Sonntag, 27. Oktober 2013


What is left to believe in



Manches klingt zu absurd, um noch in normale Denkmaßstäbe zu passen. Gillian Anderson und David Duchovny lassen sich das Ende von "Akte X" erklären. Denn es hat ja alles auch ein Ende. Da lacht man sich tot, schüttelt den Kopf, alles ab, sieht zu, wo das Team steht, die letzten Verbündeten, der Kratzbaum, an dem man sich beruhigt die Krallen wetzen kann.

Ab dann nur noch Fleckenverwaltung, jedermann ran an die Sauerstoffbleiche, das Glasklar, den Essigreiniger. Das kann doch, so denkt man still, bislang nur ein Witz gewesen sein. Interessant gedacht, aber von sehr weit hergeholt. Die meinen das aber ernst, also die Schienbeintreter, der Stamm Wohlmein, die Hausbewohner am Vielleichtmalspäterplatz. Man muß sich seine Gespenster immer genau aussuchen. Es könnten Freunde sein.

Super 8 | von kid37 um 14:37h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Samstag, 12. Oktober 2013


Schöner Töten

Ich will nicht sagen, ich sei angefressen. Aber enttäuscht, das ein wenig schon. Auch wenn ich kein wirklicher Freund von Serien bin, hatte ich Hannibal lange erwartet, bin letztlich vorgestern ein wenig zufällig hineingestolpert. Na ja. Ich weiß jetzt gar nicht, was genau ich erwartet habe. Mir war es zu glatt. Zu sehr aus dem Baukasten. Jede Szene zeigt in erster Linie ihre Gemachtheit, da ist kein sinnvoller Fluß. Ein mörderisches Rezept, aber zu kalt serviert.

Das Casting, wie es in den USA halt sein muß. Wir brauchen einen Schwarzen in leitender Position, wir dürfen einen Asiaten nicht vergessen, am besten eine Frau, dann haben wir das auch gleich. Das Ermittlerteam beim FBI spiegelt brav die gesellschaftlichen Verhältnisse. Nicht aber die Vorschriften. Der Mann am Schießstand trägt Hörschutz. Die Frau, die direkt neben ihm und der Waffe steht, aber keinen.

Nur ein Beispiel. Medizinische Details, noch so ein Thema. Hanebüchene Erklärung der Ketoazidose. "Er erhöhte die Insulindosis". Ist klar. Mich wundern diese Schludrigkeiten bei Filmen, die ansonsten so über ihre ausgefeilten production values wirken. Der Kannibale im Schöner-Wohnen-Katalog mit Eileen-Gray-Beistelltischchen. Perfekt getönte Wände, ich habe gleich überlegt, meine eigenen noch einmal anzupassen.

Zeugen und Opfer tauchen auf und sind gleich wieder verschwunden ("ist verstorben"), halten den Plot nur auf oder schieben ihn unmotiviert weiter, vielleicht sollte man da aber bei der ersten Folge nicht zu hart urteilen.

Sowieso versuchte der Kollege mir mildernde Umstände unterzujubeln. Nicht jeder der jüngeren Zielgruppe kenne schließlich die Vorbilder, da könne man die alten Pointen ("Ich lade Sie und ihre Frau zum Essen ein") ruhig noch mal bringen. So wie den Einfall mit der "lebenden Leiche", den man schon aus Sieben kennt. Die Idee mit der Pilzkultur hingegen fand ich ganz originell. Ein schönes Bild, wie eine organische Skulptur. Dafür nervte rasch diese hingetupften, angestrengt auf "surreal" getrimmten Bilder von Hirschen, die durch Krankenhausflure wandern, überhaupt diese Super-Empathie als Behauptung. So als hätten wir nicht alle mal einen bösen Gedanken.

Hannibal scheint mir was für Leute, die, sagen wir mal, auch Coldplay gut finden. Rundgefeilte Ecken, Darsteller statt echter Charaktere, gutgekleidete Modemenschen, die tun als kennten sie sich in der Küche aus - und natürlich Klassik zum Essen hören, damit man als Zuschauer weiß: Da ißt ein Kannibale! Hopkins war schon etwas kippelig in seiner leicht affektierten Schauspielkunst, Mikkelsen sieht so gefährlich aus wie ein Männermodel auf den Einstiegseiten der Vogue. Bei The Fall beeindruckte mich, wie das Töten als umständliche, schweißtreibende-langwierige und abstoßende Handwerksarbeit gezeigt wurde. Nicht als eitle "Kunstform" für Menschen, die auch überdesigntes Küchengedöns im Hause haben, weil es sonst nicht mit dem Kochen geht. Lecter, der Manufactum-Killer mit der Klassik-CD-Sammlung von Zweitausendeins.

Ich hoffe, wenn Scully dazustößt, heizt sie ihm ordentlich ein.

Super 8 | von kid37 um 21:50h | 33 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 11. September 2013


Re:visited Akte-X

It's the truth or a white whale.
What difference does it make?
I mean, both obsessions are impossible
to capture, and trying to do so will only
leave you dead along with everyone else
you bring with you.

(Scully in "Quagmire")



Absent. Ein UFO, so ist zu vermuten, hatte mich die Tage entführt und in die Zeit zurückgeworfen. Gestern vor 20 Jahren nämlich war der Tag, an dem sich das Fernsehen für immer änderte. Oder wie es neulich hieß: davor gab es nur "Matlock", dann kam "Akte X". Am 10. September 1993 wurde die erste Folge dieses US-amerikanischen TV-Melodrams ausgestrahlt, von der alle zuerst dachten, es ginge darin um Ufos und Aliens, Monster, Verschwörungstheorien und geheimen Regierungsaktivitäten, die sich gegen die Bevölkerung richten. Dinge, also, von denen wir alle wissen, daß es sie nicht gibt.

Jetzt kann man natürlich sagen, "Mensch, Moby Dick, das ist so 19. Jahrhundert!" oder "Akte-X, so 90er-Jahre!", unterschlägt dann aber entweder die Wahrheit, sein popkulturelles Wissen oder, schlimmer, die eigene Geschichte. So waren es Autoren von Akte-X, die später hochgelobte Serien wie Homeland oder Breaking Bad schufen, und selbst Großregisseure wie Ridley Scott bedienten sich für (den insgesamt leider recht mäßigen) Prometheus eifrig bei den X-Akten, von einzelnen Ideen wie dem "schwarzen Öl" bis hin zur Übernahme kompletter Sequenzen aus dem ersten Kinofilm.

Akte X (dazu aber später mehr) hat am Ende Wahrheiten auf mehreren Ebenen gefunden. So wurde tatsächlich aufgedeckt, daß es eine Regierungsverschwörung gibt, die wiederum deckt, daß an der Bevölkerung medizinische Experimente durchgeführt werden, Big-Data gesammelt und... na ja, Dinge, die sich so Spinner, die beim Fernsehen arbeiten, halt ausdenken. Ein bißchen Quatsch ist immer. Im Serienableger von den "Einsamen Schützen", wo es um die drei Hacker aus der Hauptserie geht, wurde im Frühjahr 2001 sogar eine Folge gezeigt, in der ein Flugzeug in das World Trade Center... na ja, Quatsch halt. (Die Folge sorgte trotzdem für eine Menge Irritationen auch bei sogenannten "höheren Stellen".)

Wichtiger, und das muß man keinem Fan oder aber mir erklären, ist natürlich die andere Wahrheit, die sieben (plus zwei weitere) Staffeln lang verfolgt wurde. Von den FBI-Agenten Edward Sno Fox Mulder und Dana Scully, die mit riesigen Drahtlostelefonen und ebenso großen Brillen (ja, es waren wirklich die Neunziger) das taten, was man zu zweit so sieben Jahre lang erleben kann. Sie unternahmen Ausflüge in die Umgebung, kleinere Städte und Dörfer meist, besichtigten dort einsame Gehöfte oder verlassene Industrieanlagen, übernachteten draußen oder in Höhlen, trafen verschrobene Gestalten, hörten sich Legenden der Umgebung an, jagten Tiere, Außerirdische und Verbrecher, überlebten Krankheiten, richtig bösartige Krankheiten, mörderische Bienenschwärme, tödliche Infektionen und Verbrennungen, Schußwunden und Krankenhäuser. Am Ende gibt es ein Kind, dann aber (wir sind im verflixten siebten Jahr) auch die Trennung, Mulder muß mal Zigaretten holen, einen wichtigen Auftrag erfüllen, untertauchen, kurz: die beiden durchlitten Dinge, wie jedes andere Paar auch.

Eine dramatische Liebesgeschichte also, verpackt in eine freilich absurde Rahmengeschichte, nach der es (hahaha) eine Verschwörung geben soll, bei der die Regierung (also bitte!) die eigene Bevölkerung an extraterritorial operierende Organisationen verrät. Und weil es eine Liebesgeschichte ist, kann sich auch jeder damit identifizieren. Selbst Menschen, die damals, also den furchtbar passé-seienden Neunzigern, noch gar nicht geboren oder viel zu jung für Akte waren. Wer bei Youtube mal unter "X-Files" sucht, wird Tonnen von Videos entdecken, die - auf der Suche nach der Wahrheit - Schnipsel und Fakten aus der Serie neu zusammenschneiden, ikonische Szenen zusammensuchen wie die berühmte Tanzszene aus "The Post-Modern Prometheus" oder die berühmte Szene, in der Mulder Scully zeigt, wie man Baseball spielt, oder die berühmte Szene... überhaupt: die Blicke. Also die berühmten Blicke. Es gibt Tonnen von Fan-Videos, die sich auschließlich mit den Blicken beschäftigen, die sich Mulder und Scully im Laufe der Jahre zugeworfen haben.

The Philosophy of the X-Files versammelt hochinteressante Essays über Denkmuster und Struktur der Serie, so wie den Aufsatz über Abduktion als dritte Möglichkeit der Schlußfolgerung neben Induktion und Deduktion - und zugleich ein hübsches Spiel mit einem zentralen Motiv der Serie, der alien abduction. Mulder, der übrigens am 13.10. Geburtstag hat, weil die Mutter des Serienschöpfers Chris Carter an diesem Tag Geburtstag hat*, was eine interessante Verbindung ist, weil nämlich Mütterchen Kid... aber gut, es hängt eben alles mit allem zusammen. Mulder also gilt seinen bausparkassenbiederen Kollegen beim FBI ja als ein bißchen überdreht mit seinen Fotosammlungen von toten Kühen und Geraune von unerklärlichen Phänomenen, ist im Grunde ein ganz dufter Typ, der sein Büro im Keller hat ("weil mich keiner leiden kann", wie er etwas selbstmitleidig sagt) und ganz in seiner Arbeit aufgeht. Der also liebt, was er tut und tut, was er liebt.

Scully ist eine Frau wie du und ich, ihre Arbeit schrieb sie über Einsteins Ideen zum "Zwillingsparadoxon", selbstverständlich wie wir alle mit Auszeichnung, wurde dann, was modernen Frauen immer zu empfehlen ist, wegen der vielen wehleidigen Männer und Unfällen im Haushalt, Medizinerin und ist folglich eine hochpatente, streng rational denkende Kollegin und Kritikerin an Mulders Seite. (Irgendwann, in einer emanzipatorischen Sequenz der Serie, begehrt sie auf, weil sie nie einen eigenen Schreibtisch besessen habe - auch das einer gewissen Lebens- und Serienwirklichkeit abgeschaut.) Gegen Ende der Serie zeigt sie nebenbei, wie schwierig es übrigens ist, ein kleines Kind allein aufziehen zu müssen und gleichzeitig als FBI-Agentin zu arbeiten.

Diese höchst unterschiedlichen Denkweisen führen vor allem zu Beginn zu Reibereien, aber auch später noch zu kritischen Auseinandersetzungen und Streitereien (bei denen man als Zuschauer ja dazwischenfahren und alle unter die kalte Dusche schicken möchte, aber egal), wenn Scully als Pathologin bis zu den Elllenbogen in irgendwelchen Kadavern oder Leichen steckt und Fakten sammelt, während Mulder seinen schrägen Hypothesen nachhängt. Aber auch zu bissigen Witzeleien, wie in der Szene, in der Mulder Scully parodiert. Am Ende einer Reihe höchst unerklärlicher quasi-apokalyptischer Ereignisse, angesichts derer sich Scully aber eisern "wissenschaftlich" zeigt, fallen plötzlich hunderte tote Frösche vom Himmel. Mulder sagt so was wie, sollen wir jetzt was Essen gehen? Scully ist total entgeistert und ruft, Mulder, hier sind gerade jede Menge tote Frösche vom Himmel gefallen. Und Mulder, ganz trocken, das läge wahrscheinlich daran, daß sich ihre Fallschirme nicht geöffnet hätten. Kommt Leute, das ist sehr, sehr hübsch.

Überhaupt der Humor. Kenne ich einerseits keine Serie, in denen den Helden physisch und emotional so brutal und übel mitgespielt wird (und die Staffeln 4 und 5 sollte man keinesfalls allein im Dunkeln schauen), sind es die vielen ironischen und selbstironischen und parodistischen Folgen, die zu Klassikern der Serie geworden sind. So gibt es eine "Jackass"-Parodie, eine "Reality-TV"-Folge, in der ein TV-Team Mulder und Scully auf Schritt und Tritt folgt, eine Episode, in der Hollywood einen "Film" über die berühmten Ermittler dreht - kurz, wo sich das Medium selbst bespiegelt. Höhepunkt ist darunter wohl die groß-großartige und komplett in Schwarzweiß gedrehte Folge "The Post-Modern Prometheus", in der "Frankenstein" nacherzählt wird. Das ist auch die Folge, in der Mulder und Scully miteinander Tanzen gehen, etwas, das ja nicht alle Paare miteinander, manchmal aber mit anderen machen.

Nach wie vor schwebt die Idee eines dritten "Akte-X"-Kinofilms wie ein irrlichterndes UFO im Raum. Der könnte die vielen immer noch losen Fäden der Serie zusammenführen und neue Fragen aufwerfen. Dieser Film war ursprünglich mal zum 21.12.2012, dem Weltuntergang also, geplant. Aber eine Regierungsverschwörung... nun ja.

>>> Mitschnitt der Frage- und Antwortrunde zum 20. Jubiläum mit Gillian Anderson, David Duchovny, Chris Carter und anderen auf der ComicCon 2013

>>> Dean A. Kowalski (Hrsg.). The Philosophy of the X-Files. (Lexington: The University Press of Kentucky, 2009. Erw. Aufl.)

>>> Zusammenschnitt von Scullyismen und Mulderismen

Super 8 | von kid37 um 15:10h | 23 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 25. August 2013


The Fall

Entschuldigung. Ich war gerade 305 Minuten abgelenkt. Und muß nun erst einmal Luft holen. Und das Licht anmachen. Und die Türschlösser kontrollieren. Und dann meine Empörung eindämmen. Ich meine, das können die doch nicht machen!

Die BBC meine ich. Ich habe jetzt hier die DVD vor mir liegen mit allen fünf Folgen von The Fall. Es gibt ja viele neuere, sehr spannende Krimiserien. Ihr kennt die alle, seid Fans von den Skandinaviern und den US-Amerikanern und den Briten, berichtet von neuen Erzählformen, nie gesehenen Brutalitäten und großer Lebensechtheit. Aber in The Fall spielt Dana Scully Gillian Anderson. Gillian Anderson also spielt eine Polizeikommissarin in Belfast (BBC Northern Ireland hat produziert), die eine Sonderkommission leitet, nachdem klar wird, daß eine Handvoll Frauenmorde in der Stadt zusammenhängen. Ein Frauenmörder also. Und Dana Scull Gillian Anderson.

Ja, die Serie ist sehr brutal. Dabei gibt es nur wenig Blut zu sehen. Und keinerlei Mystery-Mumpitz. Die Spannung und der Grusel stammen eher aus der allgegegenwärtigen kalten Berechnung, der fast nüchternen Konsequenz, mit der die Taten vorbereitet und durchgeführt werden. Mit allem Ächzen und Gurgeln und Stöhnen. Töten als finstere, aber emotionslose Arbeit, nicht als Kunstform, wie es so oft im Film vorgeführt wird. Eine Kälte und Präzision, die aber auch auf Seiten der Polizei herrscht. Detective Super Intendent Stella Gibson (Dana Scully Anderson) agiert fast emotionslos, ist in charge, führt ihr Team mit klaren, präzisen Anweisungen, versucht sich in den Täter zu versetzen, sammelt akribisch die wenigen Spuren, die es gibt. Die Atmosphäre ist geprägt von großer Tristesse. Keine pittoreske Morbidität wie in Sieben oder dem Schweigen der Lämmer. Über der Serie hängt die grau-braune Trostlosigkeit Belfasts, die latente und hier und da eruptive Aggression in den Reihenhaussiedlungen, die alltägliche Gewalt in Familien, das mickrige Sterben in Krankenhäusern, das Milieu aus Korruption, Prostitution und Drogen als Nebenstrang - und mittendrin ein Mörder, dessen Handeln in vielen geschickt gegeneinandergestellten Szenen parallel zur Ermittlungsarbeit der Polizei zu sehen ist.

Beklemmenderweise ist der Mörder derjenige in dieser deprimierenden Gemeinschaft, der Emotionen zeigt, zarte Gesten zuweilen, befremdend, es macht ihn nicht sympathisch, denn man weiß, wie selbstbezogen all seine angebliche Empathie im Alltagsleben ist. Doch die Beziehungen der anderen Figuren ist nicht anders durch Nutzen und Benutzen geprägt, auch bei Scully Gibson, die sich gleich zu Beginn einen Liebhaber nimmt, zur unsentimentalen Ablenkung und die dabei kühl, desinteressiert und unnahbar bleibt.

So aber auch die Polizisten mit ihren kriminellen "Nebengeschäften", ihren Verstrickungen in den politischen und religiösen Auseinandersetzungen in Nordirland. Ein vermintes Terrain für Verbrecher und Polizei, wenn sie durch regennasse, nächtliche Straßen schleichen, immer darauf bedacht, im richtigen Viertel zu sein. Glücklicherweise aber ist die Serie mit solchen Subtexten nicht überfrachtet, es sind Andeutungen, Stoff vielleicht für später. Sollte man das Atemanhalten während der fünf Folgen überleben. Oder sich aus dem Haus trauen. Oder überhaupt ins Haus.

So. Und jetzt kommt nämlich die BBC und lässt die Staffel mit einem Cliffhanger enden, der einen über Monate nicht ruhig schlafen lassen wird. Ich habe die fünfte Folge aus Versehen noch mal gestartet, weil ich dachte, ich hätte mich vertan. Aber nein, es ist der Clifffhanger. Da sitzt man dann mit halb ersticktem Schrei vor dem Bildschirm... aber nein, ist Ende jetzt. Erst im Januar 2014, das ist im nächsten Jahr, beginnen nicht etwa die neuen Ausstrahlungen, nein überhaupt erst die Dreharbeiten zu einer zweiten Staffel! Januar! Bis die fertig sind, ist es März. Dann Post-Produktion, nationales und internationales Marketing, dann ist schon Sommer und erstmal die Midem oder was weiß ich. Dann startet die erst im Herbst! Das können die nicht ernst meinen, können die? The Fall. Fünf Folgen. Nehmt euch gleich 305 Minuten Zeit.

>>> Trailer

Super 8 | von kid37 um 00:37h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 19. August 2013


Pearls of Wisdom

Jewish Care - Pearls of Wisdom

Montag. Der Tag in der Woche, an dem man über die Woche nachdenkt. Manchmal schon über die nächste Woche. Oder sogar über den großen Rest. Ich für meinen Teil kann mit den Worten der berühmten Rheinländer sagen, ich kenne das Leben, ich bin bei Vimeo gewesen. Die meisten werden es ebenfalls bereits kennen, der Film ist schon zwei Jahre alt. Ab und an aber darf man sich ruhig daran erinnern lassen, wenn man den eigenen Eltern schon nicht zuhören will. Also Achtung, kurz mal die Longboards anhalten: Diese älteren Damen und Herren haben wichtige Botschaften zu überbringen.

Super 8 | von kid37 um 13:11h | 17 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 22. Mai 2013


Far from the Maddin Crowd



Nur mal so fürs Albtraumprotokoll: Im Laufe der Jahre hat sich auf und unter meinen Tischen eine Menge schneebedecktes Zeugs von Guy Maddin angesammelt. Die wichtigsten Filme, denke ich, ein bißchen Literatur (empfehlenswert: William Beards Into the Past: The Cinema of Guy Maddin, das Maddins Schaffen bis 2010 beschreibt) und Notizen für eigene Ideen. Sein Tales from the Gimli Hospital gilt als kleiner Kultstreifen für Gothic-Fans, so wurde Maddin über Cineastenkreise hinaus bekant. Die anderen kennen womöglich seine preisgekrönte Pseudo-Doku My Winnipeg oder den hübsch melodramatischen Berlinale-Beitrag The Saddest Music in the World. Darin spielt Isabella Rossellini die Erbin eines Bierbrauerimperiums, die durch einen Unfall verkrüppelt wurde. Statt Beinen trägt sie nun zwei Prothesen aus Glas, die - jetzt kommt der magische Teil des Kinos - mit Bier gefüllt sind. So in der Art sind die Ideen des Herrn Maddin, aber nicht immer.

Beinahe interessanter sind seine formalen Näherungen an das klassische Kino und die Reanimierung des Stummfilms. So entstanden die frühen Filme mit wenig Budget und lausiger Technik und Expertise in verlassenen Scheunen seiner frostigen kanadischen Heimatstadt und sehen auch genauso aus. Fettbeschmierte Objektive, Negativfehler, doofe Schlagschatten und ein filmantiker Look aus aufgeblasenem 8- und 16mm-Material machte Maddin zu seinen Markenzeichen. Wie das aussieht, zeigt der Fünfminüter The Heart of the World, der das klassische Dilemma traditioneller romantischer Gefüge zeigt: Zwei Männer, ungleiche Brüder zudem, Bestatter der eine, der andere Schauspieler in einem Passionsstück, lieben dieselbe hochbegabte Frau (eine Wissenschaftlerin, die sich mit dem Weltgefüge befaßt):



Panzerkreuzer Potemkin trifft Gier trifft Metropolis - trifft den großen mit Zunge in der Backentasche inszenierten Heimkinospaß. Guy Maddin. Sieh an. Humor hat er auch.

In den sofalägrigen Tagen des letzten Jahres kämpfte ich mich bis zu seinem neuesten Werk Keyhole (Trailer) durch, einem labyrinthischen Noir-Thriller im Stil der 40er-Jahre, den Maddin erstmals und durchaus respektabel digital drehte. Auf einer traumrealistischen Reise wandert Gangsterboß Ulysses durch die verschiedenen geheimnisvollen Zimmer seines Hauses auf der Suche nach seiner Frau (wieder Rossellini) und dem Herz der ganzen Angelegenheit. Angereichert mit Taxidermie, in weiße Ober- und Unterhemden schwitzende Männer, Udo Kier und hübsch zusammengeklaubter Symbolik allen Unbewußten ist der Film ein Höhepunkt in der Werkreihe. Ein, zwei Ausfälle gibt es nämlich auch, darunter Filme, die Maddin von Anfang an selbst für mißraten hielt, wie er in Caelum Vatnsdals Kino Delirium verrät.

Und das sind Dinge, die ich in meiner Freizeit mache.

>>> Beitrag über Guy Maddin auf Arte

Super 8 | von kid37 um 19:37h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Montag, 29. April 2013


Future Ex-Wives

Dieses Jahr wird sein wie eine mühsame Kutschfahrt aus einem Belá-Tarr-Film. Ein Unterfangen in Unbehagen, weitergeführtes Verharren in der Schlüssellochperspektive: Ich lasse mir vorführen und führe mich selber dabei vor. Schlag nach unter "Unbeholfenheit". Kommen wir lieber zu anderer Leute Auffälligkeiten. In Oddities, einer Doku-Soap rund um einen Trödelladen im East Village (das ist in New York, einer Stadt in den USA), ist Laura Flook eine regelmäßige Kundin. Die junge Dame ("She's spooky, but hot as hell", Youtube-Kommentar) arbeitet als Bestatterin, Model, Einbalsamiererin und Modedesignerin - kurz, in Berufen, die man als Frau halt so macht, wenn man nicht gerade mit Backen beschäftigt ist. Oder damit, ein Geschenk für die Freundin zu kaufen. Testikel im Glas, darauf muß man auch erst mal kommen.

Oddities verschenkt leider seine Möglichkeiten. Im hektischen Dauerquasselton zusammengeschnitten, unbeholfen gescriptet (Sieh an, ein Clown betritt unseren Laden. Hat sein Show-Köfferchen dabei, na, so ein Zufall... usw.) kapriziert sich die Sehen-Staunen-Stöhnen-Show auf be-ooohte und be-aaaahte Seltsamkeiten und Sammelsurien vorzugsweise aus dem Medizin- und Varieté-Bereich. Sich den Dingen wirklich zu widmen, fehlt hier vor lauter "Gosh! Look at this!" die Zeit. Schade, was könnte man rund um Harrys Hafenbasar für interessante Geschichten erzählen, moderiert vom weltgrößten Gnom (also ich) und einer dieser schwertätowierten Tresenfrauen aus der weiteren Umgebung. Dazwischen Neues vom häßlichen Walroß, als comic relief dazwischengeschaltet. Ganz schlimm bei Oddities die Folge mit Frau Dita von Teese, von Beruf Ausziehtänzerin. Es wird immer klarer, warum Herr Marylin Manson, von Beruf Schaubudenmusikant, die Ehe mit ihr aufkündigte. Oder verhielt es sich anders herum? Wie dem auch sei, das funktionierte nicht. Dafür habe ich einen Blick. Anders als bei Laura Flook und mir. Jetzt nur mal als Beispiel.

Super 8 | von kid37 um 13:37h | 13 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 31. Januar 2013


Barmen ist nicht Brooklyn, Dirk

So ging das damals dann wohl los. Ich muß das glauben, denn ich war ja nicht dabei. Wuppertal ist nicht Williamsburg und Barmen war nicht Brooklyn. Mitte der 70er wurden aufgelassene Viertel im quasi-bankrotten New York (das ist eine Stadt in den USA) Unterschlupf und Nährboden für die nach Richard Hells Hit als Blank Generation bezeichnete lose Gruppe von mäßig Frisierten. Künstler, Filmemacher, Schriftsteller und Musiker, die nicht mal Blogs hatten, dafür aber das CBGB. Der winzige Laden wurde zum versifften Inkubator für Bands wie Television, die Patti Smith Group, Blondie, Ramones, die Talking Heads. Das ist alles bekannt und läßt sich ansonsten nachlesen.

Mir sickerten diese Nachrichten tatsächlich durch Aspekte ins Gemüt (eher denn ins Bewußtsein), eine Sendung, die als festes Wort zum Wochenende neben Berichten über die Einstürzenden Neubauten oder Die tödliche Doris (sprich: Berlin) immer mal wieder Rumoren aus fremden Welten in die Provinz brachte. Nihilisten in New York! Richard Hell besingt die "Blank Generation"! 2:45 Min. Energiegewummse, das sich heute fast gezähmt anhört. Eine Rettung aber, gerade zur rechten Zeit, wenn man befürchtet, im Leben nur noch mit der Schwebebahn von links nach rechts fahren zu können und fürderhin Schallplattenerzeugnisse von, sagen wir, Al Green kaufen zu müssen. Wie die vorzeitig vergreisten Mitschüler. Blasierte Verachtung, da habt ihr!

Nun war ich ja selber lange noch brav, ging also nicht sofort (oder auch später, wie dei Frau Kink) nach New York, kann nun aber alles noch mal genau nachschauen. Meine Tochter Die junge Französin Céline Danhier nämlich hat eine lässig dahergerockte Doku gemacht. Blank City spürt diesen alten Zeiten am Brandherd nach, rückt den Protagonisten von einst auf die Pelle, zeigt Musik, Liveauftritte und eine Reihe rarer Momente. Der Schwerpunkt aber liegt bei den Filmemachern dieser Zeit. Unbekümmerte Super-8-Revolverhelden aus der grimmig-schmutzigen Welt des Cinema of Transgression. Beth B., Nick Zedd, Richard Kern, Lydia Lunch. Jim Jarmusch, Steve Buscemi und John Waters sind als bekanntere Vertreter der No Wave dabei und plaudern entspannt und selbstgewiß, wie das so ist, wenn man weiß: Man hat das alles überlebt. I can take it or leave it each time.

Ach ja. Und Sonic Youth.

Der Film läuft gerade durch die kleineren Kinos, mit Glück kann man den noch bis Anfang Februar sehen. Die DVD folgt dann ab Mai, also nicht traurig sein.

(Blank City. Regie: Céline Danhier. USA 20212.)

>>> Trailer und Info

Super 8 | von kid37 um 11:37h | 21 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 16. Januar 2013


Hanna im Wunderland

Es gibt da diese Szene in Wer ist Hanna? Wie der Vater in Berlin landet und die Tonspur das Geräusch von Krieg über eine ganz normale Straßenszene legt; wie er, ein sinnengeschärfter Elitekämpfer, die Umgebung als bedrohlich wahrnimmt (wie sie "wahr" wird). Direkt im Anschluß dieser artifiziellen Überhöhung diese wie ein Ballett inszenierte Kampfszene in der Unterführung (Ich war da auch schon mal, erinnere mich aber nicht, wo genau das ist). Überhaupt lebt diese Welt von ihren Labyrinthen, den verwirrenden Orten. Sei es das albern-futuristische Geheimgefängnis in der Wüste, diese vor lauter Säulen unübersichtliche Unterführung oder das verwirrende Containerlager, in dem die mit allen Überlebenstricks gewaschene, aber ohne Weltwissen agierende Hanna gegen einen Trupp Nazi-Skins in Bomberjacken kämpft. Oder auch die surreale, regennasse Atmosphäre des Plänterwalds mit seinen Dinosaurierskulpturen, diese großangelegte Berliner Täuschung. Ein Märchen also inmitten toter Monster und trister grauer Häuserwände. Die eigentliche Geschichte ist dabei nur mäßig interessant, Suchen, Verfolgen, Erwachsenwerden. Tilda Swinton Cate Blanchett als böse Herzkönigin, wenn man so will, auch insgesamt ist das Drama (das ist nicht schwer) eine überzeundere Variante von Tim Burtons Bumm-Bumm-Version von Alice im Wunderland. In unserer Kultur müssen die Söhne die Väter töten. Hier, ganz wie früher bei den Grimms, tötet die Tochter die Mutter. Das mit dem Hirsch ist clever.

(Wer ist Hanna? Regie: Joe Wright. USA/D/GB 2011)

Super 8 | von kid37 um 14:00h | 12 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 19. Dezember 2012


Nur die Zukunft ist mißraten

Wir spülten nie, außer wir wollten
würdevoll und selbstzerstörerisch wirken.

(Mirada July. Zehn Wahrheiten.)



Vor ein paar Wochen, während einer dieser leblosen Krankenlagertage, habe ich noch mal das Phänomen Miranda July hin- und herbedacht, sehr wohlwollend, wie ich betonen möchte, weil ich sonst ja gerne spontan darin bin, lange Listen herunterzurattern von Leuten die ich nicht mag. Bestimmte Schauspieler etwa. Oder Autoren. Oder Musiker. Nur Blogger, die mag ich alle. Vergleichbar fällt es den meisten Menschen schwer, Miranda July nicht zu mögen, selbst die Brigitte schreibt über sie, was nicht häufig vorkommt, wenn wir über Performance-Kunst reden. Nun macht die July nicht nur Performance, sondern alle Arten von Kunst. Manche sagen, sie selbst sei die Kunst. Sie trägt hübsche Kleider Sie schreibt Bücher, mit so zart-lakonischen Geschichten, daß man sie für Schneeflocken halten könnte. Wären da nicht ganz viele sandpapierartige, rauhe Stellen darin. Oder bringt wildfremde Menschen zum Erzählen, wie in ihrem neuen Buch It Chooses You (jetzt auch auf Deutsch erschienen). Was ja auch eine Kunst ist. Menschen zum Reden zu bringen. Geschichten zu entdecken und darüber etwas vom Leben für sich selber abzustecken. Zu sagen, weiß ich nicht genau, aber anders wäre es auch... unbestimmt. Vor ein paar Jahren gestaltete sie eine Ausgabe des Schweizer Magazins Du, wobei sie selbst völlig verschwand und eine Spurensuche präsentierte, bei der Freunde, Weggefährten und Nachbarn nach ihr und ihren Gewohnheiten befragt wurden. Ein interessantes Experiment darüber, wie sich eine Person aus lauter gespiegelten Beobnachtungsfragmenten ihres sozialen Umfelds zusammensetzt. Man kennt das aus diesem Internetz.

Dann dreht sie Filme, von denen ihr Debüt Ich und du und alle, die wir kennen ganz wunderbar und zart und auch sandpapierartig ist. Eine poetische Erzählung über staksige Menschen, mit schrägem Humor und voller peinlicher Momente, aber ohne Arg und Häme beobachtet. Zum Glück kennt den Film jeder, und die Welt ist danach auch ein Stück besser und gütiger geworden.

Mißlungen allerdings ist der Nachfolger The Future, ein mäßig fokussierter Film über das ungelenke, nervtötende Herumgegurke zwei Mittdreißiger, die sich zu nichts so recht entscheiden können und das Ende ihrer Beziehung aussitzen. Dazu mit vielen Albernheiten (diese sprechende Performance-Katze, also wirklich) gespickt und einer grandiosen kleinen Szene, die es aber bezeichnenderweise nicht in den Film geschafft hat. Miranda Julys Tip für alle Zauderer und Hinauszögerer und -schieber. Auch das hier vor Jahren mal vorgestellte "Are You the Favourite Person of Anybody?" geht auf ein Skript von ihr zurück. Ein sandpapierzartes Stück über Unsicherheit, Ungewißheit und sozial kaschierte Verzweiflung. Und über Orangen.

Super 8 | von kid37 um 13:12h | 21 mal Zuspruch | Kondolieren | Link