Mittwoch, 7. Dezember 2005
Vampire, Fledermäuse, Satansweiber.
Ich ahnte immer schon, daß es inspirierende Auswirkungen haben muß, wenn man den ganzen Tag kopfüber von der Decke hängt. Jetzt warte ich auf das erste Bild eines Fledermausweibchens in Ringelstrümpfen.
Dienstag, 25. Oktober 2005
Die Formen moderner Autos transportieren als subliminale Botschaft einiges - nur echte Erotik will nicht mehr aufkommen. Geschwungene Formen, bauchige Kurven, schnittige Linien? Das war einmal. Die heutige windkanalgeprüfte Langeweile im Karosseriebau läßt keinen mehr stramm stehen.
Man sollte mich mal nackt vor einem Buckelvolvo fotografieren. Da würde aber mein Schal wegwehen.
Sonntag, 16. Oktober 2005
Diesmal habt Ihr alles richtig gemacht. Danke und einen schönen Sonntag.
Der Katalog Nr. 9 von Agent Provocateur ist online.
Freitag, 30. September 2005
Heute morgen saß ich ungefähr eine Stunde vor diesem Foto*. Ich hatte eigentlich eine Verabredung mit der Corpse Bride und eine weitere mit meinem Chef. Aber dann holte ich mir noch einen Kaffee und saß eine weitere Stunde vor dem Bild.
Ein alter Gedanke sagt - und das habe ich von Gilberto Gil, dem Mann, der dem schönen Mädchen von Ipanema dieses großartige Lied gewidmet hat- die perfekte Mitte sei dort, wo zwei Extreme gleichzeitig möglich sind. Wo die Dinge in sich fallen, Bewegung zwischen den Polen möglich ist und alles seinen Platz findet. Eine Struktur wie die gezeigte mag da übertrieben wirken, pedantisch vielleicht. Aber dann dachte ich, es hat auch so etwas Zen-haftes, Beruhigtes. Das Ikebana der Partykultur, vielleicht.
Man kann sich vielfältigste Arrangements im Leben vorstellen. Manchmal ist das Aufeinanderprallen des scheinbar Unvereinbaren ein Schlüssel für eine neue Dimension. Weil man erkennt, daß alles plötzlich seine Ordnung erhält. Eine Mitte. Der Punkt, an dem alles zur Ruhe kommt.
Über den "Zustand des Nichts" meinte Gilberto Gil weiter: Am Ende ist nur Licht. Und Dunkelheit. Der Dialog zwischen Licht und Dunkelheit, in einer Sprache, die nicht mehr unsere ist. Vielleicht ist das der Punkt, an dem man endlich fähig ist, nicht mehr fähig zu sein. (Die Zeit, 28.7.2005)
(*Anmerkung: Das Foto ist durch ein Skript gegen Deeplinking geschützt. Ich kann nur auf die komplette Seite linken. Da sind aber noch weitere Bilder drauf, die ich nicht meine. Wir machen das jetzt so: Hier kann man die Seite klicken und das obere Foto betrachten. Die Bilder darunter hält man am besten mit einem Aktendeckel zu. Müßt Ihr mir versprechen. Da liegt nämlich eine Frau in einem extrem unaufgeräumten Bett, was ich aus ästhetischen Gesichtspunkten nicht gutheißen kann. Ach so: Not safe for work!)
Sonntag, 24. Juli 2005
Der nächste Morgen
sie ist noch da
jeder kann seh'n
sie hat ... im Haar.
(Fehlfarben, "Was der Himmel verbietet")
So. Zartbesaitete lesen jetzt bitte mal kurz woanders. Was haben wir denn hier? Eine gesunde junge Frau, was sage ich, ein Mädel vom Land™, mit apfelroten Haaren vor grünem Hintergrund. Knackig, appetitlich, zum Pferdestehlen.
Aber da, dieser Klecks. Den ganzen Tag schon rattert die Assoziationsmaschine. Was ist das, bitteschön? Quark im Haar? Ein Sahnespritzer? Etwa... nein, wohl eher nicht in einer Werbeanzeige. Oder geht es hier am Ende gar nicht um Haarpflegeprodukte, sondern um ein Bukkake-Video?
Ich wette, das beworbene Mittel steckt in einer ergonomisch geformten Shampoo-Flasche mit eher unsubtilem Symbolcharakter.
Montag, 18. Juli 2005
Sie sind jetzt in Kontrolle Ihres Soziallebens! Fangen Sie gleich an, neue und faszinierende Mitglieder zu treffen. Loggen Sie sich mit Ihrem Benutzernamen und Passwort ein und legen richtig los.
Meine Fresse. Wo bin ich denn da gelandet. Hülfe. Verbuchen Sie das bitte unter "Folgen eines unerschrockenen Selbstversuchs".
Auf der ein oder anderen Entspannungsseite ploppen nämlich neuerdings freundliche Fenster auf, die mir mitteilen, daß irgendeine junge Dame ganz in meiner Nähe mich gerne kennenlernen würde. Da stehen dann immer Hamburger Stadtteile, die selbst mir was sagen - und ich denke, höflich wie ich manchmal bin, och, das ist ja nett. Schaust du doch mal vorbei. Und wundere mich ein wenig, denke dann aber, na ja, vielleicht kennt die dein Blog oder so. Oder so.
Außerdem meinte neulich jemand frech zu mir, warum ich nicht 500 Bekannte hätte oder wenigstens 50, also dachte ich, da werde ich doch mein Sozialleben mal so richtig aufpimpenpumpensteilen. Jedenfalls habe ich da hingeklickt zu dieser Janine oder Jasmin oder Ilse69, ich weiß es nicht mehr. Und nun bekomme ich ständig "neue Freunde", zumeist junge Frauen, die mir recht kleine, aber eindeutige Bilder ihrer primären Geschlechtsorgane schicken. Alle aus meiner unmittelbaren Nachbarschaft! Diese Stadt ist völlig verlottert. Oder so.
Wenn ich nun die Bilder anklicke, (die sind schließlich recht klein und wer will schon die Pussy also Katze im Sack kaufen?) soll ich aber 29 Euro zahlen. Da ist doch bestimmt ein Haken dabei. Oder so.
Jetzt könnte ich also die volle Kontrolle über mein Sozialleben ausüben - für nur 29 Euro im Monat. Oder ich kaufe mir auch so eine Harley - denn wie ich heute am Heiligengeistfeld in St. Pauli bemerken konnte, steilt so ein Gerät das Sozialleben auch prima auf. Die ein oder andere sah übrigens so aus, wie eine meiner neuen Freundinnen aus dem eMail-Postfach. Aber wo diese aufgepumpten Herren danebenstanden, wollte ich nicht hingehen und fragen, sag mal, bist du die Janine69 aus Hohenfelde? Oder SexyTanja aus Eilbek? Und für 29 Euro kaufe ich mir sowieso lieber einen Axolotl. Oder so.
(Ich hoffe, ich komme aus diesem Selbstversuch wieder raus. Schwitz.)
Freitag, 1. Juli 2005
Während frühere Generationen Schwierigkeiten hatten,
über Sexualität zu sprechen, hat man heute ähnliche Probleme mit der Moral.
Die Art und Weise, in der man heute etwas über sexuelle Moral erfährt,
ähnelt in mancher Beziehung der, wie man früher etwas über Sex erfuhr.
(Ruth Westheimer/ Louis Liebermann. Sex und Moral. Basel, 1990.)
Die "Spaßgesellschaft", so Regina Ammicht-Quinn*, habe sich heute "den Leitspruch der Filterzigarettenindustrie zu Eigen gemacht: Genuß ohne Reue." Sexualität ist Tausch- und Nutzobjekt. "Repressive Kontrolle" sei zwar zurückgewichen, habe sich aber verlagert - auf den Körper. "Nicht mehr der bürgerliche Akt der Heirat, sondern vielmehr ein bestimmtes Verhältnis und ein bestimmter Zustand des Körpers wird zur Voraussetzung 'richtiger' Sexualität."
Houellebecq hat ja aus dem Topos "Warencharakter der Sexualität" eine ganze literarische Karriere geschmiedet. Letzten Endes greift er aber nur genau diesen Aspekt auf: die Übertragung des Foucault'schen Begriffs vom Repressions-Faschismus auf den Körper-Faschismus der Vitalisten. Schöner, härter, stärker, fester, runder, größer. Niemand kann heute mit dem Pokal einer "Miss Besenreiser 2005" einen Blumentopf auf dem Sexualmarkt gewinnen.
An jedem Kneipenstammtisch ist es zudem leichter, sich über exotische Sexualpraktiken zu ergehen, als über Fragen der Moral. Es mit Gemüse zu treiben, bringt einen nicht in Verruf, wohingegen jeder Gelächter erntet, der das Wort "Moral" nur in den Mund nimmt. Sexualität macht uns keine Angst, brennmichbeißmichpeitschmichfickmich, aber der komplexe Begriff "Moral" (was immer das dann ist) provoziert und belustigt wie sonst nur der zweite große Tabubegriff - "Glaube".
Der Film Dreizehn (USA 2003) zeigt das am Beispiel der Mechanismen einer Teenagerclique. Was früher die rigide Moral einer Kirche, eines Staates war, ist heute häufig durch den "Freundeskreis" ersetzt. Die Frage, welche Jeans man trägt, welche Musik man hört und welchen Film man gut findet, ist lange keine individuelle Entscheidung, sondern ein Ergebnis der Geschmackspolizei des Gruppenzwangs. Selbst die Lebensgefährten unterliegen in solchen proto-faschistoiden Vereinigungen einer strengen Selektion: "Also, wenn der kommt, kommen wir nicht" , heißt dann die Form des Erpressens und Zurechtformens. Nicht jeder hat da Rückgrat genug, dem zu widersprechen.
Wer aber solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Kirche. Die gewonnene "Freiheit" ist dann nur ein anderes Wort für den Zwang "mithalten" zu müssen.
(* Regina Ammicht-Quinn. "können, sollen, wollen, dürfen, müssen".
In: Sex: Vom Wissen und Wünschen. München, 2002.)
Donnerstag, 7. April 2005
In Londoner Telefon- zellen tapezieren sie die Wände: Visitenkarten freundlicher Damen, die für Geld und gute Worte verschiedene Dienste anbieten. Dieses, jenes und auch das andere.
Ähnlich mannigfaltig wie die offerierten Gefälligkeiten ist die Gestaltung der pikanten Aufmerksamkeits- heischer: Von simplen, fotokopierten Blättchen bis zu aufwendigen Hochglanzkarten im 4-Farb-Druck ist alles dabei. Auf einem Flohmarkt kaufte ich vor ein paar Jahren einem Sammler einige seiner verlockenden Karten ab - er hatte Kartons davon. Ich selbst kann nun nicht anfangen alles zu sammeln. Aber eine Auswahl dieser Flyer sind wirklich so liebreizend nett, die sollten in einem gut sortierten Haushalt nicht fehlen. Ob Mary, Jane oder die Bilder von Lily - sie sind niemals herablassend. Nein, sie sind freundlich, kommunikativ und lassen mich nachts gut schlafen.
Mittwoch, 9. März 2005
Als ich erfuhr, daß Lunally Croft auf drangvoller Suche nach dem "blauen Stab" ist, fiel mir ein, wie es damals war. Sagen wir, im 12. Jahrhundert. Männer suchten nach der blauen Blume, meist reichte ihnen auch ein blaues Tuch, das von den Burgzinnen herunterwehte, ehe sie sich davon- tristanisierten oder -parzivalten. (Der Sinn für getragene Unter- wäsche ist vielen Troubadouren ja bis heute erhalten geblieben.)
Wie aber mußten sich die Frauen verdingen? Die Hildegards und Edelgundes hinter Klostermauern?
Nun, die starrten inbrünstig zum romanischen Fenster hinaus und dachten beteten sich eins. Glaubens- freudig und kontemplativ gossen sie tagsüber mächtige Altarkerzen, nur unterbrochen von den Stundengebeten, die sie an die Gelübde der Beständigkeit („Stabilitas“) und des Gehorsams („Oboedientia“) erinnern sollten. Tätigkeit und Denken fielen in eins und spiegelten sich in der Architektur.
Frau Croft zieht es hinaus in die Welt auf der Suche nach Abenteuern und dem blauen Stab. Statt einfach mehr aus dem Fenster zu sehen. Sobald man aber im klösterlichen Leben und im Glauben Fortschritte macht, weitet sich das Herz, und man geht den Weg der Gebote Gottes in unsagbarer Freude der Liebe. (Aus den Regeln des hl. Benedikt)
Das leuchtet doch ein.
Mittwoch, 9. Februar 2005
Sich den Finger an einer scharfen Dose zu schneiden hatte in jüngeren Jahren einen deutlich anderen Klang.