Sonntag, 1. April 2018


Traditionell



Von wegen Kraft durch Tanzen, alle Jahre wieder ertönt dieselbe Leier: "Oh, du meine Güte voll Blut und Wunden - an Karfreitag herrscht ja Tanzverbot!" Nie war die Gesellschaft bedrohter als an diesem Tag, denn auch wenn mal an einem Tag einige Ruhe und Besinnung suchen, soll doch Rambazamba sein. Gut, mit 17 sah ich das auch noch anders. Aber nur, weil in meiner kleinen Stadt nur am Donnerstag Gelegenheit zur musikbegleiteten Bewegung war. Jedenfalls was vernünftige Musik anging. Und wenn dann um Mitternacht nicht die Kürbiskutsche kommt, sondern das Ende der Party, da kann man als junger, schüttelzwanggeplagter Mensch schon mal Kreuzweh fühlen. Um im Bild zu bleiben.

Heute klagen Menschen, die wahrscheinlich lange schon nicht Tanzen waren, ihre Not auf dem Kurznachrichtendienst, während man selbst Schmerzen in den Händen und an den Füßen fühlt. Und an der Seite auch. Zum Glück kommt Ostern und damit Tradition der Fröhlichkeit, aber Tradition ist ausgerechnet Traditionalisten auch ein Kronendorn im Auge. Ein Kreuz. Aber nur, um im Bild zu bleiben.

Meine Lieblingsinfluencerin aus Wien und ich indes bewerben den Traditionshasen, als ob nichts Böses unter der Sonne glänzen würde. Denn Ostern ist ja traditionell ein Fest der genußfreudigen Aufbruchstimmung. Traditionell feiert auch Angeliska, die Großmeisterin der bunten Feiern, ein Kostümfest. Ich bleibe bei Grabesstimmung. Denn seit ich im letzten Jahr die strikte Anweisung freundliche Empfehlung zur Roten Beete erhielt, habe ich dieses Gemüse mit dem Geschmack alter Friedhofserde tapfer zum Ostergericht erklärt: "Denn siehe, das Grab war leer." So eine Freude, aber die Rote Beete liegt auf meinem Teller. Traditionell aber sehr gesund.

Welche Freude hingegen, als neulich diese Russin um ein Glas frische Milch bat. Ein Glas Milch! Mit Todesverachtung dem Leben zugewandt. So was gibt es doch an und für sich gar nicht mehr. Ein Osterwunder.

Wenn ihr Eier habt, tragt Hut.


 


Samstag, 24. März 2018


Kraft durch Tanzen



Ich mußte gestern mit einer russischen Pole-Dancerin zusammenarbeiten, genauer gesagt mit einer Russin, die auch Pole-Dance macht, es soll jetzt nicht zu aufregend klingen. Jedenfalls war es zwar anstrengend, auch weil ich nur drei Worte Russisch kann, aber atmosphärisch so sehr entspannt, daß ich mich beim Gedanken ertappte, mir vielleicht auch so eine Stange daheim im Südflügel zu installieren. Ich müßte nur den Stutzflügel Fernseher ein wenig zur Seite schieben und nach oben die gläserne Decke, die mich mein Leben lang schon aufhält, durchstoßen.

Wie vom Wink des Schicksals geleitet stolperte ich heute auch noch beim Gelegenheitsbummel durchs Oberland über die bei mir völlig verdrängte Existenz von John Neumeiers Ballettladen. Hier könnte ich samstags immer zum Üben hin, damit ich meinen Frühjahrtanz tanzen kann. Noch ziert sich diese vorherbstliche Jahreszeit recht gehörig, vielleicht könnten rituelle Kulturgesten hier ein wenig nachhelfen.



Bis zur Bühnenreife (oder wie auf dem Bild: Museumsreife) ist es für einen rostigen Roboter wie mich sicherlich ein weiter Weg, da ist ja doch der eine oder andere Schlackepartikel ins Getriebe geraten. Aber heute, wo mit Beginn der Sommerzeit das Leben wieder eine Stunde kürzer wird, ist wie gestern schon oder die Woche davor eine gute Gelegenheit, noch bessere Vorsätze zu fassen.

Nachher führt man maulige Klage wie so ein Blogger - oder Vincent Gallo. Der Bursche hat sich mit einem Offenen Brief zu Wort gemeldet, in dem er nicht durchgehend bündig tausend Dinge klarstellt und sich am Ende nicht zu schade ist, gegen meine Freundin Viv Albertine zu keilen. Die wiederum hat ihrer Begegnung mit dem wilden Mann eine launige, letztlich vor allem bedeutsam symbolische Anekdote in ihrem tollen Buch, das ihr hoffentlich jetzt endlich alle gekauft habt, gewidmet. Ratet, wer in meinen Augen die schlechtere Figur abgibt?

Demnächst tanze ich euch die Antwort.


 


Freitag, 16. März 2018


Einen vom Pferd erzählen



Was ja wenige wissen ist, daß ich seit ein, zwei Jahren unter die Pferdemaler gegangen bin. Noch reichen meine Fertigkeiten nicht dazu, in der Fußgängerzone zu sitzen und Bleistiftporträts von Roß und Reiter feilzubieten. Aber verbissen bleibe ich dran, übe Mähnen, zuckende Ohren, Schweif und Hufe, scheitere regelmäßig am Schattenverlauf der Nüstern, aber das sind Details, mal hier mal eine Trense, dort mal eine Blesse, dem hübschen Pony einen hübschen ebensolchen, und zack, wie im Galopp ist das Bild fertig. Meine kryptischen Zeichungen werden allerdings nicht von jeder Reiterin erkannt, da stimmten ja die Relationen nicht, und ob man nicht besser die Pferdedecke des Schweigens...? Da muß man dann das Tier wechseln und erst einmal ein Hühnchen rupfen. Du erkennst ein Pferd nicht, wenn es im Flur steht? rufe ich. Und zitiere aus dem letzten Traberseminar: Da muß man sein Mindset ändern!

Metaphernhengste erzählen dann vom toten Pferd, ich von rheinischem Sauerbraten. Ein alter Meister fragt, ob ich nicht das alte Sprichwort von den Eltern kennte: Wenn du das Pferd nicht zeichnen kannst, probier es mit dem Sattel. Fest drinsitzen nämlich, sich nicht abwerfen lassen, nicht auf Roßtäuscher hereinfallen, immer erst ins Maul schauen.

Es ist, schreibt auf, beim Malen wie immer im Leben: Erst Longieren, dann passionata.

>>> Geräusch des Tages: Blonde Redhead, Equus


 


Dienstag, 6. März 2018


Mein lieber Scholli



Jetzt wissen nur wenige, daß ich ja einst ein berühmter Eisschollenfotograf war. So manche gute Mark kam damit im Winter herein, denn für Schollen gibt es da draußen einen Markt. "Mach mir mal 'ne fette Scholle", tickerte es morgens durchs Fax. Und abends lag der Abzug in der Agentur. Doch im Frühjahr war Schluß, wohl weil plötzlich die Arbeitsgrundlage entfallen war. Das geschah einmal, geschah zweimal, und beim dritten Mal hatte auch ich es begriffen. "You can't fool all the people all the time!" rief ich hinaus auf den Fluß und wußte es seither besser.



Jetzt lese ich, daß die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihre Blogs einstellt und neue "Experimente" plant. Ich habe mich auf diesem Kurznachrichtendienst gleich als Fashionblogger ins Spiel gebracht. Nun liegt der Ball in deren Feld. Ich könnte zum Beispiel meinen neuen Mann fürs grobe Tuch vorstellen: John Skelton heißt der und macht so Sachen zwischen Beetlejuice und Paul Harnden (von dem ich ja auch erst seit ein paar Jahren durch eine Leserin weiß). Sehr kleidsam und sicher winterwarm bei der Eisschollenfotografie.

Jetzt aber kommt der Frühling. Die Wetterfrau verliest freudige Depeschen. Vögel hängen abends in der Luft, beim Amt liegen Dokumente bereit. Die Eisschollen schmelzen, und ich auch ein bißchen, weil da jemand Strippen zieht. Ich bin das nicht gewohnt.


 


Samstag, 3. März 2018


Statt Jahresrückblick



Manchen kann man Brücken golden anmalen, sie finden doch nicht drüber. Stapfen beharrlich auf wacklige Eisschollen, auch wenn man mit den Augen rollt und mit Schau- und Erklärtafeln auf festere Wege weist. So bleibt unklar, worauf überhaupt wer und alles hinauslaufen soll. (Diese Erkenntnis ist natürlich nur eine reine Beobachtungsstudie von anekdotischem Wert, nichts Evidenzbasiertes.)

2016 hatte ich eine Lebensmittelvergiftung. Ich glaube, das faßt das Jahr ganz gut zusammen. Irgendwie... nicht so erheiternd, aber zwischendrin, wenn die Krämpfe nachließen, schon auch sehr schön. Man hat freilich wenig Energie für weitergehende übellaunigkeit, das ist einfach nicht gut für den inneren Teint. (Diese Erkenntnis ist natürlich nur eine reine Beobachtungsstudie von anekdotischem Wert, nichts Evidenzbasiertes.) Außerdem wurde in dem Jahr viel gestorben. Am Ende waren alle angegriffen und angreifend und traurig natürlich. Und ich dachte: Vergeßt die Lebenden nicht.

2017 stellte ich fest, daß ich eigentümlicherweise insgesamt lieber mit netten Menschen zusammen bin als mit nicht so netten, weil die gut sind für den inneren Teint. (Diese Erkenntnis ist natürlich nur eine reine Beobachtungsstudie von anekdotischem Wert, nichts Evidenzbasiertes.) Menschen, die nicht lange reden, sondern einfach eine Suppe kochen. Einem die inneren Fenster öffnen, um mal Luft an die wundgelegenen Stellen zu lassen. Kurz mal auf links drehen, abklopfen und wieder auf die Füße stellen. Nicht sterben dabei.

2018 habe ich plötzlich Ideen. Wie so ein Esel, der aufs brüchige Eis steigt. Muß aber auch mal sein. Sechs Jahre liegst du flach, und im siebten sollst du ruh'n. Und andere, so eine Erkenntnis aus einer Beobachtungsstudie von rein anekdotischem Wert, schaffen das auch.

>>> Geräusch des Tages: Múm, Menschen am Sonntag


 


Mittwoch, 28. Februar 2018


Exit Strategie Organisation



Während draußen im frostigen Wind dürre Eisfinger an den Regenrinnen klimpern und ganze Bäume umlegen, gründe ich dazu musikbegleitend eine neue Band. Emotional Support Octopus heißt die. (Fans werden sich später wissend "ESO" zuflüstern.) So Drone Rock mit Noise und engagierten Texten über Gefühl und die Endlichkeit allen Seins.

Das erste Album heißt Nebeljahre I & II, der Nachfolger (ich habe das alles präzise durchkonzeptioniert) So brauchste mir jetzt auch nicht kommen, ich dreh jetzt alles auf zehn. (Fans werden später darüber diskutieren,warum es "zehn", nicht aber "acht" heißt, obwohl die Band doch nach einem Oktopoden benannt ist.) In Japan steht so ein Oktopus ja symbolisch für ganz andere Dinge, will ich aber nicht reden drüber. Macht die Band aber auch dort erfolgreich.

Gut, Wecker klingeln, end of dreams, durch den Schnee stapfen wie verlorene Kinder, Maloche anfangen, von Ferne schon Fabriksirenen. Mitarbeitergespräch in Hogwarts war auch, und was soll ich sagen, das Zauberwort wurde laut gesprochen. Das ist sehr beruhigend, denn wann immer ich jetzt ein kleines Zucken im noch kleineren Finger verspüre, muß keiner irgendwas hinschmeißen, das wäre ja albern, sondern nur denken: "Abrakadabra, Sabbatical!" Dann kichere ich in meinen Hexenhut, den ich auf Arbeit der gefährlichen Dämpfe wegen tragen muß, die Kollegen merken auf und ich bin... down under, in einem Operationssaal mit Skalpell und Zange in der Hand, in einer Raketenstation, aber nur, um Kunst zu machen, bei den Fallschirmjägern, um wie eine Drohne alles von oben zu filmen, in einer Großimkerei, um wie eine Drohne alles von oben mit Staub und guten Wünschen zu versehen. Dinge, die man dann halt machen könnte. Oder aber: eine Alien-Verschwörung aus den 90er-Jahren aufdecken.

Ansonsten Kopf unten, Herz offen, immer schön weitermachen.


 


Samstag, 24. Februar 2018


Bevor die Eispeitsche kommt



Licht, Licht, Licht! Erst schnell noch Vorräte aufstocken, Dosensuppen, Hartbrot, Toilettenpapier, denn ab nächster Woche heißt es: GEFÜHLTE MINUS 20 GRAD! Keine unbedeckte Nasen nach draußen halten. Auch sonst nichts. Nach dem Einkauf ein wenig durch den Park, wo junge Eltern ihre wintermüffeligen Kleinstkinder auslüften und als glucksende Pakete in die Sonne halten. Vorbei an der Kirche, und dann noch ein Stück weiter zum Blumenladen. Immer schön Bewegung in die rostzerfressenen Gelenke bringen.

Wollsachen waschen, Wintermäntel durchzählen, die Eislieder zurechtlegen. Dann weiter an Plänen feilen. Ich habe - um mich unter Druck zu setzen - einen neuen Koffer gekauft. Einen Reisepaß beantragt. Habe international über sogenannte "Bedenken" lamentiert und mußte mich verlachen lassen. Ein wechselseitig geäußertes Motto als Zitat aus Viv Albertines wunderbarem Buch. Der muß ich auch noch schreiben.

Sobald es Frühling wird, irgendwann später dann, will ich die Diele von Josef Fenneker ausmalen lassen wie eine Sixtinische Kapelle. Hier muß mal mehr Stimmung rein, grüne Wände hatte ich lange genug.

Woanders vergammeln die. In der FAZ fand ich einen Artikel über Ewald B. M. Denner, der seit Jahren die kleinen Läden und Fassaden in Wien fotografiert. Das Vergängliche (hier auf Instagram), Staubige, Angestoßene. Wäre in Hamburg alles bereits untergemäht worden. So eiskalt ist das hier.


 


Donnerstag, 1. Februar 2018


Baumgrau



Es sei der sonnenärmste Winter seit 50 Jahren. Der Guardian meldet weitere Dunkelheitsrekorde für Belgien und Nordfrankreich. Ich erhöhe die Dosis an Vitamin D und suche mein Netzteil für die Tageslichtlampe, die ich mir mal anschaffte, um zu sehen, was dann passiert. Es war aber zu dunkel in meiner Wohnung, das Netzteil bleibt vorerst verschollen. In Norddeutschland sei es zudem der nasseste Winter seit 30 Jahren und der mildeste dazu.

Heller scheint nur der Superblaublutmond, auch ein Wort, das dreimal schnell hintereinander gesprochen, zu Verwicklungen führt. Oder Verfinsterungen, so wie auf der anderen Erdhalbkugel. Gibt es alles erst 2037 wieder, man könnte also gemütlich zu Fuß bis nach, sagen wir, ganz woanders gehen. Mit einem Baumzweig im Schnabel.

Schön, wenn man zeitgleich das gleiche Buch liest und sich daraus zitieren kann. Leider fallen mir als Second-Hand-Typen zu vielen genannten Leuten nicht so viele Anekdoten aus erster Hand ein, da muß ich dann passen. Manchmal sage ich Sachen wie Maite Kelly sei die deutsche Adele, um auch mal etwas über Musik zu sagen. Zum Glück kann Humor international funktionieren. Von Adele wissen wir das ja schon. "The female Phil Collins". Haha.

Bei Adele regnet es auch. So nah kommen wir ihr also doch. Ich selbst singe ja in Autos gerne Lieder von Roland Kaiser. Deswegen werde ich selten mitgenommen. Dabei ist der ganz nett, glaube ich, und hat viel Selbstironie. Verstehen aber wenige.


 


Sonntag, 14. Januar 2018


Super

Ich habe jetzt auch den Supermarkt gewechselt. Der alte hat einen neuen Besitzer, erst bat man um ein wenig Geduld, nun aber sind es schon Monate mit halbvollen Regalen und halbabgelaufenen Sachen, dem Auslisten meiner Lieblingsprodukte und dem nur zögerlichen Adoptieren neuer. Tomatentreu ging ich dennoch immer wieder hin, weil ja alle in den neuen Supermarkt gehen, der in der Nähe vor einiger Zeit eröffnet hat. Einer muß hier Arbeitsplätze retten, dachte ich. Und dann: Wie schön leer es auf einmal immer war, kaum, daß man mal an der Kasse warten muß.


Aber immer häufiger bekam ich nicht alles, was ich wollte. Zuletzt hatten sie keine Spülbürsten, sodaß ich extra für eine simple Spülbürste ins Spülbürstenfachgeschäft hätte gehen müssen, um eine Spülbürste zu kaufen. Das war mir ein wenig zuviel der Aufmerksamkeit für so ein simples Küchenhilfsgerät. Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste. Sagt das mal dreimal schnell hintereinander.

Der neue Supermarkt ist groß und sauber und hat sein Licht mittlerweile so eingestellt, daß man kein Augenflimmern mehr bekommt. Also ich. Mir ist es ein wenig zu groß und zu hell und zu schick, und die Spülbürsten, die sie immerhin haben, sind so schäbige aus buntem Kunststoffklump, die ich eigentlich nicht haben möchte, aber wann geht es im Leben da schon drum? Es gibt aber ganz viele biologisch abbaubare Speisen und Milchsorten und auch Gemüse und dies und das für den besonderen Abend.

Und eine nette Fachkraft mit freundlichen Wesen gibt es dort auch. Wir schauen uns manchmal so zwischen den Regalreihen an, zufällig, und sie lächelt dann. Ich lächle dann nicht, sondern denke, Mist, wieder vergessen, mich zu rasieren. Ich sehe aus wie ein zotteliger alter Mann, der hier seinen Einkaufswagen mit rotem Wein (den haben sie dort auch) durch die Gänge schiebt, andekoriert mit einem Brokkoli, diesem Supergemüse, als durchsichtigen Alibieinkauf. Die junge Kollegin sprach neulich auch schon quer über den Labortisch hinweg etwas von "verlottert", so mit Spaß in der Stimme, aber ich verstehe die Zeichen sehr wohl. Ich bin da ein wenig leger geworden. Unangenehm nun, wie abgelaufene Restware am Ende der Woche der netten Supermarktfachkraft zu begegnen, die so freundlich ist und blaue Augen hat. Mir hingegen fehlt nur noch so ein rotes "30 Prozent"-Rabattetikett auf der Stirn.

Letztens habe ich sie beim Abbiegen in den Gängen mit meinem Einkaufswagen fast umgefahren, konnte aber rechtzeitig bremsen, wie so ein Cabrio vor dem Zebrastreifen. "Danke", meinte sie und lächelte mich an. Ich aber konnte vor Schreck gar nichts sagen. Nicht einmal "Spülbürste" zum Glück, dabei hatte ich das die ganze Zeit im Kopf deklamiert. "Spülbürste, Spülbürste, Spülbürste". Um die nicht zu vergessen.

Habe ich dann aber.


 


Dienstag, 26. Dezember 2017


Warmes Fest



Man muß bekanntlich an Wunder glauben, damit sie geschehen. Oder den Notdienst anrufen. In einer Welt, wo keiner verantwortlich ist, muß man mit Profis arbeiten. Pünktlich vor Weihnachten fiel nämlich die Heizung aus, das braucht kein Mensch, wie nach Stunden festzustellen war. Wie ein Weiser aus dem Morgenland aber erschien ein vom hellen Stern seiner Leitzentrale geführter Techniker an meiner Krippe und sang wie ein Engel auf dem Feld frohe Kunde: Mein Heizungsstrang stand unter einem Glücksstern und konnte wieder aufgedreht werden. O du Fröhliche! O du Warme.

Mit Ächzen und Stöhnen bebte das große Tier, dessen metallene Tentakelarme sich durch Decken und Wände des Hauses bohren, es gluckert und schringert, bis das heiße Blut in ihm die Heizkörper erreicht. Siehe da, die Maschine lebt! Den Menschen ein Wohlgefallen.

In Australien wird, man stelle sich das vor, Weihnachten schon einen halben Tag eher gefeiert. Ich nehme an, die haben danach noch viel zu tun oder Tiere zu versorgen. Auch fließt dort das Wasser in den Heizungssystemen andersherum, bei Joghurtkulturen bin ich mir nicht sicher. Ich aß an den Festtagen sehr gesund, denn die zuletzt noch spontan gekaufte Versorgungspackung Kleingebäck schmeckte derart abweisend, daß ich sie nicht einmal den Möwen vorm Haus anbieten wollte. Mir selbst dann auch nicht.

Aus den Ländern dieser Welt aber wunderbare Geschenke. Eine CD-Sammllung von Györgi Ligeti, hauptsächlich der Nachbarn wegen. Barbara Hannigan hat da einen sehr humorvollen Ansatz, falls jemand Neue Musik zu ernst findet. Eine Mahnung zur Briefkultur in einem Paket, das eine wahre Sterndeuter-Odyssee hinter sich hatte. Wenn die Boten die Schrift nicht lesen können, spricht der Gelehrte, sind die Wege wohl vergebens. Drum lerne! Lerne! Damit ein Licht aufgehe.

Dazu ist dieser wunderbare, mit Nut und Schiebedeckel gefertigte Holzkasten. Letztes Jahr brachte mir nämlich eine Freundin ein Demütigungsspiel namens "Quizduell" näher. Also, kurz gesagt, sie zockte mich ab. Diese für Mobilgeräte gedachte Kleinanwendung war für mich wohl einfach zu modern, entschied ich. Und bin nun ausgewichen auf dieses (immerhin bereits elektrifizierte!) Quizspiel mit Fragen und Antworten aus allen Lebensbereichen. Wenn man richtig liegt und die Drähte korrekt verbindet, geht ein Licht auf. Das ist wie Weihnachten.