Dienstag, 1. Juli 2008
Man mag mich einen lockeren Vogel schelten, aber manchmal zieht es mich hinaus mitsamt Leichtbekleidung, Notfallration, Taschenlampe und einem Stück Seil (man weiß nie, in welche Abgründe man gerät). Wasser, Wind, noch mehr Wind und dazu, nun, ein wenig Wasser. Oder Wind. Luft und Liebe, wenn man so will. Ein würziges Käsebrot. Mehr Meer, man verzeihe mir den Kalauer (die Sonne, die Sonne!) brauche ich nicht. Man könnte weniger profan leben, sicher. Sich Gedanken machen!
Immerhin half der Besuch einer kleinen Inselkirche. Immerhin half die Entdeckung eines magischen Wortes: "Produktivspaziergang".
Wave of Mutilation (Pixies): Erstaunlich, was alles bei Ebbe mit wenig zimperlichem Sog an losem Material, Sediment wohl schwerer Herzen, hinausgezogen wird, dorthin, wo die See dunkler und die Gräber tiefer sind. Erstaunlich auch, was die Flut Neues, Überraschendes zurückschwemmt. Ahoi, ahoi, nicht traurig sein! (Palais Schaumburg). Nur Toastbrot unterläuft einen schöneren Produktivzyklus.
Ähnlich gebräunt, aber besser erholt, schaue ich daheim Gib mich die Kirsche. Meine Rückkehr zum Alltagskick. Jetzt noch die Worte finden.
Sonntag, 29. Juni 2008
Ich vermisse euch nur ein bißchen.
Montag, 23. Juni 2008
Ich sah keine Schießerei in der Garage. Ich unterließ bloß, etwas vom Balkon zu werfen, einen ungewöhnlichen Namen zu tragen, eine Erinnerung zu bleiben. Von Holly Golightly den Wetterbericht zu fordern. Nun, bis zur Unkenntlichkeit als Mitglied eines Ukulelenorchesters verkleidet, werde ich mich heimlich aus der Stadt schleichen, immer der Nase, dem Meer und dem Versprechen auf Stille nach.
Dies, man staune, ist bereits die ganze Botschaft.
Montag, 9. Juni 2008
Mir muß man zur Zufriedenheit ja keinen roten Teppich legen, denn das Glück liegt bekanntlich in den kleinen Dingen. Happiness Is A Warm Grill heißt es auf dem weißen Album, mein kleiner schwarzer Koffergrill (Typ "Diplomat") jedoch stand lange schon wie eine verschüchterte Jungfrau in meinem Keller. Letztes Jahr noch schnöde zurückgewiesen, versprach ich ihm am Wochenende mit ernstem Herzen: Heute nun mach' ich dich heiß.
Liebe Menschen trafen sich ein zum legeren Picknickkorbvergleich, zwar nicht in Fontainebleau, sondern zwanglos im Grünfeld nebenan - es kann eben alles so leicht sein, wenn, nächste Binse, das Interesse echt und nicht erzwungen ist. Selbst das Becken mit dem von Natur aus desinfizierenden Wasser lud zur Kühlung ein, dem Vorbild möglichst getreu.
Die kleinen Dinge also, schaumverstärktes Bier, ethikbelastendes Essen, entspanntes Herumlungern und ebensolches Plaudern über Nitrosamine und Alkoholkultur. Aber immer gemach und bloß keinen Neid: Es war nicht exakt so, aber ziemlich nah dran.
Montag, 12. Mai 2008
11. Mai. Man kann den Möwen Schopenhauer deklamieren in der Ostsee baden. Und die Neigungsgruppe Rot & Käppchen hat das Geheimnis des Korbes gelüftet.
Ihr müßt auch mal mehr rausgehen.
Dienstag, 22. April 2008
Ich glaube, ich muß mich erst einmal orientieren, ist ungefähr der Satz, den ich in Wien am häufigsten äußere. Wer ständig träumt, ohne zu schlafen, Bären auf Motorrädern und bildschöne Frauen sieht, nimmt spontan leicht die falsche Abzweigung. Dabei führen doch bekanntlich alle Wege ins Nichts, man kann bis dahin aber auf den unterschiedlichsten Wegen unterschiedlich Schönes erleben. Wenn man nur nicht vergißt, sich wenigstens ab und an in aller gebotenen Ruhe zu orientieren.
Den Kummer binde ich einfach am Naschmarkt mit nachlässiger Ruhe an einen Laternenpfahl. Vielleicht wird er gestohlen, hoffe ich, der Dieb mag auch das Halsband behalten. Vielleicht hat es geklappt, in der Nacht wird viel getrunken und noch mehr gelacht. Alles im Dreivierteltakt, mit konspirativen Geschichten, blitzenden Augen und... einer Selbstverständlichkeit, um die man keine Worte machen muß. Dann sitze ich auf einmal in einem verwunschenen Garten, genieße Kaffee und Kuchen, die Sonne unter einem blühenden Apfelbaum - und die Herzlichkeit eines echten Wiener Drei Mädlhaus. Später besichtigen wir die tolle Werkstatt, die tatsächlich in einem alten Kloster liegt, man spürt die Ruhe, und ich stelle mir vor, wie ich mit einem Aufsitzrasenmäher tagein, tagaus über die Wiesen tucker und das Gras mähe. Ich atme den Geruch von Papier, sehe, wie das Sonnenlicht die alten Maschinen streift. Überhaupt: das schöne Licht, das durch die hohen Fenster fällt. Ich darf mir etwas aussuchen zum Geschenk, ein wunderbares Leerbuch, und ich wähle das mit Böcklins "Toteninsel" als Cover, denn zweifelsfrei hat es dort auf mich gewartet. Lieben Dank, ich habe mich sehr gefreut.
Als ich beim Abflug beim Check-in nach meinem Reiseziel gefragt werde und mit zweifelsfreier Bestimmtheit "Wien" sage, mußte ich mich aber nicht erst einmal orientieren. Das, ich sage auch dies zweifelsfrei, war schlicht ein Freud'scher Versprecher. Nach der Landung in Hamburg entschuldigt man sich für den turbulenten Anflug. Ich nehme es gelassen zur Kenntnis, schließlich bin ich Wirbel am Ende meiner Tragflächen gewöhnt. Ich selbst orientiere mich weiter ganz in Ruhe.
Montag, 21. April 2008
So, Wien. Ich bin dann gleich mal weg. Einerseits schön, wieder nach Hause zu fliegen, andererseits bliebe ich gerne noch hier. Ich habe schon angedroht, bald wiederzukommen. Die Wiener nahmen es gelassen. Jetzt noch schnell Haare kämmen. Sich am Flughafen verwehen lassen.
Sonntag, 20. April 2008
Hilfe! Von Suna und H. durch die Nacht verschleppt worden. Große Schikanederschikane. Bild folgt, sobald ich wieder sehen kann. Toll war's, früh spät & trunken. Nun auf dem Programm: Sonne und etwas frische Luft.
Samstag, 19. April 2008
Anders als manch andere Großstadt, findet Wien auch nach 20.00 Uhr statt. Kann man also weggehen, ein Getränk einnehmen oder zwei. Nach der Touristenrunde, um den Theoriekomplex zu klären, warum Wien so morbide ist, Guten Tag, Herr Freud, begibt sich die Neigungsgruppe Trunk & Reise ohne Bärenkostüm in das erste Praxisseminar. Ich mache einen kleinen Test und laufe zweimal am Lokal vorbei, bis Frau Klugscheißer instinktsicher die Initiative ergreift und uns beide hineinschleift. Wunderbar!
Drinnen warten schon H. und alle, und ich versuche, die Flirtstrategien von B. zu analysieren, mache mir eifrig Notizen im Hinterkopf, jetzt ganz ohne Schmäh, und probiere das Bier des Tages. H. und ich werden für Brüder gehalten, was wir amüsant finden. Zwillinge, nach der Geburt getrennt vielleicht. Gibt es ja alles. Irgendwann taucht überraschend sie auf, und ich freue mich riesig. Sehr. Es wird viel gelacht, zu meinem Kummer, aber gerade im Urlaub gilt: Man kann Dinge ja auch mal anders machen. Ein wunderbarer Abend, den der schweigsamste Taxifahrer, den ich bislang kennenlernte, sicher zu Ende bringt.
Gleich Barney, hinterher wieder freundlich tun sein. Und wie ist das Wetter bei euch?
Freitag, 18. April 2008
Herr Kid philosophiert über dieses "links" und "rechts", von dem man neuerdings soviel hört, und wird von Frau Klugscheißer bei der Problemsammelstelle deponiert
Was will, fragt man sich, der spontaneitätsgebremste Herr Kid, so unvermittelt in der schönen Stadt? Ich kann sagen: Es geht um die Sache! Im Auftrag der Idee Neigungsgruppen Kummer & Trunk für die Welt treffe ich mich nämlich mit der werten Frau Klugscheißer, Betreuerin der Sektion Süd, zum ersten konstitutierenden Gemeinschaftstreffen auf internationaler Ebene. Streng sachlich also, aber auch mit Kulturprogramm.
Weil wir beide katholisch geprägt sind, waren wir als erstes im Stephansdom oder vielleicht als zweites, denn als erstes mußte ja das Wlan eingerichtet werden. Heute gibt es ein Symposium auf dem Zentralfriedhof, bei dem weitere Statuten ausgearbeitet werden sollen. Man muß sich die Reise als ein einziges, erweitertes Arbeitsfrühstück vorstellen. Matthew Barney zeigt in der Kunsthalle - darauf bin ich schon sehr gespannt. Aber locker.