Mittwoch, 5. Mai 2004


Der Pianist

Die Geschichte des jüdischen Klaviervirtuosen Wladyslaw Szpilman (Adrien Brody), der nur durch unwahrscheinliches Glück das Warschauer Ghetto überlebt.

Kritiker warfen Regisseur Roman Polanski, selbst Überlebender des Holocaust, vor, den Film merkwürdig distanziert inszeniert zu haben.
Dabei ist gerade dies seine Stärke. Kaum vorzustellen, dies wäre eine Hollywoodproduktion gewesen. So schwebt über den grauenvollen Ereignissen eine gewisse Lakonie, einem chronologischen Bericht näher als eine rührselige Verdichtung.

Die historischen Fakten sind bekannt. Meint man. Und erkennt erst als zur Stille verdammter Beobachter eines Einzelschicksals die wahren Dimensionen der Ereignisse zwischen 1939 und 1945. Die beinahe beiläufige, völlig willkürliche Gewalt der SS, die auch den Zuschauer ganz unvermittelt trifft. Interessant das Sound-Design. Während die Waffen in Hollywoodfilmen in jaulenden Querschlägern pfeifen, in Subwoofer-forderndem Krachen explodieren oder als sanftes, schallgedämpfes Ploppen ejakulieren, bellen die Pistolen der Waffen-SS wie nervöse deutsche Schäferhunde kurz vor dem Kollaps. Ein unangenehmer, beißender Klang, der beunruhigend echt wirkt.

Die Atmosphäre brutaler Abgestumpftheit, der nahezu unbeteiligt wirkenden kaltblütigen Morde, wird selten durchbrochen. Fast wirken die Auspeitschungen des Aufsehers wie ein merkwürdig verschobenes comic-relief Element, so deplaziert mutet die Szene in ihrer Groteskheit an. Thomas Kretschmann als musisch interessierter Wehrmachtsoffizier - ein deus ex machina. Aber die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Möglicherweise auch die irritierende, allegorische St.-Martin-Episode am Ende. Völlig deprimierend aber schleicht sich die Hoffnung ein: Szpilman, nach Jahren im Versteck krank, erschöpft und halb verhungert, bekommt zu hören: "Sie müssen nur noch ein paar Wochen durchhalten."
Keine Minute länger, möchte man rufen. Aber man ist - zum Glück - nur Zuschauer.

Großes Kino.

Der Pianist. (GB/F/D/Pol./NL 2000). R: Roman Polanski.

Super 8 | von kid37 um 22:34h | 4 mal Zuspruch | Kondolieren | Link