Freitag, 14. Januar 2005


Das Kabinett des Dr. Kid

Wer nach Wien fährt, sollte nicht versäumen, das Josephinum zu besuchen. Letztes Jahr schleppte ich Frau Sonne dorthin - und wir waren beide begeistert von den detailreichen, filigranen Wachspräparaten, die es dort zu besichtigen gibt. Allein die Art der Präsentation in den über 200 Jahre alten Schaukästen, die aus edlen Hölzern und gewölbten, mundgeblasenen Glasscheiben gebaut wurden, die so nie wieder zu beschaffen sein werden, ist mehr als beeindruckend. Die Präparate selbst sind den Plastinaten der Körperwelten-Ausstellung in ihrem Ausdruck und ihrer Anschaulichkeit (und möglicherweise selbst in ihrer anatomischen Treue) nach wie vor überlegen.

Fotografieren ist dort leider nicht erlaubt, eine vernünftige Webseite gibt es nicht. Aber das Vorbild des Josephinums, die La Specola-Sammlung in Florenz, läßt sich hier besichtigen.

(via Wurzeltod, die jetzt auch endlich mal verlinkt ist.)


 


Dienstag, 11. Januar 2005


The Thin White Duchess

Der Ansatz, den Elke Buhr in der Frankfurter Rundschau verfolgt, ist ganz interessant. Sie sieht das Publikum als kollektive Weight-Watchers-Gruppe, die strengstens Busen, Taillen und Hintern ihrer Stars vermißt und dabei ein Schönheitsideal, das zwischen La Hintern Jennifer Lopez und Sarah Jessica Parker ("Bügelbrett mit Silikontüten") oszilliert, zelotisch im Auge behält.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, die schlanken Frauenkörper auf den Leinwänden, Laufstegen und Bildschirmen würden dort vor allem für die Männer appetitlich angerichtet, und die Frauen wären nur Opfer patriarchal bestimmter Schönheitsideale. In der öffentlichen Inszenierung des Frauenkörpers spielt die Erotik in weiten Bereichen über Bande: Die Models sollen nicht direkt für die Männer attraktiv sein, sondern sie spielen den Frauen vor, wie Attraktivität auszusehen hat - nach Meinung der Frauen.

Im Prono, so Buhr, hätten dürre Gestalten wie Kate Moss keine Chance, ein Mann wolle keine Rippen zählen. Das ist eine oft gehörte Litanei, deren Gegenteil jedenfalls auch nicht wahr ist. Die Wahrheit liegt männlicherseits in der Mitte, mit teils heftigen Ausschlägen nach der einen wie anderen Seite. Knabenhintern, dünne Beine haben aber an einer Frau gemeinhin nichts zu suchen. Berühmt ist der Satz von Humphrey Bogart über die große Katherine Hepburn: "Sie ist wie eine Garderobe. Wenn man einen Hut nach ihr wirft, bleibt der überall hängen." (Katherine Hepburn hätte ich allerdings sofort mit nach Hause genommen, und das nicht nur, weil sie rote Haare hatte. Ich hätte ihr auch ein leckeres Käsebrot angeboten.)

Die Hysterie um dieses SATC (was ich nie gesehen habe) läßt allerdings zweifeln, um SJP wirklich so weit vom "Ideal" entfernt wandelt. Mich jedenfalls machen diese neurotischen "Allies" bestenfalls nervös. Irgendwie unentspannt.

Liebe Damen: Miss Monolog hat noch Schokolade anzubieten. Greifen Sie zu!


 



Hermetische Autobahnraststätte



Das ist eine Statistik meines Webtrackers von 2004 für das Hermetische Café. Wie man sieht, gab es im September einen sprunghaften Anstieg der Besucherzahlen.
GRAD ALS ICH IM URLAUB WAR!

Vielen Dank auch. Ich sollte wohl öfter Pause machen.

(Ach, ich sehe gerade, die wollten sich nur alle an meinem Rentendebakel delektieren. Hm.)

Homestory | von kid37 um 01:07h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 11. Januar 2005


Sacre du Printemps

Herr LeTeil machte mich auf einen schönen, was sage ich, sehr schönen Artikel in der Zeit aufmerksam, der ein schönes, was sage ich, sehr schönes Vorkommnis beschreibt. Geschmack hin, Schnappi her, eins ist völlig klar: Die Deppen der Musikindustrie sollen sich gefälligst selbst einen MP3-Player ins Knie bohren. Von Musik haben die sowieso keinen Plan, von Industrie höchstwahrscheinlich auch nicht. Ich als Miteigentümer der Musikindustrie (ja, auch ich habe mal Aktien gekauft, damals. Repent, Sinner! Repent!) darf das sagen.

Haha!

Heute war ja der erste Frühlingstag im Jahr. Ich bin sicher, es werden noch einige folgen, aber der erste ist immer der schönste und den vergißt man auch nie. Temperaturen um die 15 Grad lockten manche eher nachlässig bekleidet zum Altpapiercontainer, andere jagten die ersten Mücken oder setzten sich bei der Russin gemütlich auf dem Naschmarkt nach draußen. Ich selbst wollte da nicht zurückstehen und gab heute dem inneren und unzähmbaren Drängen nach, endlich einmal für Durchblick zu sorgen. Fünf Fenster putzte ich nachdem ich vom eher lustlosen Eisenbiegen aus der Werft nach Hause kam, was zu dieser Jahreszeit nichts anderes heißt als daß ich sie im Dunkeln putzen mußte. Immerhin legte ich Strawinsky dazu auf.

Das wird morgen ein buntgestreiftes Erwachen geben, fürchte ich. Ein heiteres Frühlingserwachen. Aber was soll's, dann stelle ich mir einen Strauß Tulpen in die Küche. Bestimmt gibt es auch schon Schokoosterhasen zu kaufen. Denn wenn man so ins Alter kommt, verfliegt die Zeit bekanntlich immer schneller.


 


Freitag, 7. Januar 2005


In den Orkus gebrowst

Hm. Blogger kennen das Problem mit dem Internet Explorer. Man tippt und tippt und tippt an einem Beitrag oder Kommentar, hat irgendwelche Daten vergessen oder wurde hinterrücks ausgeloggt, erhält eine Fehlermeldung, blättert mit dem Browser eine Seite zurück - und weg sind Text und Frucht langer Arbeit.

Dann schimpft man auf Bill G. und Microdingens, surft fortan mit Mozilla und in Frieden, bis der Hype kommt und alle Welt den Firefox empfiehlt. Der speichert Dateien zwar immer noch tausendmal langsamer als der IE, läßt dafür aber auf gewohnte Weise Texte verschwinden. Wie eben festgestellt. Na toll.

Also, ich bleib jetzt bei Mozilla. Safe and sound. Dürfen sich andere gerne mit den Kinderkrankheiten beschäftigen.


 


Donnerstag, 6. Januar 2005


Lady Lazarus

Herr God, Herr Lucifer
Beware
Beware.
Out of the ash
I rise with my red hair
And I eat men like air.

(Sylvia Plath, "Lady Lazarus". 1963.)


Hoffnungen hatte ich schon mit diesem Projekt verbunden, zumal ich Gwyneth Paltrow seit Beziehungen und andere Katastrophen (The Aniversary Party) als Schauspielerin ernster nehme. Zumal Die Glasglocke eines meiner zahlreichen Lieblingsbücher ist.

Zumal ich die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath für komplex, verrückt und in Person und Werk interessant halte. Seit ihrem Freitod im Jahre 1963 stand die Rezeption ihrer Arbeit immer auch unter dem Versuch einer Suche nach ihrem "inneren Ich, erfüllt von Gewalt und Zorn, das sie unter ihrer scheinbaren Ausgeglichenheit und Effizienz verbarg" (Anne Stevenson über Sylvia Plath).

Wer also ein bißchen Interesse für diesen Themenkomplex besitzt, muß sich darüber ärgern, wie wenig davon dieser Film aufbringt. Er hangelt sich an den hinreichend kolportierten Episoden einer Künstlerehe entlang und sollte vielleicht schon deshalb eher "Sylvia & Ted" heißen. Wir sehen Fragmente und Anekdoten: Wie Sylvia bei ihrem ersten Treffen Ted die Wange blutig beißt, wie sie später aus Wut und Enttäuschung seine Manuskripte im Garten verbrennt, wie sie, die Tochter des deutschen Vaters Otto, am Ende das Gas als Ausweg nimmt.

Wir sehen eine extrem talentierte, extrem engagierte Frau, die literarisches, akademisches und hausfrauliches Leben unter einen Hut bringen will und dabei an ihren Ansprüchen scheitert. Ihr Perfektionismus, ihr Wahrheitsfetisch, ihre skorpionische Eifersucht - in diesem Koordinatensystem bewegt sich diese Film-Plath, über die wir nach diesem Film genau so schlau sind wie vorher.

Ihr Leben, ihre Kreativität, der Prozeß des Kunstschaffens - alles ausgeblendet. Ach ja, sie kritzelt auf ein Blatt Papier, zerknüllt es und wirft es in die Ecke. So sieht er aus, der dichterische Schaffensrausch. Zeitzeugen wie der Literaturkritiker Al Alvarez, der im Film selbst auch nicht allzu gut wegkommt, haben sich bereits vorsorglich von dem Werk distanziert. Der Film klebt am Anekdotischen, geht über seinen Stoff aber niemals hinaus. Er wagt keine Analyse, bezieht keine Position, bietet schicke Bilder (sehr, sehr stimmiges Set-Design) und viel hübsches Zeitkolorit - seiner Hauptperson oder gar dem künstlerischen Werk der Plath jedoch kommt er nicht nahe. Ihre Ausbrüche, ihr symbolisches Ausagieren (der Blutfetisch, die Suche nach dem "verlorenen Vater", der Wunsch nach Inkorporation und "Eins-sein") - alles nur angerissene Szenen einer Ehe, Stoff einer Seifenoper zwei berühmter Künstler.

Und warum eigentlich heißen Filme über Frauen (zumal, wenn sie Ikonen der Frauenbewegung sind) immer "Frida", "Evita" oder eben "Sylvia", die über die Männer aber "Columbus", "Pollock" oder "Picasso"?

Ein weiteres Übel rückt den Film gar in die Nähe einer TV-Schmonzette, denn offensichtlich vertraut er weder seinen Zuschauern noch seinem Stoff: Jedesmal, wenn die Hauptpersonen, immerhin zwei der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts, sich zum Eigentlichen, dem Wort nämlich, erheben, schlägt leider gnadenlos das Gefiedel und Gegeige von Gabriel Yared, der schon den "Englischen Patienten" zerdudelt hat, zu. Der nächste Film dieser Reihe? Ich darf mal raten: "Zelda und Scott".

Sylvia (GB, 2003). Regie: Christine Jeffs.

Super 8 | von kid37 um 22:35h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 5. Januar 2005


Unglaublich!

Pausen, Rückzug - alles schön und gut. Aber wenn man gebraucht wird...

Heute habe ich mir (endlich, endlich) die Unglaublichen angesehen. Und wie erwartet, habe ich mich amüsiert, wie lange nicht mehr. Pixar plünderte wie schon in Monster AG amerikanische Träume und die Alltagsutopien einer prosperierenden Ära und kreuzte sie erneut mit family values. Diesmal treffen amerikanische Superhelden das Swinging-Sixties-Kino des britischen Superhelden James Bond. Wie man hört (weil ich es heute vorschlug) wird "Die Unglaublichen" demnächst mit Sean Connery, aber ohne "Posh Spice", real verfilmt.

Nach dem, was ich die letzten zwei, drei Tage erleben durfte, war schnell klar, daß es sich eigentlich um einen Bloggerfilm handelt. Der Titel "Die Unglaublichen" deutet es schon an. Wir sehen eine Gruppe von auf den ersten Blick merkwürdigen Gestalten mit oftmals besonderen, manchmal auch rein selbstverherrlichenden Fähigkeiten, die größtenteils inkognito mit teilweise absurden Pseudonymen (nom de guerre) sich anschicken, das Böse zu bekämpfen und die Welt zu retten. Daheim haben sie Probleme wie du und ich: Frauen, Kinder, Hobbykeller. Und die größten Superhelden sind dazu verdammt, bei einer Versicherung zu arbeiten.

A-Bloggern wird ordentlich heimgeleuchtet: Behandeln sie ihre Fans nicht aufmerksam und nachsichtig genug, kehren diese Jahre später als Superschurken zurück, und dann beginnt ein heißer Tanz. Blogwar auf Blofelds vulkanischer Insel, Labyrinthe, Sicherheitsschergen, skurille Geheimwaffen und vor allem: Computer!

Ich muß noch erklären, warum das mit der Gartenzwergfabrik immer nur ein Vorwand - manche würden sagen: eine dreckige Lüge - war. Niemand sollte wissen, daß ich mich auf meine älteren Tage gelegentlich ins Superheldenkostüm zwänge. Obwohl es dafür mittlerweile Zeugen gibt. Nun ist es raus, egal. Es gibt Leute, die wissen noch schlimmere Dinge über mich. Und es gibt Leute, die scheuen sich nicht, das auch zu sagen. Unglaublich, eigentlich. Aber flashig und elastisch und irgendwie unsichtbar wie ich bin, sorge ich dafür, daß hier nichts untergraben wird. Und wenn doch, dann geht es ab ins Superhelden- Schutzprogramm.

Die Unglaublichen (USA, 2004). Regie: Brad Bird.

Super 8 | von kid37 um 02:11h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 3. Januar 2005


Primat der Gestaltungsfreiheit

I could live a little better with the myths and the lies,
When the darkness broke in, I just broke down and cried.
I could live a little in a wider line,
When the change is gone, when the urge is gone,
To lose control. When the caring's gone.

(Joy Division, "She's Lost Control")


Gefangener des Hermetischen Cafés seit 379 Tagen*

Eigentlich liegen hier ein paar Beiträge auf Halde (in der Pipeline, auf Neu- deutsch), darunter z.B. eine Betrachtung des wunderbaren Films Sylvia, der so gar nicht gelungen ist, aber hübsch anzuschauen. Nachdem ich aber im wahren Leben schon links und rechts schauen muß, ehe ich das Haus verlasse, gehen mir die "Angriffe" und Vereinnahmungsversuche gegen meine Person, mein Blog oder die jeweiligen Projektionen darauf mittlerweile gehörig auf die Eier.

Wenn Html-Herausgeforderte darangehen, mein Layout inklusive Fehler (haha) zu klauen übernehmen, ein paar Rubriknamen ändern und zwei, drei Links herauswerfen, das für "Eigenleistung" halten und dann, wenn sie ertappt werden, eher nicht zerknirscht, sondern verwundert tun - nun, das mag dann einfach nur nerven. So was kommt vor.

Wenn mich aber - so wie gestern - verschiedene Menschen anmailen, mir Beiträge oder Kommentare vorhalten, darin "Botschaften" lesen oder mir Beteiligungen in bloggerverschwörerischen Vereinigungen unterstellen, dann reicht es irgendwann (lies: jetzt).

Was ist los? Post-Feiertags-Psychosen? Pluto im vierten Haus? Atmosphärisches Vor-Gewitter-Dräuen? Leute: Ich stehe auf niemandes Seite, nicht einmal auf meiner eigenen. Laßt mich da raus.

Ich solle mich nicht mehr mit Blogger A abgeben, sonst rede Blogger B nicht mehr mit mir. Sowas habe ich zuletzt im Kindergarten erlebt, in der Sandkiste, wo mir andere Knirpse erklären wollten, mit wem ich zu spielen hätte. Sonst Förmchen ins Gesicht und Schaufel über'n Kopf, zackzack.
In diese Altersgruppe gehört das auch hin, und ich verrate noch was: Bei mir hat das damals schon nicht geklappt.

Ich hatte und habe eine Abneigung gegen Cliquen, die manche Soziologen nicht zu unrecht für einen Hort protofaschistoiden Verhaltens halten. Ein soziales Konstrukt, das einen unglaublichen Zwang und Druck auf seine einzelnen Mitglieder ausübt, darüber wacht, welches Jeansfabrikat man trägt, welche Musik gutzufinden ist - und mit wem man sich abzugeben hat.
Ich war nie in einer Clique, und werde jetzt in meinem Alter erst recht nicht mehr damit anfangen.

Ich möchte mir auch nicht vorschreiben lassen, wann ich wo was kommentieren darf - und schon gar nicht, auf welche Weise. Diese ganze biografische Exegese von Blogs, meinem jedenfalls, ist sowieso Schwachsinn. Sicherlich durchweben sich "reale" Erlebnisse und Begebenheiten mit fiktionalen Konstrukten, aber genauso wie dem Letzten mittlerweile klar sein dürfte, daß ich nicht in einer Gartenzwergfabrik arbeite oder einen Aufsitzrasenmäher besitze, genauso dürfen auch andere Beiträge mit einer Prise Salz oder der Zunge in der Backe gelesen werden. Noch was: Auf dem Weißen Album haben die Beatles nirgendwo "Charlie, kill them for us!" gesungen.

Wenn hier Menschen, die ich noch nicht einmal oder flüchtig nur kenne, "Botschaften" und "Hinweise" rauslesen, meine Spuren durch die Blogosphere verfolgen (habt ihr alle nichts zu tun?!?), kann ich denen nur raten: Lest das Blog sträwkcür - dann findet ihr endlich die ganzen satanischen Botschaften!
Am besten, ihr setzt dazu eine Sonnenbrille auf.

Es gibt wichtigeres als Bloggerkriege. Zum Beispiel die Kalkablagerungen in meinem Bad. Das ist der Luxus meiner eigenen Probleme, in denen ich jetzt schwelge. Deshalb ist hier erst einmal Pause. Denkt aber an den alten Spruch der modernen Kunst: Das Schweigen Marcel Duchamps wird überbewertet.
Bis dahin. Weitermachen.


(* Mixed-Media-Assemblage, Mensch mit Laubsägearbeit vor Rauhfasertapete, 2005. Privatbesitz.)

| von kid37 um 15:11h | | Link