Montag, 22. März 2004
Ach ja. Was wirklich geil ist: 1200 km fahren und dann in Les Rosaires aussteigen, hinunter zum Strand gehen, barfuß durch die Brandung laufen und den Geruch des Meeres aufsaugen. Da ist eine Menge Salz drin.

Samstag, 20. März 2004
Herr Kid, fragt man mich. Sie haben doch dieses Hermetische Caféhaus, in dem sie nebst Absonderlichkeiten aller Art doch bestimmt auch einen hervorragenden Cappuccino ausschenken. Wie machen sie eigentlich den Schaum? Sie besitzen doch bestimmt auch so einen elektrischen Miniquirl?
Mais non, au contraire, Mademoiselle. Die Zeit als ich noch batteriebetriebene Hilfsmittel einsetzen mußte, um die Dinge zum Schäumen zu bringen, sind doch schon länger vorbei. Sicher, diese Gerätschaften machen Spaß und erfüllen vor allem ihren Zweck. Aber am Ende eines langen Tages zählt doch nichts mehr als ehrliche Handarbeit.
Seit einem halben Jahr benutze ich nur noch diesen klassischen Rührfix. Unsere Mütter und wahrscheinlich schon Großmütter haben damit einst Wunderdinge in ihren Küchen anrichten können. Ja, und es gibt sie noch, die Guten Dinge. Mein Rührfix allerdings ist ein Original, kommt vom Flohmarkt und hat mich einen Euro gekostet. (Achtung: Bei den neuen ist der Deckel des Rührwerks leider nicht mehr aus Bakelit.)
Es gibt auch eine Luxusversion mit einem gläsernen Messbecher. Wer diese besitzt, ist der König der Schaumschläger!
Nun die quick'n'dirty-Methode: Wer Barfrauen kennt, erfährt auch die kleinen Tricks der Gastroszene.
Wer also die Milch nicht erhitzen will (weil es z.B. schnell gehen muss), kippt einen Schluck heißen Wassers zur Verdünnung in die Milch. (Denn am besten eignet sich - man mag das ja nicht wahrhaben - verdünnte H-Milch. Auch das wissen Barfrauen.)
Zehn Sekunden kräftig und gleichmäßig rühren, fertig. Schon hat man prima Schaum. Kakaobestreuselung, ein Glas Wasser und den Keks nicht vergessen.

Freitag, 19. März 2004
"I always say if I didn’t make art, I’d probably be dead." Tracey Emin
Ich wühle mich gerade ganz unschuldig durch den formidablen Soundtrack von Igby, einem der untergegangensten netten kleinen Filme mit großen Darstellerleistungen des letzten Jahres, und während also Coldplay mit ihrem "Don't Panic" anklopfen, erhalte ich eine eMail. So what, höre ich es schon. Ja ja, Moment: In dieser eMail meldet sich eine Person, die mich nach über 20 Jahren via Internet aufgespürt hat.Also: Publish, don't perish! und "Wer schreibt, der bleibt". Ganz große Begeisterung. Ich bin so alt, ich habe sogar eine Vergangenheit.
"...and I don't care!" (Johnny Rotten. Der ist nämlich noch älter.)

Mittwoch, 17. März 2004
Ja, Alter: Laß mal dein blaues Bändchen wehen. Du bist's? Ich hab' es gleich erkannt. Andere führen ihr Modern-Martyr T-Shirt aus, ich habe ein wenig im Jesus-Votiv-T-Shirt renoviert und die Sonne mein Zimmer aufheizen lassen. 20° Grad in Hamburg meldeten die Wetternachrichten. Auf dem Weg zum Greißler schaute ich kurz ins Büchercafé. Boris Vian Der Herzausreißer
für 1 €. Kühl. Darin eine Widmung: "Ganz herzlichen Glückwunsch zu Deinem 50. ... PS: Hoffentlich schockiert Dich dies Buch nicht zu sehr". Nein, sicher nicht, lieber P. Mich schockiert, daß C. dieses Buch nun zum Höker gegeben hat. Aber vielleicht hatte sie Gründe oder war doch schockiert. Vielleicht hättest Du ihr auch einfach was Hübsches bei "Blush Berlin" kaufen sollen? Wieviel Geld das gespart hätte!
Berlin ist heiß, das ist bekannt. Aber Blush-Berlin ist heißer. Keinen Faden zuviel für einen richtigen Frühling.

Montag, 15. März 2004
Wenn der Brief einmal im Briefkasten liegt, kann nicht einmal Gott ihn wieder herausbringen. Ähnliches gilt für eMails.
Überhaupt, eine undo- oder wenigstens Savegame-Funktion wird im Leben immer wieder schmerzhaft vermißt.

Sonntag, 14. März 2004
Die milde Luft und die angenehm dezente Sonne lockten heute hinaus auf die Deichanlagen. Ein Hauch von Vorfrühling bei der Rothenburgsverortung. Billwerder Bucht, runter zum Holzhafen. Stichwort: Unterwegs morsches Holz und Schrottteile gesammelt. Öbszöne, anthropomorphe Formen wispern schon Frühlingserwachen ins Ohr.
Die Erde weich und feucht. Fett. Lange kann es nicht mehr dauern. In der nächsten Vollmondnacht lungern sicher blutdürstige Wicca-Horden im Schilf und praktizieren sexual magick.
Der Wind aber weht alle düsteren Gedanken fort. Der Wind packt einen am Kopf und schüttelt alles Schlechte links und rechts aus den Ohren raus. Noch ist also Mützenwetter.
(Und wäre es nicht bizarr, beim nächsten Vollmond nackten, blut- und matschbeschmierten Hexen im Schilf zu begegnen, die alle noch ihr Strickmützchen tragen?)
Auf dem Deich von einem Spaziergänger gegrüßt werden. Ein Zugezogener, denke ich. Nein, der nächste Jogger schwenkt mir ein freundliches "Moin!" entgegen. Verblüffend. Das kenne ich nur aus meiner Heimat, dieses Grüßen im Gelände. Als ich vor Jahren mal in der Zone spazieren war, grüßten einen nicht einmal Spaziergänger, wenn man sich auf schmalen Kaninchenpfaden begegnete. Schlimmer, man starrte mich seltsam indigniert an, als ich es tat. Gut, dafür kann man dortzulande splitternackt durch den Busch laufen, ohne daß es merkwürdig auffällt.
Grüßen sei dort ungebräuchlich, wurde ich aufgeklärt. Aber ist es nicht merkwürdig, fragte ich. Man stolpert durch einsames Gelände und begegnet in dieser weiten Landschaft plötzlich einem anderen Menschen und geht dann schweigend aneinander vorüber?
Was sollte man sonst tun, wurde geantwortet.
Wie unheimlich. Wo man doch weiß, daß der Mensch des Menschen Wolf ist. Da sind Friedenszeichen doch lebenserhaltend. Aber der Osten ist rauher. Der Westen ist weichlich. Heute wehte der Wind, und ich hatte mein Mützchen vergessen. Aber ich habe "Hallo" gesagt.

Samstag, 13. März 2004
"... but I haven't got a stitch to wear." (The Smiths, "This Charming Man")
Die letzten wahren Herausforderungen werden im Fischlog abgehandelt. Zum Hamburg-Look gehört aber neben Hornbrille [check], Crumpler-Weenie oder LKW-Planen-Kuriertasche [check] unbedingt auch der Cöt aus halblangen, dünnen, halbfettigen Haupthaaren [nope]. So oute ich mich dann doch als zugezogene Quiddje.
Ich könnte noch zu einer gutvibrierenden Vernissage gehen. Aber mir hängt noch eine Freitag-Künstlerparty in den Knochen. Dortselbst gelernt: Polnische Fotografinnen können dangerously oversexed sein. Auf eine subtile Art. Polnische Kameramänner aber auch. Auf eher unsubtile Art. Hamburger Fotografinnen können ein latentes Interesse für deviante Sexualpraktiken offenbaren. Nörgelnde Säuglinge werden in meiner Gegenwart ganz ruhig (weil ich so unglaublich interessant bin, was sonst). Buffets lenken von Bildern an der Wand ab. Nicht jeder Kochlöffel hält jeder Art von Belastung stand (Ich hatte es vermutet). Es gibt Fotos, die so trashig sind, daß sie für eine Menge Gesprächsstoff sorgen. Es gibt Fotos, die so gut sind, daß sich keiner für sie interessiert. Ich kann um halb vier Uhr morgens noch erstaunlich belastbar sein.
Und? Du willst immer noch ausgehen? Denk an die Smiths:
There's a club, if you like to go
you could meet somebody who really loves you
so you go, and you stand on your own
and you leave on your own
and you go home, and you cry
and you want to die
("How Soon is Now?")

Freitag, 12. März 2004
A woman's work is never done, heißt es. Männer aber haben ab und an auch einiges zu tun. Diese Woche war das Eisenbiegen auf der Schiffswerft, auf der ich momentan arbeite, ganz schön schweißtreibend. Und muskelbildend. Feine Sache: Der Anker auf meinem Unterarm ist direkt was größer geworden.
Jedenfalls bin ich jetzt froh, daß es Freitag ist. Und hungrig. Seit langem schon warne ich aber vor richtigen Menüs. Mit Menüs kann man bei anderen Menschen viel erreichen, was hinterher aber häufig nur zu Verletzungen führt. Man kann sich den Umweg übers Essen natürlich auch sparen. But don't try this at home!. Gar nicht lustig, deshalb schalten wir kurz zurück zu dieser anderen Berufsgruppe, die bekanntlich nicht nur sinnlich, sondern auch gefährlich lebt.
Ich empfehle deshalb gerne das Käsebrot. Nach wie vor.

Dienstag, 9. März 2004
Andererseits, wenn ich das alles so lese, bleibe ich morgen lieber daheim.
Vielleicht Frühjahrsputz machen und die Brotspinnen aus der Ecke fegen.

Die Liebe will immer zu weit gehen und über die Freiheit des anderen verfügen.
(Undine Gruenter)
Aha. Das steckte also dahinter.
