Freitag, 9. April 2004


Statt Karte




Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Old Blue Eye.

she sets things tragic
she is venus
she is mars
she's electric

(The Smashing Pumpkins
, "Annie Dog")

Homestory | von kid37 um 01:41h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Gab weder Regeln, Hoffnung, Gnade...




















Eines des schönsten Kinderbücher für Erwachsene der letzten Jahre ist sicher Wenn Gwendolin nachts schlafen ging aus dem sowieso ganz großartigen Antje-Kunstmann-Verlag. Susanne Straßer und Helmut Krausser beschreiben eine Serie grotesker Todesfälle im Spielzeugzimmer. Ein klassischer Topos also, geschildert in schrägen Reimen und allerliebsten Collagen. Ehemals teuer, nun in der Verramsche und allen groß- und kleingebliebenen Ungeistern schwerstens ans Herz gelegt.

Mit Helmut Krausser konnte ich ja nie viel anfangen. Seine Sprache blieb mir irgendwie zu sperrig, seine Themen zu "aus der Luft gepflückt", um nicht zu sagen... um nicht zu sagen anbiedernd und effektheischerisch. Das klingt nach einem Verriss, soll es aber gar nicht sein. Der Helmut und ich, wir haben einfach keinen Draht zu einander. Schmerznovelle hin oder her. Das macht uns beiden aber nichts. Der Helmut verkauft weiter viele Bücher, und mir geht es auch gut.

(Susanne Straßer/Helmut Krausser. Wenn Gwendolin nachts schlafen ging. München: Antje Kunstmann Verlag, 2002.)

Ex Libris | von kid37 um 23:36h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 7. April 2004


Komm, lass mich schlafen!



Ich hasse das, wenn sich jemand wichtig machen will, obwohl seine Zeit schon abgelaufen ist.

(Um dem Vollmond mal das zu sagen, was man mir selbst schon in Beziehungen gesagt hat. Der Vollmond und ich haben ja auch eine besondere, durch wenig Wohlwollen geprägte, Beziehung.)


 


Montag, 5. April 2004


Schwein gehabt


Manche meinen ja, sie hätten alles schon gesehen. Stierhatz in Pamplona, anonymer Gruppensex mit Umschülern, Menschen, die sich Fleischerhaken durch Vor- und Rückenhaut schieben und an der Decke aufhängen oder die Teilnahme an der Jim Rose Circusshow. Wer dieses alles als Höhepunkte seiner Wanderungen durch die Labyrinthe der Subkulturen hielt, der hat das Schönste noch vor sich.

Denn ich war heute auf einer Meerschweinchenausstellung. [sic!]

Für 1,50 Euro Eintritt (Kinder die Hälfte) gibt es in dieser Stadt keine amüsanteren käuflichen Sonntagnachmittag- vergnügen. Dachten sich wohl auch die Veranstalter und bewiesen Humor, in dem sie das Ereignis in einer Schule in der Meerweinstraße [sic! sic!] abhielten. Gleich zu Beginn wartete ein Spalier aus Ständen mit Informationsmaterial des "Meerschwe*nchen-H*bby-Club e.V. Hamburg", Heimtierbedarf und Merchandising, die Tischdeckchen mit aufgestickten Nagern, Einkaufsbeutel mit aufgestickten Nagern und Gästehandtücher mit aufgestickten Nagern anboten. Eine Vitrine aber gab Rätsel auf. Was soll das sein? Die Jahresschau des Kunstleistungskurses 11/2? Eine Nagelschlagfalle für entlaufene Kleinheimtiere?
Im Saal dann aber die preisgekrönten Ausstellungstiere. Wer das gemeine Meerschweinchen bislang für ordinäre Nager der Gattung Caviidae hielt, konnte hier etwas erleben. Gleich im ersten Käfig zitterte mich ein verängstiges braunlockiges, durch den Wind geschossenes Haarteil an. Es folgten knopfäugige Handfeger mit Puschelperücke und langmähnige Hippie-Nager der Neigung "Let your Schamhaar grow". Dazwischen hin und wieder frech-starrende pantherfarbene Kurzhaarfreggels mit weißem Irokesenkämmchen auf dem Kopf. Man war geneigt, in der Tasche nervös nach "'nem Euro" zu suchen. Nur der Käfig eines laut Züchterzettel korrekt so bezeichneten "Rosettenbocks" war leer. Der trieb sich wahrscheinlich gerade in einem Darkroom auf der Reeperbahn herum, der alte Rosettenbock. Na, der hat aber was verpaßt!

Leider mochte ich der versammelten Rodentia nicht ins Gehege blitzen. Die armen Tiere standen sowieso schon unter verschärftem Beobachtungsstreß. Zudem hielten ironieresistente Züchter ("Taugen die eigentlich auch als Schlangenfutter?") eifersüchtig Wache über ihre den Augen des Mobs preisgegebene Brut. So ist die Fotoausbeute leider sehr gering.

Das Publikum war übrigens sehr gemischt. Neben der von mir auch erwarteten Fraktion der mit Anti-Schielbrille und Zahnspangen bewehrten Vorschulkinder und ihren jeweiligen geduldig-genervten Erziehungsberechtigten gab es durchaus erwachsen wirkende Menschen, die sich der Sache mit auffälligem Ernst widmeten. Ältere Damen wie immer ausgenommen, aber mittelalte Herren vom Typ biederer-Nachbar-der sich-später-als Serienmörder-entpuppt können auch schon mal verdächtig wirken.

Auf der nächsten Ausstellung bin ich übrigens wieder da. Ich muß doch wissen, ob mein Favorit, Nummer 48 (die Nummer 37 war übrigens langweilig), gewonnen hat.


 



Traurige Liebeslieder

Nach einem berufsfördernden Tag auf der Fotoagenturmesse in den Deichtorhallen kann es kaum einen schöneren Ausklang geben, als sich einer gepflegten Ausstellungsbegießung hinzugeben. Der Heliumcowboy feierte das Einjährige. Grund genug, für eine Aufwartung. Die Kunst - modern, die Gäste - erlesen. Kitty 2000 aus Berlin spielte "traurige Liebeslieder" zur einsamen Gitarre. Andere tanzten woanders, ich aber war nun mal ebendort.
AxelK war ebenfalls anwesen und Lyssa mit einem T-Shirt, bei dem jeder sofort anfangen möchte, ergebnisorientiertes Html zu erlernen. Ich versuchte, Wäscheaufhängen gegen Kuchenbacken bei ihr auszuhandeln, aber das Ergebnis ist irgendwie offen geblieben. Sie weiß vielleicht noch nicht, daß ich nichts vergessen kann. Das Angebot steht also noch.

Kuchenbackende Frauen waren sowieso der große Hit an dem Abend. Auch Mequito outete sich bei dieser Gelegenheit als Freund feiner Backwaren. Als berufliche Perspektive - und das geht jetzt an den anderen Herrn - würde ich das aber noch einmal überdenken.




Die Backqualitäten habe ich auch immer geschätzt. Ich glaube, kuchenbackende Frauen mit schnellen Autos sind das allergrößte. Ich selber bin ja ein wenig geschwindigkeitsscheu. Man muß eben genießen können.



So wie diesen Abend. Sonntag geht es zu einer gänzlich anders gearteten, grandiosen Ausstellung, für die schon eine beachtliche Erwartungshaltung erzeugt werden konnte. Ich hoffe, ein paar Bilder liefern zu können.

Ausstellung "Strange Sofa" von Alex Diamond im heliumcowboy artspace bis 1. Mai 2004.


 


Samstag, 3. April 2004


Keine Ente

Wenn ich mitten in der Nacht wach werde, hilft es manchmal, am Fenster zu stehen und die Spiegelungen des Mondes auf dem Wasser zu betrachten. In den Büschen rührt sich Getier. Ab und an fährt eine Ente, die wohl ebenso schlecht träumt wie ich, hoch aus dem Schlaf und gibt nervöse Geräusche von sich.

Eine Tasse Tee soll mich wieder runterbringen. Ein wenig lesen. Bei Charming Quark einen Link zu einem Dossier der Zeit zum Thema Häusliche Gewalt gefunden. Same old story. Das öffentliche Bild gibt die Wirklichkeit oft unzureichend wieder. Auf beiden Seiten, ich weiß das.


 


Freitag, 2. April 2004


Death Valley Junction

Also hieß die Parole, "No Future". Weder in "England's Dreaming" noch in Londons Gegenwart ("A nuclear error... but I have no fear..." The Clash, "London Calling").

Der größte Scherz der 80er waren diese komischen, bei Köln stationierten Raketen, die angeblich nur eine Flugreichweite von 50 km hatten. Gen Osten gerichtet, würde ihre nukleare Last also über Wuppertal abfallen. Das kommt mir heute wie eine urbane Legende vor. War damals aber ernst.

"Ich brauch Deinen Schutz, ich will dich beschützen..." (Fehlfarben)

Also so war es dann aber doch nicht gemeint. Vielen Dank. Atomkinder nannte das H.R. Giger schon Jahre früher. Später öffnete Pandora dann doch noch ihre Büchse. Unser Erdkundelehrer, geflüchteter Ex-DDRler und seitdem fünffach auf rechts gedreht, erklärte demonstrativ westliche Atomtechnologie für "absolut sicher". Sellafield/Windscale, Le Hague, Harrisburg, Cattenom - alles sicher. Großes Gelächter im hinteren Klassenflügel. Man konnte ja kurz mal aufwachen.

Die Todeszone wird heute ein Abenteuerspielplatz. Denn Bungeespringen war gestern. Der Bericht aus der Geisterstadt zeigt, wie nah dran die NeonPolyesterEndzeitBetonträume von 1981 waren.

"Hiroshima, wie schön es war" (Borsig)

Homestory | von kid37 um 17:10h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 2. April 2004


Das große Mißverständnis

"Ich habe an 'No Future' geglaubt. 'I don't care' war auch wichtig. Nur weil ich
'I don't care' gesagt habe, bin ich ja immer noch da, wo ich heute bin. Nur deshalb ist ja nichts aus mir geworden. Weil mir das alles egal ist. Sonst hätte ich ja Karriere machen können. Sowohl bei Rank Xerox als auch mit den Fehlfarben. [...] Es gibt Sachen, die sind egal. Ich finde mich auch nicht verbittert. Ich finde halt einfach nur alles scheiße. Moderne Musik kann ich nicht ab, Musikfernsehen kann ich nicht ab. Und was meine Bedeutung für andere Leute betrifft - ich bin öfters irgendwo, wo in der ganzen Gegend gerade mal 5000 Leute wohnen, und da sitze ich in der Kneipe, und jemand kommt daher: 'Hey, bist Du nicht...?' 'Ja.' 'Du hast mein Leben verändert!'
Da kannst du nichts mehr sagen. Das war ja alles gar nicht so gemeint."

(Peter Hein in: Verschwende deine Jugend, 2001.)

Schneid dir die Haare, bevor du verpennst. Komisch, Peter Hein hat auch mal mein Leben verändert. Danke, übrigens. Und immer, immer wieder bin ich erstaunt, wie leicht es damals noch war zu provozieren. Ein Statement zu machen.
Kurze Haare! Schwarze Hosen!! Hundehalsband!!!

Eine merkwürdige Zeit. Schade, daß Beton nicht brennt. Zum ersten Mal wurde die neonlichterne Beleuchtung einer Bahnhofsunterführung zur artikulierten Lebenswirklichkeit. Der Feind war da draußen. "Angst junger Mann?" Ja, ständig. Vor dem Grauschleier, dem Doppel-Beschluss, der Einsamkeit am Morgen danach. Osten, Westen, scheißegal. Der Morgen kommt nie.
Seltsam, daß ich gerade in den letzten Wochen an die Zeit von 1981 erinnert wurde. Und folgende.

Deine erste "Cure" vergißt Du nie. Dein erstes Banshees-Konzert auch nicht. Alle gegen alle. Meine Freundin hatte einen weißen Renault 5. Ein C-Kadett wäre natürlich cooler gewesen. Aber man kam raus aus der Stadt. Ich war damals sehr verspannt. Überhaupt lag viel Gewalt in der Luft. Leute zerfetzten sich die Kleider und wälzten sich in gebrochenem Glas. Aber es gab einen kurzen Moment großer Solidarität. Als kleinste Zeichen ein Erkennungsmerkmal waren. He, das ist einer von uns. Punks, Skins, Mods, scheißegal. Die Rivalität kam erst später. Als der gemeinsame Hippiefeind "ey, du"-egal geworden war.

Die zweite Fehlfarben, die neue DAF, Erinnerungen an Mittagspause. Keinen Plan. Wuppertal als vergessene Außenstelle Düsseldorfs. Das "Kommunikationszentrum Die Börse" als schwerstobservierter Szenetreff. Brodeln, warten, Atmo atmen.

Seinen ersten Rank Xerox vergißt man auch nicht. Der Copy-Shop als kulturelle Schaltzentrale. Fanzine-machen. Kassetten. Subversiver Austausch von homemade-Kulturgütern via Second-hand-Läden und düsteren Klamottenschuppen. Vor Konzerten rumlungern und Tauschen, Abgreifen. In merkwüdigen Wohngemeinschaften noch merkwürdigere Menschen treffen, die zwischen Rattenkäfigen harmlose Subkulturbücher verlegen.
Egal. Do it yourself.

Manchmal habe ich daran geglaubt. Ganz naiv. Peter Hein, du hast mein Leben verändert. Trotzdem danke.

Radau | von kid37 um 00:51h | 16 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Aprilscherz?


Als Astarte einmal einen schlechten Tag hatte.

Homestory | von kid37 um 02:10h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 1. April 2004


Sind wir nicht alle ein bißchen Ballack?


"Er beschäftigt sich zu viel mit sich selbst. Liest jeden Artikel, jede Kritik über sich."

(R. Beckmann, Kommentar zum Freundschaftsspiel Deutschland - Belgien, 31.3.2004.)

Homestory | von kid37 um 00:12h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Der Boulevard bebt

"Alle sogenannten sittlichen Bande waren aufgelöst. Eine Welle des Lasters, der Pornographie und Prostitution lief durch das ganze Land. "Je m'en fous", sagte ein jeder, "ick will mir endlich mal wieder amüsieren". Der Shimmy war die große Mode. [...]
Die Stadt war dunkel, kalt und voller Gerüchte. Ihre Straßen wurden wilde Schluchten voll Totschlag und Kokainhandeln, ihre neuen Wahrzeichen die Stahlrute und das blutige, abgebrochene Stuhlbein."

(George Grosz über die Zeit der Weimarer Republik. Aus: Ein kleines Ja und ein großes Nein, 1974.)

Ex Libris | von kid37 um 14:24h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link