Samstag, 23. Oktober 2010


Grinderman





Ich bin ja nicht wirklich ein Fan von Nick Cave. Da war mir in seinen Texten, in seinem Gesangstil, seiner Art zu leben zu viel Pose, zu viel Getue um Leid und Blut und Religion, eine Art zu zelebrierter Schwere, in eine gewisse Form erstarrt, die mit abgewetzten Jackets und dem Geruch von kaltem Rauch, bitterer Chemie und billigem Fusel wie eine Blisterverpackung für diese Art ungewaschener Drogen-Rock'n'Roll für Studienabbrecher zu sein schien. Vielleicht war es auch nur Eifersucht, ich meine, PJ, Kylie, und vielleicht noch zwei, drei mehr. Und all die jungen Damen in den 80ern, benetzt, bestiefelt, mit Düsternis bestäubt, sie lagen einem ja derart in den Ohren mit diesem Mann, man mußte schon die Flucht nach vorn oder links vom Bühneneingang nehmen.

Die waren jetzt auch alle da, älter geworden wie wir alle, und ein paar jüngere dazu. Es wächst ja alles nach, so wie die Vorband, die klang wie Siouxsie Sioux zu Peepshow-Zeiten, begleitet allerdings nicht von den Banshees, sondern von den Shadows, die noch mal ihren alten Hit Apache auflegten. Klingt krude, war aber so und funktionierte nur sehr oberflächlich. Zum Glück hielten sie sich kurz, danke, Vorband!

Neben ein, zwei Birthday Party-Stücken und solchen aus der Zeit mit den Bad Seeds gefiel mir das Projekt Grinderman, das Cave mit seinem Kumpel Warren Ellis ins Leben rief, von Anfang an ausnehmend gut. Dufter Altherrenrock, so als wären die verkommenen Brüder von ZZ Top tief in die Sümpfe Louisianas gestiegen, hätten mit Fröschen, schwarzen Schlangen und anderem biblischem Gewürm im Schlamm sich gewälzt, sich anschließend mit tüchtigen Schlucken Bourbon innerlich und äußerlich gut abgewischt und dann beschlossen, marodierend durch die letzten Vorposten einer sündigen Zivilisation zu ziehen.

Cave scheint endlich die Selbstironie gefunden zu haben, seine Rolle mit innerer Ruhe, seine Posen mit Lust am Spiel und einer gewissen entspannten Routine abzuspulen. Ellis steuert den nötigen Schuß derwischhafte Unberechenbarkeit und eruptive Energie hinzu, während die Rhythmussektion ein dumpfes, dunkles, mahlendes Stampfen unter die Songs legt, wie ein bösartiges, knurrendes, zu lange eingesperrtes Tier, das Beute reißen oder kopulieren will.

Cave ist natürlich abgewichst genug, die alten Tricks noch draufzuhaben. Er widmet ein Lied der Grafikerin der Band, die offenbar aus Hamburg stammt, ruft überhaupt oft "Hamburg!" ohne allzu anbiedernd zu wirken, geht dann hinaus an den Bühnenrand, streift Hände, blickt tief in die Augen der weiblichen Fans dort vorne, singt ihnen persönlich ein paar Zeilen, um dann wieder vom No Pussy Blues zu jaulen und greinen, daß man bald neben Bier, Schweiß auch anderes von der Decke tropfen meint. Das Ziel dieser bärtigen alten Männer (Cave hat seinen übrigens abgenommen, ich sagte noch zu Herrn K., die Umbaupause dauert so lang, der ist bestimmt beim Rasieren.) ist klar: Niemand kommt hier sauber raus, verständlicherweise sehnte sich auch niemand danach und garantiert gingen nach dem Konzert einige scheinschwanger nach Hause.

Lustige Lieder wie der kleine Hit Honey Bee, Let's Fly To Mars und schwere Stomper wie "Get It On", eine prima Beleuchtung, ordentlich Hormonbeschwingung, ein paar Hallos und noch mehr Biere: Doch, ich fand's ziemlich, ziemlich gut.

>>> Fotos

Radau | von kid37 um 03:11h | 16 mal Zuspruch | Kondolieren | Link