meiner Nerven sein, vom steten Terror aus Staub, Dreck und Lärm schlimmer als mit der chinesischen Wasserfolter gequält? Wäre es einer armen Maus zu verdenken, auch mal die Ritzen und Ecken, die schrägen Abseiten der Dachgeschoßwohnungen zu erkunden - auf der Suche nach etwas Peace and Understanding?
Erneut bereue ich es, keine Katze im Haus zu haben. Ich verstopfe den Spalt, so gut es eben geht. Ein Buch lehnt nun davor, Michael Wildenhains Die kalte Haut der Stadt. Furcht und Schrecken will ich verbreiten. Vielleicht muß ich nicht die schweren Waffen einsetzen. Erst einmal werde ich jeden Abend eine halbe Stunde vor dem Mauerspalt singen. Mein Gesang hat schließlich schon so manchen vertrieben. Denn selbst von zarten Besuchern, heimlich ersehnt oder nicht, möchte ich so nicht überrascht werden. Die einzige Maus, die ich hier dulde, hat ein Scrollrad.

Dienstag, 12. Dezember 2006
Frau Fragmente meditierte neulich über das "perfekte Blog".
Ich kann nur sagen, ich habe meins gefunden. Wieder einmal zeigt sich, daß Stil keine Hexerei ist. Es ist im Grunde so einfach, zu jedem Anlaß perfekt gekleidet aufzutreten:
A Rayas (Achtung: nicht angemessen bei der Werkarbeit, bitte halten Sie Ihre Ausweispapiere bereit).
Dazu dann vielleicht mit den Bastard Fairies entspannt auf dem Sofa rumlümmeln. (via Fishy)
Sollten Sie länger nichts von mir hören, keine Sorge, es geht mir sicher gut.

Montag, 11. Dezember 2006
Die amerikanische Journalistin S.I. Rosenbaum zeichnet auch (nicht "nebenbei") Comix, mit recht unterschiedlichem Ansatz, Stil und Kraft. Aber die kurze, auf einer Seite erzählte Geschichte von der 16-jährigen Simone, die Trapezartistin werden will, ist schon stark: komprimiert, lakonisch und ein hübsches Beispiel für die "Eisberg"-Theorie. Der größte Teil der Bedeutung liegt tief unter Wasser. Loustal hat so etwas drauf.
Ich weiß nicht, ob man das letzte Bild groß ausdrucken und über den Schreibtisch hängen darf. Ich würde es tun.
Suspended Life gibt es hier.

Freitag, 8. Dezember 2006
Diva kurz vor Atempause. Tusche, Papier. 1990. Privatbesitz.
Man muß im Leben auch verlieren können.

Donnerstag, 7. Dezember 2006
Sönke hat da einiges falsch gemacht. Er hat zum Beispiel seinem eigenen Stoff nicht vertraut, dabei wird er nie einen größeren bekommen. Die Musik (diese Musik!) machte auch viel kaputt. Aber nun gut und trotzdem Danke. Das sind jetzt halt die Bilder, die wir haben. Danke auch dafür, noch einmal deutlich gemacht zu haben, was für eine pomadige Type Ballack ist. "Wie, erst Stuttgart, dann zurück nach Berlin?" nölte er sinngemäß. "Totaaaal anstrengend."
Aber das muß man denen zugutehalten, was konnten die aus ihrer Binnenperspektive wissen, wie die Stimmung in 'Schland gewesen ist in all den Wochen? Ich selbst habe übrigens zum ersten Mal überhaupt Bilder "von außen" gesehen von diesem Spiel in Stuttgart, von der berauschten Menge vor dem Spielerhotel. Was das überhaupt für ein Abend war, wurde mir vorhin noch mal so richtig klar. Ist ja immer erst echt, wenn es im Fernsehen ist, McLuhan, Kittler, Klinsmann. Oder gebloggt wird.
Ja, man kann immer noch viel dagegenhalten. Fahnenmeer, Verdrängung, Besinnungslosigkeit. Immerhin: Eine junge Multikulti-Truppe (sogar ein Kölner war dabei!) hat ihre Füße entrümpelt und vier Wochen lang eine Menge Menschen begeistert. Man sollte sich nicht alles madig machen.
