
Donnerstag, 10. August 2006
Mode kann man anschauen, oft, wenn es zum Sehen zu dunkel ist, auch befummeln fühlen. Fotograf Nick Knight ist nun der Hauswart eines Projekts, bei dem man Mode endlich hören kann. In den nicht immer bürofreundlichen Beispielen stellen sich ausgewählte Stücke von u. a. Stella McCartney, Prada, Hermès, Alexander McQueen oder Christian Dior der audiologischen Betrachtung. (Schade, Yamamoto oder Comme des Garçons fehlen. Die höre ich ja zu gern.)

Mittwoch, 9. August 2006
A silver tongue for the chosen one
Heavy magnum in your side or a bloody thorn
Skating bullets on angel dust
In a dead sea of fluid mercury
(Siouxsie and the Banshees, "Dazzle")
Ich muß mal wieder üben, diesem Gerät hier fernzubleiben. Lieber rotes Licht an, Tür zur Dunkelkammer hinter mir schließen und ein bißchen in der Trinität der heiligen drei Schalen (Entwickler, Stoppbad, Fixierer) panschen. 1, 2, 3 - schon ist ein Bild geboren. (Reicht leider nicht als Angebot für das schicke Fahrrad von Das Nuf, aber den Versuch war es wert.)
Mehr tun, mehr tun, mehr tun.
Nicht so viel Zeit vertun. In der Fabrik immer dieselben Werkstücke: Horrorzwerge, Romanzenzwerge, Melodramenzwerge. Ich feile, entgrate, bemale und schicke es in die Brennofenabteilung. Ist schon interessant, ja sicher, natürlich. Ich beklage mich nicht. Vielleicht über das Monotone, das Gleichförmige, ein wenig auch über das Belanglose. Aber es kann ja nicht jeder alle Tage Gehirne operieren oder offene Herzen. Waisenkinder pflegen oder Brunnen in Wüstenregionen bauen. Ich mache halt Tand. Glitter. Katzengold. Abends will der Mensch ja gerne etwas Schönes im Vorgarten sehen. Sich ablenken, entspannen, Kräfte sammeln. Und manchmal - das darf jetzt aber keiner wissen - baue ich subversive Botschaften ein. So was wie "Charlie, ruf mich in London an!" oder auch komplette Transkripte.
Draußen gellen die heiseren Rufe der Krähen bereits lauter. Zeit schon mal, den Nachruf zu schreiben auf diesen Sommer, der so lang war und heiß. Zeit vielleicht auch, ihm gen Süden zu folgen, der Neige entgegen, und mitzunehmen, was er zum Schluß noch verkauft.

Dienstag, 8. August 2006
Die Nachbarn drehen langsam durch. Auf die Enten hinterm Haus wurde soeben geschossen. Jetzt fegen die über den Kanal und suchen im nächsten Krick Deckung. Vielleicht sollte ich mal rausgehen und nachsehen. So Ballermänner gehen mir auf den Sack. Besser, ich nehme die weiße Fahne mit.

Samstag, 5. August 2006
Heute morgen viel zu früh aufgewacht. Von wegen süßer Schlaf. Immerhin, wegen CSD war es auf dem Flohmarkt schön leer. Immerhin. Leider kann ich mich heute abend nicht um euch kümmern. Ich bin Far, Far, Away, irgendwie. Reste zusammenkratzen, sich selbst, ein paar Träume. Vieles gäbe es zu erzählen, Krawall, Jugend, Sehnsucht. Die bleibt ja bekanntlich bis zum Schluß.

Freitag, 4. August 2006
Always dressed in black
He'll come to you
(Siouxsie and the Banshees, "Nightshift")
Ich muß endlich schlafen. Da stand nicht wirklich Ihre Nachricht wurde versaut. Hoffe ich. Ich muß endlich schlafen. Ich bin nicht heimlich So eher der Venice-Beach-Typ. Das ist nur eine halluzinierter Gedanke. Hoffe ich.
Am Ende einer Woche in der Entgraterabteilung bleiben nicht nur die Fingerkuppen blutig zurück. Am Ende einer solchen Woche bin ich bedeckt mit dem Staub der polierten Werkstücke, den weggeätzten Tropfnasen und abgeschnitten Fäden. Am Ende einer solchen Woche fallen mir nicht nur die Augen zu, haben Durst und natürlich der Staub (aber eben auch der Durst) meine Zunge am Gaumen fest verklebt.
Mein altmodischer Anzug, den ich während der Fabrikstunden trage, ist völlig vergraut. Die Krawatte hängt - es ist das Ende einer Woche - schlaff herab. Selbst die Gedanken an Felice Bauer fallen mir schwer. (Wie kommt die jetzt hierein? Ich muß schlafen. Ich bin doch nicht wirklich als Käfer erwacht. Hoffe ich.)
Gleich also, nicht mehr lang, endlich Miss aber auch Mut zusammennehmen, das Bild einer Dame mit Pelzhut, und dann heim. Finger verbinden, die Brandblasen betupfen und dann endlich schlafen. Schlafen.

"Ich denke ja gerne, ich sei ein Retter der Seele, aber manchmal sind die Filme, die wir machen, doch bloß eine Art Werbung für die Produkte, die um sie herum verkauft werden."
(Ang Lee. FAZ, 22.6.2006.)

Mittwoch, 2. August 2006
Wie ich heute in mein Drittblog Aus dem Leben eines Luffaschwamms schrieb:
"O du subtraktive Macht der Finanzbehörde."


Dienstag, 1. August 2006
soll dein Mal gesegnet sein
ist gut kochen lernen.
(Sprichwort)

Von allen spontanen Menschen dieser Erde bin ich sicher nicht der allerspontanste. Manche Dinge müssen reifen, und ehe ich mich auf eine Expedition begebe, werden Wege wohlgeplant. Karte, Kompaß und für den Fall des schlimmen Falls eine Schwimmweste - so ausgerüstet breche ich auf und bin dann nicht mehr aufzuhalten.
Be prepared! lautet ein Wahlspruch meiner Familie, deren Vorfahren einst im napoleonischen Gefolge in den sumpfigen Regionen Osteuropas hängenblieben, aber immer genau wußten, wo sie waren. Auch waren meine Ahnen stets erfindungsreich, vor allem die Männer (die Frauen hielten das oft und völlig zu unrecht für "Spielerei"). So war es einer meiner Altvorderen, der den Mittagsschlaf für Erwachsene erfunden hat. Leider wurde der gutgläubige Alte aber, bevor er zum Patentamt eilen konnte, von einem Spanier bestohlen. Der Rest ist Geschichte und die Siesta ein teurer Importartikel.
Neulich war es an mir, unwegsame Gefilde zu beschreiten. Es schien mir eine prickelnde Herausforderung, auch mal neue Wege zu gehen, als ich neulich morgens erwachte und auf das Leinentuch über meinem Bett blickte, mit dem eingestickten Spruch: "Käsebrot, Käsebrot - laß ich nicht liegen ohne Not". Aber manchmal kann man ja auch mal spontan sein, einen draufmachen, fünf gerade sein lassen, und den wilden nackten Küchenchef markieren. To go, where no man dared to go before! Aber natürlich nicht ohne meinen Plan. Was der Schneiderin der Schnittmusterbogen und dem Bahnreisenden der Fahrplan ist dem Küchenmaestro das Kochuch. Mir jedoch jagte Marguerite Patten mit ihrem Werk Cookery in Color: A Picture Enzyclopedia for Every Occasion Schauer der Erregung über den Rücken. Für nur 1 Euro im Antiquariat erstanden, wird es mich nun begleiten, Mahlzeit für Mahlzeit.
Köche, so lehrte mich nämlich das Leben, haben nicht nur immer Sahne im Haus, sondern auch Schlag bei den Frauen. Und das habe ich jetzt auch.
Zwar ist das Werk schon etwas älter, es stammt aus dem Jahr 1964, als die Beatles gerade mit "Eight Meals A Week" die Spitze der Charts erklommen. Aber ein anderer Wahlspruch meiner weitverzweigten Familie lautet "Alte Suppe rostet nicht", und so bin ich frohen Mutes, was den Erfolg meiner Speisen angehen wird. Ms. Patten erklärt erst einmal ganz genau, was es mit Boiling, Braising, Poaching und Stewing auf sich hat, und macht dann mit der Aussicht auf "many very unusual dishes" gleich Lust aufs Loslegen.
Nur kurz empfand ich Sorge, als mein Blick auf die englischen Maße fiel, die in diesem Buch benutzt werden. Aber als höfliche Britin nimmt einem Ms. Patten schnell alle Ängstlichkeit, was das Umrechnen angeht. "For practical purposes", so schreibt sie, entsprächen zwei amerikanische Maßbecher dem britischen Pint. Und was französische Maße anginge, nun, auch da hat unsere legere Köchin eine hoffentlich wohlbegründete Meinung: "It is difficult to convert French measures with absolute accuracy". Eine entspannte Frau, ganz nach meinem Geschmack, deren Leitworte offenbar die folgenden sind: "This is an approximate guide only."
So unbekümmert also frisch an die Vorspeisen: "Without spending a great deal of time or trouble you can assemble a very interesting selection of foods for hors d'oeuvre" - interessant, interessant! Rollmop Herrings ("Use large herrings") halten sich nach Ms. Pattens Rezept drei bis vier Wochen. Das ist fein, hat man doch immer was im Haus, wenn überraschend Gäste kommen. Die Suppen überspringe ich, auch wenn "Mint Pea Soup", nun ja, interessant klingt. Mir ist aber mehr nach einem Hauptgericht, meinetwegen auch eher geschätzt zubereitet denn präzise.
Fleisch in allen Aggregatzuständen, angereichert mit Dosenobst, Fett und minzigen Saucen - und alles in Bergarbeiterportionen. Soll noch mal einer behaupten, die englische Küche machte Blogger nicht satt! Wild, Geflügel und die glückliche Kuh: Ms. Patten weiß, wo selbst fürs Lämmchen der Hammmer hängt, verschont aber auch nicht die Vegetarier: Gemüsepasteten werden hier zu turmhohen Essdenkmälern geschichtet. Ein wenig ab vom Wege komme ich, im
Brutterbot Sandwich-Kapitel. Tolle, leichte Schnitten für hungrige Mäuler, da läuft einem doch gleich die Mayonnaise im Munde zusammen.
Fluffige Süßspeisen in aufmerksamkeitsheischenden Farben gibt es zum Nachtisch im Kommentar.
