Donnerstag, 7. Oktober 2010


Nicht wieder Sitzen bleiben



Wenige Tage erst, so scheint es mir, bin ich aus dem kurzen Urlaub zurück. Und muß mich schon wieder setzen. Bevor ich losfuhr, hielt ich alles für gut eingetütet, auf den Weg gebracht, in trockene Tücher und Salz gewickelt wie einen portugiesischen Stockfisch (an den ich neulich bei der Kaltmamsell erinnert wurde). Bei meiner Rückkehr stellte ich fest, daß ich Haken und Ösen vergessen hatte. Streitigkeiten, Hadern und unwirsche Worte und Gedanken, die ich selber hatte, und nun ist auch noch meine Kamera kaputt. Ich glaube, ich muß noch einmal durchatmen, ruhig sitzen, in die Herbstsonne ein zwinkerndes Auge werfen, ein paar ruhige Lieder hören oder nicht allein in die Pilze gehen.

Entspannung helfe gegen meine Schlafstörungen, meinte die Kollegin, ich dachte, höhö, und brachte meinen Blutdruck mit dem Lesen eines Artikel über die sogenannte Hamburger Kulturpolitik in der Zeit schon wieder nach oben. Museen schließen, Theater zerschlagen heißen die Titelstücke im Herbstprogramm in Hamburg, dafür - der Erste Bürgermeister, von den Hamburgern nicht einmal gewählt, wünscht es so - wird die Blaskapelle des Polizeiorchesters erhalten.

Man könnte dies für einen absurden Witz halten, der auf dem nächsten fröhlichen Stuttgarter Weinfest auf dem Rathausmarkt mit derben Knuffen und erhobenen Gläsern zum Hum-Ta-Taa der uniformierten Bläser herausposaunt wird. Allein, die meinen es ernst. In der Krise zeigt Hamburgs Regierung ihr wahres Gesicht. Es ist das Pfeffersackgesicht des selbstherrlichen, an Renommiersucht gescheiterten Geizhalses – der nicht mal ordentlich rechnen kann schreibt die Zeit-Autorin. In der Tat ist es der immer noch schwerreichen Hansestadt möglich, Milliarden in eine marode Landesbank zu stecken und Hunderte Millionen in sogenannte Leuchtturmprojekte, dafür aber Gelder für Bücherhallen, Bildungsinitiativen und Kulturprojekten einzusparen. Bis dann irgendwann wieder von "Integration" und "sozialen Projekten" die Rede sein wird, wenn die grünen Vorgärten erzittern.

Susanne Lothar vergleicht Hamburg im Abendblatt mit Wuppertal, wird dort bekanntlich das Schauspielhaus auch schon eingespart. Von der CDU hat man nun kulturinteressierte Fernsicht, konservative Bürgerwerte hin oder her, nicht sonderlich erwartet. Umso schmerzhafter fällt die Schmerzbefreitheit der Hamburger Grünen (GAL) auf. Deren Fraktionsvorsitzender, offenbar eifriger Theatergänger, bescheinigt dem Schauspielhaus in der Bürgerschaft mit beinahe rheinischem Frohsinn Luft nach oben und schlägt vor, "einfach mal die Einahmen zu steigern". Richtig - warum nicht mal Cats aufführen, da sind doch so schöne Lieder drin?

Die GAL-Chefin stellt gutgelaunt in der Mopo ihre themenbezogene Unbelecktheit zur Schau und versteigt sich, ganz Kultur-Top-Checkerin, zu der Behauptung: "Ich kann den Unmut verstehen. Aber in Altona wird das Haus geschlossen, die Sammlung jedoch erhalten." Aber natürlich! Ein Museum ist ja quasi nichts anderes als eine Art Schuhkarton, in dem so staubiger alter Krempel gesammelt wird und den man - wenn Besuch kommt oder der Platz knapp wird - einfach unters Bett schiebt. Daß eine Sammlung nicht davon lebt, daß sie bloß da ist, sozusagen als deiktisches Phänomen, da!da!da - es ist doch alles da, dort drüben!, sondern daß sie didaktisch und historisch aufbereitet wird, gepflegt, erlebbar und gezeigt wird, daß sie nur existiert, wenn sie atmet und nicht nur als Verweis vegetiert, diese simple Erkenntnis ist bei den Grünen in Hamburg nicht angekommen. Vielleicht, weil sie so Grau sind, seit sie Kohlekraftwerke genehmigen und seither eher aus dem Rückrat husten.

Der Versuch, sich als Sportskanone anzubiedern, ging jedenfalls gründlich schief. Man merkt, es gärt in dieser Stadt. Daniel Richter, der jüngst im Abendblatt zitiert wurde mit "Jeder intelligente Hamburger will jetzt weg, auch nach Stade", hat leider recht.

Es ist nicht gut, in den Urlaub zu fahren. Man merkt dann nämlich, wie es im Leben auch sein könnte. Anders. Reduzierter, gesünder, entspannter. Am besten, man bleibt in der Mühle, macht immer weiter und verschafft sich keine Ahnung. Keinen Hauch.