Montag, 27. November 2006
Wenn es nebelt und näßt.
(Fehlfarben, "Der Fremde")

Ausgehen. Ausschalten. Die Füße durch nasses Laub schieben. Den Atem anhalten. Auf den Puls hören. Mit regennassem Gesicht an welke Träume denken. Wie damals, zu Gast im Club der schönen Mütter. An der Tafel kein Gedeck, an der Tafel waren alle Verbindlichkeiten längst schon aufgehoben. Auf dem Katzentisch lag eine allerletzte Nachricht: Der Termin war gestern. Oder morgen. Oder morgen, wiederholte ich stumm. Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn. Was braucht man, einen Kompass vielleicht. Meine Hand griff ins Leere, streifte achtlos die silberne Messerbank.
Im Herbst ist die Richtung viel klarer. Ein Blatt fällt zu Boden, viel später ein zweites. Im Wald warten keine saftigen Gräser. Nur Fehlfarben, klamme Zweige, tropfende Äste. Sie peitschen dir das Gesicht, wenn du läufst. Ich steige aus, rufe ich, und sinke auf die feuchte Erde. Ich steige hinein, meine Finger bohren sich tiefer in den fauligen Grund. Früher da war mir, ich dachte, es schien mir so einfach, alles zu zünden. Das trockene Gras des Sommers, flirrende Hitze. Da dreschen doch alle bloß staubiges Stroh.
Im Herbst aber bremsen Husten und Regen die mutigsten Taten. Was fängt man an im zugigen Haus? Man kauert sich nackter an die eiskalte Heizung. Dichter gepreßt an die rostigen Rippen, denkt, so, jetzt aber Schluß hier, und wünscht keine Ernte. Läßt sich schütteln vom Fieber, sich vom Sturm dann verwehen.
Ja. So müßte das sein - ABER NICHT SO EIN LAUWARMES WISCHIWASCHI!
18 Grad! Könnte mal bitteschön einer die Erdachse in die richtige Position zurückschieben? Danke.

Sonntag, 26. November 2006
Ich für meinen Teil gehe jetzt ins Bett.

Samstag, 25. November 2006
We fed machines and then we prayed
Puked up and down in morbid faith
You should have seen the ratings that day
(Marilyn Manson, "The Nobodies")
Ich weiß noch genau, wann ich in der Gartenzwergfabrik anfing. Ich hatte meinen Job gekündigt, eine Anstellung übrigens, die einstmals Herwarth Walden ehrenvoll ausgefüllt hatte, ehe er sich - aus ähnlichen Differenzen wie ich - verabschiedete, um etwas zu tun, an dem sein Herz richtig hing.
Ich hatte mein Bewerbungsgespräch bei den Gartenzwergfabrikanten just an dem Tag, an dem ich abends auf ein Konzert von Marilyn Manson wollte. Das wurde in der Fabrik mit einem gewissen ungläubigen Lächeln zur Kenntnis genommen, ahnte man ja noch nicht, daß ein paar Jahre später, greifen wir ein Beispiel heraus, Menschen wie Jutta Ditfurth sich wohlwollend über den amerikanischen Brachial-Chansonier äußern würden.
Warum auch nicht? Ich habe zum Beispiel durch einige Experimentierlust herausgefunden, wie sich durch Zugabe von Vitamin C Absinth in einen gesunden Durstlöscher verwandeln läßt. Da liegt Gold im Dreck! Zudem stellte ich fest, wie sehr selbst Bloggen Spaß macht und den Charakter von - ich könnte das jetzt auch Arbeit nennen - Beschwerlichkeit verliert, wird man nur wie der schwarzbekittelte Meister von einer Gruppe Cheerleader begleitet. (Übrigens: Dieser Link führt Sie auf das Angebot von Youtube.)
Wie kam ich jetzt darauf? Ach so, Herwarth Walden und der Expressionismus. Der war ja mit Else Lasker-Schüler verheiratet, einer nicht völlig unbekannten Wuppertaler Lyrikerin, der - Wuppertal ist von dadaistischem Fluxusfieber durchdrungen - noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, das glaubt jetzt wieder keiner, ein Steuerbescheid zugestellt wurde. Weil nämlich ein Beamter beim Wuppertaler Finanzamt dachte, Lasker-Schüler, Lasker-Schüler, da lese ich doch ständig was von in der Zeitung, ihre eigene Gesellschaft hat die, es gibt Lesungen - wo bleibt eigentlich ihre Einkommenssteuererklärung? Genau. Kann man ja mal nachfragen. Fand man damals ganz lustig, und ist es ja auch.
Jedenfalls bringt mich das zum Blog von Bazon Brock, auch so ein Mensch mit Wuppertaler Wirkung. In meiner Zeit als Bummelstudent schlich ich mich ab und an in seine Vorlesungen, um also erleuchtet verwirrt meinen Weg zu gehen.
Was nutzt uns der Gedanke, dieselben (die Gedanken nämlich) seien frei, wenn der Madensack (id est der Körper) in Ketten liegt? Nüschte nix, das sind nämlich Nobodies, die versuchen, Somebodies zu sein. Wir aber treten lieber nicht auf die Grünflächen. Es reicht, wenn die Gedanken frei sind. "Der Tod ist das einzige Thema, zu dem die Deutschen wirklich etwas Einmaliges, jenen anderen ganz Unverständliches gesagt haben." (B.B.)
Was hat das denn jetzt mit meiner jetzigen Tätigkeit beim Formen kleiner nichtiger Gartendekorationsartikel zu tun? Ach so, ich komm gleich drauf, einen Schluck noch. Bleiche Haut, krude Gedanken. Die Dekorationskunst ist ja nun eine der eher unnützen Künste, anders als z.b. die Hirnchirurgie. Wenn ich mit Medizinern und insbesondere Medizinerinnen verkehre, was ab und an, schaut nicht so überrascht, vorkommt, sagen die, so ein Gartenzwerg, wie putzig, und davon kann man leben? Während ich die Ästhetik eines in Kongo-Rot-gefärbten Zellabstrichs preise und lobe. So ungerecht geht es zu! Dabei wären viele Menschen abends schon ruhiger, könnten sie nur gedankenverloren mit den Fingern über gut verheilte Narben oder die Naht echter Nylons streichen - anstatt ihre Mitmenschen zu drangsalieren und ihren Frust in schmierigen Toiletten in Berlin-Mitte abzubauen. (Heute habe ich nämlich überhaupt erstmals dieses berüchtigte Klo-Video dieses Gründers von diesem Stalker-Verzeichnis in diesem Internetz angesehen.) Laß mich dich unterhalten, mit nicht-normativer Ästhetik hat das jedenfalls nichts zu tun, du Trottel.
Bei den Gartenzwergverarbeitern auch nicht, denn dort wird zusehends, ich lüpfe jetzt mal das Nähkästchen, alles normierter, daß man auf die Grünflächen treten möchte und rufen: Nevermore! Wo bleiben hier die Visionen? Absinth erzeugt wiederum schöne Visionen, aber - so der Hirnchirurg - das tun Aneurysmen auch. So schließt sich der Kreis, es ist eben das Herzblut, das fehlt. Zombifiziert geht man seiner Beschäftigung nach, unalkoholisiert selbstverständlich, nimmt nur noch zur Kenntnis, sortiert die Paletten nach mechanischem Muster.
Kann es das gewesen sein? fragten die, es bleibt beim Thema, Ärzte. Und natürlich heißt die Antwort Nein. Also raus, sein eigenes Grab wühlen, oder besser noch, mal radikal was anderes machen, ehe man als Jedermann sein eigener Duckmäuser! Anti-Dadaist und unpolitischer Surreal-Sackkratzer endet. Etwas besseres als den Tod kann man schließlich überall finden.
Aber dann, denke ich, räum ich doch wie weiland Hermes Phettberg meine Wohnung zamm, trink mir eine alkoholangereicherte Frucade, jammere in mein Blog und träume von dem Tag, als ich sagte, morgen kann ich aber nicht, heute abend ist ja das Konzert von diesem Marilyn Manson.

Dienstag, 21. November 2006
Der jugendliche Amokläufer soll ein "exzessiver" Nutzer von "Killerspielen" gewesen sein. Deshalb, so fordern es Politiker, müssen diese verboten werden.
Das Nachahmungspotential sei zu hoch. Dies gilt glücklicherweise für Leser des Spiegel und Betrachter des aktuellen und überall plakatierten Titelbildes nicht. Soldatenkluft, Knarre und die Forderung, "Die Deutschen müssen das Töten lernen", machten mir sonst noch angst.

Samstag, 18. November 2006
Heute, der Anflug einer Überlegung, mitten im Gewimmel des großstädtischen Konsumsozialgewirrs (ist nicht identisch mit Sozialkonsumgewirr, das ist hier!):
Was mir fehlt, ist ein T-Shirt mit

Montag, 13. November 2006
Prioriäten richtig setzen: Der Weltekel darf nicht vom Blogekel übertönt werden.

Dienstag, 7. November 2006
(Oscar Wilde)
Frau Kaltmamsell lenkte das Augenmerk gerade auf sogenannte Freizeitbekleidung, ein Thema, das mir schon lange am Herzen liegt. Ein weiterer Punkt, der ältere Herrschaften häufig von den jungen unterscheidet: korrekte Kleidung - auch und gerade beim abendlichen
Trunke Bloggen. Nichts empfinde ich als augenschmerzlicher als graugemergelte Jogging-Anzüge und anderweitiger "Home Look" (außer vielleicht das gleißende Licht meiner Zukunft, wie es in dem Lied heißt). Was unsere konservativen Minister und katholischen Würdenträger verschweigen: die Scheidungsquote ist unter anderem auch deshalb so hoch. Selbst für den Besuch an der Nachttanke oder dem Trennmüllcontainer sind ausgeleierte Fummel und Trainingsklamotten denkbar ungeeignet. Ebenfalls geben sie kein gutes Beispiel für unsere Kinder ab - und um die geht es ja schließlich. (Auch wenn es richtig sein mag, daß sich an Nachttanken in der Regel nicht allzuviele Kinder aufhalten.)
Möglicherweise ist nicht gleich der Standort Deutschland in Gefahr, aber ein bißchen innere Zucht und äußere Würde verleihen auch bei scheinbar unbeobachteten Tätigkeiten (Bloggen, Baden, Selbstverwöhnung) ein wohltuendes Maß an Stil und Eleganz. Zum Schlafen kann man die Krawatte aber gern ein wenig lockerer tragen.

Freitag, 3. November 2006
So, geht gleich weiter. Liebe Post, ich weiß, vierter Stock, kein Aufzug, ist immer schwer. Aber Pakete mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" zurückzuschicken, ist ein bißchen faul frech.
Zufällig weiß ich das genauer.
Aber wie schrieb ich in meiner vielgelesenen PR-Broschüre Fröhlich auch an Regentagen - Wie man Massenentlassungen kommuniziert: Muß man immer wieder weitermachen, notfalls mit Singen und Tanzen.

Donnerstag, 2. November 2006
Ist doch immerhin erstaunlich, wie sehr ein lautstark sarkastisch herausgeschmettertes Höflichkeitswort drei dunkler belichtete Männer mit Mangelerziehungshintergrund zusammenzucken und mir dann wenigstens die zweite Tür offenhalten läßt, während ich mich mit drei Tüten im Arm (...und an der Hüfte Bananen) aus dem Gettosupermarkt zu schlängeln anschicke.
(Aus meinem neuen Buch: Wir nennen es Hirnstrom einer Moluskel - Das Leben der neuen Bohème zwischen Scannerkasse und Altglascontainer.)

Dienstag, 31. Oktober 2006
Apropos Aufregung: An Halloween darf man ruhig einen Schädel schänden vernaschen. Vor allem, wenn er so süß ist wie dieser. Die Schädel vernaschen einen ja auch, da kennen die nichts.
(Achtung: No living skulls were harmed during the production of this entry.)
