Donnerstag, 22. September 2005
Bislang dachte ich, ich wäre mehr so der Comme de Garçons-Typ. Sieben Zwiebelschalen übereinander, alles in verschiedenen Längen und alles so aussehend, als hätte ich es gerade aus der Zerreisse gezogen. Oder Yamamoto, wenn denn mal Geld ins Haus käme. René Lézard ist ja so eine Geschichte, da trauere ich immer noch dem Anzug aus Schlangenleder(imitat) hinterher, der mich in den späten 80ern so verzückte. Aber ich heiße ja auch nicht Sailor.
Heute jedenfalls bin ich mir sicher, über kurz oder Helmut Lang landen alle bei Monsieur Fabe sein Label. Dem Herrn Le Teil steht das ja auch ganz vorzüglich. (Besser sogar!)
Herr Fabe reagiert auch sehr entgegenkommend auf Sonderwünsche und kleine Detailänderungen. Ich bin sehr entzückt.

Dienstag, 20. September 2005
Den Mittag Morgen begann ich im Garten vor dem Haus. Nach dem Frühstück trank ich einen weiteren Kaffee und schrieb ein wenig an meinem Buch Wie ich das Bloggen überwand und sammelte zu diesem Thema ein paar lose Gedanken.
Von Iggy Pop ist ja die Anekdote überliefert, wie er seinen Dämon niederrang: "Das war die Zeit, als jeder einen Ghettoblaster hatte. Ich schleppte das Ding überall hin. Ich wurde regelrecht abhängig. Bis ich merkte, entweder mein Sony oder ich. Also packte ich eines Tages meinen Ghettoblaster und schmiß ihn ins Meer."
Ich glaube, das ist, was die Leute auf Hiddensee mit ihren MP3-Playern machen. Jedenfalls sieht man am Strand niemanden mit Kopfhörern herumlaufen.
Zurück in Hamburg. Die Leute tragen wieder Kopfhörer.
Das Brandungsgeräusch der großen Stadt.

Als ich feststelle, daß meine Kamera auch bei Sonnenuntergängen funktioniert, glaube ich zunächst an eine Sonderfunktion, die mir bislang verborgen geblieben war. Bis ich entdeckte, daß in der Brandung tote Tiere treiben.
Alles normal also; kann ich auch wieder arbeiten gehen.

Freitag, 16. September 2005
Mit den Möwen kämpfe ich um das letzte Brot.
(Sieht ziemlich dämlich aus, deshalb keine Bilder.)

Sonntag, 11. September 2005
'A life on every face'
And that's a change
Till I'm finally left with an eight
Tell me to relax, I just stare
Maybe I don't know if I should change
A feeling that we share
(Talk Talk, "Such A Shame")
Ich bin ein paar Tage am Meer. Wind spüren und der Gedanken Schwere Leichtigkeit. Fern sein und ganz nah. Vermißt mich nicht. Ich tue es auch nicht.

Donnerstag, 8. September 2005
Rheinisch-hanseatisches Elbegrillen für Herrn Axel K.

Mittwoch, 7. September 2005
Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt
Von den Laternen, in die Dunkelheit
Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt.
(Georg Heym, "Die Dämonen der Städte". 1912.)
Abends mache ich noch ein paar Besorgungen, ein, zwei neue Notizbücher, die für die kleine Reise bestimmt sind, kaufe ich, dazu eine derbe Hose für Streifzüge durch die Natur. Einen Brief werfe ich ein, der ist wichtig, aber das merkt man solchen Briefen oft nicht an.
Es hat sich ein wenig abgekühlt, ein leiser Wind schleicht um den Bahnhof. Dort wird eifrig gebaut, ab Morgen gastiert das Tanztheater auf dem Platz vor dem Schauspielhaus. Ich beschließe, noch bis zur nächsten Station zu laufen, denn die Luft ist mild und daheim warten vielleicht nur schlechte Nachrichten.
Am Steindamm hat sich die Szenerie mit der einbrechenden Dämmerung gewandelt. Die jungen Mädchen, die sich dort statt nach der Schule ein wenig Taschengeld verdienen, sind zurückgekehrt nach Pinneberg, Uelzen oder Itzehoe, heim an den Abendbrottisch mit den Vätern, die über die Benzinpreise wettern und den früh ergrauten Müttern, die alles ahnen und nichts wissen und sich in eine immerwährende Migräne geflüchtet haben.
Nun stehen die älteren Huren vor den Spielsalons und türkischen Elektromärkten. Und die dünnen Mädchen vom Drogenstrich. In meinen ersten Jahren in Hamburg ging ich oft durch St. Georg spazieren, weil ich in der Nähe wohnte und dieses Viertel so mochte. Naiv, wie ich war bin war, antwortete ich immer "Hallo", wenn mich eines dieser sehr jungen, sehr hübschen Mädchen, die an den Hausecken lungerten, mit einem geflüsterten "Hallo" ansprachen. Eine freundliche Stadt, dachte ich, und grüßte freundlich zurück. Die Codes waren mir nicht bekannt. (Einmal, als ich spät abends aus der Wohnung ging, verließ zur selben Zeit eine sehr attraktive junge Frau die Nachbarwohnung. Leutselig sprach ich die Blondine im schicken Webpelz an, während sie Seite an Seite mit mir die Treppe runterstöckelte und einsilbige, aber freundliche Antworten gab. Hui, dachte ich, das ist ja mal eine scharfe Nachbarin - und sah mich schon im Geiste Tassen um Tassen Zucker, Mehl und gute Ratschläge von ihr erbetteln.
Bis am Wochenende darauf die mausgraue Frau und die kleine Tochter des neuen Sachbearbeiters der großen Hamburger Firma, der die Wohnung neben meiner gehörte, zu Besuch kam. Erst dann fielen die Groschen bei mir. Nun ja.)
Heute stand das junge Mädchen wieder vor der Spielhalle. Ich kenne sie schon lange vom Sehen. Zwei Straßen von meiner alten Wohnung war nämlich die Methadonausgabe, schon da ist sie mir aufgefallen. Neulich sah ich sie und ihren Freund in der U-Bahn. Ein paar Jugendliche riefen ihr obszöne Worte hinterher, sie streckte ihren Mittelfinger raus.
Es gibt ein Video von den Smashing Pumpkins, "Try, Try, Try". Das wurde vom feigen MTV nur nach Mitternacht oder zensiert ausgestrahlt, weil es auf sehr drastische Weise einen Tag im Leben eines Pärchens zeigt, das auf der Straße lebt. Drogen, Elend, Prostitution, Schwangerschaft - eben das, was nicht in die Britney-Klingelton-Welt paßt. Ein wenig erinnern mich die beiden daran, wie sie mir gegenüber saßen, eng aneinandergeklammert. Und ich überlegte, wie es wohl wäre, lebten die beiden ein "normales" Leben.
Nun sah ich sie wieder. Sie stand in der milden Abendluft, die Flasche mit dem zuckerhaltigen Saft in der Hand, nervös nach allen Seiten schauend. Wenn man an ihren Hämatomen und dem Ausschlag in ihrem Gesicht vorbeischaut, sieht man eine bildhübsche junge Frau, die dort im Zwielicht der untergehenden Sonne wartet.
Gegenüber im Ümlüt-Market werden die Kisten mit dem Gemüse in den Laden gerollt. Einer der Jungs lacht, als ihm ein Bund Bananen auf den Boden fällt. Heute geht hier keine Maschin' mehr kaputt, denke ich und feixe zurück. Bei Olympia stehen ein paar glatzköpfige Muskelmänner um die Gewichte, palavern. Einer liest Zeitung.
Ich mag es, wenn es langsam dunkel wird, und die Neonreklamen der Fahrschulen, der kleinen Spelunken und der Döner-Buden den Gehweg in farbige Lichter tauchen. In der Mittagssonne gibt immer nur ein paar wenige Wahrheiten. Das Nachtlicht ist mehrdeutig, es schafft Raum für Mißverständnisse. Für viel Verzweiflung.
Aber auch ein wenig Hoffnung.

Far across the restless sea
Waiting for the sirens call
I've never seen it here before
(New Order, "Waiting For The Sirens' Call")
Im Leben eines jeden Hausmanns kommt der Tag, da muß er erkennen: Diese Schicht im Kühlschrank, die ist nicht gut. Da mag man zögern, da mag man zaudern. "Die ganzen Lebensmittel! Bei diesem Wetter!"
Wer nicht abtaut, ist verloren, sage ich.
Morgen, wenn die Elbe vergrillt und derbe Mägen gefüllt sind, lege ich alles bloß. Das Eis muß weg. Alles muß raus, dann wird durchgewischt. Und wenn es mit Essig ist. Danach sehen wir weiter.

Samstag, 3. September 2005
konnte er nun von hier fortlaufen, dort hingehen.
Für Miß Glyzinia jedoch, die weinte, weil kleine Jungen groß
werden müssen, würde es nur dieses Wandern durch hinsterbende
Räume geben, bis sie an einem einsamen Tag den Verborgenen fand,
den Lächler mit dem Messer.
(Truman Capote. Andere Stimmen, andere Räume. 1948.)
In den letzten Tagen des Sommers, wenn die feuchten Nebel früher über das Wasser hereinrollen, wischt der Wind durch die matte Trägheit.
Er weht ihn auf, den Staub, die bunten Papiere, in denen die Süßigkeiten verpackt waren, greift sich das ein oder andere verfrüht gefallene Blatt oder fährt unter die Planen, zerrt an den Booten und den grinsenden Tieren des Karussells auf der Wiese. Aber nur nachts.
Die hartgesotteneren Männer stehen jetzt mit einem doppelten Caro am Fenster, denn die letzte Party fällt aus. Die letzte Party feiern eh immer nur die anderen, denkt man. Und daran gibt es nichts zu rütteln. Drüben im Tierheim heult ein Hund. Ein alter grauer, wahrscheinlich. Der letzte Streuner, nun gut verwahrt. Es ist jetzt kühl. Es ist angenehm. Ich besitze ein Zimmer, ich habe ein Bett. Vieles fällt, vieles fällt ab. Nur die Schulter schmerzt. Mein Schildarm. Aber den wird die letzte Sonne noch wärmen.

Freitag, 2. September 2005
Man kann über Hamburg sagen, was man will, aber eine gewisse weltoffene Toleranz ist durchaus spürbar. Wer - insbesondere im geschützten Grünanlagenverkehr - einen Slip anlegen möchte, kann dies selbstverständlich tun.
Im Stadtbild - und diese durchsichtigen weißen Hosen offenbaren da mehr, als man manchmal wahrhaben möchte - ist die Visible Panty Line ein oft ästhetisches Ärgernis. Modepolizisten aller Neigungsarten fordern daher häufig den kompletten Verzicht.
Nicht so Hamburg: Legt an, wenn ihr meint - eure Schiffe und auch eure Slips!
