Mittwoch, 21. Januar 2004
Ich habe auf einem alten Mix-Tape aus den 80ern diesen grandiosen Song, in dem es heißt "Susie had a party, but no one came..." Ist das von Farm Life? Kennt das noch jemand? Sachdienliche Hinweise bitte gerne hier oder per eMail.
Die Schnittchen-Affäre zieht Kreise. Konsequent wurde ich undankbarer Geselle heute nicht auf eine Geburtstagsparty eingeladen. Es gab kein Käsebrot.
Dann fand ich in meinem Küchenschrank noch eine Tafel RS Alpenmilch.
Dann erreichte mich eine aggressive eMail.
Ich möchte mehr davon. Mir ist gerade sehr katholisch zumute.
Edit: Man muß nicht laut schreien. Es kommt von allein.
Immerhin ist auf etwas Verlaß.
Sicherheiten
Die sicherste Methode, eines Tages verlassen zu werden ist:
Sich aus Angst/zum Schutz vor dem "großen schwarzen Loch danach" zu sehr durch betonte Unabhängigkeit absichern zu wollen.
Gefunden hier bei jeamuc.
Jaja, das alte Spiel mit der richtigen Mischung aus Nähe und Distanz.
Das Gefühl, auf Bewährung entlassen zu sein.
Aber die Auflagen nicht zu kennen.
Der Tod und das Mädchen
Sieh an, zwei neue Bücher trudelten via Hauspost ein. Es wird Zeit, daß es Frühling wird. Das Thema scheint definitiv "Lust" zu heißen. Nett, bunt und definitiv voller Humor: Dave Naz, "Lust Circus". Beim anderen Buch ist das nicht so der Grundtenor. Dafür ist es aber eine ganz interessante morbide Motivstudie. Dieser Martin Büsser ("Lustmord - Mordlust", Ventil Verlag) scheint ja ganz rührig in populären Kulturthemen. Der inhaltliche Sprung von Bataille über Bret Easton Ellis zu einem allgemeinen Überblick in US-amerikanischer Kunst und Film kommt mir zwar etwas, nun ja, gewollt-gewagt daher. So aus der "lameng" strukturiert. Macht auf den ersten Blick den Eindruck einer aufgeblasenen Magisterarbeit. Aber das muß ja nicht unbedingt falsch sein. Und das Hans-Bellmer-Cover weckt schon mal Vertrauen. Eigentlich wollte ich mir ja Maria Tatar, "Lustmord: Sexual Murder in Weimar Germany" zulegen, aber die horriblen shipping costs hielten mich ab. Ist aber die grundlegendere Studie, und kommt dem hier verhandelten Sujet auch näher. Bronfens "Nur über meine Leiche" passt da noch auf die Liste. Schau nach bei Dix, Chagall und Grosz et al. Der Lustmord als Motiv der 20er Jahre. Von wegen "golden". Masereel fällt mir noch ein. Die Stadt. Und der Lausch-Bogen zu SPK ist auch ganz schnell geschlagen. Ein weites Feld also. Grad wollte ich noch Georg Heym zitieren, aber der Weg zum Buchregal ist mir jetzt angesichts der Uhrzeit zu weit. Morgen vielleicht.Nein, und mein Name ist nicht "Bateman". Das Interesse ist wie immer streng kulturwissenschaftlich. Bevor es wieder irritierte Aufschreie gibt. (Aber dann, wie heißt es so schön: "Nicht jeder Bastler ist harmlos.")
Dienstag, 20. Januar 2004
Bekanntlich bin ich ja nicht leicht zu beleidigen...
...haha, nur ein Witz!
Aber dieser Referrer ist wirklich frech.
Leider nicht ganz gesehen. Das bedaure ich allein schon wegen der sehr stilisierten Bilder. Emmetts Wohnung sah aus wie die von Brad Pitt in "Sieben". Dieser graugrüne Farbton. Ich glaube, ich streiche noch mal neu.
Sehr angenehm die Sterbeszene. Angenehm ruhig, ohne Gequatsche. Sonst wird ja immer noch ein bedeutungsschwerer Spruch losgelassen. Ach was, in amerikanischen Filmen folgt meistens noch eine ganze Rede aus "Philosophy 101". Geradezu vorbildlich folglich dieser Abgang.
Sofort notieren: Beim Sterben unbedingt das Maul halten.
Wahrscheinlich werde ich es wieder nicht schaffen, ich rede einfach zu viel. Im übrigen wußte ich gar nicht, welche Folgen das Tätowieren noch haben kann. Ich mache mir etwas Sorgen wegen des Viermasters.
Sonntag, 18. Januar 2004
Just like Honey
The Jesus and Mary Chain
Dann gibt es Versprechen. Zaghaft. Angedeutete Möglichkeiten. "Ich plane einen Gefängnisausbruch", sagt Murray. "Und suche einen Komplizen." Aber es bleibt bei der Andeutung. Er will schon, aber er kann nicht. Könnte man sagen. Natürlich. DARUM geht es doch gerade. Das Versprechen auf ein anderes Leben, das im Blick einer jungen Frau liegt. Wie er sachte und leicht ängstlich ihren Fuß berührt. Melancholie.
Schönes Kolorit natürlich. Ich gehöre zu den Menschen, die sich von anderen Orten, gewaltigen wie Tokio, London oder New York zudem, beeindrucken lassen. Tokio steht bei mir ja auf der "dieses Jahr wäre eine gute Gelegenheit dafür"-Liste.
Diese "Orange"-Club ist ja wohl der Hammer. Mal nicht so ein Aerobic-Gehampel wie hier im Hamburger Doll-House.
Und Karaoke mit Sex Pistols und Pretenders? Stark. Haben muss!
Die bitterste - schönste vielleicht - Sehnsucht: Die unerfüllte.
Freitag, 16. Januar 2004
Ich leide ja unter dem philosophischen ADS-Syndrom. Logische Stringenz und strukturelle Konsequenz beim Denken erschöpfen mich leider schon nach ca. 500 Metern.
Für solche Fälle gibt es die "Lindenstraße", die ich nicht mag, und die "Waltons", die ich als Kind sehr genossen habe. (Küchen-Psychologen bitte aufmerken!) Wenn Olivia Walton (Michael Learned) alle Probleme am Küchentisch löste, dann war sie mehr als nur ein Vorbild für spätere Rollen von Witta Pohl u.a.
In einem Interview äußert sich Schauspielerin Michael Learned nun anlässlich der Wiederaufführung der "Waltons" im deutschen Fernsehen über amerikanische Werte, Sex, Moral und Gewalt und ähnlich gewichtige Themen:
"Großstadt-Menschen mögen zwar mehr sophisticated sein, als die Menschen auf dem Land. Oft aber lautet der Preis dafür Zynismus und manch einer muss sich diese Sophistication sogar mit Abstumpfung erkaufen, weil das Leben in den großen Städten einfach hektischer, anonymer und daher für viele wohl auch unerbittlicher ist."
Zum Glück wird hier nicht über Politik gesprochen. So müssen wir hier keine Diskurse führen über reaktionäre, nachgerade regressive Moral, verkitschten Familienwerten und Idealisierung der 30er Jahre in "Walton's Land", das es so nie gab. Natürlich haben wir alle einen Fotoband von Dorothea Lange neben uns liegen, wenn die "Waltons" laufen.
(ab jetzt auf Kabel 1, Mo-Fr, 13.15 Uhr, 219 Folgen)
Hier ist doch auch "Walton's Land". Die Erregung über den ersten Rundfunkempfänger in "Walton's Mountain" - gleicht sie nicht der, die wir spüren, wenn endlich der dsl-Anschluß im Keller liegt? Wenn John-Boy in Ikes Haushaltswarenladen telefonieren gehen muß - gleicht es nicht unserem Besuch im Internet-Café, wenn es doch nicht so klappt mit dem dsl-Anschluß? Und wenn abends die Walton-Familie vor dem Kamin zusammensitzt, nun, dann treffen wir uns in Blog-Runden... erzählen und hören davon, daß der ein oder andere - wie der älteste Sohn der Waltons - gerne Schriftsteller werden würde. Und am Ende ist alles wieder gut, und wir sagen gemeinsam: "Gute Nacht, John-Boy."
"It all began, when they took me from my home and took me to death row"
(Nick Cave, "The Mercy Seat")
Wenn ich abends nach Hause in meinen geilen Stadtteil komme, geißel ich mich gerne für - sagen wir mal - eine halbe Stunde. Es peitscht mir all die Schande, die ich den ganzen Tag produziert habe, vom Körper, beruhigt meine katholische Seele, und für die Durchblutung ist es auch noch von Vorteil.
Dermaßen gestählt, kann ich mir die Tagespost vornehmen. Und siehe da, heute war endlich das angekommen: Soll noch mal jemand behaupten, es gäbe zu wenig Erotik in diesem Blog. Dieses exquisite kleine Werk aus der formidablen Edition Nautilus ist sozusagen "bibergeil", wie das darin enthaltene, bitterböse Gedicht gleichen Namens von Edgar Firn suggeriert. Auch Groszs "Zotendichter" fand seinen Weg in diese geradezu aufpeitschende (s.o.) Anthologie.
Ich habe heute zudem zwei CDs gekauft (jawohl GEKAUFT, ihr gierigen kleinen mp3-Vampire!), es wäre aber nahezu pointenlos zu erzählen, von welchem Künstler. In Erwartung einer kleinen house-warming Party ist auch genügend Trunk und Schokolade gebunkert. Klingt nach einem gemütlichen Abend.
Klingt, als gäbe es morgen wieder eine Menge zu geißeln.
Freitag, 16. Januar 2004
Nun kam der Wind auf, mild tastend, voll von Stimmen der Vergangenheit, vom Geflüster uralter Geranien, vom Geseufze der noch vor den hartnäckigsten Sehnsüchten erlebten Enttäuschungen.
Gabriel Garcia Marquez. Hundert Jahre Einsamkeit, 1967.
Halbabendliches Telefongespräch. Eine alte Freundin. Astrologisch versiert. Sternzeichen Jungfrau. "Das ist das Zeichen der Analyse." Tatsache. Nicht das der Intrige? "Ja, das ist der Schatten." Ok, laß uns über Schatten reden.-Mich beschäftigt das Problem der Funktionaltheorie, Malinowksi, du weißt.
-Oh, Malinowski.
-Er sagt, anders als beim Tier gäbe es beim Menschen keine bestimmte Zeit der Brunst. "Das heißt, daß der Mann jederzeit zum Geschlechtsakt in der Lage ist und die Frau jederzeit fähig, sich ihm hinzugeben - Umstände, die, wie wir wissen, die menschlichen Beziehungen nicht vereinfachen."
-Das hat Malinowksi gesagt?
-Ja. Und er spricht über Kultur und Tabu, und er meint:
"Die Kultur übt aber nicht nur einen rein negativen Einfluß auf den Geschlechtstrieb aus. In jeder Gemeinschaft finden wir außer Verboten und Beschränkungen auch Anreize zur Partnerwerbung und sexuellem Interesse."
-Dieser Malinowski hat's voll drauf.
-Voll krass, würden jüngere Menschen sagen. Er erwähnt Festlichkeiten wie Tanz und so. "Solche Zeiten schaffen natürlich mit Hilfe der verschiedenen Stimulantien, künstlerischen Betätigung und der allgemeinen festlichen Stimmung Anreize zur Partnerwerbung."
-Karneval der Kultur? Oder was meint er?
-Fett, ich meine korrekt, ich meine, ja so was in der Art. Und ich dachte, Kunst diente der Sublimierung!
-Quatsch. Es geht doch immer nur ums ficken!
-Ist das nicht etwas platt?
-Du meinst, ich verallgemeinere?
-Du verallgemeinerst doch immer.
-Das ist jetzt aber auch verallgemeinernd.
-Ok, richtig. Ich meine, es ist ja nicht wie bei dem alten Roadie-Spruch: "If it moves, fuck it. If it doesn't move, put it on a truck."
-Nein. Ich meine ja auch auf einer tiefenpsychologischen Ebene. Dann reduziert sich halt alles.
-Hm, Du meinst tiefenpsychologisch reduziert sich gutes Essen auf McDonalds?
-Für den, der nur ans Ficken denkt, wahrscheinlich schon. Er wird es selbst nicht so sehen, weil er eine höhere Meinung von sich aufrecht erhalten will. Wahrscheinlich nimmt er ein gutes Buch mit, wenn er zu McDonalds geht.
-Das ist doch aber wieder Sublimierung?!?
-Oder ein Schwanzersatz.
-Ihr astrologischen Jungfrauen seid immer so direkt in eurer Ausdrucksweise.
-Man kann nicht immer rumeiern, haha, wenn du verstehst...
-Haha. Willkommen in Kalau. Manchmal versteht man ein Thema besser, wenn man es umkreist. Das Mäandrieren, Tasten, drumherum laufen. Stell Dir vor, jemand verlange von, sagen wir Garcia Marquez, komm mal auf den Punkt!
-Ha. Bei Marquez. Geil.
-Malinowski hat noch Interessantes über jugendliche Rivalitätskämpfe, Vatermord und so weiter...
-Na ja.
-Er spricht über das Fluchen. "Jede Form von Beschimpfung oder unflätiger Sprache enthält Aufforderungen, beladen mit starken emotionalen Möglichkeiten."
-Werd konkret.
-Aber voll fett, Alde: Also du sagst zwar, friß Staub! Leck mich! oder Stirb! aber das ist nur die Aufforderung, mit der du den anderen möglichst weit erniedrigen willst. Du Lügner! Je nach Kulturkreis: Je nachdem, welches Tabu herrscht. Fick deine Mutter! Du Idiot! Du Arschloch!
-Redest du mit mir?
-Äh, 'tschuldige, es ging gerade mit mir durch. Nein, ich dachte an jemand anderen.
-Ah ja. Was ist eigentlich mit Sonntag?
-Sonntag? Ja, ist ok.
-Vorher noch mal telefonieren oder sollen wir direkt was ausmachen?
-Wir telefonieren.
-Ha, rumeiern! Na ok, dann gute Nacht.
-Ja, schlaf gut.
(Zitate: Bronislaw Malinowski. Geschlecht und Verdrängung in primitiven Gesellschaften. 1962)
"Man kann leicht von seinen Erinnerungen betrogen werden. Vor allem dann, wenn sie sehr deutlich sind."
(Dai Sijies, Regisseur von "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin")
"Da fällt mir ein, daß kein Traum, mag er noch so absurd und einsam sein, im Weltall verloren geht."
(Bruno Schulz, Die Republik der Träume)
"... Ich glaube, das war eine Lektion in Demut. Wenn du über die Scheußlichkeit deines Fleisches hinwegkommst, kannst du über alles hinwegkommen."
(Alan Bates über den Film "Liebende Frauen" von Ken Russell)
Mittwoch, 14. Januar 2004
something must break
:[Nachtrag Nr. 1: Text vom 22.11.2003]:To the centre of the city in the night waiting for you
Holla, ich ging aus heut nacht. Nachdem ich in den letzten Monaten auf Partys Musik schwedischer Industrialcombos hören musste, die das Gutmenschenfeuilleton als protofaschistisch bezeichnen würde, und das nur, weil dort Klänge aus der Fleischverarbeitung zu musikalischen Strukturen umgearbeitet werden, durfte ich mich an Musik delektieren, die vor genau zwanzig Jahren im altlinken Feuilleton noch als faschistoid bezeichnet worden ist. Johnny Cash, heute als Chansonnier des Morbiden geadelt, galt damals als Ikone strammer Rechter; Joy Division, immer schon die größte Band der Welt, galten wegen ihres nihilistischen Anti-Hippie-Auftretens, ihrer unterkühlten Humorlosigkeit und wegen der Anspielung auf Hess durch Sänger Ian Curtis als aber so dermaßen faschistoid - und hatten sie nicht KURZE Haare?
Aber heute abend war nicht 1977 (By the way: Where were you in '77?), sondern 2003. Der Themenabend hieß Vernissage. Es gab gute Kunst in feinen Läden, schöne Frauen und gute Musik. Nicht dieses ewige elektrische Ham-burger Schickimicki Loungegefrickel, diese Dorfschulzes und Meiers, die alle nur hören, weil es vorne auf der Spex steht. Ok, sie spielten auch The Cure, aber das englische Sprichwort sagt, es ist nicht vorbei, solange die fette Lady noch singt. Und es gab schöne Frauen.
We would have a fine time living in the night
Eine verkaufte mir ein Bier. Und etwas Kunst. Jawohl, denn Kunst ist nicht nur zum Anschauen da. Kunst kann man nämlich auch kaufen! Merkt Euch das. Ich habe also ein wenig Kunst gekauft, nämlich dies hier:
Das ist ja wohl total geile Kunst. Es war wie ein Ausflug zum mexikanischen Totentag. Und deshalb war auch die Musik total richtig. Und deshalb waren die Frauen auch so schön. Denn wenn es eine Beerdigung gibt, müssen Frauen schön sein. Sie müssen schwarz tragen (gut, es gab schöne Frauen, die trugen gelbe Stiefel an diesem Abend, aber sie machten es durch ihre Art wett), sonst haben sie nichts zu tun. Einfach nur schön sein. Ich kenne Frauen, die sagen, das sei schwer genug. Aber für den Mann, der tot ist und nun beerdigt werden soll, ist es auch schwer. Denke ich.
(Titel: "Der Koch")
But I don't care anymore. I've lost the will to want more
Gut. Habe ich schon die schönen Frauen erwähnt? Die feine Kunst war gut besucht, es war eng, es war warm, es gab genug zu trinken. Die Kunst hing mit Augenmaß an die Wand genagelt an der Wand. Nicht wie bei vielen Pseudokünstlern, die noch frisch von ihren Akademien oder Designschulen kommen und noch die Stimme ihrer Dozenten im Ohr haben: Die Präsentation ist auch wichtig! Natürlich ist die Präsentation auch wichtig. Aber wichtiger als die Wasserwaage ist die Kunst. Und wenn es einigermaßen stimmt, kann man die Bilder auch pi mal Daumen an die Wand nageln. Glaubt mir das, ich habe schon viele Austellungen mit guter Kunst gesehen. Vor genau zehn Jahren, habe ich mal bei einer Hängung für eine Ausstellung geholfen. Und man mokierte sich über die Unorthodoxie meiner Arbeit. Ein Bild hing höher, eines leicht drunter. Man hat es dann schnurgerade gemacht, ich bin nicht zur Vernissage gegangen, man hat nie wieder etwas von den Künstlern gehört. Seht ihr!
What you gonna do when the novelty has gone?
Das Schöne war, es waren nicht nur viele Leute da, es wurde sich auch unterhalten. Man stelle sich vor, ich kannte kaum eine Seele, eigentlich niemanden (bis auf eine dieser schönen Frauen, die ich flüchtig vom Sehen kannte). Und dennoch war die Unterhaltung leicht. In Hamburg! Es gibt ja Leute, die partout (Aaaah, tout alors!) nicht mit einem reden. Außer man materialisiert sich in einer rauchenden Patschouliwolke vor ihnen und sagt "Nietzsche!" oder "De Sade!" oder "Umkehr aller Werte!" Aber heute, unter all der guten Kunst, war es leicht, Kontakt zu knüpfen. Ich gehe wieder gern zur guten Kunst.
Let's take a ride out, see what we can find
Jemand lud mich später noch zu einer Party ein. Aber ich bin in der Midlife-Crisis. Ich gehe nicht mehr mit fremden Frauen auf fremde Partys. Eine Botschaft am Tag reicht. Die Botschaft hieß: Geh zur guten Kunst.
Destiny unfolded. I watched it slip away
Also drehte der Rest der Unterhaltung sich noch über Mangas, das Malen von Augen, Lederfetisch, Frauen mit schlanken Fesseln, genetische Program-mierung, Zwillingsforschung, Kleinbürgerfamilien und Arbeiterkinder, Bombenteppiche, U-Bootjagden, EA 80, Hüte aus den 60er Jahren, die auf eBay verlorene Kindheit, die auf eBay verkaufte Kindheit, Limousinen von Opel und sanitäre Einrichtungen auf Musikfestivals. Ich denke, eigentlich ging es um Trauer. Wir standen unter dem Memento mori mexikanisch ikonographischer Todesbilder und griffen nach dem Rest unseres eigenen kleinen Lebens zwischen Babysittern und Kinderlosigkeit und einer grauen Erinnerung an die Zeit der frühen 80er, als wir die Hoffnungslosigkeit kultivierten. Jetzt fahren wir die Ernte ein. Zwischen schönen Frauen und guter Kunst.
(c) 2003 - Zitate: Joy Division
Dienstag, 13. Januar 2004
... ich sitze die halbe Nacht auf und spiele Schallplatten, wenn mir schlimm zumute wird und ich mich nicht genügend betrinken kann, um schläfrig zu werden. Meine Nächte sind ziemlich übel. Und es wird nicht im mindesten besser damit. [...]
Morgen ist oder wäre unser einunddreißigster Hochzeitstag. Ich werde das Haus mit roten Rosen füllen und mir einen Freund herholen, um mit ihm Champagner zu trinken, wie wir's immer gemacht haben. Eine sinnlose und vermutlich törichte Geste, weil meine verlorene Liebe ja doch endgültig verloren ist und ich an ein Nachleben nicht glaube. Aber trotzdem werde ich's tun. Wir harten Burschen sind im Herzen allesamt hoffnungslose Sentimentalisten.
(Raymond Chandler am 7.2. 1955 an einen Freund, zwei Monate nach dem Tod seiner Frau. Im Februar 1955 unternahm Chandler das, was einer seiner Freunde später als den "unzulänglichsten Selbstmordversuch der Geschichte" bezeichnete. aus: Raymond Chandler. Die simple Kunst des Mordes, 1965/74.)